Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-6443/2014 |
Datum: | 26.05.2015 |
Leitsatz/Stichwort: | Vollzug der Wegweisung |
Schlagwörter : | Wegweisung; Kabul; Verfügung; Recht; Schweiz; Bundesverwaltungsgericht; Vollzug; Sicherheit; Wegweisungsvollzug; Vollzug; Afghanistan; Verfahren; Geldstrafe; Zumutbarkeit; Beschwerdeführers; Person; Sinne; Gefährdung; Ausländer; Situation; Befehl |
Rechtsnorm: | Art. 187 StGB ;Art. 25 BV ;Art. 34 StGB ;Art. 42 StGB ;Art. 44 BV ;Art. 44 StGB ;Art. 46 StGB ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 StGB ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 135 II 110 |
Kommentar: | - |
Abteilung IV D-6443/2014
Besetzung Richter Fulvio Haefeli (Vorsitz),
Richter Hans Schürch, Richter Robert Galliker, Gerichtsschreiberin Karin Schnidrig.
Parteien A. , geboren ( ),
alias B. , geboren ( ), Afghanistan,
vertreten durch lic. iur. Annina Gegenschatz, Rechtsanwältin, ( ),
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Wegweisung und Vollzug;
Verfügung des BFM vom 23. September 2014 / N .
Eigenen Angaben zufolge verliess der Beschwerdeführer - ein afghanischer Staatsangehöriger - seinen Heimatstaat im Dezember 2007 und gelangte am 26. Oktober 2009 via C. _, D. , E. und F. illegal in die Schweiz, wo er gleichentags im Empfangsund Verfahrenszentrum G. um Asyl nachsuchte. Am 30. Oktober 2009 fand die Befragung zur Person statt.
Mit Verfügung vom 19. März 2010 trat das BFM gestützt auf den damals geltenden Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG (SR 142.31) auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers vom 26. Oktober 2009 nicht ein, ordnete seine Wegweisung nach E. an und forderte ihn auf, die Schweiz spätestens am Tag nach Ablauf der Rechtsmittelfrist zu verlassen. Ausserdem wurde festgehalten, einer Beschwerde gegen die Verfügung komme keine aufschiebende Wirkung zu.
Mit Eingabe vom 29. März 2010 liess der Beschwerdeführer gegen diese Verfügung beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erheben.
Im Rahmen eines Schriftenwechsels hob das BFM am 21. Februar 2011 seine Verfügung vom 19. März 2010 wiedererwägungsweise auf und hielt fest, das nationale Asylverfahren in der Schweiz werde wieder aufgenommen. Das Bundesverwaltungsgericht schrieb die Beschwerde daraufhin mit Entscheid D-2010/2010 vom 1. März 2011 infolge Gegen-standslosigkeit ab.
Am 17. Juli 2013 wurde der Beschwerdeführer in Anwendung von Art. 29 Abs. 1 AsylG zu seinen Asylgründen angehört.
Den vorliegenden Akten ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz wiederholt durch sein delinquentes Verhalten aufgefallen ist.
Mit Strafbefehl des Bezirksamts H. vom 18. Juni 2010 wurde er wegen rechtswidriger Einreise in die Schweiz zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je Fr. 30.-, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 2 Jahren, verurteilt.
Aus dem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft I. vom 28. August 2013 ergibt sich im Weiteren, dass der Beschwerdeführer wegen sexueller Handlungen mit einem Kind, begangen am 27. Februar 2013, zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je Fr. 30.-, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt wurde. Der Strafbefehl ist rechtskräftig.
Gemäss dem Rapport der Kantonspolizei J. vom 20. Mai 2013 gab die Geschädigte bei der Befragung vom 2. März 2013 im Wesentlichen an, sie sei am besagten Tag mit ihrer Kollegin am Bahnhof ( ) gewesen, um den Zug Richtung H. zu besteigen. Sie habe am Bahnhof diesen Mann (Beschwerdeführer) gesehen. Als sie eingestiegen sei und sich hingesetzt habe, habe er im Abteil hinter ihr gesessen und immerzu seinen Kopf zu ihr rüber gehalten. Sie habe den Sitzplatz gewechselt, woraufhin er sie immer angestarrt habe. Am Bahnhof J. habe sie umsteigen müssen. In der Unterführung sei sie von ihm am Arm gepackt und gegen die Wand gedrückt worden, wobei er sie unsittlich angefasst habe. Sie habe geschrien und zu ihm gesagt, er solle sie in Ruhe lassen. Erst als ein älterer Mann ihr zu Hilfe geeilt sei, habe der Beschwerdeführer von ihr abgelassen. Sie sei sodann Richtung Zug gerannt. Als sie zurückgeblickt habe, sei der Beschwerdeführer schon wieder hinter ihr gewesen. Sie sei im Zug zuvorderst eingestiegen, er in der Mitte. Als sie in K. ausgestiegen sei, habe sie ihn beim Vorbeigehen am Fenster gesehen. Er habe sie angelacht. Erstmals habe sie ihn im November oder Dezember 2012 gesehen, seither noch ungefähr 9 Mal in ( ) oder auch in J. . Er sei immer hinter ihr hergelaufen.
Demselben Polizeirapport ist darüber hinaus zu entnehmen, dass der Vater der Geschädigten am 11. März 2013 der Einsatzzentrale der Kantonspoli-
zei L.
meldete, dass seine Tochter den Mann am Bahnhof in
M. wiederum gesehen habe und von ihm erneut belästigt werde. In der Folge konnte der Beschwerdeführer angehalten und vorläufig festgenommen werden.
Wegen des Vorfalls vom 27. Februar 2013 ordnete das Amt ( ) des Kantons L. mit Verfügung vom 7. August 2013 eine Eingrenzung des Beschwerdeführers auf das Gebiet des Bezirks N. sowie eine Ausgrenzung aus dem Gebiet der Gemeinde M. an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen festgehalten, der Beschwerdeführer habe durch seine deliktische Tätigkeit die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausserhalb seines Wohnbezirks gefährdet. Eine Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit durch eine Eingrenzung auf den Bezirk N. diene der
Verbesserung von Sicherheit und Ordnung und erweise sich somit als gerechtfertigt. Um eine Verlagerung der deliktischen Tätigkeit des Beschwer-
deführers an andere Brennpunkte im Kanton L.
zu verhindern,
rechtfertige sich seine zusätzliche Ausgrenzung aus Gemeinden im Eingrenzungsrayon, in welchen gemäss polizeilichen Erkenntnissen in erhöhtem Masse Straftaten durch Asylsuchende begangen würden.
Ein gegen den Beschwerdeführer wegen Raubes eingeleitetes Strafverfahren stellte die Staatsanwaltschaft I. mit Verfügung vom 5. Februar 2014 ein. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, der ursprünglich vorhandene Verdacht habe nicht in dem Masse erhärtet werden können, dass eine Verurteilung als möglich erscheine. Der objektive Tatbestand des Raubes lasse sich nicht rechtsgenüglich nachweisen.
Gestützt auf den Rapport der Regionalpolizei O. vom 1. Juni 2014, in dem der Beschwerdeführer den Tatbestand anerkannt hatte, wurde er mit Strafbefehl vom 27. Juni 2014 von der Staatsanwaltschaft P. wegen am 31. Mai 2014 erfolgter Missachtung der mit Verfügung vom 7. August 2013 angeordneten Eingrenzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 30.- (unbedingt) verurteilt. Bei schuldhafter Nichtbezahlung trete an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe, wobei ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe entspreche.
Dem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Q. vom 24. November 2014 ist schliesslich zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer am 30. Oktober 2014 beziehungsweise 31. Oktober 2014 der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung und am 31. Oktober 2014 der erneuten Missachtung der Eingrenzung sowie der Hinderung einer Amtshandlung schuldig gemacht hat. Diesbezüglich wurde er mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je Fr. 10.- bestraft.
Mit Urteil vom 28. Januar 2015 wurde der Beschwerdeführer vom Be-
zirksgericht P.
der Missachtung der Einoder Ausgrenzung im
Sinne von Art. 74 in Verbindung mit Art. 119 Abs. 1 AuG [SR 142.20] schuldig gesprochen. Hierfür wurde er in Anwendung der genannten Gesetzesbestimmungen sowie gestützt auf Art. 34 und Art. 47 StGB mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 30.- bestraft. Der Vollzug der ausgefällten Geldstrafe wurde gestützt auf Art. 42 Abs. 1 StGB aufgeschoben und die Probezeit gemäss Art. 44 Abs. 1 StGB auf 2 Jahre festgesetzt. Der dem Beschwerdeführer mit Urteil der Staatsanwaltschaft I. vom 28. August 2013 für die Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je Fr. 30.- gewährte
bedingte Strafvollzug wurde nicht widerrufen. Stattdessen wurde der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 46 Abs. 2 StGB verwarnt, und es wurde die Probezeit von 3 Jahren um 1,5 Jahre verlängert.
Das Urteil vom 28. Januar 2015 ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit Verfügung vom 23. September 2014 - eröffnet am 30. September 2014 - stellte das BFM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte dessen Asylgesuch vom 26. Oktober 2009 ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Wegweisungsvollzug an.
Mit Eingabe vom 30. Oktober 2014 (Poststempel) liess der Beschwerdeführer gegen diese Verfügung beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erheben und beantragen, die Ziffern 3-5 des Dispositivs der Verfügung des BFM vom 23. September 2014 seien aufzuheben. Es sei aufgrund von Unzulässigkeit und Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs die vorläufige Aufnahme anzuordnen. Es sei die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten. Die Kosten seien der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen, und diese sei zu einer angemessenen Prozessentschädigung sowie der darauf auszurichtenden Mehrwertsteuer an ihn zu verpflichten.
Als Beilagen wurden die Vollmacht vom 7. Oktober 2014, die angefochtene Verfügung vom 23. September 2014, eine Kopie des postalischen Rückscheins und eine Unterstützungsbedürftigkeitserklärung vom 31. Oktober 2014 zu den Akten gereicht.
Auf die Beschwerdebegründung wird - soweit entscheidrelevant - in den Erwägungen eingegangen.
Mit Zwischenverfügung vom 2. Dezember 2014 teilte der zuständige Instruktionsrichter dem Beschwerdeführer mit, er dürfe den Abschluss des Verfahrens in der Schweiz abwarten, und über die weiteren Rechtsbegehren werde zu einem späteren Zeitpunkt befunden.
In einer weiteren Zwischenverfügung vom 21. April 2015 stellte der Instruktionsrichter fest, dass lediglich die Wegweisung und deren Vollzug Gegenstand des Verfahrens bildeten. Gleichzeitig räumte er dem Beschwerdeführer Gelegenheit ein, bis zum 6. Mai 2015 zur beabsichtigten Motivsubstitution (Zumutbarkeitsprüfung bzw. Wegweisung nach Kabul) Stellung zu nehmen, wies die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG sowie um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ab und forderte den Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Säumnisfolge auf, bis zum 6. Mai 2015 einen Kostenvorschuss von Fr. 600.- zu leisten.
Der Kostenvorschuss wurde am 5. Mai 2015 fristgerecht einbezahlt.
Nach gewährter Fristerstreckung und Zustellung einer Kopie des Anhörungsprotokolls vom 17. Juli 2013 reichte die Rechtsvertreterin dem Gericht am 15. Mai 2015 eine als Beschwerde bezeichnete Eingabe zu den Akten, worin sie zur Wegweisung des Beschwerdeführers Stellung bezog.
Auf die Begründung wird - soweit entscheidrelevant - in den Erwägungen eingegangen.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme liegt in casu nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Das Verfahren war im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung vom
14. Dezember 2012 des Asylgesetzes am 1. Februar 2014 bereits hängig, weshalb vorliegend das neue Recht gilt (vgl. Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 14. Dezember 2012 im Asylgesetz [Stand am 1. Februar 2014], Abs. 1).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 108 Abs. 1 und Art. 105 AsylG
i.V.m. Art. 37 VGG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Die Abteilungen des Bundesverwaltungsgerichts entscheiden in der Regel in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen (vgl. Art. 21 Abs. 1 VGG). Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.
Gemäss den Rechtsbegehren richtet sich die Beschwerde ausschliesslich gegen die Wegweisung und deren Vollzug (Ziffern 3-5 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung), weshalb die Verfügung, soweit sie die Frage der Flüchtlingseigenschaft und des Asyls betrifft (Ziffern 1-2 des Dispositivs), in Rechtskraft erwachsen ist. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet damit einzig die Frage, ob das BFM die Wegweisung und den Wegweisungsvollzug zu Recht angeordnet hat oder ob der Beschwerdeführer vorläufig aufzunehmen ist (Art. 44 AsylG i.V.m. Art. 83 AuG).
In der angefochtenen Verfügung hielt das BFM hinsichtlich der Wegweisung fest, der Beschwerdeführer sei zur Ausreise aus der Schweiz verpflichtet, da sein Asylgesuch abgelehnt werde (Art. 44 AsylG). Zum Wegweisungsvollzug führte es im Wesentlichen aus, aufgrund dessen, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, könne der Grundsatz der Nichtrückschiebung gemäss Art. 5 Abs. 1 AsylG nicht angewandt werden. Ferner würden sich aus den Akten keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ihm im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine durch Art. 3 EMRK verbotene Strafe o- der Behandlung drohe.
Gemäss Art. 83 Abs. 7 Bst. b AuG werde keine vorläufige Aufnahme wegen unzumutbarem ( ) Wegweisungsvollzug verfügt, wenn die weggewiesene ( ) Person erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz ( ) verstossen habe oder diese gefährde ( ).
Mit Strafbefehl vom 28. August 2013 sei der Beschwerdeführer von den Strafverfolgungsbehörden wegen sexueller Handlungen mit einem Kind (Art. 187 Ziff. 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen (bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 3 Jahren) verurteilt worden. Er habe am 27. Februar 2013 ein Mädchen in einer Bahnhofsunterführung an eine Wand gedrückt und es mehrmals unsittlich berührt. Erst als ein Mann zugunsten des schreienden Mädchens eingeschritten sei, habe er von seinem Opfer vorerst abgelassen, sei ihm danach jedoch nochmals gefolgt. Nach einer erneuten Belästigung des Opfers am 11. März 2013 habe er von der Polizei angehalten werden können.
Eine schwerwiegende Verletzung oder Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit liege gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zumeist dann vor, wenn die ausländische Person durch ihre Handlungen besonders hochwertige Rechtsgüter wie namentlich die körperliche, psychische und sexuelle Integrität eines Menschen verletzt oder gefährdet habe. Vor diesem Hintergrund sei an der bisherigen Rechtsprechung zur früheren Bestimmung von Art. 14a Abs. 6 des Bundesgesetzes vom
26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG, BS 1 121) festzuhalten, wonach eine Verurteilung zu einer bedingt zu vollziehenden Freiheitsstrafe zwar in der Regel nicht auf ein überwiegendes öffentliches Interesse am Vollzug der Wegweisung schliessen lasse. Der Umstand indes, dass durch das begangene Delikt besonders wertvolle Rechtsgüter betroffen gewesen seien, stelle dennoch einen Anhaltspunkt
für eine schwerwiegende Verletzung oder Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dar. Insgesamt sei festzustellen, dass die aktenkundigen Vorkommnisse nicht den Vorstellungen eines geordneten menschlichen Zusammenlebens entsprächen und der Beschwerdeführer mit seinen Handlungen das hochwertige Rechtsgut der sexuellen Integrität verletzt habe. Da die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 83 Abs. 7 Bst. b AuG erfüllt seien, erübrige sich eine Zumutbarkeitsprüfung.
Ausserdem sei der Vollzug der Wegweisung technisch möglich und praktisch durchführbar.
In der Beschwerde vom 30. Oktober 2014 wird im Wesentlichen geltend gemacht, das BFM habe fälschlicherweise die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmung von Art. 83 Abs. 7 Bst. b AuG als erfüllt erachtet und daher eine Zumutbarkeitsprüfung der Wegweisung unterlassen.
Richtig sei, dass bei einer schwerwiegenden Verletzung oder Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit die Wegweisung auch dann vollzogen werden könne, wenn sie für den Ausländer eine konkrete Gefährdung darstelle oder zu einer schwerwiegenden persönlichen Notlage führe. Eine Verurteilung wegen sexueller Handlung mit einem Kind stelle nicht grundsätzlich eine schwerwiegende Verletzung oder Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Das BFM erkläre dementsprechend, dass das gemäss Strafbefehl vom 28. August 2013 begangene Delikt lediglich ein Anhaltspunkt dafür sei. Ein Anhaltspunkt alleine genüge jedoch für eine solch schwerwiegende Subsumtion nicht. Vielmehr brauche es eine genaue Betrachtung des Einzelfalles und Abwägungen müssten sorgfältig vorgenommen werden.
Bevor Ausschlussgründe zur Anwendung kommen dürften, habe die Behörde im Rahmen ihrer Ermessensausübung eine Abwägung zwischen den damit verfolgten öffentlichen Interessen und den dadurch beeinträchtigten privaten Interessen der betroffenen Person vorzunehmen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-5939/2010 vom 16. November 2012). Das BFM unterlasse es, auf die Verhältnismässigkeit einzugehen und verletze dadurch seine Begründungspflicht. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sei die vorläufige Aufnahme dann ausgeschlossen, wenn der weggewiesene Ausländer die öffentliche Sicherheit und Ordnung verletzt habe oder diese in schwerwiegender Weise gefährde beziehungsweise zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, oder gegen ihn eine strafrechtliche Massnahme im Sinne von Art. 64 oder 61 StGB angeordnet worden sei, sowie wenn er erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen habe (vgl. BGE 135 II 110).
Der Beschwerdeführer bestreite, dass es zu einem sexuellen Übergriff gekommen sei. Er sei zum Tatzeitpunkt etwa 23 Jahre alt gewesen. Beim Opfer habe es sich um eine Jugendliche gehandelt, die er während einer Zugfahrt kennengelernt habe. Er habe das Gefühl gehabt, dass sie ihn kennenlernen wollte. Für ihn sei die Angelegenheit ein Missverständnis gewesen. Ohne einen sexuellen Übergriff bagatellisieren zu wollen, handle es sich vorliegend nicht um eine solch schwerwiegende Angelegenheit, welche auf eine generelle Gefährdung der Öffentlichkeit schliessen lassen würde. Alleine die von der Strafverfolgungsbehörde gewählte Art der Strafe bringe zum Ausdruck, dass sie in der Person des Beschwerdeführers keine weitere Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sehe. Andernfalls wäre keine bedingte Geldstrafe, sondern eine unbedingte Freiheitsstrafe ausgesprochen worden. Das private Interesse des Beschwerdeführers überwiege folglich das öffentliche Interesse. Zusammenfassend könne somit gesagt werden, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmung von Art. 83 Abs. 7 Bst. b AuG nicht erfüllt seien und vom BFM eine Zumutbarkeitsprüfung hätte vorgenommen werden müssen.
Hinsichtlich der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs wird insbesondere geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe im Grundsatzurteil BVGE 2011/7 festgehalten, dass die Sicherheitslage in Afghanistan äusserst schlecht sei und schwierige humanitäre Bedingungen herrschten, wodurch die Situation generell - mit Ausnahme der grösseren Städte - als existenzbedrohend im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AuG zu qualifizieren sei.
Der Beschwerdeführer stamme aus dem Dorf R. in der unsicheren Provinz S. . Seit seiner Flucht aus Afghanistan sei seine Mutter mit den jüngeren Geschwistern ins Dorf T. zu ihrem Bruder gezogen. Sowohl R. wie auch T. würden unter die existenzbedrohenden Ortschaften fallen. Auch eine Rückführung nach Kabul könne dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden. Gemäss Experten herrsche in Afghanistan Krieg. So sei es in den letzten Monaten in Kabul zu mehreren Angriffen gekommen, unter anderem in einem beliebten Restaurant mitten im Zentrum. Zusätzlich sei die weitere Prognose düster. Das Engagement der internationalen Streitkräfte werde im Jahr 2014 mit dem Truppenabzug
beendet, was die Instabilität in Afghanistan verstärke. Laut der Schweizerischen Flüchtlingshilfe seien die Taliban in Kabul präsent und für Anschläge verantwortlich. Sie verübten dort öffentlichkeitswirksame Angriffe, wobei es wiederholt zu Selbstmordanschlägen und Feuergefechten komme. Ausserdem unterstreiche das EDA in seinen Hinweisen, dass im ganzen Land das Risiko von Terroranschlägen, Entführungen, Raubüberfällen, Landminen und Blindgängern bestehe. Gemäss Experten sei die Aussage, wonach die Sicherheitslage in Kabul besser sei als irgendwo sonst im Lande, kaum haltbar. Folglich dürfe zwischen Kabul und den restlichen Regionen Afghanistans kein Unterschied gemacht werden und die Unzumutbarkeit der Wegweisung müsse auch für Kabul gelten.
Sollte trotz dieser Ausführungen weiterhin davon ausgegangen werden, dass sich die Sicherheitslage in der Hauptstadt Kabul im Verlauf der vergangenen Jahre nicht weiter verschlechtert habe und die humanitäre Situation im Vergleich zu den übrigen Gebieten etwas weniger dramatisch sei, könne der Vollzug der Wegweisung nach Kabul jedoch nur unter gewissen Umständen als zumutbar qualifiziert werden. Die in Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2003 Nr. 10 formulierten strengen Bedingungen müssten in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft und erfüllt sein, um einen Wegweisungsvollzug nach Kabul überhaupt als zumutbar qualifizieren zu können. Unabdingbar sei in erster Linie ein soziales Netz, welches sich im Hinblick auf die Aufnahme und Wiedereingliederung des Rückkehrers als tragfähig erweise, was die Unterstützung der Familie voraussetze. Als Rückkehrer aus der Schweiz sei der Beschwerdeführer einem erhöhten Entführungsrisiko ausgesetzt, weil vermutet werde, dass er Devisen besitze. Ohne einen familiären Rückhalt könne dies zu einer existenziell bedrohlichen Situation führen. Der Beschwerdeführer habe in Kabul keine Familie im eigentlichen Sinn. Ohne diese soziale Vernetzung habe er keine Aussicht auf eine zumutbare Unterkunft. Zusätzlich fehle es ihm an einer adäquaten Ausbildung. Auch bei der Arbeitssuche sei die Einstellung, selbst von unqualifizierten Arbeitskräften, regelmässig von persönlichen Beziehungen abhängig, die der Beschwerdeführer mangels Bezugs zu Kabul nicht habe. Nach dem Gesagten sei auch eine Rückführung dorthin unzumutbar.
Das BFM habe es in ungerechtfertigter Weise unterlassen, die Zumutbarkeitsprüfung der Wegweisung vorzunehmen und entsprechend festzustellen, dass der Beschwerdeführer wegen Unzumutbarkeit vorläufig aufgenommen werden müsse.
In der Stellungnahme vom 15. Mai 2015 wird im Wesentlichen ausgeführt, das Dorf R. (Distrikt S. , Provinz U. ), woher der Beschwerdeführer stamme, sei eine Ortschaft, welche gemäss BVGE 2011/7 als existenzbedrohend zu qualifizieren sei. In Afghanistan herrsche Krieg und die Sicherheitslage sei über alle Regionen hinweg äusserst schlecht. Die derart schlechte Sicherheitslage und die schwierigen humanitären Bedingungen führten dazu, dass die Situation als existenzbedrohend im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AuG zu bezeichnen sei. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts qualifiziere eine Wegweisung nach U. als unzumutbar. Die Region werde von den Taliban kontrolliert und sei geprägt von Kampfeshandlungen. Das Leben des Beschwerdeführers wäre alleine schon durch die allgemeine Gewalt wie auch die prekären humanitären Bedingungen gefährdet.
Zusätzlich sei das Leben des Beschwerdeführers durch Blutrache gefährdet. Sein Vater habe einige Feinde gehabt. Es sei zum Gefecht gekommen, wobei der Vater sowie zwei Männer der Gegenseite umgebracht worden seien. Die Gegenseite habe den Vater für den Tod ihrer beiden Männer verantwortlich gemacht. Nachdem der Vater aber bereits verstorben sei, beabsichtigten sie nun, den Beschwerdeführer als ältesten Sohn aus Rache zu töten. Die Mutter, die Schwestern und die minderjährigen Brüder seien zum Bruder der Mutter nach T. gezogen. Da nur männliche, volljährige Familienmitglieder Opfer von Blutrache würden, habe einzig der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen müssen. Aufgrund der kurzen
Distanz - T.
liege lediglich zwei Stunden Fussmarsch von
S. entfernt - könne der Beschwerdeführer nicht nach T. zurückgeführt werden. Dies aus denselben Gründen wie eine Wegweisung nach S. unzumutbar wäre.
Einzig die Wegweisung nach Kabul könne unter Umständen zumutbar sein. Das Bundesverwaltungsgericht habe den äusserst dürftigen Unterlagen entnommen, dass sich der Beschwerdeführer ein einziges Mal in Kabul aufgehalten habe, und habe daraus voreilig auf die Zumutbarkeit einer Wegweisung geschlossen. Dies erwecke den Anschein, dass sich die Behörde, weil nur die Wegweisung nach Kabul unter gewissen Umständen als zumutbar erachtet werde, ohne reale und nachvollziehbare Prüfung an die nebensächliche Aussage des Beschwerdeführers klammere, dass er einige Tage seines Lebens in Kabul verbracht habe. Eine pauschale Aussage, der Beschwerdeführer sei jung und gesund, reiche nicht. Auch bei einer Wegweisung nach Kabul müsste die Zumutbarkeit überprüft werden.
Der Beschwerdeführer kenne Kabul überhaupt nicht. Er habe dort lediglich rund eine Woche bei "entfernten Verwandten" im Gästehaus gelebt. In der Schweiz würden diese sogenannten Verwandten nicht einmal mehr als Verwandte bezeichnet, sondern höchstens als Bekannte. Der Gastfreundschaft möge in der afghanischen Kultur zwar ein höherer Stellenwert als in der schweizerischen zukommen, doch habe auch diese ihre Grenzen. Vor allem in Zeiten, in denen die finanziellen Verhältnisse schwierig seien. Der Beschwerdeführer befinde sich seit über fünf Jahren in der Schweiz. In dieser Zeit habe er keinen Kontakt zu seinen Bekannten in Kabul gehabt. Ob sie immer noch dort ansässig seien, sei zu bezweifeln.
Wie bereits mehrfach ausgeführt worden sei, habe der Beschwerdeführer in Kabul keine Familie. Ein einmaliger Kontakt zu Kabul reiche nicht, um daraus eine familiäre Unterstützung zu konstruieren. Dem Beschwerdeführer fehle folglich gänzlich ein sozialer Rückhalt in Kabul. Ohne Unterstützung sei es ihm nicht möglich, in Kabul Fuss zu fassen und eine Arbeit zu finden. Eine Rückweisung nach Kabul, nach jahrelangem Auslandaufenthalt in der Schweiz, würde ihn zusätzlich der Gefahr, Opfer einer Entführung zu werden, aussetzen.
Zusammenfassend erscheine eine Wegweisung in keinem Falle als zumutbar. In den Regionen S. respektive T. herrschten Kämpfe und der Beschwerdeführer sei zusätzlich der Blutrache ausgesetzt. Zu Kabul habe er keine Beziehung, welche ihm das tägliche Überleben sichern würde.
Lehnt das Staatssekretariat das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).
Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis
nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG).
Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft, das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).
Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG).
So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).
Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr des Beschwerde-führers in den Heimatstaat ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.
Sodann sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer für den Fall einer Ausschaffung nach Afghanistan dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener
des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008, Grosse Kammer 37201/06, §§ 124-127 m.w.H.). Auch die allgemeine Menschenrechtssituation in Afghanistan lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als unzulässig erscheinen. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asylals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
Gemäss Art. 83 Abs. 4 AuG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AuG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren.
In der angefochtenen Verfügung verzichtete das BFM auf eine Zumutbarkeitsprüfung mit der Begründung, die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmung von Art. 83 Abs. 7 Bst. b AuG seien erfüllt. Das Bundesverwaltungsgericht ist an die rechtliche Begründung der angefochtenen Verfügung nicht gebunden, kann die Verfügung im Ergebnis gleich belassen, dieser aber eine andere Begründung zugrunde legen (Motivsubstitution). Da das Gericht vorliegend eine Motivsubstitution (Zumutbarkeitsprüfung bzw. Wegweisung nach Kabul) in Betracht zieht, kann die Prüfung der Frage, ob der Tatbestand von Art. 83 Abs. 7 Bst. b AuG erfüllt ist, offengelassen werden. Auf die in der Beschwerde vom 30. Oktober 2014 im Zusammenhang mit Art. 83 Abs. 7 Bst. b AuG geltend gemachten Vorbringen braucht demnach nicht näher eingegangen zu werden.
Das Gericht hielt im Grundsatzurteil BVGE 2011/7 zur Situation in der Stadt Kabul fest, dort sei die Sicherheitslage weniger bedrohlich als in den anderen Landesteilen und die humanitäre Situation sei im Vergleich zu den übrigen Gebieten weniger dramatisch. Ein Wegweisungsvollzug in die Stadt Kabul sei nicht generell unzumutbar, sondern könne unter begünstigenden Umständen - auch im Sinne einer zumutbaren Aufenthaltsalternative - als zumutbar erkannt werden (E. 9.9.2).
Diese Rechtsprechung kann trotz sporadisch auftretender Ereignisse nach wie vor Gültigkeit beanspruchen, weshalb der Wegweisungsvollzug diesbezüglich grundsätzlich als zumutbar zu bezeichnen ist.
Darüber hinaus gilt es zu prüfen, ob sich ein Wegweisungsvollzug des Beschwerdeführers nach Kabul auch aus individuellen Gründen als zumutbar erweist.
In diesem Zusammenhang erwog das Bundesverwaltungsgericht in BVGE 2011/7 weiter, dass es sich angesichts der bisher aufgezeigten konstanten Verschlechterung der Lage über die vergangenen Jahre hinweg und der auch in Kabul schwierigen Situation von selbst verstehe, dass die bereits in EMARK 2003 Nr. 10 formulierten strengen Bedingungen in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft und erfüllt sein müssten, um einen Wegweisungsvollzug nach Kabul als zumutbar zu qualifizieren (E. 9.9.2).
Den vorliegenden Akten ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer sich während rund einer Woche bei entfernten Verwandten in Kabul aufgehalten hat und bei diesen Leuten im Gästehaus untergebracht war (vgl. Anhörungsprotokoll vom 17. Juli 2013, A49 S. 5 F37/38, S. 7 F56). Angesichts dessen darf davon ausgegangen werden, dass er bei diesen Verwandten erneut Aufnahme finden wird und den nötigen sozialen Rückhalt bekommen kann, umso mehr, als es keinen Beleg dafür gibt, dass sich diese Leute nicht mehr in Kabul aufhalten würden. In der Stellungnahme vom 15. Mai 2015 wird lediglich bezweifelt, dass sie immer noch dort ansässig sind. Der Hinweis, wonach der Beschwerdeführer während seines über fünfjährigen Aufenthalts in der Schweiz keinen Kontakt zu seinen Bekannten gehabt habe, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Es ist ihm vielmehr zuzumuten, den Kontakt wiederum aufzunehmen, was ihm vor dem Hintergrund, dass verwandtschaftlichen Beziehungen in Afghanistan ein grösserer Stellenwert beigemessen wird als in der Schweiz, möglich sein dürfte. Ausserdem handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen, soweit aktenkundig gesunden Mann, dem es zugemutet werden darf, sich trotz seines Analphabetismus und einer fehlenden Ausbildung (vgl. Befragungsprotokoll vom 30. Oktober 2009, A1 S. 1/3) um eine für ihn geeignete Arbeit zu bemühen. Dies dürfte mit der Unterstützung seiner Verwandten nicht mit unüberbrückbaren Schwierigkeiten verbunden sein. Im Übrigen wird die verwandtschaftliche Unterstützung auch dazu beitragen können, die Verwirklichung des geltend gemachten Entführungsrisikos zu verhindern. Des Weiteren ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer bei einer Wegweisung nach Afghanistan in seinen angestammten Kulturkreis zurückkehren wird, wo er seit seiner Geburt bis zur Ausreise im Jahr 2007 gelebt hat (vgl. A1 S. 1).
Zusammenfassend ergibt sich nach dem Gesagten, dass der Beschwerdeführer in Kabul eine zumutbare Aufenthaltsalternative in Anspruch nehmen kann. Bei dieser Sachlage fällt ein Wegweisungsvollzug nach R. beziehungsweise T. ausser Betracht, weshalb sich diesbezüglich weitergehende Ausführungen erübrigen. Der Vollständigkeit halber bleibt jedoch anzumerken, dass der Beschwerdeführer auch aus der geltend gemachten Blutrache nichts für sich abzuleiten vermag, zumal seine Vorbringen hinsichtlich der Auseinandersetzung, in welche sein Vater involviert gewesen sein soll, in der angefochtenen Verfügung als unglaubhaft erachtet wurden, und die Verfügung, soweit sie die Frage der Flüchtlingseigenschaft und des Asyls betrifft, in Rechtskraft erwachsen ist.
Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG, dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AuG).
Nach dem Gesagten erweist sich der Wegweisungsvollzug als zulässig, zumutbar und möglich. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 600.- festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der am 5. Mai 2015 in gleicher Höhe einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.
Aufgrund seines Unterliegens wird dem Beschwerdeführer keine Parteientschädigung ausgerichtet.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Der einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Fulvio Haefeli Karin Schnidrig
Versand:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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