Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-3657/2016 |
Datum: | 05.07.2016 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Kabul; Vorinstanz; Beschwerdeführers; Vollzug; Wegweisung; Taliban; Mullahs; Verfügung; Dorfbewohner; Recht; Afghanistan; Onkel; Bundesverwaltungsgericht; Person; Familie; Schweiz; Flüchtlingseigenschaft; Religion; Vorbringen; Entführung; Schilderung; Rückkehr; Ausländer; Richter; Ausreise |
Rechtsnorm: | Art. 25 BV ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-3657/2016
Besetzung Richter David R. Wenger (Vorsitz),
Richterin Barbara Balmelli; Richterin Gabriela Freihofer; Gerichtsschreiber Sascha Marcec
Parteien A. , geboren am ( ), Afghanistan,
vertreten durch lic. iur. Urs Ebnöther, Rechtsanwalt, Advokatur Kanonengasse,
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 9. Mai 2016 / N ( ).
Eigenen Angaben zufolge verliess der Beschwerdeführer im August 2015 Afghanistan auf dem Luftweg in Richtung Dubai und reiste am 20. November 2015 illegal in die Schweiz ein, wo er am selben Tag um Asyl nachsuchte. Anlässlich der vertieften Anhörung vom 1. März 2016 und der ergänzenden Anhörung vom 11. April 2016 machte der Beschwerdeführer zur Begründung seines Asylgesuchs folgenden Sachverhalt geltend:
Er sei ein Hazara aus der afghanischen Provinz Ghazni und habe in Kabul Sozialwissenschaften studiert. Nach seinem Studienabschluss im Jahre 2012 habe er in seinem Heimatort als Gymnasiallehrer unterrichtet und den legalen Studentenverein Patu gegründet. Er und andere junge Leute hätten sich sowohl im Verein als auch in der Öffentlichkeit kritisch über den von den Mullahs verbreiteten Aberglauben geäussert, was deren Unwillen erregt habe. Wegen der kritischen Ansichten sei er ab 2011 aus der Moschee ausgeschlossen worden, habe aber seine abweichende Meinung an anderen Anlässen und im privaten Rahmen kundgetan. In der Nacht vom
5. Juli 2015 habe er vom lokalen Religionswissenschaftsrat ausgestellte Drohbriefe bekommen, worin er mit dem Tod bedroht worden sei. Ungefähr zwei Wochen später sei er zusammen mit drei Dorfbewohnern ausserhalb seines Heimatortes von vier Taliban entführt und in ein von Paschtunen besiedeltes Gebiet gebracht worden, wo sie eine halbe Stunde lang festgehalten und fotografiert worden seien, bevor die Entführer sie an einen weiteren Ort gebracht hätten. Dort habe er einen der Taliban niedergeschlagen und sei anschliessend bis zu einer Ortschaft namens B. gelaufen, wo er einen Linienbus nach Kabul genommen habe. Er habe dort zunächst seinen Onkel besucht und sich danach bei einem Mitstudenten aufgehalten, wo er seine Ausreise organisiert habe.
Mit am 11. Mai 2015 eröffneter Verfügung vom 9. Mai 2015 lehnte das SEM das Asylgesuch des Beschwerdeführers unter Verneinung der Flüchtlingseigenschaft ab, wies ihn aus der Schweiz weg und ordnete den Vollzug der Wegweisung an.
Mit Eingabe vom 10. Juni 2016 erhob der Beschwerdeführer gegen die Verfügung der Vorinstanz beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte in der Sache, der Entscheid des SEM sei vollumfänglich aufzuheben, die Flüchtlingseigenschaft sei festzustellen und ihm Asyl zu
gewähren. Eventualiter sei die vorläufige Aufnahme anzuordnen. In prozessualer Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung, Verzicht auf die Erhebung des Kostenvorschusses sowie um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes.
Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet über die vorliegende Beschwerde endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG [SR 142.31]). Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG) ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 AsylG). Diese Massnahmen können staatlicher oder nicht-staatlicher Natur sein und sind asylrelevant, wenn infolge ihrer Art und Intensität ein menschenwürdiges Leben im Verfolgerstaat verunmöglicht oder in unzumutbarer Weise erschwert wird, so dass sich die verfolgte Person dieser Zwangssituation nur durch Flucht entziehen kann.
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die
Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
Die Vorinstanz gelangt in der angefochtenen Verfügung zum Schluss, die Vorbringen des Beschwerdeführers hielten den Anforderungen an das Glaubhaftmachen gemäss Art. 7 AsylG nicht stand. Der Beschwerdeführer habe nicht schlüssig dargelegt, weshalb seine Äusserungen von den Mullahs als dermassen bedrohlich empfunden worden seien, dass sie ihm im Jahre 2015 nach dem Leben getrachtet hätten. Gemäss seinen Schilderungen habe sich der Grossteil der Dorfbewohner weiter zu den Mullahs bekannt, und bloss ein kleiner Teil der Leute sei ihm gefolgt, während er an anderer Stelle geäussert habe, die Dorfbewohner aufgeklärt und dadurch die Macht der Mullahs ins Wanken gebracht zu haben. Aus seinen unsubstantiierten und allgemein gehaltenen Angaben sei zudem nicht ersichtlich, weshalb er im Juli 2015 einen Drohbrief erhalten haben sollte. Er habe seit 2011 in der Moschee Redeverbot gehabt und im Jahre 2014 habe er sich zum letzten Mal anlässlich einer Versammlung geäussert, jedoch nie direkte Streitgespräche mit den Mullahs geführt, weshalb bezüglich der angeblichen Verfolgungssituation kein Kausalzusammenhang gegeben sei. Aufgrund des allgemeinen Charakters seien die Schilderungen des Beschwerdeführers als Sachverhaltskonstrukt zu bezeichnen.
Was der Beschwerdeführer in seiner Rechtsmittelengabe dagegen vorbringt, ist nicht geeignet, die vorinstanzlichen Erwägungen umzustossen. Von einer fehlenden Anerkennung sowohl der Intensivierung seines Engagements als auch seiner angeblich wichtigen Rolle innerhalb der religiösen Opposition durch die Vorinstanz kann keine Rede sein, weil sich die betreffenden Schilderungen auch auf Beschwerdeebene lediglich auf Mutmassungen stützen, ohne diese weiter zu belegen. So vermutet der Beschwerdeführer lediglich, Dorfbewohner hätten den Mullahs seine fortgesetzte Aufklärungsarbeit gemeldet. Dabei räumt er selbst ein, keine direkte Konfrontation mit den Mullahs gehabt zu haben. Vor diesem Hintergrund kann er nicht überzeugend darlegen, weshalb er für die lokalen Religionsgelehrten eine derart grosse Gefahr bedeutet habe, dass diese die lokale Bevölkerung zu seiner Tötung aufriefen. Zudem machte er auch auf Beschwer-
deebene geltend, die meisten Dorfbewohner würden trotz einzelner Anhänger an ihren überkommenen Traditionen festhalten (Beschwerdeschrift, S. 6).
Wie bereits die Vorinstanz zutreffend erkannte, ist das gemeinsame Vorhaben schiitischer Mullahs und sunnitischer Taliban, den Beschwerdeführer zu entführen, wegen ihrer unüberbrückbaren religiösen Differenzen nicht nachvollziehbar. Seine dagegen auf Beschwerdeebene vorgebrachte Behauptung, Schiiten und Sunniten würden jeweils zusammenarbeiten, um Ungläubige zu beseitigen, ist eine nicht belegte Aussage, welche zudem im Widerspruch zu seiner eigenen Fahrt in ein von den Taliban beherrschtes Gebiet steht. Auch die Behauptung, manche Dorfbewohner würden gegen Geld potentielle Entführungsopfer an die Taliban verraten, ist nicht weiter konkretisiert. Ebenso ist das Vorbringen, die Mullahs hätten ihn an die Taliban verraten, nicht weiter belegt und substantiiert. Seine Vermutungen lassen sich auch nicht durch die angebliche Äusserung seiner Entführer, den Richtigen erwischt zu haben, erhärten, weil sich anhand des von ihm geschilderten Hergangs keine Anhaltspunkte dafür erkennen lassen, dass damit seine Person gemeint war. Bezüglich des Ablaufs der angeblichen Entführung hat die Vorinstanz zutreffend festgestellt, dass die Schilderung der Flucht unrealistisch ausgefallen ist. Die Behauptung, einen schwerbewaffneten Kämpfer durch zwei Fusstritte überwältigt zu haben, ist unglaubhaft, woran auch die angebliche Kung Fu-Ausbildung des Beschwerdeführers nichts zu ändern vermag. Weiter ist es gänzlich unverständlich, dass der Beschwerdeführer auf seiner Flucht von den Taliban nicht verfolgt worden sein soll. Mit diesem Vorhalt setzt er sich zudem auf Beschwerdeebene nicht auseinander. Bei Taliban-Kämpfern ist ein derart dilettantisches Verhalten schwer vorstellbar, was auch die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat. Die blosse Nennung einiger paschtunischer Ausdrücke durch den Beschwerdeführer vermögen demgegenüber nichts an der fehlenden Glaubhaftigkeit der Entführung zu ändern.
Bezüglich seiner Familie vermag seine Begründung, er habe diese aus Sicherheitsgründen im Dorf zurückgelassen, nicht zu überzeugen. Dem Vorbringen, in Kabul befinde sich der Hauptsitz des Religionswissenschaftsrates, dem Urheber des angeblichen Drohbriefes, ist die Äusserung des Beschwerdeführers entgegenzuhalten, wonach dieses Schreiben von dessen lokalem Ableger in seiner Heimatregion in Umlauf gesetzt worden sei. In diesem Fall müsste seine Familie allfällige Übergriffe eher in ihrem Heimatdorf befürchten, wo sie schnell lokalisiert und dadurch leicht zur Zielscheibe werden könnte, zumal die Mehrheit der Dorfbewohner den progressiven
Ansichten des Beschwerdeführers ablehnend gegenübersteht. Ob die dortigen Verwandten sowie die wenigen Anhänger des Beschwerdeführers in der Lage gewesen wären, seine Familie zu schützen, ist mehr als fraglich. Es ist daher der Vorinstanz zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer seine Angehörigen bei der von ihm dargelegten Gefährdungslage eher im vergleichsweise anonymen Kabul untergebracht hätte, womit deren Bestehen verneint werden kann.
Der Beschwerdeführer liess sich im Frühling 2015 in Kabul einen Reisepass ausstellen und verliess wenige Monate später sein Heimatland. Angesichts der kurzen Zeit zwischen der Ausstellung des Passes und seiner Ausreise kann die Vermutung der Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer bereits während seines Besuches in Kabul die Absicht hegte, das Land zu verlassen, durchaus geteilt werden. Der Beschwerdeführer bringt dagegen lediglich einen Bericht über die in der fraglichen Zeit hohe Zahl ausgestellter afghanischer Pässe sowie eine entsprechende Bestätigung seitens des zuständigen afghanischen Ministeriums vor, die jedoch wegen ihres allgemeinen Charakters den entsprechenden Vorhalt der Vorinstanz nicht zu entkräften vermögen.
Bezüglich der eingereichten Dokumente ist der Vorinstanz zuzustimmen, dass diesen ein geringer Beweiswert zukommt, zumal es sich beim angeblichen Drohbrief um eine leicht fälschbare Fotokopie handelt. Vor dem Hintergrund der unglaubhaften Schilderung der angeblichen Entführung ist auch der Wahrheitsgehalt der entsprechenden Fotografie zweifelhaft, zumal die abgelichteten Personen nicht den Eindruck machen, sich in einer Stresssituation zu befinden. Im Unterschied zu anderen Geiselnehmern auf einschlägigen Fotografien machen sich die angeblichen Entführer hier kaum die Mühe, ihre Gesichter zu verbergen, wobei einer der Taliban sehr gut erkennbar ist. Wie die Vorinstanz richtig erkannt hatte, handelt es sich hier offensichtlich um eine gestellte Aufnahme, weshalb diesbezüglich auf deren Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden kann.
Der Beschwerdeführer vermochte weder überzeugend darzulegen, dass ihm die lokalen Religionsgelehrten nach dem Leben trachteten, noch konnte er seine Entführung durch die Taliban glaubhaft machen. Aus diesem Grund ist eine Gefährdung seiner Person im Falle einer Rückkehr zu verneinen.
Der Beschwerdeführer hat somit nichts vorgebracht, das geeignet wäre, die Flüchtlingseigenschaft nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Die Vorinstanz hat das Asylgesuch zu Recht abgelehnt.
Gemäss Art. 44 AsylG verfügt das Staatssekretariat in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder darauf nicht eintritt. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen (BVGE 2009/50 E. 9). Die Wegweisung ist nicht zu beanstanden.
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG).
Der Vollzug der Wegweisung ist nach Art. 83 Abs. 3 AuG (SR 142.20) unzulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen. Da der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, ist das flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot von Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) und Art. 5 AsylG nicht anwendbar. Die Zulässigkeit des Vollzuges beurteilt sich vielmehr nach den allgemeinen verfassungsund völkerrechtlichen Bestimmungen (Art. 25 Abs. 3 BV; Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [FoK, SR 0.105]; Art. 3 EMRK).
Aus den Aussagen des Beschwerdeführers und den Akten ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung nach Afghanistan dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Der Vollzug der Wegweisung ist zulässig.
Der Vollzug der Wegweisung kann nach Art. 83 Abs. 4 AuG unzumutbar sein, wenn der Ausländer oder die Ausländerin im heimatoder Herkunftsstaat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind.
Bezüglich der allgemeinen Lage in Afghanistan ist das Gericht in BVGE 2011/7 zum Schluss gekommen, dass in weiten Teilen des Landes eine derart schlechte Sicherheitslage herrsche und derart schwierige humanitäre Bedingungen bestehen würden, dass die Situation insgesamt als existenzbedrohend im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AuG zu qualifizieren sei. Von dieser allgemeinen Feststellung sei die Situation in der Hauptstaat Kabul zu unterscheiden. Der Vollzug dorthin könne als zumutbar erachtet werden, wenn es sich beim Rückkehrer um einen jungen, gesunden Mann handelt, der dort über ein tragfähiges soziales Netz verfügt, das ihn bei der Heimkehr unterstützen kann, was jedoch einzelfallweise sorgfältig geprüft werden muss (BVGE 2011/7 E. 9.9).
Diese Praxis hat nach wie vor Gültigkeit (Urteil des BVGer D-1363/2015 vom 23. Juni 2016, mit weiteren Hinweisen). In seinem Bericht vom Januar 2016 bezeichnet das European Asylum Support Office (EASO) die Sicherheitslage in Kabul als relativ stabil (European Asylum Support Office (EASO), EASO Country of Origin Information Report: Afghanistan - Security Situation, https://easo.europa.eu/wp-content/uploads/-Afghanistan-security-situation-EN.pdf, abgerufen am 4. Juli 2016).
Die Vorinstanz führt in der angefochtenen Verfügung aus, die Rückkehr in sein Heimatdorf sei für den Beschwerdeführer nicht zumutbar, doch verfüge er mit der Stadt Kabul über eine innerstaatliche Wohnsitzalternative. Dort würde ein Onkel mit der Schwägerin des Beschwerdeführers sowie der übrigen Familie leben. Ausserdem habe er selbst drei Jahre in Kabul gelebt. Zudem unterhalte er gute Kontakte zu dort lebenden Mitstudenten und sei nach eigenen Angaben wiederholt nach Kabul gereist.
Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, dass er zu seinem Onkel kein gutes Verhältnis habe, weil ihn dieser zur Heirat mit der wesentlich älteren Ehefrau gedrängt und zudem Probleme mit seiner progressiven religiösen Haltung habe. Indes substantiiert der Beschwerdeführer diesen Einwand nicht weiter. Ausserdem besuchte er nach seiner Ankunft in Kabul den Onkel und dessen Familie, traf ihn aber nicht zu Hause an (Akten SEM A11/28,
S. 12, F 82; A 14/18 S. 13, F 96), wovon er aber nicht ausgehen konnte. Deshalb trifft seine auf Beschwerdeebene erhobene Behauptung, dass er nicht den Onkel, sondern lediglich seine Familie besuchen wollte, nicht zu (Beschwerdeschrift, S. 18). Sodann stand er nach seiner Ausreise sowohl mit dem Onkel als auch mit dessen Angehörigen weiterhin in Kontakt (Akten SEM A11/28, S. 9, F 73; A 14/18, S. 13, F 94), weshalb die Beziehung nicht als dermassen zerrüttet gelten kann, wie es der Beschwerdeführer
darlegt. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb er bis zum Aufbau einer eigenen Existenz nicht bei seinen Verwandten in Kabul unterkommen könnte. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, lediglich noch zu zwei ehemaligen Mitstudenten in Kabul einen eher losen Kontakt zu unterhalten, ist sein mehrtägiger Aufenthalt bei einem dieser beiden früheren Kommilitonen entgegen zu halten. Dieser dürfte von den Problemen des Beschwerdeführers gewusst haben, weil letzterer während seines Aufenthaltes in Kabul die Ausreise organisierte. Vor diesem Hintergrund hat der Beschwerdeführer nicht überzeugend dargelegt, weshalb er nicht zumindest für die erste Zeit bei einem dieser beiden Männer unterkommen könnte. Der Beschwerdeführer ist sodann jung, gesund und verfügt über eine überdurchschnittliche berufliche Ausbildung. Kabul ist ihm nicht fremd, hat er doch während dreier Jahre in dieser Stadt studiert und sie in den vergangenen Jahren auch mehrmals wieder besucht. Er sollte deshalb in der Lage sein, sich bei einer Rückkehr nach Kabul eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Insgesamt ergeben sich somit keine Anhaltspunkte auf individuelle, in der Person des Beschwerdeführers liegende Vollzugshindernisse wirtschaftlicher, sozialer oder gesundheitlicher Natur. Der Vollzug der Wegweisung ist zumutbar.
Es obliegt dem Beschwerdeführer, sich die für eine Rückkehr allenfalls benötigten Reisedokumente bei der Vertretung seines Heimatlandes zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG; BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist.
Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1 bis 4 AuG).
Nach dem Gesagten ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.
Der Beschwerdeführer beantragt die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG und Art. 110a Abs. 1 AsylG. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass seine Begehren als aussichtslos zu gelten haben. Damit ist eine der kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen nicht gegeben, weshalb den Gesuchen um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung sowie unentgeltliche Verbeiständung nicht stattzugeben ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten von Fr. 600.- (Art. 1 - 3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE], SR 173.320.2) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Damit ist der Antrag auf Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses gegenstandslos geworden.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
David R. Wenger Sascha Marcec
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