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Bundesverwaltungsgericht Urteil C-3162/2017

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts C-3162/2017

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung III
Dossiernummer:C-3162/2017
Datum:18.10.2017
Leitsatz/Stichwort:Alters- und Hinterlassenenversicherung (Übriges)
Schlagwörter : Schweiz; Rente; Kranken; Krankenversicherung; Person; Recht; Verzicht; Altersrente; Personen; Vorinstanz; Interesse; Versicherungspflicht; SAK-act; Wohnsitz; Gesuch; Sicherheit; Mitgliedstaat; Deutschland; Soziale; Gesuchsteller; EUGSTER; Rechtsvorschriften; Einsprache; Umgehung; Urteil; Versicherungsobligatorium; Anspruch
Rechtsnorm: Art. 23 ATSG ;Art. 23 ZGB ;Art. 23 or;Art. 48 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 85b AHVG ;
Referenz BGE:129 V 1; 131 V 164; 132 V 201; 132 V 310; 138 V 206; 141 V 246; 143 V 52
Kommentar:
-, Kommentar zur EG Nr. 883,, Art. 23, 2004

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Das BGer ist mit Entscheid vom 04.12.2017 auf die Beschwerde nicht eingetreten (9C_841/2017)

Abteilung III C-3162/2017

U r t e i l  v o m  1 8.  O k t o b e r  2 0 1 7

Besetzung Richterin Franziska Schneider (Vorsitz),

Richter Daniel Stufetti, Richterin Caroline Bissegger, Gerichtsschreiber Michael Rutz.

Parteien A. ,

Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Ausgleichskasse SAK,

Vorinstanz.

Gegenstand Altersund Hinterlassenenversicherung, Verzicht auf Altersrente, Einspracheentscheid vom 27. April 2017.

Sachverhalt:

A.

Der 1938 geborene, deutsche Staatsangehörige A.

wohnt in

Deutschland (SAK-act. 29), verfügt aber auch in der Schweiz über eine Wohnadresse und eine Niederlassungsbewilligung C (SAK-act. 31). Er bezieht auf der Grundlage einer Beitragszeit von 14 Monaten, einem massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen von Fr. 16‘458.- und der Rentenskala 1 seit dem 1. Mai 2003 eine ordentliche Altersrente der schweizerischen Altersund Hinterlassenenversicherung (AHV) in der Höhe von monatlich Fr. 26.- (Verfügung der Schweizerischen Ausgleichskasse [nachfolgend: SAK oder Vorinstanz] vom 24. Juni 2003; SAK-act. 7). Der deutsche Versicherungsträger richtet ihm ebenfalls seit dem 1. Mai 2003 eine Altersrente in der Höhe von monatlich EUR 1‘061.10 (Stand per

1. Juli 2016: EUR 1‘252.66 brutto) aus (SAK-act. 3).

B.

    1. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2016 teilte A.

      (nachfolgend:

      Gesuchsteller oder Beschwerdeführer) der SAK unter Bezugnahme auf die Verfügung vom 24. Juni 2003 mit, dass er bis auf Weiteres auf die ihm zustehende Zahlung in der Höhe von monatlich Fr. 26.- verzichte. Er bat die SAK um Bestätigung, dass sie diese nicht mehr leisten werde (SAKact. 19). Die SAK wies das Verzichtsgesuch mit Verfügung vom 18. Oktober 2016 ab, weil der Verzicht auf die Altersrente die Interessen von anderen Personen, Versicherungen oder Fürsorgestellen, an die der Gesuchsteller angeschlossen sei, beeinträchtigen würde (SAK-act. 21).

    2. Nachdem der Gesuchsteller gegen diese Verfügung am 2. November 2016 Einsprache erhoben hatte (SAK-act. 22), ersuchte die SAK mit Schreiben vom 6. Februar 2017 die deutsche Rentenversicherung um Prüfung und Mitteilung, ob der Verzicht des Gesuchstellers auf seine schweizerische Altersrente schutzwürdige Interesse von anderen Personen, von Versicherungen oder Fürsorgestellen in Deutschland beeinträchtige, oder beeinträchtigen könnte (SAK-act. 25). Gleichentags forderte die SAK den Gesuchsteller auf, den Grund für den Verzichtsantrag anzugeben (SAKact. 26). Am 17. Februar 2017 teilte dieser mit, dass er Wohnsitz in Deutschland und in der Schweiz habe. Ihm sei im Jahr 2016 mitgeteilt worden, dass die geringe schweizerische Rente eine Krankenversicherungspflicht in der Schweiz auslöse. Er verfüge aber in Deutschland über eine Krankenversicherung, die auch in der Schweiz anfallende Krankheitskosten zahle. Durch den Verzicht auf die schweizerische Rente wolle er die

      Voraussetzungen dafür schaffen, nur eine Krankenversicherung in Deutschland zu benötigen und eine unzulässige Doppelversicherung zu vermeiden (SAK-act. 28).

    3. Mit Entscheid vom 27. April 2017 wies die SAK die Einsprache ab. Zur Begründung hielt sie im Wesentlichen fest, dass das Ziel des Gesuchstellers, sich der Krankenversicherungspflicht in der Schweiz zu entziehen, indem er auf seine schweizerische Altersrente verzichte, einer Umgehung der gesetzlichen Vorschriften über die Krankenversicherung gleichkomme und auch die schutzwürdigen Interessen der schweizerischen Krankenversicherung verletze (SAK-act. 30).

    4. Mit undatiertem Schreiben (Eingang bei der SAK am 1. Mai 2017) teilte die deutsche Rentenversicherung auf die Anfrage vom 6. Februar 2017 hin mit, dass der Verzicht auf die schweizerische Altersrente keine Auswirkungen auf die Zahlung der deutschen Altersrente habe. Der Gesuchsteller habe seinen Wohnsitz in Deutschland und es würden Beiträge zur deutschen Krankenund Pflegeversicherung von der Rente einbehalten. Auf die Krankenversicherung habe der Verzicht somit auch keine Auswirkung (SAK-act. 32).

C.

Gegen den Einspracheentscheid vom 27. April 2017 erhob der Gesuchsteller mit einer von der SAK am 29. Mai 2017 überwiesenen Eingabe vom

18. Mai 2017 (Poststempel: 20. Mai 2017) Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte sinngemäss, dass der angefochtene Einspracheentscheid aufzuheben und das Verzichtsgesuch gutzuheissen sei (BVGer-act. 1).

D.

Die Vorinstanz schloss in ihrer Vernehmlassung vom 6. Juli 2017 auf Abweisung der Beschwerde (BVGer-act. 3).

E.

Mit Replik vom 10. August 2017 hielt der Beschwerdeführer sinngemäss an seinen beschwerdeweise gestellten Rechtsbegehren fest (BVGeract. 6).

F.

Die Vorinstanz verzichtete mit Eingabe vom 17. August 2017 auf eine Duplik (BVGer-act. 8).

G.

Mit Instruktionsverfügung vom 23. August 2017 wurde der Schriftenwechsel abgeschlossen (BVGer-act. 9).

H.

Auf den weiteren Inhalt der Akten sowie der Rechtsschriften ist - soweit erforderlich - in den nachfolgenden Erwägungen einzugehen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig (Art. 85bis Abs. 1 AHVG [SR 831.10] sowie Art. 31, 32 und 33 Bst. d VGG). Der Beschwerdeführer ist als Adressat des angefochtenen Einspracheentscheids durch diesen besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Abänderung, weshalb er zur Erhebung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 48 Abs. 1 VwVG; siehe auch Art. 59 ATSG [SR 830.1]). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten (Art. 50 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 VwVG; siehe auch Art. 60 ATSG).

2.

Anfechtungsobjekt und damit Begrenzung des Streitgegenstandes des vorliegenden Beschwerdeverfahrens (vgl. BGE 131 V 164 E. 2.1) bildet der Einspracheentscheid vom 27. April 2017, mit dem die Vorinstanz in Bestätigung ihrer Verfügung vom 18. Oktober 2016 das Gesuch des Beschwerdeführers um Verzicht auf seine schweizerischen Altersrente abgewiesen hat. Prozessthema ist damit die Zulässigkeit eines Leistungsverzichts im Sinn von Art. 23 Abs. 1 ATSG.

3.

Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger, weshalb auf den vorliegenden grenzüberschreitenden Sachverhalt mit Bezug zur EU das am 1. Juni 2002 in Kraft getretene Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) und die Regelwerke der Gemeinschaft zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gemäss Anhang II des FZA, namentlich die für die Schweiz am 1. April 2012 in Kraft getretenen Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: VO

883/2004) und Nr. 987/2009 (SR 0.831.109.268.11), zur Anwendung gelangen. Im Rahmen des FZA ist auch die Schweiz als «Mitgliedstaat» im Sinne der Koordinierungsverordnungen zu betrachten (Art. 1 Abs. 2 Anhang II FZA; vgl. BGE 141 V 246 E. 2.1). Soweit weder das FZA und die gestützt darauf anwendbaren gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte - wie bezüglich der hier zu beurteilenden Verzichtsproblematik - keine abweichenden Bestimmungen vorsieht, ist mangels einer einschlägigen gemeinschaftsbzw. abkommensrechtlichen Regelung auf die innerstaatliche Rechtsordnung abzustellen (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG] H 234/04 vom 27. April 2005 E. 2.1).

4.

    1. Gemäss dem im vorliegenden Fall in zeitlicher Hinsicht anwendbaren Art. 23 Abs. 1 ATSG (vgl. Urteil des EVG H 234/04 vom 27. April 2005

      E. 2.2 und 6.2.1) kann die berechtigte Person auf Versicherungsleistungen verzichten. Sie kann den Verzicht jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Verzicht und Widerruf sind schriftlich zu erklären. Verzicht und Widerruf sind gemäss Art. 23 Abs. 2 ATSG nichtig, wenn die schutzwürdigen Interessen von anderen Personen, von Versicherungen oder Fürsorgestellen beeinträchtigt werden oder wenn damit die Umgehung gesetzlicher Vorschriften bezweckt wird. Nach Art. 23 Abs. 3 ATSG hat der Versicherer der berechtigten Person Verzicht und Widerruf schriftlich zu bestätigen. In der Bestätigung sind Gegenstand, Umfang und Folgen des Verzichts und des Widerrufs festzuhalten.

    2. Nach der Rechtsprechung ist ein Verzicht auf Leistungen der AHV und IV im Sinn von Art. 23 Abs. 1 ATSG nicht regelmässig, sondern nur in Ausnahmefällen zulässig, sofern ein schutzwürdiges Interesse der leistungsberechtigten Person vorliegt und keine Interessen anderer Beteiligter dadurch beeinträchtigt werden (Urteil des EVG H 234/04 vom 27. April 2005 E. 2.1 mit Hinweis auf BGE 129 V 1; Urteil des BGer 9C_576/2010 vom 26. April 2011 E. 4.3.2). Die Umgehung von gesetzlichen Vorschriften verdient keinen Schutz, was sich bereits aus dem Grundsatz des Verbots des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens ergibt, welcher auch im Sozialversicherungsrecht massgebend ist. Insoweit hat die Bezugnahme im Art. 23 Abs. 2 ATSG auf den Tatbestand der Umgehung gesetzlicher Vorschriften keine eigenständige Bedeutung (UELI KIESER, Kommentar zum ATSG, 3. Aufl. 2015, N 47 f. zu Art. 23).

5.

Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz die Voraussetzungen unter denen auf eine Altersrente verzichtet werden kann, hier zu Recht verneint hat.

    1. Die Vorinstanz sieht in der Absicht des Beschwerdeführers, sich der Krankenversicherungspflicht in der Schweiz zu entziehen, indem er auf seine schweizerische Altersrente verzichte, eine Umgehung der gesetzlichen Vorschriften über die Krankenversicherung. In ihrer Vernehmlassung hält die Vorinstanz dazu fest, dass ihre Recherchen ergeben hätten, dass für eine Person mit Wohnsitz in der Schweiz unabhängig von der Staatsangehörigkeit die Krankenversicherung obligatorisch sei. Es bestehe hingegen dann keine Versicherungspflicht in der Schweiz, wenn ein Staatsangehöriger eines EU-Staats in der Schweiz wohne und ausschliesslich aus einem EU-Staat eine Rente beziehe. Wenn der Beschwerdeführer Wohnsitz in der Schweiz habe, was aber zu bezweifeln sei, müsste er eine Krankenversicherung in der Schweiz abschliessen.

    2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er über eine Krankenversicherung in Deutschland verfüge, die auch die Krankheitskosten abdecke, welche in der Schweiz anfielen. Es gebe auch die Möglichkeit, in der Schweiz zu wohnen, ohne Verpflichtung eine schweizerische Krankenversicherung abzuschliessen. Er wolle mit dem Verzicht auf die schweizerische Altersrente nur vermeiden, dass er zwei Krankenversicherungen abschliessen müsse. Der von der Vorinstanz geforderte Abschluss einer schweizerischen Krankenversicherung würde dazu führen, dass für die gleichen medizinischen Aufwendungen Ansprüche gegenüber zwei verschiedenen Versicherern bestünden. Eine solche Doppelversicherung wäre unzulässig und müsse vermieden werden.

    3. Nach Art. 3 Abs. 1 KVG (SR 832.10) muss sich jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme oder der Geburt in der Schweiz für Krankenpflege versichern oder von ihrem gesetzlichen Vertreter beziehungsweise ihrer gesetzlichen Vertreterin versichern lassen. Für die gesamte Schweiz gilt somit ein Versicherungsobligatorium (BGE 143 V 52 E. 4). Art. 1 der vom Bundesrat erlassenen KVV (SR 832.102) präzisiert, dass Personen mit Wohnsitz im Sinn von Art. 23 bis 26 ZGB in der Schweiz der Versicherungspflicht nach Art. 3 KVG unterstehen (Abs. 1). Zudem erklärt Art. 1 Abs. 2 Bst. f KVV - neben den Personen mit einem zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz - Personen mit einer Kurzaufenthaltsoder einer Aufenthaltsbewilligung nach dem FZA oder dem

      EFTA-Abkommen, die mindestens drei Monate gültig ist, als versicherungspflichtig (vgl. GEBHARD EUGSTER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum KVG, 2010, Art. 3 Rz. 16).

    4. Art. 3 Abs. 2 KVG berechtigt den Bundesrat, Ausnahmen von der grundsätzlichen Versicherungspflicht vorzusehen. In Art. 2 Abs. 1 KVV und in Art. 6 Abs. 1 KVV hat der Bundesrat gestützt darauf die Personenkategorien aufgezählt, die von vornherein, das heisst ex lege, vom Versicherungsobligatorium ausgenommen sind. Es handelt sich dabei um die aktiven und pensionierten Bundesbediensteten, die der Militärversicherung unterstellt sind (Art. 2 Abs. 1 Bst. a KVV), um Personen, die sich ausschliesslich zur ärztlichen Behandlung oder zur Kur in der Schweiz aufhalten (Art. 2 Abs. 1 Bst. b KVV), und um gewisse Personen mit Vorrechten nach internationalem Recht (Art. 6 Abs. 1 KVV). Ausserdem sind in Art. 2 Abs. 1 Bst. c-g KVV insbesondere diejenigen Personenkategorien aufgezählt, die aufgrund der Kollisionsnormen des Freizügigkeitsabkommens gar nicht den schweizerischen Rechtsvorschriften unterstehen und von der schweizerischen Versicherungspflicht ausgenommen sind (vgl. BGE 143 V 52 E. 5.2; Urteil des EVG K 25/05 vom 29. März 2006 E. 3.2 und 8.4). Darunter fallen unter anderem Personen, die keinen Anspruch auf eine schweizerische Rente haben, aber nach dem Freizügigkeitsabkommen sowie seinem Anhang II Anspruch auf eine Rente eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder nach dem EFTA-Abkommen, seinem Anhang K und Anlage 2 zu Anhang K Anspruch auf eine isländische oder norwegische Rente haben (Art. 2 Abs. 1 Bst. e KVV). Sodann ist in Art. 2 Abs. 2-8 KVV die Möglichkeit für verschiedene Personenkategorien geregelt, auf Gesuch hin vom Versicherungsobligatorium befreit zu werden.

    5. Mit der bis 2. April 2018 gültigen Niederlassungsbewilligung C (SAKact. 31) verfügt der Beschwerdeführer als Angehöriger eines EU-Mitgliedstaats über eine Aufenthaltsbewilligung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Bst. f KVV und ist damit hier grundsätzlich versicherungspflichtig, soweit kein Ausnahmetatbestand im Sinn von Art. 2 KVV vorliegt (vgl. Urteil des EVG K 25/05 vom 29. März 2006 [nicht in BGE 132 V 201 publizierte] E. 6.1; vgl. auch BGE 143 V 52 E. 4) bzw. er aufgrund der Kollisionsnormen des FZA überhaupt den schweizerischen Rechtsvorschriften unterliegt. Mit seiner Verzichtserklärung bezweckt der Beschwerdeführer, der aktuell sowohl nach deutschen wie nach schweizerischen Recht eine Altersrente bezieht, die Erfüllung des in Art. 2 Abs. 1 Bst. e KVV für eine Nichtunterstellung unter die Versicherungspflicht in der Schweiz vorausgesetzten Tatbestandselements «keinen Anspruch auf eine schweizerische Rente haben». Die in

      Art. 2 Abs. 1 Bst. e KVV normierte Nichtunterstellung unter das schweizerischen Versicherungsobligatorium von Rentnern, die keinen Anspruch auf eine schweizerische Rente haben, aber eine Rente aus einem anderen Mitgliedstaat beziehen, gründet wie erwähnt auf den Kollisionsnormen des Freizügigkeitsabkommens (vgl. GEBHARD EUGSTER, Die obligatorische Krankenpflegeversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Band XIV,

      3. Aufl. 2016, S. 423 Rz. 47; zit.: Soziale Sicherheit), weshalb die Frage, ob der Rentenverzicht eine Umgehung des schweizerischen Versicherungsobligatoriums zur Folge hat, im Lichte der Bestimmungen der VO 883/2004 zu prüfen ist.

    6. Titel II der VO 883/2004 (Art. 11 ff.) enthält allgemeine Kollisionsregeln zur Bestimmungen der anzuwenden Rechtsvorschriften. Dabei legt Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004 den kollisionsrechtlichen Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften in dem Sinne fest, dass für jede betroffene Person die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats massgebend sind. Eine Person unterliegt stets der Versicherungspflicht eines einzigen Staats (Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004). Zweck ist die Vermeidung von doppelten Versicherungspflichten (vgl. BEAT MEYER, Krankenversicherung [Versicherte und Finanzierung], in: Recht der Sozialen Sicherheit, Handbücher für die Anwaltspraxis, Band XI, 2014, S. 439 Rz. 12.23; EUGSTER , Soziale Sicherheit, S. 435 Rz. 85 mit Hinweisen). Eine Versicherungspflicht in zwei oder mehr Staaten ist nicht vorgesehen (vgl. Leitfaden der Gemeinsamen Einrichtung KVG über die Krankenversicherung mit Bezug zur EU/EFTA und über die Leistungsaushilfe für Personen mit einer Grundversicherung in der Schweiz [Stand: 6. Juli 2017], S. 22, abrufbar unter www.kvg.org> Versicherer>Koordinationsrecht>Leitfaden). Nichterwerbstätige sind ebenfalls den Rechtsvorschriften (nur) eines Mitgliedstaats unterstellt. Nach Art. 11 Abs. 3 Bst. e VO Nr. 883/2004 unterliegen sie den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, sofern nichts anderes bestimmt ist. Dabei handelt es sich um einen eigenen Anspruch auf Grund des Wohnorts (BGE 143 V 52 E. 6.2.2).

    7. Titel III der VO 883/2004 (Art. 23 ff.) regelt den Sachleistungsanspruch von Rentnern bei Krankheit. Die Leistungsaushilferegeln und die Bestimmung des primär zuständigen Trägers in Art. 23 ff. VO 883/2004 definieren bei Rentnern auch das anzuwendende Recht bezüglich der Versicherteneigenschaft (vgl. BGE 143 V 52 E. 6.3.2; BGE 138 V 206 E. 2.3; EUGSTER,

      Soziale Sicherheit, S. 441 Rz. 109; Leitfaden, S. 32). Art. 23 VO 883/2004 ordnet die alleinige und endgültige Leistungszuständigkeit des Trägers des Wohnortstaates für Mehrfachrentner und damit auch die Anwendung der

      Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates an. Namentlich gilt das Statusrecht des Wohnmitgliedstaats (FRANK SCHREIBER, in: Kommentar zur VO (EG) Nr. 883/2004, 2012, Art. 23 Rz. 6). Nach Art. 23 VO 883/2004 hat

      bei Doppeloder Mehrfachrentnern eine Krankenversicherung im Wohnstaat Vorrang, wenn von dort eine Rente bezogen wird, unabhängig von der Höhe der Rente (ROLF SCHULER, in: Kommentar zum europäischen Sozialrecht, 6. Aufl. 2013., Art. 23 Rz. 3; vgl. Leitfaden, S. 33). Ein Angehöriger eines EU-Mitgliedstaats, der nur eine Rente eines EU-Mitgliedstaats bezieht, und sich in der Schweiz niederlässt, bleibt dagegen grundsätzlich der Krankenversicherung des Rentenstaats angeschlossen. Er ist trotz Wohnsitz in der Schweiz hier nicht versicherungspflichtig (EUGSTER, Soziale Sicherheit, S. 442 Rz. 110; Leitfaden, S. 44). Bei solchen sogenannten Einfachrentnern gilt das Statut der Rentenleistung, das sich aus Art. 24 VO 883/2004 ergibt (SCHULER, a.a.O., Art. 23 Rz. 8 f.).

    8. Anknüpfungspunkt bei Art. 23 und 24 VO 883/2004 ist ein tatsächlicher Rentenbezug, eine blosse Rentenberechtigung reicht nicht aus, was der berechtigten Person Gestaltungsräume eröffnen kann, beispielsweise durch die Inanspruchnahme des Rechts auf einen Rentenaufschub im Sinn von Art. 39 AHVG oder einen Rentenvorbezug im Sinn von Art. 40 AHVG (EUGSTER, Soziale Sicherheit, S. 441 f. Rz. 109; vgl. auch SCHULER, a.a.O., Vorbemerkungen zu Art. 23 ff. Rz. 9; SCHREIBER, a.a.O., Art. 23 Rz. 3 ff.). Hingegen räumt Art. 23 VO 883/2004 kein Wahlrecht hinsichtlich des Krankenversicherungsstatuts ein. Ein vollständiger Rentenverzicht liefe jedoch auf ein Wahlrecht hinaus, das die vorgesehene kollisionsrechtliche Zuständigkeitsordnung untergraben und dem Zweck von Art. 23 VO 883/2004 widersprechen würde (vgl. SCHREIBER, a.a.O., Art. 23 Rz. 4; siehe auch EUGSTER, Soziale Sicherheit, S. 441 f. Rz. 109). Aus diesem Grund ist das Vorgehen des Beschwerdeführers als unzulässige Gestaltung des Krankenversicherungsstatuts zu betrachten und widerspricht der kollisionsrechtlichen Konzeption der VO 883/2004. Dem Rentenverzicht liegen damit keine schutzwürdigen Interessen des Beschwerdeführers zugrunde, woran auch der tiefe Betrag der schweizerischen Rente nichts ändert. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Vorgehen des Beschwerdeführers als Umgehung des schweizerischen Versicherungsobligatoriums betrachtet, zumal die Ausnahmen von der Versicherungspflicht und damit von der Zugehörigkeit zur Solidargemeinschaft einer restriktiven Interpretation unterliegen (BGE 132 V 310 E. 8.3).

    9. Die Frage, ob der Beschwerdeführer überhaupt einer Versicherungspflicht in der Schweiz betreffend die Krankenversicherung unterliegt - was

bei einem Wohnsitz in Deutschland zu verneinen wäre - ist hier nicht zu entscheiden, zumal dies nicht vom Streitgegenstand erfasst wird. Die Versicherungsunterstellung ist von der hierfür zuständigen Behörde zu beurteilen und vorliegend auch nicht massgebend. Entscheidend ist hier nicht, ob ein Verzicht auf die Altersrente aktuell zu einer Vermeidung eines Versicherungsobligatoriums der Krankenversicherung in der Schweiz führt, sondern dass dem Rentenverzicht kein schutzwürdiges Interesse zugrunde liegt. Ein solches schutzwürdiges Interesse ist auch nicht in der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vermeidung einer unzulässigen Doppelversicherung zu erblicken, stellen doch die kollisionsrechtlichen Normen sicher, dass eine Person nur der Versicherungspflicht in einem Mitgliedstaat unterstellt ist (siehe oben E. 5.8; vgl. auch EUGSTER, Soziale Sicherheit, S. 424 Rz. 50). Weiter wird dem Interesse des Beschwerdeführers an der Beibehaltung des bisherigen Versicherungsschutzes in Deutschland trotz einer allfälligen Unterstellung unter die schweizerische Krankenversicherung durch die Befreiungstatbestände von Art. 2 Abs. 7 und 8 KVV, deren Voraussetzungen hier ebenfalls nicht zu prüfen sind, genügend Rechnung getragen.

6.

Die angefochtene Verfügung vom 27. April 2017 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die dagegen erhobene Beschwerde ist unbegründet und somit abzuweisen.

7.

Das Verfahren ist kostenlos (Art. 85bis Abs. 2 AHVG), weshalb keine Verfahrenskosten zu erheben sind. Die obsiegende Vorinstanz hat als Bundesbehörde keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 7 Abs. 3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 73.320.2]). Dem unterliegenden Beschwerdeführer ist entsprechend dem Verfahrensausgang ebenfalls keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG e contrario).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • den Beschwerdeführer (Einschreiben mit Rückschein)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. [ ]; Einschreiben)

  • das Bundesamt für Sozialversicherungen (Einschreiben)

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Franziska Schneider Michael Rutz

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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