Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung III |
Dossiernummer: | C-3474/2016 |
Datum: | 30.08.2016 |
Leitsatz/Stichwort: | Krankenversicherung (Übriges) |
Schlagwörter : | Richt; Bundes; Urteil; Frist; Bundesverwaltungsgericht; Wiederherstellung; Kostenvorschuss; Beschluss; Beschlussorgan; Fristwiederherstellungsgesuch; Verfahren; Rechtsvertreter; Hinweis; Hinweisen; Gesuch; Medizin; Rechtsprechung; Zuordnung; BVGer; Wiederherstellungsgesuch; Zusammenhang; Hinderung; Verfahrens; Parteien |
Rechtsnorm: | Art. 24 VwVG ;Art. 39 BV ;Art. 39 KVG ;Art. 50 BGG ;Art. 53 KVG ;Art. 83 BGG ;Art. 90 KVG ; |
Referenz BGE: | 108 V 109; 117 Ia 297; 119 Ib 86; 139 III 364 |
Kommentar: | - |
Abteilung III C-3474/2016
Besetzung Einzelrichter Vito Valenti, Gerichtsschreiber Kilian Meyer
vertreten durch Prof. Dr. iur. Urs Saxer und Mirjam Barmet, Rechtsanwälte,
Beschwerdeführerin,
gegen
vertreten durch lic. iur. Andrea Gysin, Advokatin, Advokatur und Notariat Neidhart Vollenweider Joset Stoll Göschke Gysin, Pelikanweg 2, 4054 Basel,
Vorinstanz.
Gegenstand Fristwiederherstellungsgesuch
(versäumte Frist im Verfahren C-1566/2016).
dass das Beschlussorgan der Interkantonalen Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin (im Folgenden: HSM Beschlussorgan), an seiner Sitzung vom 21. Januar 2016, gestützt auf Art. 39 Abs. 2bis KVG und Art. 3 Abs. 3-5 der Interkantonalen Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin (im Folgenden: IVHSM), beschlossen hat, dass die komplexe hochspezialisierte Viszeralchirurgie der hochspezialisierten Medizin zugeordnet wird,
dass dies die Oesophagus-, die Pankreas-, die Leber-, die tiefe Rektumresektion und die komplexe bariatrische Chirurgie umfasst,
dass dieser Beschluss am 9. Februar 2016 im Bundesblatt publiziert wurde (BBl 2016 813),
dass die A. AG (im Folgenden: Beschwerdeführerin) diesen Beschluss mit Beschwerde vom 10. März 2016 angefochten hat,
dass mit Zwischenverfügung vom 5. April 2016, die am 6. April 2016 zugestellt wurde, die Beschwerdeführerin aufgefordert wurde, bis zum 25. April 2016 einen Kostenvorschuss von Fr. 5‘000.- in der Höhe der mutmasslichen Verfahrenskosten zu leisten,
dass der Kostenvorschuss nicht innert der angesetzten Frist geleistet wurde und demzufolge das Bundessverwaltungsgericht mit Urteil vom
13. Mai 2016 auf die Beschwerde nicht eingetreten ist,
dass die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 1. Juni 2016 vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Fristwiederherstellungsgesuch eingereicht hat mit dem Antrag, es sei die Frist zur Zahlung des Kostenvorschusses im Beschwerdeverfahren C-1566/2016 wiederherzustellen,
dass die Frage, ob die Wiederherstellung einer versäumten Frist auch nach Abschluss des Prozesses möglich ist, von Art. 24 VwVG nicht ausdrücklich beantwortet wird (vgl. Urteil des BGer 9C_75/2008 vom 20. August 2008),
dass dagegen Art. 50 Abs. 2 BGG ausdrücklich bestimmt, die Wiederherstellung könne auch nach Eröffnung des Urteils bewilligt werden und führe zur Aufhebung des Urteils (vgl. Urteil des BGer 2C_98/2008 vom 12. März 2008 E. 1 mit Hinweisen),
dass der Umstand, dass Art. 24 VwVG beim Erlass des Bundesgerichtsgesetzes nicht mit einer entsprechenden Bestimmung ergänzt wurde, nicht bedeutet, dass in seinem Anwendungsbereich der Eintritt der Rechtskraft eine Wiederherstellung verunmöglicht (vgl. dazu Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4406
Ziff. 4.3.6),
dass eine derartige Unterscheidung nach Sinn und Zweck der Bestimmung nicht angezeigt ist,
dass die Möglichkeit, eine unverschuldet versäumte Frist wiederherzustellen, ein allgemeiner Rechtsgrundsatz darstellt (BGE 117 Ia 297 E. 3c
S. 301 mit Hinweis; BGE 108 V 109 E. 2c S. 110),
dass es darum geht, unverschuldet erlittene verfahrensrechtliche Nachteile zu beseitigen,
dass zudem für die Behandlung des Wiederherstellungsbegehrens jene Behörde zuständig ist, welche bei Gewährung der Wiederherstellung über die nachgeholte Parteihandlung zu entscheiden hat (Urteile des BGer 9C_75/2008 vom 20. August 2008; C 224/00 vom 26. September 2000),
dass gemäss Art. 31 VGG das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG beurteilt, sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in Art. 33 VGG genannten Behörden, wobei insbesondere Instanzen des Bundes aufgeführt werden. Verfügungen kantonaler Instanzen sind gemäss Art. 33 Bst. i VGG nur dann beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar, wenn dies in einem Bundesgesetz vorgesehen ist,
dass Art. 53 Abs. 1 KVG bestimmt, dass gegen bestimmte Beschlüsse der Kantonsregierungen Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht geführt werden kann (vgl. auch Art. 90a Abs. 2 KVG). Zu den gemäss Art. 53 Abs. 1 KVG anfechtbaren Beschlüssen der Kantonsregierungen gehören
u.a. die Spitaloder Pflegeheimlisten im Sinne von Art. 39 KVG (vgl. BVGE 2009/45 [C-5733/2007] sowie BVGE 2010/15 [C-6062/2007] nicht veröffentlichte E. 1.1),
dass in BVGE 2012/9 E. 1 das Bundesverwaltungsgericht seine Zuständigkeit betreffend Beschwerden gegen Beschlüsse des HSM Beschlussorgans bejaht hat. Hingegen wurde in der Rechtsprechung die Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist, wenn das HSM Beschlussorgan in
einem Entscheid ausschliesslich über die Frage der Zuordnung eines Bereichs zur HSM entscheiden sollte, zuerst offengelassen (vgl. BVGE 2013/45 E. 2.6, 2013/46 E. 2.3 bzw. 2014/4 E. 2.2.3),
dass im Urteil vom 9. Juni 2016 im Fall C-2251/2015 das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, es sei von seiner Zuständigkeit bei Beschwerden gegen Zuordnungsbeschlüsse des HSM-Beschlussorgans auszugehen (E. 2.5),
es kam im selben Urteil auch zum Schluss, dass die Vertragsparteien der IVHSM von einem zweistufigen Verfahren ausgegangen seien (zuerst Zuordnung, dann Zuteilung) und nur gegen Zuteilungsbeschlüsse eine Beschwerde nach Art. 53 KVG zulassen wollten, und dass dies systemund bundesrechtskonform sei, denn Zuordnungsbeschlüsse seien generellabstrakter Natur und der Gesetzgeber habe keine abstrakte Normenkontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht vorgesehen (Urteil des BVGer C-2251/2015 vom 9. Juni 2016 E. 3.3 - 5.3),
dass demzufolge das Bundesverwaltungsgericht für die Behandlung des Fristwiederherstellungsgesuchs der Beschwerdeführerin zuständig ist,
dass wenn ein Gesuchsteller oder sein Vertreter unverschuldeterweise abgehalten worden ist, binnen Frist zu handeln, diese gemäss Art. 24 Abs. 1 VwVG (SR 172.021) wieder hergestellt wird, sofern er unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt,
dass nach der Rechtsprechung die Wiederherstellung nur bei klarer Schuldlosigkeit des Beschwerdeführer respektive seines Vertreters zu gewähren ist (Urteile des BGer 2C_1096/2013 E. 4.1 mit Hinweisen),
dass objektive Unmöglichkeit in Frage kommt, wie beispielsweise Naturkatastrophen, Militärdienst oder schwerwiegende Erkrankung, oder subjektive Unmöglichkeit, wenn zwar die Vornahme einer Handlung, objektiv betrachtet, möglich gewesen wäre, die betroffene Person aber durch besondere Umstände, die sie nicht zu vertreten hat, am Handeln gehindert worden ist; in Betracht kommen insbesondere unverschuldete Irrtumsfälle (Urteil des BGer 2C_699/2012 vom 22. Oktober 2012 E. 3.2 m.H.),
dass es dem Gesuchsteller obliegt, dass Gesuch um Wiederherstellung zu begründen unter Beilage der entsprechenden Beweismittel (vgl. BGE 119 Ib 86 E. 2a),
dass nach ständiger Rechtsprechung der Partei und ihrer Rechtsvertretung auch Fehler von Hilfspersonen zuzurechnen sind (vgl. Urteil des BGer 2C_734/2012 vom 25. März 2013 E. 3.3),
dass eine fehlende Begründung zu einem Nichteintreten auf das Gesuch führt (vgl. Urteil des BVGer C-79/2016 vom 14. Januar 2016 E. 4.4 mit Hinweisen),
dass auf das Fristwiederherstellungsgesuch der Beschwerdeführerin schon deshalb nicht einzutreten ist, weil im Wiederherstellungsgesuch kein unverschuldeter Hinderungsgrund des Vertreters geltend gemacht wurde (vgl. Urteil des BVGer C-79/2016 vom 14. Januar 2016 E. 4.5.1),
dass sich der Rechtsvertreter in diesem Zusammenhang nicht mit dem Hinweis begnügen kann, er habe die gerichtliche Kostenvorschussverfügung seinem Mandanten korrekt zugestellt,
dass der Rechtsvertreter vielmehr gehalten gewesen wäre, bei der Mandantin vor Ablauf der Frist zur Kostenvorschusszahlung nachzufragen, ob dieser geleistet wurde und gegebenenfalls vorsichtshalber ein Fristerstreckungsgesuch einzureichen oder den Kostenvorschuss selbst vorzuschiessen,
dass ein Rechtsvertreter, der zu keiner dieser Vorsichtsmannsnahmen greift, nicht geltend machen kann, er oder sein Mandant sei im Sinne von Art. 24 Abs. 1 VwVG unverschuldeterweise vom fristgerechten Handeln abgehalten worden (vgl. Urteil des BVGer B-65/2012 vom 11. April 2012, E. 4.3.5),
dass in diesem Zusammenhang die unbewiesen gebliebene und sehr allgemein gehaltene einfache Behauptung (Nr. 12 des Wiederherstellungsgesuchs [S. 7]) des Rechtsvertreters, er sei von einem Mitarbeiter der Beschwerdeführerin über die rechtzeitige Zahlung des Kostenvorschusses informiert worden, offensichtlich nicht genügt,
dass nämlich nichts Präzises darüber beigefügt wird, geschweige denn bewiesen wird, wann diese Information an den Rechtsvertreter weitergegeben worden wäre, in welcher Form und mit welchem Inhalt,
dass im konkreten Fall auf präzise Angaben aber nicht hätte verzichtet werden können, lagen doch drei Kostenvorschüsse im Spiel, die innert der gleichen Frist von der zuständigen Stelle der Gruppe Hirslanden hätten bezahlt werden müssen,
dass der Rechtsvertreter also sehr präzise Rückfragen bei der Beschwerdeführerin hätte stellen müssen, um sich zu vergewissern, dass alle drei Kostenvorschüsse auch zeitgerecht bezahlt wurden, was er aber nicht einmal behauptet getan zu haben,
dass zudem auch die Beschwerdeführerin keine unverschuldete Hinderung geltend machen kann,
dass nämlich, auch wenn ein Mitarbeiter der Beschwerdeführerin einem anderen Mitarbeiter in der Buchhaltung das E-Mail des Rechtvertreters vom 6. April 2016 korrekt weitergeleitet hätte, und bei der internen Weiterleitung dieses E-Mails ein technischer Übermittlungsfehler aufgetreten wäre, offensichtlich immer noch die Beschwerdeführerin oder eine von ihr eingesetzte Hilfsperson gehalten gewesen wäre zu prüfen, ob die elektronische Nachricht tatsächlich erhalten und umgesetzt wurde (Urteil des BGer 2C_699/2012 vom 22. Oktober 2012 E. 4),
dass die Beschwerdeführerin aber im Wiederherstellungsgesuch klar nichts beigebracht hat, dass beweisen könnte, dass sie intern eine genügend präzise Abklärung getätigt hat, um ohne jegliches Verschulden davon ausgehen zu können, dass der Kostenvorschuss rechtzeitig bezahlt worden wäre, lagen doch drei Kostenvorschüsse im Spiel, die innert der gleichen Frist zu bezahlen waren,
dass mit anderen Worten auch die Beschwerdeführerin offensichtlich nicht die im konkreten Fall notwendigen Vorsichtsmassnahmen getroffen hat,
dass sie aber trotzdem ein Fristwiederherstellungsgesuch eingereicht hat, obschon ihr bewusst sein musste - auch anhand der oben zitierten ständigen und bekannten Rechtsprechung - dass sie keine Möglichkeit hatte, mit diesem Gesuch durchzudringen,
dass es im Übrigen auch offensichtlich nicht Aufgabe des Gerichts ist, nach Hinderungsgründen beim Beschwerdeführer zu forschen, bevor auf eine Beschwerde nicht eingetreten wird, zumal bei unverschuldeter Hinderung eine Wiederherstellung möglich ist (Urteil 2A.339/2006 vom 31. Juli 2006
E. 4.2 mit Hinweisen),
dass auch nicht einzusehen ist, warum das Bundesverwaltungsgericht den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt hätte (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Urteil des BGer 1C_491/2008 vom 10. März 2009 E. 2.2.1
mit Hinweisen), indem es bei der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Verbleibs der Zahlung nicht nachgefragt hat, weil andere Kliniken der Gruppe Hirslanden den Kostenvorschuss fristgerecht bezahlt haben, obliegt es doch der Beschwerdeführerin oder ihrem Rechtsvertreter die notwendigen Vorsichtsmassnahmen zu treffen (vgl. obige Ausführungen),
dass in diesem Zusammenhang der Verweis der Beschwerdeführerin auf BGE 139 III 364 E. 3.2.3 unbehilflich ist und diese Praxis ausserdem eine ganz andere Konstellation betrifft,
dass nach dem Gesagten und im einzelrichterlichen Verfahren auf das Fristwiederherstellungsgesuch nicht einzutreten ist (Art. 23 Abs. 1 Bst. b VGG),
dass die Verfahrenskosten ganz oder teilweise erlassen werden können, wenn, wie im konkreten Fall, Gründe in der Sache oder in der Person der Partei es als unverhältnismässig erscheinen lassen, diese der Partei aufzuerlegen (Art. 6 Bst. b des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]),
dass der am 30. Mai 2016 nachträglich bezahlte Kostenvorschuss von Fr. 5‘000.- der Beschwerdeführerin zurückzuerstatten ist,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens keine Parteientschädigung auszurichten (Art. 7 Abs. 3 VGKE) ist,
dass das vorliegende Urteil endgültig ist, da die Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der Krankenversicherung, die das Bundesverwaltungsgericht gestützt auf Art. 33 lit. i VGG i.V.m. Art. 53 Abs. 1 KVG getroffen hat, inbegriffen wenn es sich um ein Fristwiederherstellungsgesuch geht, unzulässig ist (vgl. Art. 83 lit. r BGG).
Dispositiv folgt auf der nächsten Seite.
Auf das Wiederherstellungsgesuch wird nicht eingetreten.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben und es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet. Der nachträglich bezahlte Kostenvorschuss von Fr. 5‘000.- wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde; Beilage: Formular Zahladresse)
die Vorinstanz (Ref-Nr. ; Gerichtsurkunde)
das Bundesamt für Gesundheit (Gerichtsurkunde)
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:
Vito Valenti Kilian Meyer
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