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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-3858/2017

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-3858/2017
Datum:17.10.2017
Leitsatz/Stichwort:Asylwiderruf
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Handlung; Verwerflich; Interesse; Handlungen; Beschwerdeführers; Recht; Bedingten; Flüchtling; Geldstrafe; Taten; Begangen; Verfügung; Asylwiderruf; Bundesverwaltungsgericht; Vorinstanz; Schweiz; Kindern; Verwerfliche; Teilbedingte; Sinne; Entscheid; Freiheitsstrafe; Widerruf; Begründung; Begangene; Verfahren; Teilbedingten; Unterstützung
Rechtsnorm: Art. 10 StGB ; Art. 187 StGB ; Art. 226 StGB ; Art. 260t StGB ; Art. 29 BV ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-3858/2017

U r t e i l  v o m  1 7.  O k t o b e r  2 0 1 7

Besetzung Einzelrichter Simon Thurnheer,

mit Zustimmung von Richterin Esther Marti; Gerichtsschreiberin Irina Wyss.

Parteien A. , geboren am ( ), Irak,

vertreten durch lic. iur. Monika Böckle,

HEKS Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende SG/AI/AR, Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asylwiderruf;

Verfügung des SEM vom 6. Juni 2017 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer reiste am 31. Juli 1994 in die Schweiz ein. Mit Entscheid vom 2. August 1996 anerkannte ihn das damals zuständige Bundesamt für Flüchtlinge (BFF; später: BFM; heute: SEM) als Flüchtling und gewährte ihm Asyl.

B.

Mit Strafbescheid des Bezirksamtes Rohrschach vom 1. Dezember 1997 wurde der Beschwerdeführer wegen Führens eines Motorfahrrades ohne Haftpflichtversicherung und ohne gültiges Kontrollschild sowie wegen Fahrens ohne Führerausweis zu einer Haftstrafe von einem Tag und zu einer Busse von Fr. 300.-, beides bedingt ausgesprochen, verurteilt.

C.

Mit Urteil vom 17. Januar 2002 verurteilte das damalige Bezirksgericht Rorschach den Beschwerdeführer wegen Sexueller Handlungen mit Kindern gemäss Art. 187 Ziff. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom

21. Dezember 1937 (StGB, SR 311.0) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten.

D.

Mit Urteil vom 4. März 2010 verurteilte das Kreisgericht St. Gallen den Beschwerdeführer wegen mehrfacher Sexueller Handlungen mit Kindern zu einer teilbedingten Geldstrafe von 360 Tagessätzen.

E.

Mit Strafbefehl vom 21. Oktober 2015 verurteilte die Bundesanwaltschaft den Beschwerdeführer wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation gemäss Art. 260ter StGB sowie wegen Herstellens, Verbergens, Weiterschaffens von Sprengstoffen und giftigen Gasen gemäss Art. 226 Abs. 3 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten.

F.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 informierte das Migrationsamt des Kantons B. das SEM über die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und beantragte die Aberkennung seiner Flüchtlingseigenschaft, den Widerruf des Asyls sowie die Prüfung einer Ausweisung gemäss Art. 68 AuG (SR 142.20).

G.

Mit Schreiben vom 3. Mai 2017 gewährte das SEM dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör zu einem allfälligen Widerruf des Asyls.

H.

Mit Eingabe vom 31. Mai 2017 führte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertreterin aus, dass die ihm zur Last gelegten Straftatbestände Herstellen, Verbergen, Weiterschaffen von Sprengstoffen und giftigen Gasen sowie Unterstützung einer kriminellen Organisation grundsätzlich geeignet seien, um als besonders verwerfliche Handlung zu gelten. Vorliegend sei jedoch von einer zu geringen Intensität auszugehen, da er trotz drei konkurrierender Straftatbestände lediglich zu sechs Monaten Freiheitsentzug verurteilt worden sei. Zudem sei das Strafverfahren mit Strafbefehl erledigt worden, was ebenfalls auf eine untergeordnete Bedeutung der Delikte hinweise. Seine Haltung zu den Straftaten sei nicht gewürdigt worden, und seine zwischenzeitlich erfolgte Distanzierung von der Unterstützung islamistischen Gedankenguts müsse berücksichtigt werden. Da im Bereich der Sexualstraftaten lediglich eine teilbedingte Geldstrafe ausgesprochen worden sei, müsse auch diesbezüglich die besondere Verwerflichkeit verneint werden.

I.

Mit Verfügung vom 6. Juni 2017 (eröffnet am 8. Juni 2017) widerrief das SEM das Asyl des Beschwerdeführers. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die begangenen Straftaten gesamthaft als verwerfliche Handlungen im Sinne von Art. 53 AsylG (SR 142.31) zu betrachten seien und einen beträchtlichen Intensitätsgrad aufweisen würden. Die islamistischen Propagandaaktivitäten im Internet seien geeignet, die innere und äussere Sicherheit der Schweiz zu verletzen und zu gefährden. Was den Umfang dieser Aktivitäten sowie die Gewichtung des Verschuldens betreffe, sei auf den betreffenden Strafbefehl der Bundesanwaltschaft zu verweisen. Besonders verwerflich erscheine die Weiterverbreitung von im Internet zirkulierenden Anleitungen zur Herstellung von Sprengkörpern. Die gezielte Weiterverbreitung von im Internet zirkulierenden Anleitungen zur Herstellung von Sprengkörpern spiele häufig eine Schlüsselrolle bei der Radikalisierung von dschihadistischen Straftätern, insbesondere wenn es sich dabei um Einzeltäter handle. Dieser Zusammenhänge müsse sich der Beschwerdeführer bewusst gewesen sein, weswegen die Bundesanwaltschaft auch von einer vorsätzlichen Tatbegehung spreche. Ob sich der Beschwerdeführer zwischenzeitlich von der Unterstützung des islamistischen Gedankenguts distanziert habe, könne angesichts der objektiven Gravität

der Tathandlung offenbleiben. Die Internetdelikte würden zudem offenkundig die innere und äussere Sicherheit der Schweiz gefährden. An dieser Einschätzung vermöge auch das vergleichsweise geringe Strafmass von sechs Monaten nichts zu ändern. Das mehrfach begangene Delikt Sexuelle Handlungen mit Kindern stelle offenkundig ebenfalls eine besonders verwerfliche Handlung dar. Auch diesbezüglich sei auf das betreffende Urteil des Kreisgerichts St. Gallen zu verweisen. Obwohl diese Taten bereits in den Jahren 2007 und 2008 begangen worden seien, würden sie angesichts ihrer Gravität auch aus heutiger Sicht keineswegs leichter wiegen. Aufgrund der mehrfachen Begehung sei der Beschwerdeführer zu einer teilbedingten Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt worden.

Zur Verhältnismässigkeit sei auszuführen, dass das öffentliche Interesse an einer Sanktion im Vergleich zu den privaten Interessen des Beschwerdeführers deutlich überwiege. Eine Sanktion derart verwerflicher strafbarer Handlungen eines anerkannten Flüchtlings erscheine insbesondere unter dem Aspekt, dass die sich wohlverhaltenden Flüchtlinge in der Schweiz vor allfälligen negativen Vorurteilen geschützt werden müssten, angezeigt. Ebenfalls zu berücksichtigen sei der generalpräventive Aspekt einer Sanktion. Ausserdem verfüge der Beschwerdeführer über eine Niederlassungsbewilligung C und könne sich demnach trotz des Asylwiderrufs weiterhin in der Schweiz aufhalten und hier arbeitstätig sein. Somit sei ein im öffentlichen Interesse stehender Asylwiderruf klar als verhältnismässig zu erachten.

J.

Mit Eingabe vom 10. Juli 2017 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertreterin gegen diese Verfügung Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung und eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sowie um Beiordnung seiner Rechtsvertreterin als amtlichen Rechtsbeistand. Zur Begründung wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Ausführungen in seiner Stellungnahme im vorinstanzlichen Verfahren. Darüber hinaus brachte er vor, der Verzicht auf den Widerruf der teilbedingten Geldstrafe im Verfahren wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation sowie Herstellen, Verbergen, Weiterschaffen von Sprengstoffen und giftigen Gasen sei von der Bundesanwaltschaft damit begründet worden, dass nicht zu erwarten sei, dass er erneut delinquieren werde. Das milde Strafmass bewege sich trotz Rückfall und wiederholter einschlägiger Delinquenz im unteren Bereich des Strafrahmens und deute damit gerade nicht auf eine objektive Gravität hin. Des Weiteren habe die Vorinstanz ihre Begründungspflicht verletzt, indem sie eine einlässliche Abwägung der in Frage stehenden konkreten Interessen unterlassen habe. Ein Asylwiderruf eigne sich entgegen den Ausführungen der Vorinstanz nicht, um zu erreichen, dass Flüchtlinge durch die negativen Vorurteile der Öffentlichkeit geschützt würden, da solche Vorgänge der Öffentlichkeit gar nicht bekannt seien. Auch das Ziel der Generalprävention könne nicht als Begründung für ein überwiegendes öffentliches Interesse hinzugezogen werden, da es sich um eine individuell-konkrete Interessenabwägung handle, und eine generalpräventive Wirkung der Massnahme eine allgemeine Bekanntheit voraussetze, was eben vorliegend nicht gegeben sei. Individuelle Besonderheiten des Beschwerdeführers wie seine schwerwiegende psychische Beeinträchtigung sowie seine hundertprozentige IV-Rente habe die Vorinstanz nicht erwähnt. Auch sei seine Haltung zu den begangenen Delikten nicht erhoben und gewürdigt worden, wobei seine erfolgte Distanzierung zu islamistisch-terroristischem Gedankengut zu berücksichtigen gewesen wäre. Obwohl sich gemäss Vorinstanz mit der Aberkennung des Asylstatus nicht viel ändere, habe er ein Interesse an dessen Weiterbestand, da er damit dauerhaft vor heimatstaatlicher Verfolgung geschützt sei.

K.

Mit Zwischenverfügung vom 20. Juli 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung ab und erhob einen Kostenvorschuss.

L.

Der Beschwerdeführer leistete den Kostenvorschuss am 28. Juli 2017 fristgerecht.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher

      zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

    2. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreitung des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

3.

Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich vorliegend um eine solche, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).

Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf einen Schriftenwechsel verzichtet.

4.

    1. Vorweg ist zu prüfen, ob die Vorinstanz in ihrer Verfügung die Begründungspflicht verletzt hat.

    2. Der in Art. 29 Abs. 2 BV verankerte und in Art. 29 ff.VwVG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass die verfügende Behörde die Vorbringen des Betroffenen tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt, was sich entsprechend in der Entscheidbegründung niederschlagen muss. Die Begründung ist so abzufassen, dass der Betroffene den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht

      anfechten kann, was nur der Fall ist, wenn sich sowohl der Betroffene als auch die Rechtsmittelinstanz über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können (vgl. BVGE 2007/30 E. 5.6). Die Behörde hat wenigstens die Überlegungen kurz anzuführen, von denen sie sich leiten liess und auf welche sie ihren Entscheid stützt.

    3. Die in der vorinstanzlichen Verfügung aufgeführte Verhältnismässigkeitsprüfung vermag den oben genannten Ansprüchen ohne weiteres zu genügen. Das SEM erwähnte in seiner Begründung zwar tatsächlich keine individuellen Voraussetzungen. Angesichts der - in der Verfügung erwähnten - Tatsache, dass der Beschwerdeführer über eine Niederlassungsbewilligung C verfügt und durch das Non-Refoulement-Gebot vor einer Rückschaffung in den Irak geschützt ist, durfte die Vorinstanz aber ohne weiteres davon ausgehen, dass sich an der persönlichen Situation trotz des Asylwiderrufs nichts ändern wird (vgl. unten E. 5.4). Welche direkt im Zusammenhang mit dem Asylwiderruf stehenden individuellen Gründe hätten erwähnt werden sollen, ist zudem nicht ersichtlich, zumal der Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren keine solchen Gründe geltend machte und solche auch den Akten nicht zu entnehmen sind. Insbesondere die in der Beschwerde angeführte psychische Störung des Beschwerdeführers begründet kein individuelles Interesse, welches gegen die öffentlichen Interessen hätte abgewogen werden müssen, da der Asylwiderruf die Behandlungsmöglichkeiten dieser Störung nicht tangiert. Diesen Ausführungen zufolge ist die Rüge der Begründungspflichtverletzung unbegründet.

5.

    1. Gemäss Art. 63 Abs. 2 AsylG widerruft das SEM das Asyl, wenn ein Flüchtling die innere oder die äussere Sicherheit der Schweiz verletzt hat oder gefährdet oder wenn er besonders verwerfliche strafbare Handlungen begangen hat. Ein solcher Widerruf setzt gemäss konstanter Rechtsprechung eine qualifizierte Asylunwürdigkeit im Sinne von Art. 53 AsylG voraus; mithin muss die "besonders verwerfliche Handlung" qualitativ eine Stufe über der im Sinne von Art. 53 AsylG "verwerflichen Handlung" stehen. Die in Frage stehende Straftat muss demnach mit einer erheblichen Strafe bedroht sein und eine gewisse Intensität aufweisen. Zudem muss bei der Würdigung einer strafbaren Handlung als "besonders verwerflich" im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG der Grundsatz der Verhältnismässigkeit beachtet werden (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2003 Nr. 11).

    2. Nach aktueller Praxis gelten (weiterhin) diejenigen Taten als "verwerfliche Handlungen" im Sinne von Art. 53 AsylG, die als Verbrechen gemäss Art. 10 Abs. 2 StGB zu qualifizieren sind, d.h. mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind (vgl. dazu BVGE 2012/20 E. 4).

    3. Der Beschwerdeführer wurde wegen Sexueller Handlungen mit Kindern gemäss Art. 187 Ziff. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten, wegen mehrfacher Sexueller Handlungen mit Kindern zu einer teilbedingten Geldstrafe von 360 Tagessätzen und wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation gemäss Art. 260ter StGB sowie Herstellen, Verbergen, Weiterschaffen von Sprengstoffen und giftigen Gasen gemäss Art. 226 Abs. 3 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Der Strafrahmen beträgt bei allen Delikten Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, womit sie als Verbrechen zu qualifizieren sind und als „verwerflich“ im Sinne von Art. 53 AsylG gelten.

    4. Im Urteil vom 17. Januar 2002 wegen Sexueller Handlungen mit Kindern wurde festgehalten, dass das Verschulden des Beschwerdeführers nicht leicht wiege. Da das Gericht in diesem Zeitpunkt davon ausging, dass sich der Beschwerdeführer durch einen Aufschub des Strafvollzugs von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lasse, sprach es die zweimonatige Haftstrafe bedingt aus. Gemäss Urteil vom 4. März 2010 betreffend die Straftat Sexuelle Handlungen mit Kindern erachtete das Gericht die mehrfache Tatbegehung als strafschärfend und die einschlägige Vorstrafe des Beschwerdeführers sowie den Umstand, dass er seine Vertrauensposition als Vater ausgenützt habe, als straferhöhend. Strafmildernde Umstände lagen hingegen nicht vor. Das Verschulden des Beschwerdeführers wurde als nicht leicht, eine Geldstrafe jedoch trotzdem noch als möglich erachtet. Da der Beschwerdeführer bereits vorbestraft war und die Begehung des Deliktes bestritt, wurde die Geldstrafe unter Anrechnung der verbüssten Untersuchungshaft teilweise vollzogen. Dem Strafbefehl vom 21. Oktober 2015 (Verurteilung wegen Herstellen, Verbergen, Weiterschaffen von Sprengstoffen und giftigen Gasen sowie Unterstützung einer kriminellen Organisation) ist schliesslich zu entnehmen, dass keine Schuldausschlussgründe vorgelegen haben. Allerdings wurde aufgrund der durch die psychische Störung des Beschwerdeführers verursachten eingeschränkten Steuerungsfähigkeit eine leichtgradige Verminderung der Schuldfähigkeit festgestellt. Die Rückfallgefahr aus forensisch-psychiatrischer Sicht betreffend die erneute Begehung von Straftaten wurde als hoch eingestuft. Ausserdem stellte die Bundesanwaltschaft fest, dass selbst die aufgrund der

      mehrfach begangenen Straftat Sexuelle Handlungen mit Kindern verhängte teilbedingte Geldstrafe den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten habe, erneut straffällig zu werden. Aus diesen beiden Gründen ordnete sie den Vollzug der sechsmonatigen Freiheitsstrafe an. Auf einen Widerruf des bedingt ausgesprochenen Teils der teilbedingten Geldstrafe wurde allerdings aufgrund der unbedingt ausgesprochenen Haftstrafe im Rahmen einer letzten Chance verzichtet und lediglich die diesbezügliche Probezeit verlängert.

      Der Beschwerdeführer ist - unter Berücksichtigung des bisher in die Beurteilung nicht eingeflossenen Strassenverkehrsdelikts - gemäss Akten über einen längeren Zeitraum (1997 bis 2011) insgesamt viermal straffällig geworden. Die von ihm begangenen Straftaten richteten sich vorwiegend gegen die sexuelle Integrität von Minderjährigen und gegen den öffentlichen Frieden beziehungsweise stellen ein „Gemeingefährliches Verbrechen“ (Herstellen, Verbergen, Weiterschaffen von Sprengstoffen und giftigen Gasen) dar. Das Sexualdelikt wurde zudem mehrfach begangen. Das Verschulden des Beschwerdeführers ist von den Gerichten bei beiden Sexualstraftaten als nicht leicht eingestuft worden. Auch das Verhängen einer bedingten Haftstrafe beziehungswiese einer teilbedingten Geldstrafe konnten den Beschwerdeführer nicht davon abhalten, erneut straffällig zu werden. Dass auf den Widerruf der teilbedingten Geldstrafe wegen mehrfach begangener „Sexueller Handlungen mit Kindern“, wie der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde aufführte, aufgrund einer positiven Rückfallprognose verzichtet worden sei, widerspricht den Tatsachen. Dem Strafbefehl ist vielmehr zu entnehmen, dass der Verzicht einzig aufgrund der unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe erfolgte. Die Rückfallgefahr des Beschwerdeführers wurde hingegen, wie bereits ausgeführt, als hoch eingestuft. Angesichts der Anzahl und Wiederholung der Straftaten, der Dauer der Straffälligkeit von mehr als einem Jahrzehnt sowie der Art der verletzten Rechtsgüter muss vorliegend trotz des relativ tiefen Strafmasses auf eine erhebliche kriminelle Energie und eine beträchtliche Intensität der Straftaten geschlossen werden.

    5. Bei der Würdigung der Delikte als besonders verwerflich ist ebenfalls das Kriterium der Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen. Der mit einer behördlichen Anordnung verbundene Eingriff darf demnach für den Betroffenen im Vergleich zur Bedeutung des verfolgten Interesses nicht unangemessen sein (vgl. EMARK 2003 Nr. 11 E. 7 S. 75; vgl. BVGE 2012/20 E. 6).

      In der Rechtsmitteleingabe machte der Beschwerdeführer geltend, aufgrund des dauerhaften Schutzes vor Verfolgung bestehe ein privates Interesse am Weiterbestand des Asylstatus. Diese Ausführungen sind jedoch, wie unten aufgezeigt, nicht geeignet, an den vorstehenden Erwägungen hinsichtlich der Qualifizierung der verübten Straftaten als besonders verwerflich etwas zu ändern, zumal die Flüchtlingseigenschaft nicht widerrufen wurde. Ein Asylwiderruf ist vorliegend insbesondere nicht unverhältnismässig, weil der Beschwerdeführer über einen langen Zeitraum immer wieder delinquierte, offenbar ohne sich des begangenen Unrechts bewusst zu werden. Unverhältnismässig kann der Widerruf auch deshalb nicht sein, weil er die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht einschliesst, womit sich der Verlust des Asylstatus nicht unmittelbar auf die Anwesenheitsberechtigung des Beschwerdeführers in der Schweiz auswirkt. Als Flüchtling verfügt er weiterhin über den Non-Refoulement-Schutz gemäss Art. 33 FK und Art. 5 AsylG. Zudem ist er - auch bei einem allfälligen Widerruf der Niederlassungsbewilligung - als Flüchtling besser gestellt als die übrigen vorläufig aufgenommenen Personen. Demnach stehen dem öffentlichen Interesse an der Bekämpfung und Prävention strafbaren Handelns (und mithin einem Asylwiderruf wegen Begehens einer besonders verwerflichen Straftat), wie das SEM zu Recht festgestellt hat, keine überwiegenden privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber. Nach dem Gesagten erweist sich der Asylwiderruf als verhältnismässig.

    6. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind die begangenen Straftaten somit auch als „besonders verwerflich“ im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG zu qualifizieren (vgl. hierzu auch den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts E-6162/2014 vom 8. April 2015).

6.

Aus diesen Erwägungen folgt, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die Beschwerde ist somit abzuweisen.

7.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750.- festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der in gleicher Höhe einbezahlte Kostenvorschuss ist zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Der in gleicher Höhe einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Simon Thurnheer Irina Wyss

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