Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-5356/2014 |
Datum: | 12.04.2016 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl (ohne Wegweisung) |
Schlagwörter : | Eritrea; Ausreise; Bundesverwaltungsgericht; Recht; Flüchtling; Schweiz; Vorinstanz; Halbbruder; Reflexverfolgung; Tante; Behörde; Alter; Person; Furcht; Militär; Verfolgung; Verfügung; Zeitpunkt; Behörden; Flucht; Wegweisung; Flüchtlingseigenschaft; Asylgesuch; Bundesverwaltungsgerichts; Fluchtgründe; Desertion |
Rechtsnorm: | Art. 392 ZGB ;Art. 44 BV ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 54 BV ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung IV D-5356/2014
Besetzung Richter Martin Zoller (Vorsitz),
Richter Fulvio Haefeli, Richter Yanick Felley, Gerichtsschreiber Philipp Reimann.
Parteien A. , geboren am ( ), Eritrea,
vertreten durch Rechtsanwältin Jana Maletic, Caritas Schweiz,
Beschwerdeführerin,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung (ohne Vollzug der Wegweisung) Verfügung des BFM vom 19. August 2014 / N ( ).
Die Beschwerdeführerin, eine eritreische Staatsangehörige tigrinischer Ethnie aus B. , C. , D. , reiste am 7. Mai 2012 ge-
meinsam mit ihrem Halbbruder E.
(geboren am [ ]) in die
Schweiz ein, wo sie am selben Tag um Asyl nachsuchte. Am 24. Mai 2012 erhob das damalige BFM im Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) F. mittels Befragung ihres Halbbruders E. ihre Personalien und erkundigte sich bei diesem über ihren Reiseweg und ihre Ausreisegründe. Dabei führte ihr Halbbruder im Wesentlichen aus, seine Halbschwester sei etwa im Dezember des Jahres 2011 gemeinsam mit ihrer Tante aus Eritrea ausgereist. Diese sei ausgereist, um zu ihrem in Juba lebenden Ehemann zu gelangen. Dabei habe sie seine Halbschwester, die auf ihre Kinder aufgepasst habe, einfach mitgenommen (vgl. act. A4/10 S. 5 f. Ziff. 5.02 i.V.m. S. 8 Ziff. 7.02 in fine). Mit Zwischenverfügung vom
30. Mai 2012 wies das BFM die Beschwerdeführerin und ihren Halbbruder für die Dauer des Verfahrens dem Kanton G. zu. Am 8. August 2012 errichtete der Gemeinderat H. als Vormundschaftsbehörde für die minderjährige Beschwerdeführerin eine Beistandschaft nach Art. 392 Ziff. 3 ZGB. Am 10. März 2014 hörte das BFM die Beschwerdeführerin einlässlich zu ihren Asylgründen an.
Die Beschwerdeführerin begründete ihr Asylgesuch im Wesentlichen damit, sie habe ihre Kindheit zusammen mit zwei Schwestern sowie ihrem Halbbruder E. bei ihre Grosseltern mütterlicherseits in B. verbracht und dort auch fünf Jahre lang die Schule besucht. Oftmals habe
sie auch bei ihrer Tante I.
in J.
beziehungsweise in
K. gelebt, wo sie einerseits die Schule besucht, andererseits das Kleinkind ihrer Tante gehütet habe. Eines Tages habe die Tante Probleme mit den eritreischen Militärbehörden bekommen. Deswegen sei ihre Tante wenig später gemeinsam mit ihr (der Beschwerdeführerin) sowie ihrem Kind aus Eritrea ausgereist. Zunächst seien sie per Bus von K. bis L. gefahren. Von dort aus seien sie zu Fuss nach M. im Sudan gelangt, wobei sie die ganze Nacht gelaufen seien. Von M. aus seien sie per Bus nach N. gereist, wo sie bei einem ( ) ( ) Zuflucht gefunden hätten. Dort habe sie auch ihren Halbbruder E. wiedergetroffen, der Eritrea bereits zu einem früheren Zeitpunkt verlassen habe. Gemeinsam hätten sie etwa fünf Monate bei dem in N. wohnhaften Verwandten zugebracht. Danach sei sie zusammen mit ihrem
Halbbruder von N. aus per Flugzeug nach Europa und schliesslich am 7. Mai 2012 via nicht näher bekannte Länder in die Schweiz gelangt.
Mit Verfügung vom 19. August 2014 - eröffnet am 20. August 2014 - stellte das BFM fest, die Beschwerdeführerin erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte deren Asylgesuch ab und verfügte ihre Wegweisung aus der Schweiz. Gleichzeitig ordnete das Bundesamt die vorläufige Aufnahme der Beschwerdeführerin in der Schweiz wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs an.
Mit Verfügung ( ) gewährte das BFM dem Halbbruder der Beschwerdeführerin - E. (N [ ]) - Asyl.
Mit Eingabe vom 19. September 2014 beantragte die Beschwerdeführerin mittels ihrer Rechtsvertreterin beim Bundesverwaltungsgericht, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und es sei ihr in Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft Asyl zu gewähren. Eventualiter sei die Unzulässigkeit der Wegweisung festzustellen. Subeventualiter sei festzustellen, dass der ganze Sachverhalt unvollständig abgeklärt und der Entscheid mangelhaft begründet sei, weshalb dieser vollständig aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuweisen sei. Schliesslich beantragte die Beschwerdeführerin in verfahrensrechtlicher Hinsicht, es sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege unter Einschluss der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung zu gewähren und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten. Die Rechtsvertreterin fügte ihrer Beschwerde eine Fürsorgeabhängigkeitsbestätigung der Caritas O. vom 3. September 2014 zugunsten ihrer Mandantin bei.
Am 23. September 2014 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerde.
Mit Zwischenverfügung vom 26. September 2014 hiess der Instruktionsrichter des Bundesverwaltungsgerichts das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um Einsetzung der Rechtsvertreterin
der Beschwerdeführerin als unentgeltliche Rechtsbeiständin gut. Gleichzeitig lud er die Vorinstanz zur Einreichung einer Vernehmlassung bis zum
13. Oktober 2014 ein.
Das BFM schloss in seiner Vernehmlassung vom 30. September 2014 auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesverwaltungsgericht stellte der Beschwerdeführerin die Vernehmlassung des BFM am 1. Oktober 2014 zu und räumte ihr die Gelegenheit ein, bis zum 16. Oktober 2014 eine Replik einzureichen.
Am 15. Oktober 2014 reichte die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin eine Replik ein.
Mit Schreiben vom 1. April 2016 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die als unentgeltliche Rechtsbeiständin eingesetzte Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin um Einreichung der Honorarnote. Dieser Aufforderung ist die Rechtsbeiständin in der Folge nicht nachgekommen.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM (beziehungsweise das vormalige BFM) gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser - was in casu nicht zutrifft - bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Die Schweizerische Bundesversammlung hat am 14. Dezember 2012 eine Revision des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 verabschiedet (AS 2013 4375), welche am 1. Februar 2014 in Kraft getreten ist. Gemäss Abs.
1 der diesbezüglichen Übergangsbestimmungen gilt für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens hängigen Verfahren grundsätzlich das neue Recht.
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 108 Abs. 1 AsylG sowie Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Das BFM hat in seiner Verfügung vom 19. August 2014 die vorläufige Aufnahme der Beschwerdeführerin zufolge Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs angeordnet. Diesbezüglich wurde die vorinstanzliche Verfügung nicht angefochten. Damit beschränkt sich das vorliegende Beschwerdeverfahren nur noch auf die Fragen, ob die Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft erfüllt und ob ihr deswegen Asyl zu gewähren und auf die Wegweisung zu verzichten oder sie zumindest als Flüchtling vorläufig aufzunehmen ist.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Als Flüchtling wird eine ausländische Person anerkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken; frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3 AsylG).
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die
Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Vorbringen sind glaubhaft, wenn sie genügend substanziiert, in sich schlüssig und plausibel sind; sie dürfen sich nicht in vagen Schilderungen erschöpfen, in wesentlichen Punkten widersprüchlich sein oder der inneren Logik entbehren und auch nicht den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung widersprechen. Darüber hinaus muss die asylsuchende Person persönlich glaubwürdig erscheinen, was insbesondere nicht der Fall ist, wenn sie ihre Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abstützt (Art. 7 AsylG). Entscheidend ist, ob eine Gesamtwürdigung der Vorbringen ergibt, dass die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung des Gesuchstellers sprechen, überwiegen oder nicht (vgl. BVGE 2013/11 E. 5.1 [S. 142 f.]).
Die Vorinstanz hielt in ihrer Verfügung vom 19. August 2014 fest, gemäss nach wie vor geltender Praxis der Schweizer Asylbehörden werde eritreischen Deserteuren und Refraktären (mit Behördenkontakt) und Opfern von entsprechender Reflexverfolgung in der Regel Asyl gewährt. Personen im rekrutierungsfähigen Alter, die illegal ausgereist seien, erfüllten in der Regel die Flüchtlingseigenschaft aufgrund subjektiver Nachfluchtgründe (Art. 54 AsylG).
Aus den Akten gehe zum einen hervor, dass die Beschwerdeführerin nie in Kontakt mit den eritreischen (Militär-)Behörden gewesen sei, beziehungsweise Eritrea verlassen habe, als sie noch gar nicht im rekrutierungsfähigen Alter gewesen sei. Folglich liege in ihrem Fall keine begründete Furcht vor Bestrafung wegen Desertion oder Refraktion aus der eritreischen Armee im zuvor erwähnten Sinn vor. Zum anderen sei ihre behauptete "illegale Ausreise im rekrutierungsfähigen Alter" nicht glaubhaft: So habe sie sich zur angeblich erfolgten illegalen Ausreise aus Eritrea (genaues Datum ihrer Ausreise, Reisedauer, Schilderung der Planung und Organisation der Ausreise durch ihre Tante, Information zur Dauer der Busfahrt zwischen dem Abreiseort und L. , Beschreibung der Gegend, Schilderung ihres Fussmarsches von L. an die eritreisch/sudanesische Grenze, durchquerte Landschaften) nicht näher zu äussern vermocht. Somit seien in ihrem Fall auch die Voraussetzungen zur Anerkennung als Flüchtling wegen subjektiven Nachfluchtgründen nicht gegeben. Aus diesen Gründen erfülle sie die Flüchtlingseigenschaft nicht, weshalb ihr Asylgesuch abzulehnen sei.
In der Beschwerde vom 19. September 2014 wird geltend gemacht, der Halbbruder der Beschwerdeführerin, E. , sei mit Asylentscheid vom ( ) als Flüchtling in der Schweiz anerkannt worden. Wie letzterer in seinen Anhörungen durch die Schweizer Asylbehörden ausgeführt habe, sei er aus dem Militär geflüchtet. Aufgrund dieser Desertion und Flucht aus Eritrea habe auch für die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihrer Flucht aus Eritrea eine Gefahr der Reflexverfolgung bestanden. Weiter sei auch ihr Onkel aus dem Militär in den Sudan geflüchtet. Aus diesem Grund seien die Militärbehörden bei der Tante zuhause aufgetaucht und hätten ihr gedroht. Asylrelevante Nachteile nach Art. 3 AsylG könnten auch aus einer Reflexverfolgung entstehen, bei welcher sich Verfolgungsmassnahmen abgesehen von der primär betroffenen Person auch auf Familienangehörige und Verwandte erstrecken würden (vgl. BVGE 2007/19, Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1994 Nr. 5 E. 3h, EMARK 1994 Nr. 17). Dies sei inbesondere hinsichtlich begründeter Furcht vor Verfolgung relevant. Im Zeitpunkt der Flucht der Beschwerdeführerin habe nicht nur begründete Furcht vor Verfolgung aufgrund Reflexverfolgung gestützt auf ihren Bruder, sondern auch gestützt auf die Flucht ihres Onkels bestanden. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei im Sinne von Art. 3 AsylG verfolgt, wer aus den in Abs. 1 genannten Gründen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sei oder begründete Furcht habe, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden, das heisst von Dritten nachvollziehbare Gründe (objektives Element) für seine Furcht (subjektives Element) vorweise, mit gewisser Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft das Opfer von Verfolgung zu werden (vgl. Urteil D-13/2014 des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2014). Dabei sei vom Bundesverwaltungsgericht anerkannt worden, dass die eritreischen Behörden auch die Familienangehörigen von Deserteuren im Sinne einer Sippenhaft Verfolgungsmassnahmen unterwerfen würden. Die Vorinstanz habe sich vorliegend zu Unrecht mit der Reflexverfolgung und der Furcht der Beschwerdeführerin vor künftiger Verfolgung nicht auseinandergesetzt, zumal ihr Bruder aufgrund seiner Desertion in der Schweiz als Flüchtling anerkannt worden und auch ihr Onkel aus dem Militär geflüchtet sei. Aus diesem Grunde müsse der Beschwerdeführerin wie ihrem Bruder Asyl in der Schweiz erteilt werden.
Im Falle der Verneinung einer Reflexverfolgung der Beschwerdeführerin müsse dieser vom Bundesverwaltungsgericht zumindest die Flüchtlingseigenschaft zufolge subjektiver Nachfluchtgründe zugesprochen werden. Als solche würden unter anderem das illegale Verlassen des Heimatlandes (sogenannte Republikflucht) und das Einreichen eines Asylgesuches im
Ausland gelten. Die Beschwerdeführerin habe ihre Heimat tatsächlich illegal verlassen. Als Beleg für ihre eritreische Staatsangehörigkeit habe sie eine Taufurkunde beigelegt. Überdies habe die Vorinstanz auch ihren Schulbesuch in Eritrea bis zu ihrer Ausreise nicht angezweifelt. Wäre sie nicht aus Eritrea ausgereist, wäre sie zur Ableistung des obligatorischen Militärdienstes verpflichtet gewesen. Wie in den Urteilen D-3892/2009 vom
6. April 2010 und D-218/2014 vom 1. Juli 2014 des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt werde, sei ein legales Verlassen des Landes nur mit einem gültigen Reisepass und einem zusätzlichen Ausreisevisum möglich. Die Ausreisevisas würden seit mehreren Jahren nur noch unter sehr restriktiven Bedingungen und gegen Bezahlung sehr hoher Geldbeträge an wenige, loyal beurteilte Personen vergeben, wobei Kinder ab 11 Jahren, Männer bis zum Alter von 54 und Frauen bis zum Alter von 47 Jahren grundsätzlich von der Visumserteilung ausgeschlossen seien. Das eritreische Regime erachte das illegale Verlassen des Landes als Zeichen politischer Opposition gegen den Staat und versuche mit drakonischen Massnahmen, der sinkenden Wehrbereitschaft sowie der Massenfluchtbewegung Herr zu werden. Die Beschwerdeführerin sei im Zeitpunkt ihrer Flucht aus Eritrea erst 12 Jahre alt und damit noch ein Kind gewesen. Ausserdem habe ihre detaillierte Anhörung durch das BFM erst zwei Jahre nach ihrer Flucht stattgefunden. Angesichts ihres kindlichen Alters mute es nicht realitätsfremd an, dass sie der Vorinstanz gegenüber keine detaillierten Angaben über ihre Flucht aus Eritrea habe machen können. Aus diesem Grunde sei die vorinstanzliche Einschätzung, wonach ihre illegale Ausreise zufolge vager Ausführungen unglaubhaft sei, nicht zutreffend.
Das BFM hielt in seiner Vernehmlassung fest, in Eritrea könne es bei Familienangehörigen von Deserteuren und Wehrdienstverweigerern zu asylrelevanten Reflexverfolgungen kommen. Sie würden übermässig gebüsst und gegebenenfalls inhaftiert. Oft werde ihnen die Lebensgrundlage entzogen. Die alleinige Furcht vor einer solchen Verfolgung reiche allerdings nicht aus, sondern es müsse ein besonderer Behördenkontakt vorliegen beziehungsweise konkrete Hinweise auf eine objektiv begründete Furcht glaubhaft gemacht werden. Solche Hinweise würden sich aufgrund der Aktenlage, der Aussagen der Beschwerdeführerin sowie den Ausführungen in der Beschwerde nicht ergeben, weshalb auch die Existenz einer Reflexverfolgung zu verneinen sei. Im Weiteren habe sie Eritrea eigenen Angaben zufolge im Alter von zehn oder elf Jahren - und somit nicht im militärdienstpflichtigen Alter - verlassen. Darüber hinaus habe sie ihre angeblich erfolgte illegale Ausreise aus Eritrea wenig glaubhaft geschildert, was sich auch nicht durch ihr damaliges jugendliches Alter rechtfertigen
lasse. Somit bleibe die behauptete illegale Ausreise im militärdienstpflichtigen Alter nach wie vor unglaubhaft.
Die Rechtsvertretung äusserte sich in der Replik dahingehend, das BFM habe E. am ( ) als Flüchtling in der Schweiz anerkannt. Damit habe die Vorinstanz dessen Desertion und illegale Ausreise aus Eritrea als gegeben erachtet. Deshalb habe für die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihrer Ausreise auch eine diesbezügliche Gefahr einer Reflexverfolgung bestanden. Damit habe sie entgegen den Ausführungen der Vorinstanz (in der Vernehmlassung) durchaus konkrete Hinweise auf eine objektiv begründete Furcht vor asylrelevanter Reflexverfolgung glaubhaft machen können. Weiter sei auch der Onkel der Beschwerdeführerin aus dem eritreischen Militär geflüchtet. Die Vorinstanz habe sich weder zur Flüchtlingsanerkennung des Bruders noch zum Vorfall der Drohung seitens der Militärbehörden gegenüber der Tante geäussert.
Alsdann habe sich die Vorinstanz nicht zur Flüchtlingseigenschaft im Rahmen von subjektiven Nachfluchtgründen geäussert. Als solche würden unter anderem das illegale Verlassen des Heimatlandes und das Einreichen eines Asylgesuches im Ausland gelten. Die Vorinstanz habe den Schulbesuch der Beschwerdeführerin in Eritrea zu keinem Zeitpunkt bestritten. Damit müsse auch als anerkannt gelten, dass durch den sechsjährigen Schulbesuch unbestrittenermassen auch ein Kontakt zwischen den eritreischen Behörden und der Beschwerdeführerin hergestellt worden sei.
Einleitend ist zu prüfen, ob die Gesamtvorbringen der Beschwerdeführerin einen Asylanspruch zu begründen vermögen.
Vorab ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin Eritrea ungefähr im Alter von 12 Jahren verlassen hat. Damit war sie noch nicht im militärdienstpflichtigen Alter. Aus diesem Grunde fällt eine Asylgewährung wegen Refraktion von vornherein ausser Betracht.
Die Beschwerdeführerin machte auf Beschwerdeebene zunächst geltend, ihrem Halbbruder E. sei vom BFM am ( ) in Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft Asyl gewährt worden. Damit habe die Vorinstanz dessen Desertion aus der eritreischen Armee als glaubhaft eingestuft. Aufgrund dieser Desertion habe auch für sie im Zeitpunkt ihrer Flucht aus Eritrea die Gefahr einer Reflexverfolgung bestanden. Dies umso mehr,
als auch der Ehemann ihrer Tante aus der eritreischen Armee desertiert sei (vgl. Beschwerde S. 6 f. Ziffn. 4.7 und 4.8).
Die Vorinstanz räumt in ihrer Vernehmlassung ein, dass es in Eritrea bei Familienangehörigen von Deserteuren und Wehrdienstverweigerern zu asylrechtlich relevanten Reflexverfolgungen kommen könne. Gleichzeitig hält das BFM zutreffend fest, die alleinige Furcht vor einer derartigen Verfolgung reiche nicht aus. Vielmehr müsse es in diesem Zusammenhang vor der Ausreise zu einem Behördenkontakt gekommen sein. Die Beschwerdeführerin machte indessen weder im Rahmen des erstinstanzlichen noch des Beschwerdeverfahrens geltend, dass sie im Zusammenhang mit der Desertion ihres Halbbruders in irgendeiner Weise seitens der heimatlichen Behörden angegangen beziehungsweise behelligt worden wäre. Die gleiche Feststellung gilt auch in Bezug auf den angeblich ebenfalls aus dem eritreischen Militär desertierten Ehemann ihrer Tante. So äusserte sich die Beschwerdeführerin diesbezüglich bei ihrer Anhörung am
10. März 2014 dahingehend, ihre Tante habe Probleme mit den Militärbehörden beziehungsweise Polizisten gehabt, wobei sie nicht genau wisse, welcher Natur die Probleme ihrer Tante gewesen seien (vgl. act. A23/11 S. 5 F und A52). Damit bringt die Beschwerdeführerin hinlänglich zum Ausdruck, dass sie persönlich vor dem Verlassen Eritreas weder im Zusammenhang mit ihrem Halbbruder noch ihrem Onkel behördliche Schwierigkeiten hatte. Mit dieser Feststellung korrespondiert auch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Anhörung vom 10. März 2014 die Frage, ob sie persönlich jemals Kontakt zu eritreischen Behörden gehabt habe, ausdrücklich verneinte (vgl. act. A23/11 S. 6 F und A65). Aus diesem Grunde ist auch ihrer Behauptung die Grundlage entzogen, sie sei im Zeitpunkt ihrer Ausreise aus Eritrea wegen ihres Halbbruders respektive Onkels einer asylbeachtlichen Gefahr einer Reflexverfolgung ausgesetzt gewesen.
Im Sinne eines Zwischenergebnisses ist demnach festzuhalten, dass es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, eine asylrelevante Verfolgungssituation im Zeitpunkt ihrer Ausreise aus Eritrea glaubhaft zu machen.
Sodann ist auf das weitere Vorbringen einzugehen, wonach die Beschwerdeführerin bei einer Wiedereinreise nach Eritrea in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise gefährdet wäre, weil sie Eritrea illegal verlassen und ein Asylgesuch in der Schweiz gestellt habe.
Damit werden durch die Beschwerdeführerin subjektive Nachfluchtgründe geltend gemacht. Solche sind dann anzunehmen, wenn eine asylsuchende Person erst durch die Flucht aus dem Heimatoder Herkunftsstaat oder wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise eine Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG zu befürchten hat. Personen mit subjektiven Nachfluchtgründen erhalten zwar kein Asyl, werden jedoch als Flüchtlinge vorläufig aufgenommen (Art. 54 AsylG; vgl. BVGE 2009/28 E. 7.1). Die am 1. Februar 2014 in Kraft getretene Bestimmung von Art. 3 Abs. 4 AsylG hält zwar fest, dass Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimatoder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind, keine Flüchtlinge sind. Diese einschränkende Feststellung wurde vom Gesetzgeber jedoch durch den - gesetzgebungstechnisch an sich unnötigen - ausdrücklichen Hinweis auf den Vorbehalt der Geltung der FK wieder relativiert (Art. 3 Abs. 4 in fine AsylG).
Die Vorinstanz vertritt hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten illegalen Ausreise die Ansicht, diese könne zufolge fehlender Substanziiertheit nicht geglaubt werden. Dieser Sichtweise wird auf Beschwerdeebene namentlich entgegen gehalten, die Beschwerdeführerin sei bei ihrer Ausreise aus Eritrea erst 12 Jahre alt und als Folge der mit ihrer Ausreise verbundenen Strapazen in der Wahrnehmungsfähigkeit zusätzlich reduziert gewesen. Ausserdem sei sie persönlich erst beinahe zwei Jahre nach der Einreise in die Schweiz über die Modalitäten ihrer Ausreise befragt worden, was hinsichtlich der Anforderungen an die Konsistenz ihrer Schilderungen ebenfalls berücksichtigt werden müsse.
Die Frage der Glaubhaftigkeit der illegalen Ausreise der Beschwerdeführerin kann indes vorliegend aus nachstehenden Gründen offenbleiben: Das Bundesverwaltungsgericht vertritt diesbezüglich die Ansicht, dass kein begründeter Anlass zur Annahme besteht, die Beschwerdeführerin habe aufgrund ihrer im Alter von 12 Jahren erfolgten illegalen Ausreise künftige staatliche Verfolgungsmassnahmen zu befürchten. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass das eritreische Regime die illegale Ausreise einer Zwölfjährigen, die auch seither nicht exilpolitisch in Erscheinung getreten ist, als Akt einer oppositionellen Haltung beziehungsweise als Landesverrat interpretieren würde (vgl. in diesem Sinne auch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts D-3276/2015 vom 26. Juni 2015 und E-129/2015 E. 6 vom 20. Januar 2015).
Es bestehen - mangels eines politischen Profils - darüber hinaus keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Beschwerdeführerin durch die Einreichung eines Asylgesuchs in der Schweiz ins Blickfeld der eritreischen Behörden gelangt und als regimefeindliche Person aufgefallen wäre.
Das Vorliegen subjektiver Nachfluchtgründe ist somit zu verneinen (Art. 54 AsylG).
Lehnt das Staatssekretariat das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).
Die Beschwerdeführerin verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die - einzig in den Punkten 1-3 des Dispositivs angefochtene - Verfügung des BFM Bundesrecht nicht verletzt und den Sachverhalt richtig und vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist somit abzuweisen.
26. September 2014 die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und sich an den diesbezüglichen Voraussetzungen nichts geändert hat, sind keine Verfahrenskosten aufzuerlegen.
ruar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) ist der Rechtsbeiständin ein Betrag von Fr. 1100.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zuzusprechen.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Kosten auferlegt.
Das Bundesverwaltungsgericht entrichtet der als amtlicher Rechtsbeiständin eingesetzten Rechtsvertreterin ein Honorar in Höhe von Fr. 1100.-.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Martin Zoller Philipp Reimann
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