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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-4649/2016

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-4649/2016

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-4649/2016
Datum:24.02.2017
Leitsatz/Stichwort:Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren)
Schlagwörter : Italien; Dublin; Dublin-III-VO; Alter; Behörde; Behörden; Identität; Person; Mitgliedstaat; Verfahren; Recht; Befragung; Asylgesuch; Minderjährigkeit; Antrag; Dokument; Knochenalter; Asyls; Überstellung; Asylsuchende; Schweiz; Akten; Zuständigkeit
Rechtsnorm: Art. 48 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-4649/2016

U r t e i l  v o m  2 4.  F e b r u a r  2 0 1 7

Besetzung Richterin Daniela Brüschweiler (Vorsitz), Richterin Sylvie Cossy, Richter Walter Lang, Gerichtsschreiberin Susanne Burgherr.

Parteien A. , geboren am ( ), Eritrea,

vertreten durch MLaw Livia Kunz, Beschwerdeführerin,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren);

Verfügung des SEM vom 15. Juli 2016 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Die Beschwerdeführerin suchte am 12. April 2016 in der Schweiz um Asyl nach. Auf dem von ihr ausgefüllten Personalienblatt gab sie als Geburtsdatum den ( ) 2000 an (vgl. vorinstanzliche Akten A1). Identitätsdokumente gab sie keine ab.

B.

Eine vom SEM am 18. April 2016 in Auftrag gegebene Handknochenanalyse vom 19. April 2016 ergab ein Knochenalter der Beschwerdeführerin von achtzehn Jahren oder mehr (vgl. A5).

C.

Anlässlich ihrer summarischen Befragung im Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) B. vom 25. April 2016 machte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, sie sei eritreische Staatsangehörige und stamme aus C. . Sie wisse von ihrer Mutter, dass sie sechzehn Jahre alt sei. Ihre Mutter sei 46 Jahre alt, ihr Vater etwa 48 Jahre. Sie wisse nicht, wie alt ihre Mutter bei ihrer Geburt gewesen sei; vermutlich ungefähr dreissig. Sie sei mit fünf Jahren in die Schule eingetreten und habe die zehnte Klasse Ende März 2015 im Alter von fünfzehn Jahren abgebrochen. Sie habe nie einen Pass oder eine Identitätskarte besessen. Sie werde versuchen, über Nachbarn mit ihrer Mutter, die selbst kein Telefon besitze, Kontakt aufzunehmen, damit diese ihr einen Taufschein und eine Kopie ihrer Identitätskarte schicke.

Im Rahmen des ihr bei dieser Befragung gewährten rechtlichen Gehörs zum Ergebnis der Handknochenanalyse bestritt die Beschwerdeführerin, bereits volljährig zu sein. Sie sei während der dritten Invasion in C. zur Welt gekommen, wisse aber nicht, ob es Dokumente gebe, die das belegen könnten. Das SEM informierte die Beschwerdeführerin, dass sie aufgrund erheblicher Zweifel an der geltend gemachten, indes nicht belegten Minderjährigkeit als volljährig angesehen werde. Ihr Geburtsdatum werde entsprechend auf den ( ) datiert.

Im weiteren Verlauf der summarischen Befragung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe Eritrea am 1. April 2015 ohne Absprache mit ihren Eltern zusammen mit einer Tante verlassen, um dem Einzug in den Militärdienst, der ihr nach dem elften Schuljahr gedroht hätte, zu entgehen. Via Äthiopien, Sudan und Ägypten sei sie Ende März oder anfangs April 2016 nach Italien gelangt. Dort sei sie von ihrer Tante getrennt worden. Sie wisse

nicht, wo sich die Tante nun aufhalte. Sie sei in Italien weder fotografiert worden noch habe sie ihre Fingerabdrücke gegeben oder ein Asylgesuch gestellt. Sie sei von den italienischen Behörden an einem ihr nicht namentlich bekannten Ort mit Essen versorgt worden und Freundinnen hätten sie dann bis nach D. mitgenommen. Dort habe sie Kontakt zu einem Hilfswerk gehabt. Von D. aus sei sie in die Schweiz gereist. Sie verfüge hierzulande über keine Bezugspersonen.

Im Rahmen des ihr gewährten rechtlichen Gehörs zur allfälligen Zuständigkeit Italiens zur Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens und zu einer Überstellung nach Italien brachte die Beschwerdeführerin vor, sie möchte nicht nach Italien zurückkehren. Sie habe dort keine Fingerabdrücke gegeben. Zudem habe sie mitbekommen, dass man in Italien weder arbeiten noch zur Schule gehen könne. Sie möchte aber die Schule besuchen und eine Ausbildung absolvieren. Sie leide an ( ). Zudem bereite ihr ( ) aufgrund einer Deformation beim ( ) Probleme.

Bezüglich der weiteren Aussagen beziehungsweise Einzelheiten des rechtserheblichen Sachverhalts wird auf das Protokoll bei den Akten verwiesen (vgl. A7).

D.

Am 10. Mai 2016 ersuchte das SEM die italienischen Behörden um Übernahme der Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom

26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (nachfolgend: Dublin-III-VO).

Die italienischen Behörden nahmen innerhalb der festgelegten zweimonatigen Frist keine Stellung zu dem Überstellungsersuchen.

E.

Am 29. Juni 2016 reichte die Beschwerdeführerin beim SEM ein als „Baptism Certificate“ betiteltes Dokument ein.

F.

    1. Mit Verfügung vom 15. Juli 2016 - eröffnet am 22. Juli 2016 - trat das SEM in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG (SR 142.31) auf das Asylgesuch nicht ein, ordnete die Wegweisung aus der Schweiz nach Italien an und forderte die Beschwerdeführerin auf, die Schweiz spätestens

      am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen. Gleichzeitig stellte es fest, einer allfälligen Beschwerde gegen den Entscheid komme keine aufschiebende Wirkung zu, und verfügte die Aushändigung der editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis an die Beschwerdeführerin.

    2. Zur Begründung führte das SEM im Wesentlichen aus, die italienischen Behörden hätten zum Übernahmeersuchen vom 10. Mai 2016 innert Frist keine Stellung genommen, womit die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens am 11. Juli 2016 an Italien übergegangen sei. Die aufgrund erheblicher Zweifel an der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Minderjährigkeit veranlasste Handknochenanalyse habe ein Knochenalter von achtzehn oder mehr Jahren ergeben. Dies stelle eine beträchtliche Abweichung zum angegebenen Alter von sechzehn Jahren dar. Dem „Baptism Certificate“ komme keine Beweiskraft zu, da es sich dabei nicht um ein amtliches Dokument handle, das überdies unvollständig ausgefüllt und mit keinem Lichtbild versehen worden sei. Zudem hätten die italienischen Behörden der Aufnahme der Beschwerdeführerin stillschweigend zugestimmt, womit davon ausgegangen werden könne, dass sie in Italien als volljährig angesehen werde. Die Beschwerdeführerin werde deshalb als volljährige Person behandelt.

Durch den Abgleich der Fingerabdrücke mit der Zentraleinheit „Eurodac“ stehe zweifelsfrei fest, dass die Beschwerdeführerin am 30. März 2016 in Italien als illegal eingereiste Person registriert worden sei. Italien sei Signatarstaat des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) und der EMRK und es lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich nicht an seine völkerrechtlichen Verpflichtungen halten und das Asylund Wegweisungsverfahren nicht korrekt durchführen würde. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bei einer Überstellung nach Italien gravierenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, in eine existenzielle Notlage geraten oder ohne Prüfung ihres Asylgesuchs und unter Verletzung des Non-Refoulement-Gebots in ihr Heimatland überstellt würde. Das Asylund Aufnahmesystem in Italien weise zudem keine systemischen Mängel auf. Gründe gemäss Art. 16 Abs. 1 Dublin-III-VO, welche die Schweiz verpflichten würden, das Asylgesuch der Beschwerdeführerin zu prüfen, lägen nicht vor. Auch seien keine Gründe gegeben, welche die Anwendung der Souveränitätsklausel gemäss Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO oder Art. 29a Abs. 3 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (AsylV 1, SR 142.311) gebieten würden. Mit dem Einwand, gehört zu haben, dass man in Italien nicht arbeiten oder zur Schule gehen könne, vermöge die Beschwerdeführerin keine Umstände darzulegen, welche die Anwendung der Souveränitätsklausel aus humanitären Gründen rechtfertigen könnten. Italien habe die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (sog. Aufnahmerichtlinie), die zahlreiche Mindestnormen für die Aufnahme und Betreuung von Asylsuchenden beinhalte, umgesetzt und die Beschwerdeführerin könne sich an die dort zuständigen Behörden wenden, um eine Unterkunft und sozialstaatliche Unterstützung zu erhalten oder Hilfe bei der Arbeitssuche oder dem Schulbesuch in Anspruch zu nehmen. Es sei aber darauf hinzuweisen, dass in keinem Staat eine Garantie auf eine bezahlte Erwerbstätigkeit bestehe. Zusätzlich könne die Beschwerdeführerin auch bei einer der zahlreich vorhandenen karitativen Organisationen um Hilfe ersuchen. Bezüglich der gesundheitlichen Probleme könne sie sich in Italien an eine medizinische Institution wenden.

G.

    1. Mit Eingabe vom 28. Juli 2016 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertreterin (Vollmacht datierend vom 27. Juli 2016) beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde, worin um Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung und um Rückweisung der Sache an das SEM zur Neubeurteilung, eventualiter um Feststellung der Zuständigkeit der Schweiz und um Anweisung des SEM, auf das Asylgesuch einzutreten, ersucht wurde. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde um Erteilung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und - unter Verweis auf eine Fürsorgeabhängigkeitsbestätigung vom 27. Juli 2016 - um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung sowie um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht.

    2. Zur Begründung machte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, dem „Baptism Certificate“ sei Beweiswert zuzumessen, auch wenn es sich nicht um ein amtliches Dokument handle. Taufurkunden würden oft kein Foto enthalten. Das Dokument sei vollständig ausgefüllt, nur die englische Übersetzung fehle. Das darin vermerkte Alter entspreche ihren Angaben; wie bei Frauen in Eritrea üblich, sei die Urkunde achtzig Tage nach der Geburt - vorliegend am ( ) 2000 - ausgestellt worden. Das SEM könne zwar gemäss Art. 17 Abs. 3bis AsylG ein Altersgutachten veranlassen, wenn Hinweise auf Volljährigkeit bestehen würden, aber vorliegend sei die Knochenaltersanalyse schon vor der Befragung angeordnet wor-

den, mithin zu einem Zeitpunkt als noch gar keine Hinweise auf Volljährigkeit hätten vorliegen können. Zudem sei aus den Akten nicht ersichtlich, ob sie über die Gründe für den Eingriff informiert worden sei und in diesen eingewilligt habe. Das Formular zur Einsicht in medizinische Akten habe sie erst bei der Befragung unterzeichnet, weshalb es fraglich sei, ob das SEM die Ergebnisse der Handknochenaltersanalyse schon vorher habe einsehen dürfen. Laut Rechtsprechung sei eine Abweichung von zweieinhalb bis drei Jahren zwischen dem ermittelten Knochenalter und dem angegebenen Alter innerhalb des Normbereichs. Es liege somit keine beträchtliche Abweichung vor. Zur Untermauerung ihrer Altersangaben reiche sie Fotos der Identitätskarte ihrer Mutter, der „Child Health Card“ und des Zeugnisses der neunten Klasse ein. Unbegleitete Minderjährige seien in Anwesenheit einer Vertrauensperson zu befragen. Bei ihrer Befragung sei keine Vertrauensperson zugegen gewesen. Die Sache sei deshalb zur neuerlichen Befragung und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie habe konstante Aussagen zu ihrem Alter gemacht. Möglicherweise sei die befragende Person aufgrund des Ergebnisses der Knochenaltersanalyse voreingenommen gewesen. Jedenfalls lasse sich aus ihren Antworten nicht zuverlässig schliessen, dass sie bereits volljährig sei. Sie sei deshalb als unbegleitete minderjährige Asylsuchende zu behandeln. Das beiliegende Schreiben von Mitarbeitenden der Unterkunft bestätige ihr junges Aussehen. Aus der Tatsache, dass die italienischen Behörden nicht auf das Übernahmeersuchen geantwortet hätten, könne nicht geschlossen werden, dass sie in Italien als volljährig eingestuft worden sei.

H.

Am 29. Juli 2016 setzte die Instruktionsrichterin den Vollzug der Überstellung einstweilen aus.

I.

Mit Zwischenverfügung vom 3. August 2016 gewährte die Instruktionsrichterin der Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Gleichzeitig hiess sie die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung gut und ordnete Livia Kunz der Beschwerdeführerin als unentgeltliche Rechtsbeiständin bei.

J.

In seiner Vernehmlassung vom 15. August 2016 beantragte das SEM die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin habe das geltend gemachte Alter nicht mit amtlichen Ausweispapieren belegen können. Die

Beweislast für die vorgebrachte Minderjährigkeit liege bei ihr. Aufgrund einer amtsinternen Überprüfung des „Baptism Certificate“ erachte das SEM das Dokument als gefälscht. Dadurch verstärke sich der Eindruck nachhaltig, dass die Beschwerdeführerin bewusst falsche Altersangaben gemacht habe. Die italienischen Behörden würden zuverlässig auf Übernahmeersuchen antworten respektive diese ablehnen, wenn sie Einwände gegen die eigene Zuständigkeit hätten. Vorliegend sei dies nicht der Fall gewesen, so dass davon auszugehen sei, dass sich die Beschwerdeführerin in Italien als volljährig ausgegeben habe. Das SEM sei bei Asylsuchenden, die keine Identitätspapiere einreichen und angeben würden, minderjährig zu sein, gefordert, die Identität rasch zu überprüfen. Hinweise auf Volljährigkeit könnten schon vor der Befragung vorliegen; oftmals würden sich solche bereits bei der Einreichung des Asylgesuchs in einem EVZ aufgrund fehlender Dokumente und eines ersten Augenscheins ergeben. Asylsuchende seien gemäss Art. 8 Abs. 1 AsylG verpflichtet, ihre Identität offenzulegen und Reiseund Identitätspapiere abzugeben. Bei Hinweisen auf Volljährigkeit könne das SEM ein Altersgutachten im Sinne von Art. 17 Abs. 3bis AsylG veranlassen und die asylsuchende Person sei verpflichtet mitzuwirken (Art. 8 AsylG). Gemäss Art. 26 Abs. 2 AsylG könne das SEM in der Vorbereitungsphase Altersgutachten erstellen und identitätsspezifische Abklärungen treffen. Gemäss Art. 26bis AsylG könne es eine Fachperson für die Feststellung des medizinischen Sachverhalts ernennen. Die Handknochenanalyse sei gemäss Art. 7 AsylV 1 eine wissenschaftliche Methode zur Abklärung der Identität, die zwar von einem Arzt durchgeführt werde, aber nicht eine medizinische Untersuchung darstelle, die den Gesundheitszustand der asylsuchenden Person beschlage und Geheimnisse enthalte, die der Arzt nicht an das SEM weitergeben dürfe. Vielmehr handle es sich um eine Sachverhaltsfeststellung, für die das SEM eine Fachperson beauftrage. Das SEM habe daher auch Anspruch auf das Resultat. Im Merkblatt, das Asylsuchenden beim Eintritt in ein EVZ abgegeben werde, werde mitgeteilt, dass Untersuchungen und Expertisen zum Alter durchgeführt werden könnten. Zwar sei vorliegend der Unterschied zwischen dem von der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Knochenaltersanalyse angegebenen Alter (16 Jahre und 2 Monate) und dem festgestellten Knochenalter (18 Jahre oder mehr) nicht grösser als drei Jahre, aber dennoch könne die Abweichung unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen als Indiz für eine unzutreffende Altersangabe gewertet werden. Die Beschwerdeführerin habe angegeben, die zehnte Schulklasse abgebrochen zu haben. Gemäss „World Data on Education“ des „UNESCO International Bureau of Education“ beginne die Grundschule in Eritrea im Alter von sieben Jahren. Die Beschwerdeführerin müsse somit beim Schulabbruch nicht wie

angegeben fünfzehn, sondern mindestens sechzehn Jahre alt gewesen sein. Angesichts der widersprüchlichen Angaben und der Vorlage eines gefälschten Dokuments könne die Minderjährigkeit nicht geglaubt werden.

K.

In der Replik vom 30. August 2016 entgegnete die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, sie könne sich das Ergebnis der Dokumentenanalyse nicht erklären. Ihre Mutter beteuere, das „Baptism Certificate“ im Jahr 2000 erhalten zu haben. Möglicherweise habe dazumal ein anderes Druckverfahren existiert. Die Annahme des SEM, sie habe sich in Italien als volljährig ausgegeben, sei eine Mutmassung. Sie könne sich nicht erinnern, welche Angaben sie gegenüber den italienischen Behörden gemacht habe. Sie sei damals krank gewesen. Es treffe zu, dass die Einschulung in Eritrea im Alter von sieben Jahren erfolge. Ihr sei der Schulbesuch aber auf eigenen Wunsch und nach einem Gespräch mit dem Schuldirektor bereits mit fünf Jahren erlaubt worden. Beim Abbruch der zehnten Klasse sei sie somit fünfzehnjährig gewesen. Das Schulzeugnis untermauere dies.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - und so auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    2. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 2 AsylG; Art. 48 Abs. 1 VwVG sowie Art. 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

    1. Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

    2. Bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es das SEM ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen (Art. 31a Abs. 13 AsylG), ist die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage beschränkt, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist (vgl. BVGE 2012/4 E. 2.2 m.w.H.).

3.

    1. Die Beschwerdeführerin monierte in der Rechtsmitteleingabe vom

      28. Juli 2016, mit der Annahme, sie sei volljährig, habe das SEM ihre Rechte als unbegleitete Minderjährige verletzt; die Befragung vom 25. April 2016 hätte im Beisein einer Vertrauensperson durchgeführt werden müssen. Diese verfahrensrechtliche Rüge ist vorab zu prüfen, da sie allenfalls geeignet wäre, eine Kassation des vorinstanzlichen Entscheides zu bewirken (vgl. KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz. 1151 ff.).

    2. Gemäss Art. 6 Abs. 2 Dublin-III-VO wird ein unbegleiteter Minderjähriger (d. h. eine Person unter 18 Jahren [Art. 2 Bst. i Dublin-III-VO]) in Verfahren der Dublin-III-VO von einem Vertreter vertreten und/oder unterstützt. In einem Dublin-Verfahren informiert das SEM grundsätzlich vor der Befragung die zuständigen kantonalen Behörden über die Anwesenheit einer unbegleiteten minderjährigen asylsuchenden Person, um die Bestimmung einer Vertrauensperson nach Art. 17 Abs. 3 Bst. b AsylG und die Befragung zum rechtserheblichen Sachverhalt in deren Anwesenheit zu gewährleisten (vgl. BVGE 2011/23 E. 7).

      Im ordentlichen Asylund Wegweisungsverfahren ist es zulässig, vor der einlässlichen Anhörung zu den Asylgründen - ohne Beiordnung einer Vertrauensperson - vorfrageweise über die Frage der Glaubhaftigkeit einer geltend gemachten Minderjährigkeit zu befinden (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der [vormaligen] Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2004 Nr. 30). Diese Regel lässt sich insoweit auch auf ein DublinVerfahren anwenden, als dass vorfrageweise die Glaubhaftigkeit der Altersangabe überprüft wird und - bei Zweifeln an der behaupteten Minderjährigkeit - eine summarische Befragung ohne eine Vertrauensperson stattfindet (vgl. Urteil des BVGer E-4910/2016 vom 9. September 2016).

    3. Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken; insbesondere müssen sie ihre Identität offenlegen und Reisepapiere sowie Identitätsausweise abgeben (Art. 8 Abs. 1 Bst. a und b AsylG). Die asylsuchende Person trägt grundsätzlich die Beweislast für die von ihr behauptete Minderjährigkeit (vgl. EMARK 2004 Nr. 30 E. 5.2). Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist eine Abwägung aller Anhaltspunkte, die für oder gegen die Richtigkeit der betreffenden Altersangabe sprechen, vorzunehmen (vgl. EMARK 2004 Nr. 30 E. 5.3.4). Bei Fehlen rechtsgenüglicher Identitätsausweise kann im Rahmen der Feststellung des Sachverhalts mit Unterstützung wissenschaftlicher Methoden - beispielsweise Knochenaltersanalysen (Art. 17 Abs. 3bis AsylG) - abgeklärt werden, ob die Altersangabe der asylsuchenden Person dem tatsächlichen Alter entspricht (Art. 7 Abs. 1 AsylV 1). Die asylsuchende Person hat bei der entsprechenden Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken.

    4. Die Beschwerdeführerin nannte vor der summarischen Befragung auf dem von ihr am 12. April 2016 ausgefüllten Personalienblatt den ( ) 2000 als Geburtsdatum (vgl. A1). Identitätspapiere gab sie indes keine ab. Auch reichte sie bei der Asylgesuchstellung keine anderweitigen Dokumente ein, welche allfällige Rückschlüsse auf ihre Identität, insbesondere das Alter, zulassen würden. Das Vorgehen des SEM, die Glaubhaftigkeit der nicht belegten Minderjährigkeit der Beschwerdeführerin vorfrageweise zu überprüfen und zu diesem Zweck eine Knochenaltersanalyse durchzuführen, ist daher nicht zu beanstanden. Das SEM hat selbstredend auch Anspruch auf Einsicht in das Analyseresultat. Die radiologische Untersuchung vom

      19. April 2016 ergab ein Knochenalter der Beschwerdeführerin von achtzehn oder mehr Jahren (vgl. A5). Der Unterschied zu dem von ihr im Zeitpunkt der Durchführung der Handknochenanalyse angegeben Alter (16 Jahre und 2 Monate) beträgt somit rund zwei Jahre. Zwar lassen die Ergebnisse einer radiologischen Untersuchung keine sicheren Schlüsse auf die Volloder Minderjährigkeit zu. Auch weisen sie generell nur einen beschränkten Aussagewert zur Bestimmung des tatsächlichen Alters auf, insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - das behauptete Alter mit dem festgestellten Knochenalter um weniger als drei Jahre variiert (vgl. EMARK 2000 Nr. 19, bestätigt u.a. in EMARK 2000 Nr. 28, 2001 Nr. 23, 2004

      Nr. 30). Dem Ergebnis der vorliegenden Handknochenanalyse kommt somit zwar kein erhöhter Beweiswert zu, aber es bildet ein Indiz für eine unzutreffende Altersangabe der Beschwerdeführerin respektive ihre mögliche Volljährigkeit. Angesichts dessen, dass die Beschwerdeführerin die objektive Beweislast für die von ihr vorgebrachte Minderjährigkeit trägt, hegte das SEM vor der Befragung berechtigterweise gewisse Zweifel an der behaupteten Minderjährigkeit. Die Durchführung der summarischen Befragung ohne Vertrauensperson ist daher nicht zu beanstanden (vgl. hierzu die vorstehenden Ausführungen unter E. 3.2). Es liegt somit kein Verfahrensfehler seitens des SEM vor und der entsprechende Rückweisungsantrag der Beschwerdeführerin ist abzuweisen.

    5. Die Identität respektive das Alter der Beschwerdeführerin stehen nicht fest. Sie hat keine sie betreffenden Identitätspapiere eingereicht. Für die von ihr behauptete Minderjährigkeit trägt sie die Beweislast (vgl. EMARK 2004 Nr. 30 E. 5.2). Nach Vorliegen des Knochenaltersgutachtens hat das SEM die Beschwerdeführerin zur weiteren Abklärung ihres Alters am

25. April 2016 in Bezug auf ihre Identität, das familiäre Umfeld und den schulischen Werdegang befragt (vgl. A7). Mit ihren Angaben vermag die Beschwerdeführerin die vorgebrachte Minderjährigkeit nicht plausibel darzulegen. Auch die Vorbringen auf Beschwerdeebene vermögen nicht zur Klärung des wahren Alters der Beschwerdeführerin beizutragen. Die eingereichten Dokumente sind nicht geeignet, ihre Identität respektive ihr Alter zu belegen. Hinsichtlich des Fotos der Identitätskarte der Mutter ist darauf hinzuweisen, dass Ausweispapiere vermeintlicher Verwandter die Identität der Beschwerdeführerin nicht zu beweisen vermögen. Im Übrigen lässt das aufgeführte Geburtsjahr von 1970 keine Rückschlüsse auf das Alter der Beschwerdeführerin zu, zumal die Beschwerdeführerin bei der Befragung angab, nicht zu wissen, wie alt ihre Mutter bei ihrer Geburt gewesen sei, und lediglich die Vermutung äusserte, diese könnte so um die dreissig gewesen sein (vgl. A7 S. 4). Durch die Einreichung des „Baptism Certificate“, das sich als Fälschung erwies, stellte die Beschwerdeführerin ihre Glaubwürdigkeit selbst in Frage. Dem besagten Dokument kommt kein Beweiswert zu. Bei der „Child Health Card“ und dem Schulzeugnis, die wiederum nur in Form von Fotos vorliegen, handelt es sich nicht um amtliche Dokumente, so dass diese hinsichtlich der Frage des Alters der Beschwerdeführerin ebenfalls keine Beweiskraft zu entfalten vermögen. Im Übrigen räumt die Beschwerdeführerin in ihrer Replik vom 30. August 2016 selbst ein, dass die Einschulung in Eritrea im Alter von sieben Jahren erfolgt. Beim Abbruch der zehnten Klasse Ende März 2015 wäre sie somit bereits siebzehn Jahre alt gewesen. Dafür spricht auch der von ihr genannte Grund für die am 1. April 2015 erfolgte Ausreise aus Eritrea (drohender Einzug in den

Militärdienst), beginnt das wehrpflichtige Alter doch mit achtzehn Jahren. Mit dem Vorbringen in der Replik, sie sei nicht wie üblich mit sieben, sondern auf ihren Wunsch bereits mit fünf Jahren eingeschult worden, erweckt sie den Eindruck, die der eritreischen Realität widersprechende Angabe (Schuleintritt mit fünf Jahren) rechtfertigen zu wollen. Dies vermag nicht zu überzeugen. Auch ihr Vorbringen, sie könne sich nicht erinnern, welches Alter sie den italienischen Behörden gegenüber genannt habe, spricht gegen ihre Glaubwürdigkeit, ist sie doch grundsätzlich verpflichtet, ihre Identität den Behörden im Inund Ausland gegenüber wahrheitsgetreu offenzulegen, so dass erwartet werden dürfte, dass sie sich an die in Italien gemachten Angaben zu erinnern vermöchte. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass auch das Leugnen der Beschwerdeführerin, in Italien daktyloskopisch erfasst worden zu sein (vgl. A7 S. 10), nicht für ihre Glaubwürdigkeit spricht. Das SEM hat schliesslich zutreffend angeführt, dass das Ausbleiben von Einwänden gegen das Überstellungsersuchen seitens der italienischen Behörden ein weiteres Indiz für die Volljährigkeit der Beschwerdeführerin darstellt, zumal es die italienischen Behörden im Übernahmeersuchen über die behauptete Minderjährigkeit informiert hatte (vgl. A13).

Nach Würdigung aller Umstände ist es der Beschwerdeführerin, welche die Beweislast trägt, nicht gelungen, die geltend gemachte Minderjährigkeit glaubhaft zu machen. Sie hat die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen (vgl. EMARK 2004 Nr. 30 E. 5.2). Das Erreichen der Volljährigkeit erscheint aufgrund der Aktenlage eher als glaubhaft und von dieser ist auszugehen.

4.

    1. Auf Asylgesuche wird in der Regel nicht eingetreten, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG). Führt die Prüfung der Zuständigkeitskriterien gemäss der Dublin-III-VO zur Feststellung, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylgesuchs zuständig ist, tritt das SEM auf das Asylgesuch nicht ein.

    2. Gemäss Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Asylantrag gestellt wird (Art. 20 Abs. 1 Dublin-III-VO). Bei einem sogenannten Aufnahmeverfahren (engl.: take charge) sind die in Kapitel III (Art. 8-15 Dublin-III-VO) genannten Kriterien in der dort aufgeführten Rangfolge anzuwenden (Prinzip der Hierarchie der Zuständigkeitskriterien; vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO). Dabei ist von der Situation im Zeitpunkt, in dem der Asylsuchende erstmals einen Antrag in einem Mitgliedstaat gestellt hat, auszugehen (Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO; vgl. BVGE 2012/4 E. 3.2, FILZWIESER/SPRUNG, Dublin III-Verordnung, Wien 2014, K4 zu Art. 7).

    3. Der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat wird für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, falls es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in jenem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364/1 vom 18.12.2000, nachfolgend: EU-Grundrechtcharta) mit sich bringen, und nach den Regeln der Dublin-III-VO kein anderer zuständiger Mitgliedstaat bestimmt werden kann (Art. 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Dublin-III-VO).

    4. Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet, einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Massgabe der Artikel 21, 22 und 29 Dublin-III-VO aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 Bst. a Dublin-III-VO).

    5. Jeder Mitgliedstaat kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO beschliessen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO; sog. Selbsteintrittsrecht).

    6. Vor der Erstentscheidung in der Sache kann entweder der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aus humanitären Gründen oder zum Zweck der Zusammenführung verwandter Personen aufzunehmen, wobei die betroffenen Personen dem schriftlich zustimmen müssen (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO; sog. humanitäre Klausel).

5.

    1. Vorliegend kommen die in Art. 6 und 8 Dublin-III-VO verankerten Garantien für Minderjährige (d. h. Personen unter 18 Jahren [Art. 2 Bst. i Dublin-III-VO]) nicht zur Anwendung, da von der Volljährigkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen wird (vgl. die Ausführungen unter E. 3).

    2. Den Akten ist zu entnehmen, dass ein Abgleich der Fingerabdrücke der Beschwerdeführerin mit der „Eurodac“-Datenbank ergab, dass diese am

      30. März 2016 in Italien illegal in das Hoheitsgebiet der Dublin-Staaten eingereist war. Der Einwand der Beschwerdeführerin, sie sei in Italien nicht daktyloskopisch erfasst worden, ist aktenwidrig. Im Übrigen bestreitet sie nicht, sich vor der Einreise in die Schweiz in Italien aufgehalten zu haben. Das SEM ersuchte die italienischen Behörden deshalb am 10. Mai 2016 um Übernahme der Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO. Die italienischen Behörden liessen das Übernahmeersuchen innert der in Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO vorgesehenen Frist unbeantwortet, womit sie die Zuständigkeit Italiens implizit anerkannten (Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO). Die Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens der Beschwerdeführerin ist somit gegeben. Ihr Wunsch um Verbleib in der Schweiz vermag daran nichts zu ändern, zumal die Dublin-III-VO den Schutzsuchenden kein Recht einräumt, den ihren Antrag prüfenden Staat selber auszuwählen (vgl. auch BVGE 2010/40 E. 8.3).

    3. Die Beschwerdeführerin vermag die sich aus der Dublin-III-VO ergebende Zuständigkeit Italiens auch mit den Vorbringen in der Befragung vom

      25. April 2016 und den Ausführungen in den Rechtsmitteleingaben vom

      28. Juli 2016 und 30. August 2016 nicht zu negieren.

      Es gibt keine wesentlichen Gründe für die Annahme, das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Italien würden systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Dublin-IIIVO aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtcharta mit sich bringen (vgl. BVGE 2015/4 E. 4.1). Italien ist Signatarstaat der EMRK, des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der FK sowie des Zusatzprotokolls der FK vom 31. Januar 1967 (SR 0.142.301) und kommt seinen diesbezüglichen völkerrechtlichen Verpflichtungen grundsätzlich nach. Insbesondere ist nicht erstellt, dass

      Italien systematisch gegen die Bestimmungen der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (sog. Verfahrensrichtlinie) sowie der Aufnahmerichtlinie verstösst. Diese Ansicht wird durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bestätigt, indem dieser in seiner bisherigen Rechtsprechung festhält, dass in Italien kein systematischer Mangel an Unterstützung und Einrichtungen für Asylsuchende bestehe, obwohl die allgemeine Situation und insbesondere die Lebensumstände von Asylsuchenden, anerkannten Flüchtlingen und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus in Italien gewisse Mängel aufweisen würden (vgl. EGMR: Entscheidungen Mohammed Hussein und andere gegen die Niederlande und Italien [Beschwerde Nr. 27725/10] vom 2. April 2013, § 78, sowie Tarakhel gegen die Schweiz [Beschwerde Nr. 29217/12] vom 4. November 2014, §§ 114 f. und 120). Unter diesen Umständen ist die Anwendung von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO nicht gerechtfertigt.

    4. Die Beschwerdeführerin fordert mit ihren Vorbringen, gehört zu haben, dass man in Italien weder arbeiten noch zur Schule gehen könne, und an gesundheitlichen Problemen zu leiden, implizit die Anwendung der Ermessensklausel von Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO respektive der - das Selbsteintrittsrecht im Landesrecht konkretisierenden - Bestimmung von Art. 29a Abs. 3 AsylV 1, gemäss welcher das SEM das Asylgesuch „aus humanitären Gründen“ auch dann behandeln kann, wenn dafür gemäss Dublin-IIIVO ein anderer Staat zuständig wäre.

      1. Diesbezüglich ist festzustellen, dass die schweizerischen Behörden zwar prüfen müssen, ob die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Überstellung nach Italien Gefahr laufen würde, eine Verletzung ihrer Grundrechte zu erleiden. Vorliegend besteht indes kein Grund zur Annahme, dass die italienischen Behörden der Beschwerdeführerin, die sich gemäss eigenen Angaben auf ihrer Durchreise nicht um Aufnahme in das italienische Asylverfahren bemüht habe, die Aufnahme oder den Zugang zum Asylverfahren verweigern respektive in ihrem Fall den Grundsatz des Non-Refoulement missachten und sie zur Ausreise in ein Land zwingen würden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet wäre oder in dem sie Gefahr laufen würde, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden. Mit den allgemeinen Ausführungen zum angeblichen Mangel an Arbeitsund Ausbildungsplätzen vermag die Beschwerdeführerin auch keine konkreten Anhaltspunkte darzulegen, die darauf hindeuten würden, Italien würde ihr dauerhaft die Rechte, die ihr

        aus den Verfahrensund Aufnahmerichtlinien zustehen, vorenthalten. Im Übrigen kann sie sich bei einer allfälligen vorübergehenden Einschränkung nötigenfalls an die italienischen Behörden wenden. Darüber hinaus nehmen sich - neben den staatlichen Strukturen - auch zahlreiche private Hilfsorganisationen der Betreuung von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Italien an. Damit besteht kein Grund zur Annahme, die Beschwerdeführerin würde in Italien wegen fehlenden Zugangs zum Asylverfahren oder ungenügenden Aufenthaltsbedingungen in eine existenzielle Not geraten.

      2. Hinsichtlich der Berufung der Beschwerdeführerin auf gesundheitliche Probleme ( ) ist darauf hinzuweisen, dass eine zwangsweise Rückweisung von Personen mit gesundheitlichen Problemen nur dann einen Verstoss gegen Art. 3 EMRK darstellen kann, wenn die betroffene Person sich in einem fortgeschrittenen oder terminalen Krankheitsstadium und bereits in Todesnähe befindet (vgl. BVGE 2011/9 E. 7 mit Hinweisen auf die Praxis des EGMR). Dabei handelt es sich um seltene Ausnahmefälle, in denen sich die betroffene Person in einem dermassen schlechten Zustand befindet, dass sie nach einer Überstellung mit dem sicheren Tod rechnen müsste, und sie dabei keinerlei soziale Unterstützung erwarten kann. Eine solche Ausnahmesituation ist vorliegend aufgrund der Aktenlage nicht anzunehmen, und die Ansetzung einer Frist zur Nachreichung eines Arztberichts ist nicht angezeigt, zumal Italien über eine ausreichende medizinische Infrastruktur verfügt und davon ausgegangen werden darf, dass die Beschwerdeführerin dort bei Bedarf adäquate medizinische Behandlung und Betreuung finden wird. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet sind, den Antragstellern die erforderliche medizinische Versorgung, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasst, zugänglich zu machen (Art. 19 Abs. 1 Aufnahmerichtlinie), und den Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe (einschliesslich erforderlichenfalls einer geeigneten psychologischen Betreuung) zu gewähren (Art. 19 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie). Es liegen keine Hinweise vor, wonach Italien der Beschwerdeführerin eine benötigte medizinische Behandlung verweigern würde. Es obliegt ihr, sich diesbezüglich bei Bedarf an die zuständigen Behörden vor Ort zu wenden. Im Übrigen tragen die schweizerischen Behörden, die mit dem Vollzug der angefochtenen Verfügung beauftragt sind, den medizinischen Umständen bei der Bestimmung der konkreten Modalitäten der Überstellung der Beschwerdeführerin Rechnung und werden die italienischen Behörden vorgängig in geeigneter Weise über den allfällig indizierten Behandlungsbedarf informieren (vgl.

        Art. 31 f. Dublin-III-VO). Die gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerin vermögen damit einer Überstellung nach Italien nicht entgegenzustehen.

      3. Dem SEM kommt bei der Anwendung von Art. 29a Abs. 3 AsylV 1 Ermessen zu (vgl. BVGE 2015/9 E. 7 f.) und den Akten sind keine Hinweise auf eine gesetzeswidrige Ermessensausübung (vgl. Art. 106 Abs. 1 Bst. a AsylG) durch die Vorinstanz zu entnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht enthält sich unter diesen Umständen weiterer Ausführungen zur Frage eines Selbsteintritts.

5.5 Nach dem Gesagten gibt es keinen Grund für eine Anwendung der Ermessensklauseln von Art. 17 Dublin-III-VO und es bleibt an dieser Stelle nochmals festzuhalten, dass die Dublin-III-VO den Schutzsuchenden kein Recht einräumt, den ihren Antrag prüfenden Staat selber auszuwählen (vgl. auch BVGE 2010/45 E. 8.3).

6.

    1. Das SEM ist demnach zu Recht in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG auf das Asylgesuch der Beschwerdeführerin nicht eingetreten und hat - weil die Beschwerdeführenden nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsoder Niederlassungsbewilligung sind - in Anwendung von Art. 44 AsylG die Überstellung nach Italien angeordnet (Art. 32 Bst. a AsylV 1).

    2. Unter diesen Umständen sind allfällige Vollzugshindernisse gemäss Art. 83 Abs. 3 und 4 AuG (SR 142.20) nicht mehr zu prüfen, da das Fehlen von Überstellungshindernissen bereits Voraussetzung des Nichteintretensentscheides gemäss Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG ist (vgl. BVGE 2015/18 E. 5.2 m.w.H.).

7.

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen und die Verfügung des SEM zu bestätigen.

8.

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten grundsätzlich der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da ihr jedoch mit Zwischenverfügung vom 3. August 2016 die unentgeltliche Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG gewährt wurde, ist von der Kostenerhebung abzusehen.

    2. Die amtliche Rechtsverbeiständung ist unbesehen vom Ausgang des Verfahrens zu entschädigen. Bei der Bemessung des Honorars wird nur der notwendige Aufwand entschädigt (vgl. Art. 8 des Reglements vom

21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

Die Rechtsvertreterin reichte mit der Beschwerdeeingabe vom 28. Juli 2016 eine Honorarnote vom 27. Juli 2016 ein. In der Ernennungsverfügung vom 3. August 2016 wurde sie über den verrechenbaren Stundenansatz für nicht-anwaltliche Vertreterinnen informiert (Fr. 100.- bis Fr. 150.-). Der in der Honorarnote aufgeführte Stundenansatz von Fr. 180.- ist entsprechend auf Fr. 150.- zu kürzen. Für den seither angefallenen Aufwand wurde keine Kostennote eingereicht. Auf die Nachforderung einer solchen wird verzichtet, da sich der Aufwand für den Schriftenwechsel zuverlässig abschätzen lässt (Art. 14 Abs. 2 VGKE). Unter Berücksichtigung der in Betracht zu ziehenden Berechnungsfaktoren (Art. 9-13 VGKE) ist das amtliche Honorar auf insgesamt Fr. 850.- festzusetzen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Der Rechtsvertreterin wird zu Lasten der Gerichtskasse ein amtliches Honorar von Fr. 850.- zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Daniela Brüschweiler Susanne Burgherr

Versand:

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