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Bundesverwaltungsgericht Urteil BVGE 2016/37

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung III
Dossiernummer:BVGE 2016/37
Datum:03.11.2016
Leitsatz/Stichwort:Rentenanspruch
Schlagwörter : Recht; Anwalt; Anwalts; Anwälte; Anwaltsregister; Kanton; Verbeiständung; Register; Anwältin; Rechtsvertreter; Schweiz; Anwältinnen; Eintrag; Rechtsprechung; Dienstleistungsfreiheit; Bundesgericht; Freizügigkeit; Pflicht; Sinne; Rechtsbeistand; Praxis; Voraussetzungen; Beschränkung; Verhältnis; Aufsicht; Zulassung; Rechtsanwalt; Eintragung; Gericht
Rechtsnorm: Art. 29 BV ; Art. 61 ATSG ; Art. 64 BGG ; Art. 65 VwVG ;
Referenz BGE:113 Ia 69; 125 I 161; 129 II 401; 132 V 200; 135 I 1; 135 V 465; 137 V 210; 139 II 393; 139 II 404; 139 III 98; 139 IV 113; 141 V 355; 60 I 12
Kommentar:
-, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Art. 65 VwVG, 2008
Entscheid

8 Gesundheit - Arbeit - Soziale Sicherheit Santé - Travail - Sécurité sociale

Sanità - Lavoro - Sicurezza sociale

37

Auszug aus dem Teilurteil der Abteilung III

i.S. A. gegen Invalidenversicherungs-Stelle für Versicherte im Ausland C4032/2014 und C7520/2014 vom 3. November 2016

Unentgeltliche Verbeiständung im sozialversicherungsrechtlichen Beschwerdeverfahren. Zulassung in der Schweiz tätiger Anwältinnen und Anwälte aus der EU/EFTA zum unentgeltlichen Rechtsbeistand.
Art. 29 Abs. 3 BV. Art. 2 und Art. 5 Abs. 1 FZA. Art. 5, Art. 17 Bst. a,
Art. 19 und Art. 22 Abs. 4 Anhang I FZA. Art. 12 Bst. g, Art. 21
Abs. 1 und 2, Art. 25 und Art. 26 BGFA.
  1. Bundesgerichtliche Praxis zur interkantonalen Freizügigkeit bei unentgeltlicher Rechtsverbeiständung (E. 2.13).
  2. Bedingter Anspruch des Rechtsverbeiständeten auf die Berücksichtigung der Wahl der Anwältin oder des Anwalts (E. 2.14).
  3. Voraussetzungen für die Bestellung von dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälten der EU/EFTA zum unentgeltlichen Rechtsbeistand im sozialversicherungsrechtlichen Beschwerdeverfahren. Erfordernis der Eintragung in einem kantonalen Anwaltsregister (E. 3.13.6).
  4. Das Erfordernis der Eintragung in einem kantonalen Anwaltsregister ist mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar (E. 3.8).
  5. Voraussetzungen für den Verzicht auf das Erfordernis der Eintragung in einem kantonalen Anwaltsregister (E. 3.9).
Assistance judiciaire dans la procédure de recours en matière d'assurances sociales. Autorisation pour les avocats de l'UE/AELE exerçant en Suisse de pratiquer comme conseil juridique dans le cadre de la libre prestation des services.
Art. 29 al. 3 Cst. Art. 2 et art. 5 al. 1 ALCP. Art. 5, art. 17 let. a, art. 19
et art. 22 al. 4 annexe I ALCP. Art. 12 let. g, art. 21 al. 1 et 2, art. 25 et
art. 26 LLCA.
  1. Pratique du Tribunal fédéral en matière de libre circulation intercantonale en matière d'assistance judiciaire (consid. 2.13).
  2. Droit conditionnel de la personne au bénéfice de l'assistance judiciaire au respect du choix de l'avocat (consid. 2.14).
  3. Conditions pour la désignation d'avocats de l'UE/AELE en exercice comme conseil juridique dans une procédure de recours en matière d'assurances sociales. Inscription à un registre cantonal des avocats requise (consid. 3.13.6).
  4. L'exigence de l'inscription à un registre cantonal des avocats est compatible avec l'accord sur la libre circulation des personnes (consid. 3.8).
  5. Conditions permettant de renoncer à l'exigence de l'inscription à un registre cantonal des avocats (consid. 3.9).
Gratuito patrocinio nell'ambito della procedura di ricorso in materia di assicurazioni sociali. Ammissione al patrocinio d'ufficio di avvocati dell'EU/AELS attivi in Svizzera.
Art. 29 cpv. 3 Cost. Art. 2 e art. 5 cpv. 1 ALC. Art. 5, art. 17 lett. a,
art. 19 e art. 22 cpv. 4 allegato I ALC. Art. 12 lett. g, art. 21 cpv. 1 e 2,
art. 25 e art. 26 LLCA.
  1. Prassi del Tribunale federale sulla libera circolazione intercantonale in materia di gratuito patrocinio (consid. 2.13).
  2. Il diritto del beneficiario del gratuito patrocinio al rispetto della scelta del patrocinatore è condizionato (consid. 2.14).
  3. Presupposti per la nomina a titolo di patrocinatori d'ufficio di avvocati prestatori di servizi dell'UE/AELS nell'ambito della procedura di ricorso in materia di assicurazioni sociali. Requisito dell'i- scrizione in un registro cantonale degli avvocati (consid. 3.13.6).
  4. Il requisito dell'iscrizione in un registro cantonale degli avvocati è compatibile con l'Accordo sulla libera circolazione delle persone (consid. 3.8).
  5. Presupposti per la rinuncia al requisito dell'iscrizione in un registro cantonale degli avvocati (consid. 3.9).

Am 29. April 1999 sprach die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (nachfolgend: Vorinstanz) dem in Deutschland wohnhaften deutschen Staatsangehörigen A. (nachfolgend: Beschwerdeführer) rückwirkend ab

1. August 1997 eine halbe IV-Rente nebst einer halben Kinderrente und am 25. September 2001 ab 1. Juni 2000 eine ganze IV-Rente nebst einer ganzen Kinderrente zu. Mit Verfügung vom 13. Dezember 2010 sistierte die Vorinstanz die Rentenleistungen des Beschwerdeführers mit sofortiger Wirkung und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht wies eine vom Beschwerdeführer gegen die sofortige (vorsorgliche) Renteneinstellung erhobene Beschwerde ab. Infolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wurden sodann keine Verfahrenskosten erhoben, und Rechtsanwalt B. wurde für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht aus der Gerichtskasse mit Fr. 1 200. entschädigt.

Mit Verfügungen vom 11. Juni 2014 und vom 4. Juli 2014 hob die Vorinstanz nach Durchführung eines Rentenrevisionsverfahrens mit polydisziplinärer Begutachtung des Beschwerdeführers die ab 1. August 1997 zugesprochenen IV-Renten rückwirkend auf und entzog einer allfälligen Beschwerde gegen diese Verfügungen die aufschiebende Wirkung.

Gegen diese Verfügungen erhob der Beschwerdeführer am 18. Juli 2014 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht mit den Anträgen, die Verfügungen seien aufzuheben und der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung wieder zu erteilen. Nachdem der Beschwerdeführer am

5. November 2014 aufgefordert worden war, einen Kostenvorschuss von Fr. 600. zu leisten, liess er mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom

20. November 2014 ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung stellen. Am 26. Dezember 2014 reichte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht das vervoll-

ständigte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege einschliesslich entspre-

chender Beweismittel ein und teilte dem Gericht mit, dass er nicht in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragen sei.

Ebenfalls mit Eingabe vom 26. Dezember 2014 reichte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen eine Verfügung der Vorinstanz vom 10. Dezember 2014 ein, womit diese von ihm einen Betrag von Fr. 17 917. unter dem Titel zu Unrecht bezogener IV-Renten zurückgefordert hatte. Darin stellte

er auch für dieses Beschwerdeverfahren den Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.

Das Bundesverwaltungsgericht heisst die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gut und ordnet ihm Rechtsanwalt B. als amtlich bestellten Anwalt bei.

Aus den Erwägungen:

    1. In der bisherigen (älteren) Rechtsprechung hat das Bundesgericht Bestimmungen, wonach nur im eigenen Kanton domizilierte Anwälte mit amtlichen Mandaten betraut werden können, wiederholt unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit geprüft. Als sachliche Gründe für eine solche Regelung wurden die bessere Kenntnis des kantonalen Prozessrechts, die Unterwerfung unter die kantonale Disziplinarhoheit, der Zwang zur Übernahme unentgeltlicher Mandate und der finanzielle Aspekt (Einarbeitung in fremdes Prozessrecht, Reisekosten) anerkannt (vgl. BGE 60 I 12 E. 2; 67 I 1 E. 2; 95 I 409 E. 5; 113 Ia 69 E. 5c).

      Nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Einschränkung der unentgeltlichen Verbeiständung auf im Zuständigkeitsbereich des urteilenden Gerichts registrierte Anwälte sind die beiden Argumente der Verpflichtung zur Übernahme amtlicher Mandate sowie der Überwachungsund Disziplinargewalt des Kantons nach wie vor massgeblich: Mit Urteil 5A_175/2008 vom 8. Juli 2008 hat das Bundesgericht § 81 Abs. 2 des thurgauischen Gesetzes vom 23. Februar 1981 über die Verwaltungsrechtspflege auf seine Vereinbarkeit mit dem übergeordneten Recht überprüft. Nach dieser Bestimmung kann einem Beteiligten, sofern es die Umstände erfordern, namentlich im Verfahren vor Verwaltungsgericht, ein für ihn unentgeltlicher, im Anwaltsregister des Kantons Thurgau eingetragener Anwalt bewilligt werden. In diesem Zusammenhang hat das Bundesgericht ausgeführt, der Beschränkung auf Armenrechtsanwälte, die im eigenen Kanton registriert seien, und der ausschliesslich diesen obliegenden Pflicht zur Übernahme amtlicher Mandate wohne ein enger Zusammenhang inne, denn einem innerkantonalen Anwalt sei es im Gegensatz zum ausserkantonalen verwehrt, nur die ihm genehmen Mandate herauszupicken und die restlichen einem der Verpflichtung unterliegenden anderen Anwalt zu überlassen (vgl. Urteil 5A_175/2008 E. 5.1).

      Was die Überwachungsund Disziplinarfunktion betreffe, so sei diese bei Offizialanwälten insofern akzentuierter, als nicht nur ein privatrechtliches

      Verhältnis mit dem Mandanten, sondern parallel auch ein öffentlichrechtliches mit dem finanzierenden Staat bestehe und dieses verschiedene Konfliktpunkte aufweisen könne. Auch wenn das disziplinarische Tätigwerden der Aufsichtsbehörde nicht davon abhänge, dass der Anwalt im Register des eigenen Kantons eingetragen sei (vgl. Art. 16 des Anwaltsgesetzes vom 23. Juni 2000 [BGFA, SR 935.61]), so seien doch die betreffenden Behörden am besten in der Lage, über die Eignung von Anwälten zur Übernahme amtlicher Mandate zu entscheiden, weil allein bei ihnen alle Informationen gebündelt zur Verfügung stünden. So verfüge der Registerkanton über eine verfahrensunabhängige allgemeine Aufsichtskompetenz, bestehe diesem gegenüber eine Meldepflicht (Art. 15 BGFA), werde dieser über die Eröffnung ausserkantonaler Disziplinarverfahren informiert, zur Stellungnahme eingeladen und über das Ergebnis orientiert (Art. 16 BGFA) und enthalte das jeweilige Register alle nicht gelöschten Disziplinarmassnahmen (Art. 5 Abs. 2 Bst. e BGFA). Insoweit bestehe an der Aufrechterhaltung ein öffentliches Interesse und würden sachliche Gründe für die angefochtene kantonale Regelung sprechen (Urteil 5A_175/2008 E. 5.1; vgl. dazu auch BOHNET/MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, Rz. 17011704, mit kritischer Würdigung der laut Bundesgericht weiterhin für eine Beschränkung auf innerkantonale Anwälte sprechenden Argumente). Nach dieser Rechtsprechung bleibt es weiterhin Sache der Kantone, die Voraussetzungen für die Ernennung eines unentgeltlichen Prozessbeistands zu umschreiben und eine solche auf im Register ihres Kantons registrierte Anwälte zu beschränken.

      Nach der geltenden Praxis des Bundesgerichts zur interkantonalen Freizügigkeit rechtfertigt sich die Beschränkung auf im Registerkanton registrierte Anwältinnen und Anwälte dementsprechend einerseits durch die bessere Gewährleistung der Überwachungsund Disziplinarfunktion. Andererseits legitimiert nach dieser Praxis auch die gesetzlich verankerte Verpflichtung zur Übernahme von Pflichtverteidigungen und unentgeltlichen Verbeiständungen (Art. 12 Bst. g BGFA) im Sinne einer Reflexwirkung eine Beschränkung dieser Mandate auf im Kanton registrierte Anwälte.

    2. Art. 29 Abs. 3 BV gewährt dem (unentgeltlich) Verbeiständeten grundsätzlich nicht ein Recht auf freie Wahl des Rechtsvertreters (BGE 139 IV 113 E. 1.1; 135 I 261 E. 1.2; 126 I 207 E. 2b). Die Rechtsprechung

anerkennt indessen gestützt auf den Anspruch auf ein gerechtes Verfahren in besonderen Fällen ein Wahlrecht des Verbeiständeten auf seinen Rechtsvertreter (Art. 29 Abs. 1 BV; vgl. auch Art. 29a BV; Art. 8 i.V.m. Art. 13

EMRK). Dies ist namentlich der Fall, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt besteht oder der Anwalt sich bereits in einem vorangegangenen Verfahren mit der Sache befasst hat, und ferner, wenn der Mandant die Sprache des Gerichts und des ihm bestellten Anwalts nicht versteht, sodass er sich in der Wahrung seiner Rechte beeinträchtigt vorkommen müsste (BGE 113 Ia 69 E. 5c; 95 I 409

E. 5; Urteile des BGer 5A_623/2010 vom 26. November 2010 E. 2; 5A_175/2008 E. 5.1). Eine kantonale Bestimmung, wonach grundsätzlich ausschliesslich im Anwaltsregister des betreffenden Kantons eingetragene Anwältinnen und Anwälte für die unentgeltliche Verbeiständung bestellt werden, kann der Einsetzung eines ausserkantonalen unentgeltlichen Rechtsbeistands, zu dem bereits ein besonderes Vertrauensverhältnis im Sinne der Rechtsprechung besteht, nicht entgegenstehen (BGE 113 Ia 69

E. 5c; Urteile des BGer 2C_835/2014 vom 22. Januar 2015 E. 6.2; 2C_79/2013 vom 26. August 2013 E. 2.2.2; 5A_623/2010 E. 2;

5A_175/2008 E. 5.1). Entsprechend dieser Praxis wird auch in der Lehre die Berücksichtigung des Wahlrechts des Verbeiständeten unterstützt (vgl. dazu z.B. MARTIN KAYSER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2008, Art. 65 N. 35). So befürwortet MEICHSSNER (STEFAN MEICHSSNER, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege [Art. 29 Abs. 3 BV], 2008, S. 194 f. und 197 f.) gestützt auf Art. 29 Abs. 3 BV ein grundsätzliches Wahlrecht des Mittellosen unter sämtlichen in der Schweiz zur Parteivertretung legitimierten Anwälten, welches allerdings unter Umständen durch die staatliche Überwachungspflicht beschränkt werde.

  1. Mit Blick auf die vorstehend dargelegten Rechtsgrundlagen und die entsprechende Gerichtspraxis ist nachfolgend zu prüfen, ob die im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs tätigen Angehörigen von Mitgliedstaaten der EU oder EFTA, welche den Anwaltsberuf im Herkunftsstaat unter einer der im Anhang zum BGFA aufgeführten Berufsbezeichnungen ausüben dürfen, auf Bundesebene zur Rechtsvertretung im Rahmen der unentgeltlichen Prozessführung im sozialversicherungsrechtlichen Beschwerdeverfahren vor Bundesverwaltungsgericht zuzulassen sind.

    1. Wie vorstehend dargelegt, wird die unentgeltliche Verbeiständung im sozialversicherungsrechtlichen Beschwerdeverfahren nach Art. 61 Bst. f ATSG (SR 830.1) gewährt, wenn die Verhältnisse dies rechtfertigen. Diese Bestimmung regelt allerdings die Frage nicht, wer zur unentgeltlichen Vertretung zugelassen ist (UELI KIESER, ATSGKommentar, 3. Aufl. 2015, Art. 61 N. 188). Nach der geltenden Praxis kann die unentgeltliche Rechtsvertretung in diesem Bereich ausschliesslich durch im Anwaltsregister eingetragene Rechtsanwälte übernommen werden ( ). Damit im Einklang steht die Praxis zu Art. 65 Abs. 2 VwVG, wonach ausschliesslich im Anwaltsregister eingetragene Anwälte oder solche, welche die Voraussetzungen zur Eintragung erfüllen (BGE 135 I 1

      E. 7.4.1), zur unentgeltlichen Rechtsverbeiständung zugelassen werden (KAYSER, a.a.O., Art. 65 N. 36). Im Zusammenhang mit den dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälten sieht Art. 25 BGFA sodann vor, dass für sie die Berufsregeln nach Art. 12 BGFA mit Ausnahme der Bestimmungen betreffend die amtliche Pflichtverteidigung und die unentgeltliche Rechtsvertretung (Bst. g) sowie den Registereintrag (Bst. j) gelten. Art. 12 Bst. g BGFA regelt dabei ausschliesslich die Pflicht der im Registerkanton eingetragenen Rechtsanwälte, amtliche Verteidigungen und unentgeltliche Verbeiständungen zu übernehmen, ohne sich explizit zum Recht auf Ernennung zum unentgeltlichen Beistand zu äussern. Es stellt sich deshalb vorab die Frage, ob es sich diesbezüglich um eine durch Richterrecht zu füllende Gesetzeslücke oder um ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers handelt.

    2. Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber demgegenüber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend im negativen Sinn mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung (HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN , Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, Rz. 202). Eine Gesetzeslücke, die vom Gericht zu füllen ist, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dann vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann (vgl. BGE 139 II 404 E. 4.2). Ist ein lückenhaftes Gesetz zu ergänzen, gelten als Massstab die dem Gesetz selbst zugrunde liegenden Zielsetzungen und Werte (BGE 129 II 401 E. 2.3).

      1. Ob eine Gesetzeslücke oder ein qualifiziertes Schweigen vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm

        darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis . Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 141 V 355 E. 3.2; 139 II

        173 E. 2.1; 129 V 95 E. 2.2; 139 V 358 E. 3.1). Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen (BGE 139 II 404 E. 4.2; 138 II 217 E. 4.1). Bei der Auslegung neuerer Bestimmungen kommt den Materialien eine besondere Stellung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger nahelegen (BGE 139 III 98 E. 3.1; 138 II 440 E. 13).

      2. In der Botschaft vom 28. April 1999 zum Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (nachfolgend: Botschaft zum BGFA) wird ausgeführt, dass die Berufsregeln des BGFA grundsätzlich auch für die dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälte gelten. Die Ausnahme bezüglich der Pflicht zur Übernahme von amtlichen Pflichtverteidigungen und unentgeltlichen Rechtsvertretungen wird damit begründet, dass es unzweckmässig wäre, von Anwältinnen und Anwälten, die nur gelegentlich in der Schweiz Parteien vertreten, zu verlangen, dass sie unentgeltliche Vertretungen übernehmen, da sie wahrscheinlich auf gewisse Rechtsgebiete spezialisiert seien und in der Schweiz im Wesentlichen ausländische Klientinnen und Klienten vertreten würden (Botschaft zum BGFA, BBl 1999 6013, 6064 f. Ziff. 234.25). In den nachfolgenden parlamentarischen Beratungen waren die Besonderheiten hinsichtlich der Einhaltung der Berufsregeln durch die im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nicht mehr umstritten (vgl. dazu AB 1999 N 1569 und AB 1999 S 1173). Der Hinweis in der Botschaft, wonach die ausländischen Rechtsvertreter aufgrund ihrer Konzentration respektive Spezialisierung nicht zur unentgeltlichen Verbeiständung verpflichtet werden sollen, lässt tendenziell darauf schliessen, dass der Gesetzgeber von der entsprechenden Verpflichtung abgesehen hat, weil er Zweifel an der Gewährleistung einer hinreichenden Kenntnis der für die Vertretung infrage stehenden Rechtsgebiete hatte. Eine zweifelsfreie, klare Interpretation lässt sich für die Beantwortung der hier zur Diskussion stehenden Frage indes aus den Materialien nicht herleiten.

Mit Blick auf die Gesetzessystematik ist darauf hinzuweisen, dass Art. 25 BGFA unmittelbar Bezug nimmt auf den in Art. 12 BGFA aufgeführten Katalog von anwaltlichen Berufsregeln (Art. 12 Bst. aj BGFA), welche im Wesentlichen Pflichten des Anwalts regeln und keinen Bezug nehmen auf dessen Rechte. Dementsprechend vermag auch die Auslegung mit Rücksicht auf die Systematik der Norm keine klaren Aufschlüsse zu geben.

Die teleologische Auslegung hat schliesslich den Sinn und Zweck und die der Norm zugrunde liegenden Wertungen zu berücksichtigen. Unter diesem Gesichtspunkt ist zu beachten, dass die Regelung der internationalen Freizügigkeit zwischen der Schweiz und den Angehörigen von Mitgliedstaaten der EU und der EFTA zu den mit dem BGFA verfolgten Zielen gehört (vgl. dazu Botschaft zum BGFA, BBl 1999 6013, 6014 und 6022 ff.; Art. 21 Abs. 1 BGFA). Dieser Grundsatz spricht zwar tendenziell dafür, dass die im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit tätigen Rechtsvertreter in jeder Hinsicht und damit auch im Bereich der unentgeltlichen Verbeiständung gleichgestellt werden sollen. Nachdem der Gesetzgeber mit dem Erlass von Art. 25 BGFA in erster Linie die vom dienstleistungserbringenden Rechtsanwalt zu beachtenden Berufspflichten festzulegen beabsichtigte und keinen Anlass hatte, eine Differenzierung hinsichtlich der Rechte vorzunehmen, kann aus dem Schweigen des Gesetzgebers zu dieser Frage nicht zwingend der Schluss gezogen werden, er habe die im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit tätig werdenden Rechtsvertreter aus dem EU-/EFTA-Raum auch im spezifischen Bereich der unentgeltlichen Verbeiständung zulassen und gleichstellen wollen. Von einem qualifizierten Schweigen ist folglich vorliegend nicht auszugehen.

3.3
      1. Dass Angehörige von Mitgliedstaaten der EU und EFTA, welche den Anwaltsberuf in ihrem Herkunftsstaat unter einer der im Anhang zum BGFA aufgeführten Berufsbezeichnungen auszuüben berechtigt sind, im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs in der Schweiz Parteien vor Gericht vertreten dürfen und dabei grundsätzlich (mit Ausnahme von Art. 12 Bst. g und Bst. j) ungeachtet des fehlenden Eintrags in einem kantonalen Register den gleichen Berufsregeln wie der in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragene Anwalt unterstehen, geht aus dem Anwaltsgesetz klar hervor (Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art. 25 BGFA). Umstritten und zu prüfen ist demgegenüber, ob auch ein Recht auf Ernennung dieser Rechtsvertreter zum unentgeltlichen Beistand besteht.

      2. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung bereits abgewiesen mit der Begründung, die Anwältin oder der Anwalt sei nicht im kantonalen Anwaltsregister eingetragen und erfülle damit die persönlichen Voraussetzungen im Sinne von Art. 65 Abs. 2 VwVG in Verbindung mit Art. 6 BGFA nicht. Gelegentlich, so im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer gegen die sofortige Renteneinstellung erhobenen Beschwerde, wurden Anwältinnen und Anwälte aus der EU oder EFTA auch ohne Prüfung des Auslandsbezugs und ohne Begründung als unentgeltliche Vertreter eingesetzt (Urteile des BVGer B860/2011 vom 8. September 2011 und C4506/2009 vom 28. Juli 2011 E. 7.2).

      3. Für die dienstleistungserbringenden Rechtsvertreter aus dem EU-

        /EFTA-Raum gelten grundsätzlich dieselben Verhaltenspflichten wie für die in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragenen Anwältinnen und Anwälte. Wie dargelegt, unterstehen die im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 21 ff. BGFA tätigen ausländischen Anwältinnen und Anwälte auch der Disziplinaraufsicht der Aufsichtsbehörde des Kantons, auf dessen Gebiet sie Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten.

        1. Es stellt sich vorab die Frage, ob die Erwägungen des Bundesgerichts im Zusammenhang mit der zulässigen Beschränkung der interkantonalen Freizügigkeit auch im grenzüberschreitenden Bereich zwischen der Schweiz und der EU/EFTA sinngemäss gelten sollen. Vorab ist folglich zu prüfen, ob Gründe wie die Vereinfachung der Disziplinaraufsicht bei den im Zuständigkeitsbereich des Gerichts eingetragenen Anwälten auch aus einem internationalrechtlichen Blickwinkel einen hinreichenden sachlichen Grund für die Verweigerung der unentgeltlichen Vertretung eines im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in der Schweiz auftretenden EUoder EFTA-Rechtsvertreters bilden.

        2. Die dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälte unterstehen nach Art. 26 BGFA der Aufsicht der Aufsichtsbehörde des Kantons, auf dessen Gebiet sie Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten. Sie verwenden dabei ihre ursprüngliche Berufsbezeichnung in der Amtssprache ihres Herkunftsstaats unter Angabe der Berufsorganisation, deren Zuständigkeit sie unterliegen, oder des Gerichts, beim dem sie nach den Vorschriften dieses Staats zugelassen sind. Die Einhaltung dieser Vorschrift erleichtert der Aufsichtsbehörde des zuständigen Kantons, ihrer Pflicht zur Information des Herkunftsstaats über die Disziplinarmassnahmen nachzukommen (DOMINIQUE DREYER, in: Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Aufl. 2011, Art. 26 N. 5).

          Allerdings gilt es zu beachten, dass auch im internationalen Verhältnis das Argument der Bündelung aller für die Wahrung der Aufsichtsfunktion massgeblicher Informationen relevant ist. Auch hier ist entscheidend, dass bezüglich im Registerkanton eingetragener Rechtsvertreter eine verfahrensunabhängige allgemeine Aufsichtskompetenz vorliegt, diesem gegenüber eine Meldepflicht (Art. 15 BGFA) besteht, die Aufsichtsbehörde des Registerkantons auch über die Eröffnung ausserkantonaler Disziplinarverfahren informiert, zur Stellungnahme eingeladen und über das Ergebnis orientiert (Art. 16 BGFA) wird und das jeweilige Register alle nicht gelöschten Disziplinarmassnahmen enthält (Art. 5 Abs. 2 Bst. e BGFA). Das Argument, wonach die Aufsichtsbehörde des Registerkantons aufgrund der gebündelten Erfassung aller relevanten Informationen der in diesem Kanton registrierten und damit regelmässig auch tätigen Rechtsanwälte am besten in der Lage sei, über die Eignung des zu bestellenden Rechtsvertreters zu entscheiden, greift grundsätzlich auch im internationalen Verhältnis. Überdies fehlt im internationalen Verhältnis eine (im interkantonalen Verhältnis in Art. 16 BGFA vorgesehene) Ermächtigung der Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaats, vor der Aussprechung einer Massnahme eine Stellungnahme abzugeben. Vielmehr sind hier die ausgesprochenen Disziplinarmassnahmen direkt nach Erlass der Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaats zu melden (DREYER, a.a.O., Art. 26 N. 4). Die in Art. 26 BGFA geregelte Pflicht der kantonalen Aufsichtsbehörde, den Herkunftsstaat über Disziplinarmassnahmen zu orientieren, stellt dabei kein gleichwertiges Korrelat dar. Der Entscheid über die persönliche und fachliche Eignung des vom Beschwerdeführer gewünschten unentgeltlichen Beistands wird hiermit ebenfalls entsprechend erschwert.

          Daraus folgt, dass das (für die interkantonale Freizügigkeit geltende) Argument der besseren Gewährleistung der Überwachungsund Disziplinarfunktion auch im internationalen Verhältnis relevant und zu beachten ist. Es besteht mithin analog der vorstehend zitierten Rechtsprechung zur interkantonalen Freizügigkeit (E. 2.13) grundsätzlich ein sachlicher Grund für ein Festhalten am Erfordernis der Eintragung in einem kantonalen Anwaltsregister.

      4. Wie vorstehend ausgeführt, haben sich auch die dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälte, mit Ausnahme der Bestimmungen hinsichtlich der amtlichen Pflichtverteidigung und der unentgeltlichen Rechtsvertretung (Art. 12 Bst. g BGFA) sowie des Registereintrags

        (Art. 12 Bst. j BGFA), vorbehaltlos an die Berufsregeln im Sinne von Art. 12 BGFA zu halten.

        1. Treten Anwälte aus Mitgliedstaaten der EU und EFTA im freien Dienstleistungsverkehr auf, gelten für sie die Berufsregeln nach Art. 12 BGFA mit Ausnahme der Bestimmungen betreffend die amtliche Verteidigung und die unentgeltliche Rechtsverbeiständung (Art. 12 Bst. g BGFA) und den Registereintrag (Art. 12 Bst. h BGFA). Damit trifft die ausländischen Anwälte im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit keine Verpflichtung, amtliche Pflichtverteidigungen oder unentgeltliche Rechtsvertretungen zu übernehmen (Art. 12 Bst. g BGFA). Nach der vorstehend dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung (Urteil 5A_175/2008

          E. 5.1) rechtfertigt die Verpflichtung der Anwältinnen und Anwälte, in dem Kanton, in dessen Register sie eingetragen sind, amtliche Pflichtverteidigungen und im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege Rechtsvertretungen zu übernehmen (Art. 12 Bst. g BGFA), im Sinne einer Reflexwirkung eine Beschränkung der Mandate im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege respektive der Pflichtverteidigungen auf im Kanton registrierte Anwälte. In diesem Sinn argumentiert auch KAYSER (a.a.O., Art. 65 N. 36), wenn er ausführt, es erschiene unbefriedigend, wenn zwar alle Patentinhaber zur unentgeltlichen Verbeiständung berechtigt, aber aufgrund von Art. 12 Bst. g BGFA nur eingetragene dazu verpflichtet wären.

        2. Ein Teil der Lehre vertritt demgegenüber die Auffassung, dass auch ein nicht in einem kantonalen Anwaltsregister (i.S.v. Art. 30 ff. BGFA) eingetragener Anwalt aus der EU und EFTA als unentgeltlicher Rechtsbeistand zuzulassen sei, wenn ein entsprechendes Gesuch vorliege und die übrigen Voraussetzungen erfüllt seien. Nach MEICHSSNER (a.a.O.,

          S. 190) steht der Umstand, dass der im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in der Schweiz tätig werdende Anwalt nicht zur Übernahme von amtlichen Mandaten verpflichtet ist, einer bundesweiten Einsetzung als unentgeltlicher Rechtsbeistand nicht entgegen. Sind die Voraussetzungen der Bedürftigkeit und Nicht-Aussichtslosigkeit sowie der Notwendigkeit der Rechtsvertretung gegeben, so ist nach DREYER (a.a.O., Art. 25 N. 7) nicht ersichtlich, weshalb ein ausländischer Anwalt von der unentgeltlichen Rechtsvertretung ausgeschlossen sein soll.

          BOHNET/MARTENET (a.a.O., Rz. 1703) führen im Zuge ihrer kritischen Bemerkungen zum Urteil 5A_175/2008 aus, dass Art. 12 Bst. g BGFA nicht bezwecke, die lokalen Anwälte zu schützen, sondern sich vielmehr darauf beschränke, den Umfang der ihnen obliegenden Verpflichtungen zu

          umschreiben. Ferner diene ein Konkurrenzdruck auch der Vermeidung von Monopolrenten und verhindere damit im Ergebnis auch Einbussen in der Qualität der Rechtsvertretung.

          ALFRED BÜHLER (in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, Art. 118 N. 52) vertritt die Auffassung, dass die Verweigerung der Ernennung eines ausserkantonalen Anwalts als unentgeltlicher Rechtsbeistand nicht mehr einem zeitgemässen Verständnis der unentgeltlichen Rechtspflege entspreche. FRANK EMMEL (in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 3. Aufl. 2016, Art. 119

          N. 10) vertritt unter Hinweis auf die Lehrmeinung von MEICHSSNER die Auffassung, dass die im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 21 ff. BGFA in der Schweiz auftretenden ausländischen Anwälte auf Gesuch hin als unentgeltlicher Rechtsbeistand eingesetzt werden könnten (in diesem Sinne auch VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2013, Art. 118 N. 13).

        3. Die bisherige Gerichtspraxis zur Ernennung von Rechtsvertretern mit Zulassung und Sitz im Raum der EU/EFTA zum unentgeltlichen Rechtsbeistand zeigt kein einheitliches Bild.

So hat beispielsweise das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen in einem Entscheid vom 6. Juni 2012 (UV 2011/54) dem durch einen nicht in einem kantonalen Anwaltsregister erfassten Rechtsanwalt aus Österreich vertretenen Beschwerdeführer die unentgeltliche Verbeiständung unter Hinweis auf BGE 132 V 200 E. 5.1.4 verweigert mit der Begründung, dass Art. 21 BGFA zwar ohne Weiteres die Prozessführung von Rechtsvertretern mit Zulassung und Domizil in einem EUoder EFTA-Staat erlaube. Erst mit einem Eintrag der ausländischen Anwältinnen oder Anwälte im kantonalen Anwaltsregister (nach Art. 30 BGFA) hätten diese indes die gleichen Rechte und Pflichten wie die Anwältinnen und Anwälte, die über ein kantonales Anwaltspatent verfügen würden. Zwar würde die nur für die im kantonalen Anwaltsregister eingetragenen Anwälte vorgesehene Pflicht zur Übernahme unentgeltlicher Verbeiständungen (Art. 12 Bst. g BGFA) nicht zwingend ausschliessen, ausserhalb des Monopolbereichs auch nicht eingetragene Anwälte zur unentgeltlichen Verbeiständung zuzulassen. Allerdings entstünde dadurch ein Unterschied zwischen unentgeltlichen Rechtsbeiständen, die zur Übernahme verpflichtet seien, und solchen, die diese Aufgabe freiwillig übernehmen würden ([ ]; in diesem Sinne auch Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 5. September 2011, PF110030-O/U E. II/2).

In einem Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht wurde demgegenüber einem durch einen Rechtsanwalt des Fürstentums Liechtenstein vertretenen Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtsverbeiständung (in Anwendung von Art. 64 Abs. 2 BGG) allerdings ohne Begründung bewilligt (Urteil des BGer 9C_681/2011 vom 9. Juli 2012 E. 5 [Beschwerde gegen vorstehend zitiertes Urteil C4506/2009]).

Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen ist ferner in einem jüngst gefällten Entscheid vom 3. Februar 2015 (AK.2014.361, abrufbar unter

< http://www.gerichte.sg.ch >) zum Schluss gekommen, dass Rechtsanwälte aus dem EU-/EFTA-Raum grundsätzlich auch amtliche Verteidigungen in der Schweiz übernehmen könnten. Zur Begründung führte die Anklagekammer insbesondere aus, es sei heute unbestritten, dass auch

ausserkantonale Rechtsanwälte zur amtlichen Verteidigung zugelassen

würden. Hinsichtlich der Bestellung des amtlichen Verteidigers sollten nach Möglichkeit die Wünsche der beschuldigten Person berücksichtigt werden. Der Wunsch einer beschuldigten Person nach einem bestimmten Verteidiger dürfe nicht willkürlich, das heisst nicht ohne sachliche Gründe, unberücksichtigt bleiben. Als sachliche Gründe könnten etwa Interessenkollisionen, Überlastung, fehlende fachliche Qualifikation oder fehlende Berufsausübungsberechtigung anerkannt werden (AK.2014.361 E. 3b/aa).

3.4
      1. Das Binnenmarktgesetz richtet sich gegen öffentlich-rechtliche Marktzugangsbeschränkungen der Kantone und Gemeinden. Es soll die berufliche Mobilität und den Wirtschaftsverkehr innerhalb der Schweiz erleichtern und die Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Volkswirtschaft stärken (vgl. dazu Botschaft vom 24. November 2004 über die Änderung des Binnenmarktgesetzes, BBl 2005 465, 470 Ziff. 1.1.1). Es gewährleistet, dass Personen mit Niederlassung oder Sitz in der Schweiz für die Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz freien und gleichberechtigten Zugang zum Markt haben (Art. 1 Abs. 1 des Binnenmarktgesetzes vom 6. Oktober 1995 [BGBM, SR 943.02]). Als Erwerbstätigkeit gilt dabei jede nicht hoheitliche, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit (Art. 1 Abs. 3 BGBM). Art. 6 Abs. 1 BGBM sieht überdies vor, dass jede Person mit Niederlassung oder Sitz in der Schweiz in Bezug auf den Zugang zum Markt mindestens die gleichen Rechte hat, die der Bund in völkerrechtlichen Vereinbarungen ausländischen Personen gewährt.

      2. Nach der derzeit geltenden Praxis des Bundesgerichts zum Begriff der Hoheitlichkeit ist davon auszugehen, dass die Frage der Zulassung ausserkantonaler Rechtsanwälte für den Bereich der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung nicht unter den Geltungsbereich des BGBM fällt und der nicht zugelassene ausserkantonale Rechtsanwalt mit Blick auf den hoheitlichen Charakter seiner Tätigkeit nicht unter Hinweis auf die Grundsätze des Binnenmarktgesetzes einen Anspruch auf Ernennung ableiten kann.

        Würde der Begriff der Hoheitlichkeit demgegenüber mit Blick auf die Berücksichtigung abkommensrelevanter unionsrechtlicher Bestimmungen und die europäische Rechtsprechung (BGE 139 II 393 E. 4.1.1) im Einklang mit der Praxis des EuGH ausgelegt, so wäre ein hoheitlicher Charakter zu verneinen ( ). Diesfalls könnte sich der in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragene Anwalt, welcher wie ausgeführt keinen vorbehaltlosen Anspruch auf Ernennung zum unentgeltlichen Beistand in einem anderen als dem Registerkanton hat, bei einer vorbehaltlosen Zulassung des EU-/EFTA-Anwalts zur unentgeltlichen Verbeiständung auf die Verletzung des Verbots der Inländerdiskriminierung (Art. 6 Abs. 1 BGBM) berufen, denn im Ergebnis dürfen an den interkantonalen Marktzugang keine strengeren Bedingungen geknüpft werden als an jenen des im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in der Schweiz tätigen EU-

        /EFTA-Anwalts (in diesem Sinne auch MATTHIAS OESCH, Das Binnenmarktgesetz und hoheitliche Tätigkeiten, ZBJV 148/2012 S. 402).

      3. Ungeachtet der Beantwortung der vorstehend erwähnten Qualifikationsfrage gilt es unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit zu beachten, dass mit dem Eintrag in ein kantonales Anwaltsregister für die darin eingetragenen schweizerischen und ausländischen Anwälte (vgl. dazu Art. 6 und Art. 30 Abs. 1 BGFA) die Verpflichtung zur Mandatsführung im Rahmen der unentgeltlichen Verbeiständung besteht (Art. 30 Abs. 2 i.V.m. Art. 12 Bst. g BGFA), wobei sie sich nicht einfach auf die ihnen genehmen Mandate beschränken können. Würde einem im EU-/EFTA-Raum zugelassenen Rechtsanwalt das vorbehaltlose Recht zur unentgeltlichen Verbeiständung zugestanden, ohne dieses gleichzeitig mit der konnexen Verpflichtung zur Übernahme entsprechender Mandate zu verbinden, würde hieraus eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung und damit eine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Anspruchs auf Gleichbehandlung der im Register eingetragenen Anwälte resultieren, da die geltende Rechtsprechung diesen im interkantonalen Verhältnis keinen

vorbehaltlosen Rechtsanspruch auf Ernennung zum unentgeltlichen Rechtsvertreter zugesteht (vgl. dazu E. 2.13).

    1. Insgesamt erweisen sich die von einem Teil der Lehre für die generelle Zulassung der Berufsangehörigen der EU und EFTA vorgebrachten Gründe insbesondere mit Rücksicht auf die nach wie vor geltende bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Zulassung ausserkantonaler Rechtsanwälte als nicht stichhaltig.

      Zwar ist zutreffend, dass mit dem Freizügigkeitsabkommen und dem Erlass des Anwaltsgesetzes der Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit eingeführt wurde. Allerdings kann diese Freiheit beschränkt werden, sofern die entsprechenden Voraussetzungen (vgl. dazu E. 3.8) gegeben sind. Im Einklang mit der Argumentation des Bundesgerichts zur weiterhin geltenden kantonalen Autonomie, die unentgeltliche Rechtsverbeiständung auf im eigenen Kanton registrierte Anwältinnen und Anwälte zu beschränken, gilt es auch im Anwendungsbereich des FZA (SR 0.142.112.681) den engen Zusammenhang zwischen Verpflichtung zur Rechtsvertretung im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege auf der einen und zur entsprechenden Berechtigung auf der anderen Seite zu beachten. Im Sinne einer Reflexwirkung ist es deshalb sachlich gerechtfertigt, den vorbehaltlosen Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Beistands davon abhängig zu machen, ob die Anwältin oder der Anwalt aus einem Mitgliedstaat der EU oder EFTA im Sinne von Art. 30 BGFA in einem kantonalen Register eingetragen ist. Überdies gilt der Grundsatz, dass die Aufsichtsbehörde des Registerkantons aufgrund der gebündelten Erfassung aller relevanten Informationen der in diesem Kanton registrierten und damit regelmässig auch tätigen Rechtsanwälte am besten in der Lage ist, über die Eignung des zu bestellenden Rechtsvertreters zu entscheiden, auch im eurointernationalen Verhältnis.

    2. Hinzu kommt, dass das Erfordernis der Eintragung in ein kantonales Anwaltsregister ein wichtiges objektives Kriterium in Bezug auf die Beachtung einer fachlichen Mindestqualität des Rechtsanwalts in einem Bereich gewährleistet, wo der Staat Schuldner des Anwaltshonorars ist.

      1. Durch das alternative Eintragungserfordernis des erfolgreichen Bestehens einer Eignungsprüfung (Art. 30 Abs. 1 Bst. a i.V.m. Art. 31 BGFA) oder des Nachweises der hinreichenden Berufserfahrung im Zusammenhang mit dem schweizerischen Recht (Art. 30 Abs. 1 Bst. b Ziff. 1 und 2 BGFA) wird eine hinreichende Vertrautheit mit dem schweizerischen Recht sichergestellt. In dieselbe Richtung zielt auch die

        Praxis zu Art. 65 Abs. 2 VwVG. Danach wird im Beschwerdeverfahren generell nicht nur das Erfordernis eines Anwaltspatents postuliert, sondern darüber hinaus verlangt, dass die Anwältin oder der Anwalt auch tatsächlich im Register eingetragen ist. Damit soll eine minimale Qualität der Mandatsführung sichergestellt werden (vgl. dazu KAYSER, a.a.O., Art. 65 N. 36 m.H. auf BGE 125 I 161 E. 3c [in Fn. 164]).

        Der Eintrag in ein kantonales Anwaltsregister steht dem ausländischen Anwalt ebenfalls offen, sofern er unter anderem bereit ist, den Nachweis der genügenden fachlichen Anforderungen mittels bestandener Eignungsprüfung oder entsprechender Praxiserfahrung zu erbringen. Dies setzt aber auch die Bereitschaft voraus, die mit der Eintragung verbundenen Verpflichtungen ebenfalls zu übernehmen.

        Im Vergleich zur Frage der Zulassung von ausserkantonalen, das heisst von zwar nicht im Kanton des zuständigen Gerichts, aber in einem anderen Kanton registrierten, Rechtsanwälten spielt im internationalen Bereich die Sicherstellung einer hinreichenden Qualität der gerichtlichen Rechtsvertretung eine noch weitaus bedeutendere Rolle. Bei den ausserkantonalen Anwälten darf von der Kenntnis der formellund materiell-rechtlichen Vorschriften des Bundesrechts und der einschlägigen Praxis ausgegangen werden; diese sind bei einer gerichtlichen Vertretung in einem von ihrem Registerkanton verschiedenen Kanton allenfalls (nur) mit den Besonderheiten des ausserkantonalen Gerichts weniger vertraut. Demgegenüber ist bei Anwälten aus Mitgliedstaaten der EU und EFTA, welche nur vorübergehend in der Schweiz gerichtliche Vertretungen übernehmen, eine Vertrautheit mit dem schweizerischen Verfahrensrecht, den materiellrechtlichen Bestimmungen und der einschlägigen Rechtsprechung nicht ohne Weiteres gewährleistet. Dies gilt insbesondere in komplexen und verzweigten Rechtsmaterien wie dem hier zur Diskussion stehenden Sozialversicherungsrecht, in welchem die jeweiligen Bestimmungen häufig anspruchsvoll und kasuistisch formuliert sind und regelmässig mehrere Erlasse auf unterschiedlichen Normierungsstufen konsultiert werden müssen, um eine konkrete Rechtsfrage korrekt beantworten zu können (GÄCHTER/BURCH, Nationale und internationale Rechtsquellen, in: Recht der Sozialen Sicherheit, 2014, Rz. 1.6).

      2. Die Qualität der Mandatsführung steht in einem engen Zusammenhang mit dem Grundsatz der Chancengleichheit (« Waffengleichheit ») und ist Ausdruck des Fairnessgebots. Er betrifft den Anspruch der versicherten Person, nicht in eine prozessuale Lage versetzt zu werden, aus der heraus sie keine vernünftige Chance hat, ihre Sache dem Gericht zu

        unterbreiten, ohne gegenüber der anderen Partei klar benachteiligt zu sein (BGE 135 V 465 E. 4.3.1 m.H.). Dieses Prinzip ist bereits dann verletzt, wenn eine Partei bevorteilt wird; nicht notwendig ist, dass die Gegenpartei tatsächlich einen Nachteil erleidet (BGE 137 V 210 E. 2.1.2.1 m.H.). Das Bundesgericht hat zum Prinzip der prozessualen Chancengleichheit ausgeführt, im Verfahren um Sozialversicherungsleistungen bestehe ein relativ hohes Mass an Ungleichheit der Beteiligten (zugunsten der Verwaltung), indem einer versicherten Person mit oftmals nur geringen finanziellen Mitteln eine spezialisierte Fachverwaltung mit erheblichen Ressourcen, besonders ausgebildeten Sachbearbeitern und juristischen und medizinischen Fachpersonen gegenüberstehe (BGE 137 V 210 E. 2.1.2.2 m.H.).

        Mit Blick auf das vorerwähnte Faktum hat das Gericht im Rahmen seiner Fürsorgepflicht die prozessuale Waffengleichheit zu beachten und einen Rechtsvertreter zu bestellen, der einer oder mehreren spezialisierten Fachverwaltungen auf Augenhöhe gegenübertreten kann (vgl. hierzu auch Urteil des BGer 6B_482/2012 vom 3. April 2013 E. 2.2).

        Unter den gegebenen Umständen kann Waffengleichheit nur (aber immerhin) insoweit hergestellt werden, als die im Register eingetragenen Anwältinnen und Anwälte im Sinne eines Minimalstandards wenigstens Gewähr dafür bieten, dass sie mit den materiellen und verfahrensrechtlichen Normen des schweizerischen Rechts ausreichend vertraut sind.

    3. Im Einklang mit der Rechtsprechung zur interkantonalen Freizügigkeit gilt es allerdings auch im eurointernationalen Verhältnis zu beachten, dass dem Bedürftigen gestützt auf den Anspruch auf ein gerechtes Verfahren in besonderen Fällen ein Wahlrecht auf seinen Rechtsvertreter (Art. 29 Abs. 1 BV; vgl. auch Art. 29a BV; Art. 8 i.V.m. Art. 13 EMRK) einzuräumen ist. Dies trifft wie ausgeführt insbesondere dann zu, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt besteht oder der Anwalt sich bereits in einem vorangegangenen Verfahren mit der Sache befasst hat, und ferner, wenn der Mandant die Sprache des Gerichts und des ihm bestellten Anwalts nicht versteht, sodass er sich in der Wahrung seiner Rechte beeinträchtigt vorkommen müsste.

      Das von der Rechtsprechung aus dem Grundsatz des gerechten Verfahrens abgeleitete Wahlrecht hat bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen

      auch im eurointernationalen Verhältnis Platz zu greifen. Würde gegenteilig entschieden, so würde der EU-/EFTA-Anwalt im Ergebnis

      schlechtergestellt als der ausserkantonale Rechtsanwalt. Dies liesse sich mit dem Diskriminierungsverbot nicht vereinbaren.

    4. Zu prüfen bleibt schliesslich, ob das Festhalten am Erfordernis der Eintragung in ein kantonales Anwaltsregister mit dem Freizügigkeitsabkommen und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EuGH (vgl. hierzu Art. 16 Abs. 2 FZA) vereinbar ist.

      1. Vorab ist in diesem Zusammenhang zu klären, ob die Tätigkeit als unentgeltlicher Rechtsbeistand unter die Bereichsausnahme der Ausübung hoheitlicher Befugnisse im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Anhang I FZA fällt ( ).

        Nachdem der unionsrechtliche Begriff der öffentlichen Gewalt in Übereinstimmung mit der Praxis des EuGH restriktiv auszulegen ist und der unentgeltliche Rechtsbeistand zwar eine öffentlich-rechtliche Aufgabe wahrnimmt, ihm allerdings keine hoheitlichen Befugnisse zukommen (vgl. [ ] E. 3.4.2), begründet die Ausübung eines Mandats im Rahmen der unentgeltlichen Verbeiständung keine hoheitlichen Befugnisse im Sinne der geltenden Praxis. Dementsprechend kann sich auch der unentgeltliche Rechtsbeistand im Grundsatz auf die Dienstleistungsfreiheit berufen (vgl. dazu auch RICCARDO BRAZEROL, Das schweizerische Notariat im Fokus der Freizügigkeit, in: Jusletter vom 28. Oktober 2013, S. 7).

        In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass eine Beschränkung der Zulassung von Rechtsanwälten aus dem Raum der EU/EFTA von vornherein unbedenklich wäre, wenn die unentgeltliche Verbeiständung unter dem Blickwinkel der extensiven Praxis des Bundesgerichts zum BGBM als hoheitliche Tätigkeit im Sinne der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe betrachtet würde; diesfalls wäre eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (gemäss Art. 17 Bst. a und Art. 19 Anhang I FZA) mit Blick auf die Bereichsausnahme von Art. 22 Abs. 1 Anhang I FZA ohne Weiteres zulässig. Die Frage braucht vorliegend allerdings nicht abschliessend entschieden zu werden, da ein Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung im Grundsatz gegeben ist (vgl. dazu E. 3.8.3).

      2. Wie vorstehend dargelegt ( ), gelten die Freizügigkeitsrechte nicht uneingeschränkt; sie unterliegen vielmehr unter den genannten Voraussetzungen der Beschränkung. Eine Einschränkung unter dem Aspekt des « Ordre public »-Vorbehalts fällt vorliegend von vornherein ausser Betracht, weil hier nicht ein persönliches Verhalten im Hinblick auf

        die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zur Diskussion steht.

      3. Der nur vorübergehend im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in der Schweiz tätige Anwalt aus einem Mitgliedstaat der EU oder EFTA kann sich nicht in einem Register eintragen lassen (Art. 21 Abs. 2 BGFA). Wird die gerichtliche Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands von der Eintragung in ein kantonales Anwaltsregister abhängig gemacht, werden damit gleichzeitig alle nur sporadisch im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit vor schweizerischen Gerichten auftretenden ausländischen

        EUund EFTA-Anwälte von der unentgeltlichen Verbeiständung ausgeschlossen. Insoweit könnte hierin eine (indirekte) Diskriminierung erblickt werden, es sei denn, es lägen hinreichende Rechtfertigungsgründe für eine solche Beschränkung vor.

        Nach dem Gesagten ist eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtsprechungsgemäss zulässig, wenn sie erstens nicht in diskriminierender Weise ausgestaltet ist, zweitens zwingende Gründe des Allgemeininteresses verfolgt, drittens geeignet ist, das angestrebte Ziel zu verfolgen, und viertens darf sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist.

        1. Die vorstehend dargelegten Gründe, das heisst die bessere Gewährleistung der Überwachungsund Disziplinarfunktion (E. 3.3.3), die Reflexwirkung der Verpflichtung zur Übernahme von Mandaten im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege (E. 3.3.4) sowie die im Rahmen der richterlichen Fürsorgepflicht gebotene Sicherstellung einer Mindestqualität in Bezug auf die Kenntnisse des schweizerischen Rechts (E. 3.6), stellen genügende Gründe für eine Beschränkung der hier zur Diskussion stehenden Dienstleistungsfreiheit dar, zumal die Gewährleistung von Interessen des Verbraucherschutzes auch im eurointernationalen Verhältnis als Rechtfertigungsgrund anerkannt wird. Die Verknüpfung der Bestellung eines unentgeltlichen Beistands mit dem Erfordernis der Eintragung in einem kantonalen Anwaltsregister ist demnach durch sachliche Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.

        2. Nachdem das Erfordernis des Eintrags im kantonalen Anwaltsregister des zuständigen Gerichts auch im binnenrechtlichen Verhältnis gilt und es rechtsprechungsgemäss auch im interkantonalen Bereich weiterhin in der Kompetenz der Kantone liegt, die Voraussetzungen für die Ernennung eines unentgeltlichen Prozessbeistands zu umschreiben und diese

          gegebenenfalls auf die im Register ihres Kantons registrierten Anwältinnen und Anwälte zu beschränken (vgl. E. 2.13), kann nicht von einer diskriminierenden Ausgestaltung der Zulassungsbeschränkung gesprochen werden. Dies gilt jedenfalls insoweit, als für den im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit tätig werdenden Rechtsanwalt aus dem Raum der EU/EFTA dieselben Ausnahmen für die Zulassung zur unentgeltlichen Verbeiständung für den Fall des Vorliegens der entsprechenden Voraussetzungen (i.S.v. E. 2.14) eingeräumt werden.

          Würde demgegenüber der im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit vor einem schweizerischen Gericht auftretende Rechtsvertreter aus dem Raum der EU oder EFTA ungeachtet seines fehlenden Eintrags in einem kantonalen Anwaltsregister (nach Art. 30 Abs. 1 BGFA) vorbehaltlos zugelassen, wäre dieser gegenüber einem (in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragenen) ausserkantonal forensisch tätig werdenden Rechtsanwalt bevorteilt, weil dieser nach der jedenfalls im Bereich des sozialversicherungsrechtlichen Beschwerdeverfahrens weiterhin geltenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. dazu E. 2.13) von der unentgeltlichen Verbeiständung ausgeschlossen werden darf. Eine im Vergleich zur Zulassung im interkantonalen Bereich unterschiedliche respektive grosszügigere Handhabung der Dienstleistungsfreiheit hätte demnach eine Inländerdiskriminierung zur Folge. Letztere fällt zwar nicht in den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens; sie kann jedoch unter Umständen das in Verbindung mit einer materiell-rechtlichen EMRK-Garantie geltend zu machende Diskriminierungsverbot von Art. 14 EMRK verletzen (vgl. dazu BREITENMOSER/WEYENETH, Europäische Bezüge und Bilaterale Verträge, in: Fachhandbuch Verwaltungsrecht, 2015, Rz. 31.53).

        3. Sodann ist das Erfordernis eines Eintrags in ein kantonales Anwaltsregister (i.S.v. Art. 30 Abs. 1 BGFA) auch geeignet und erforderlich, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Es ist namentlich nicht ersichtlich, wie die genannten Interessen mit weniger einschneidenden Mitteln in gleicher oder ähnlicher Weise gewahrt werden könnten. Dementsprechend sind die Voraussetzungen für eine zulässige Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs erfüllt.

      4. Aus dem Gesagten folgt, dass das an die Bestellung des unentgeltlichen Rechtsbeistands geknüpfte Erfordernis der Eintragung in ein kantonales Anwaltsregister mit dem Freizügigkeitsabkommen und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EuGH (vgl. hierzu Art. 16 Abs. 2 FZA) vereinbar ist.

    5. Mit Rücksicht auf die vorstehenden Ausführungen bleibt zu prüfen, ob im konkreten Fall besondere Verhältnisse bestehen, welche die Ernennung des in der EU zugelassenen Rechtsvertreters im Sinne einer Ausnahme rechtfertigen (vgl. dazu E. 2.14).

Vorliegend ist aktenkundig, dass Rechtsanwalt B. den Beschwerdeführer bereits seit Anfang 2011 im hier zur Diskussion stehenden Verfahren vertritt, da er die Interessen des Beschwerdeführers auch im Beschwerdeverfahren betreffend die am 13. Dezember 2010 von der Vorinstanz verfügte sofortige Renteneinstellung wahrgenommen hatte ( ). Es steht mithin ein mehrjähriges Mandatsverhältnis zur Diskussion, während welchem zwischen dem Rechtsvertreter und dem Beschwerdeführer ein Vertrauensverhältnis entstanden ist und Ersterer sich auch Kenntnis über das umfassende Dossier und den einschlägigen Sachverhalt hat erwerben müssen. Darüber hinaus hat der Rechtsvertreter in dieser Zeit auch spezifische Kenntnisse des schweizerischen Sozialversicherungsrechts erworben. Unter diesen Umständen gehen das Vorschlagsrecht der versicherten Person und der damit verbundene Aspekt der prozessualen Fairness den für eine Beschränkung der Zulassung generell geltenden Gründen des Allgemeininteresses vor. Demnach ist der in Deutschland zugelassene Rechtsanwalt im vorliegenden Beschwerdeverfahren als unentgeltlicher Rechtsbeistand einzusetzen, sofern die allgemeinen Voraussetzungen der unentgeltlichen Prozessführung gegeben sind.

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