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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-4503/2015

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-4503/2015

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-4503/2015
Datum:02.09.2015
Leitsatz/Stichwort:Rechtsverzögerung/Rechtsverweigerung
Schlagwörter : Verfahren; Bundes; Rechtsverzögerung; Asylverfahren; Verfahrens; Beschwerdeführers; Bundesverwaltungsgericht; Asylgesuch; Verfügung; Rechtsvertreterin; Rechtsverzögerungsbeschwerde; Behörde; Eingabe; Person; Asylgründen; Behandlung; Anhörung; Quot;; Asylverfahrens; Kanton; Beschleunigung; Gesuch; Frist; Asyls; Akten
Rechtsnorm: Art. 29 BV ;Art. 306 ZGB ;Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 61 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 70 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:130 I 173; 130 I 312
Kommentar:
Müller, Schindler, Auer, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren VwVG, Zürich, Art. 46 a VwVG, 2008

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-4503/2015

U r t e i l  v o m  2.  S e p t e m b e r  2 0 1 5

Besetzung Richter Martin Zoller (Vorsitz), Richter François Badoud, Richter Bendicht Tellenbach,

Gerichtsschreiberin Kathrin Mangold Horni.

Parteien A. , geboren ( ), Eritrea,

vertreten durch Hanna Kunz,

Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not, ( ),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM; zuvor Bundesamt für Migration, BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Rechtsverzögerung / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer reiste gemäss eigenen Angaben am 19. April 2014 in die Schweiz ein und suchte am 22. April 2014 im Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) B. um Asyl nach. Dort wurde er am 20. Mai 2014 zu seiner Person, zu seinem Reiseweg und summarisch zu seinen Asylgründen befragt (Befragung zur Person [BzP]).

B.

Am 21. Mai 2014 wurde der Beschwerdeführer für den Aufenthalt während der Dauer des Asylverfahrens dem Kanton C. zugewiesen. Am Tag zuvor wurde die zuständige kantonale Behörde aufgefordert, unverzüglich die für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) vorgesehenen Schutzmassnahmen einzuleiten und dem BFM (heute: SEM) sowie dem Beschwerdeführer nach Ernennung der gesetzlichen Vertretung deren Namen und Adresse mitzuteilen. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer D. von der E. (KESB) F. als Vertrauensperson beziehungsweise als Beiständin im Sinne von Art. 306 Abs. 2 ZGB beigeordnet.

C.

Der Beschwerdeführer ersuchte durch seine am 15. April 2015 von ihm bevollmächtigte Rechtsvertreterin am 20. April 2015 um vollständige Akteneinsicht und um Einräumung des Rechts auf Stellungnahme nach abgeschlossener Instruktion.

Mit einem weiteren, ebenfalls auf den 20. April 2015 datierten Schreiben ersuchte die Rechtsvertreterin das SEM um Beschleunigung des Asylverfahrens. Zur Begründung wurde auf den gleichzeitig eingereichten Bericht der Beiständin vom 7. April 2015 verwiesen. Danach sei der Beschwerdeführer anfänglich im Zentrum G. , wo rund 50 unbegleitete Minderjährige im Alter zwischen 14 und 18 Jahren lebten, untergebracht gewesen. Bald sei aufgefallen, dass er bereits in alltäglichen Belastungssituationen sehr auffällig, unberechenbar und teilweise aggressiv reagiere. Im Juni 2014 sei eine Notfallkonsultation im H. notwendig geworden, wo eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden sei. Nach seiner Rückkehr ins Zentrum G. habe sich sein Zustand weiter verschlechtert; er habe wiederholt suizidale Absichten geäussert. Seit August 2014 sei er in einer Wohngruppe einer sozialpädagogischen Institution untergebracht. Auch dort habe er suizidale Andeutungen gemacht, weshalb er erneut in die jugendpsychiatrische Krisenintervention gebracht worden sei. Danach sei mit einer ambulanten Therapie begonnen worden. Aufgrund seiner psychischen Instabilität sei es bisher äusserst schwierig gewesen, für den Beschwerdeführer eine adäquate Tagesstruktur zu finden. Ein erschwerender Unsicherheitsfaktor in der ganzen Situation sei das hängige Asylverfahren. Für den Aufbau weiterer Perspektiven sei es auch für die betreuenden Personen unabdingbar, Klarheit über einen längerfristigen Aufenthaltsstatus zu haben.

D.

Mangels Beantwortung der beiden Schreiben vom 20. April 2015 wandte sich die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers am 18. Mai 2015 erneut an das SEM und ersuchte um prioritäre Behandlung des Asylgesuches vom 22. April 2014.

E.

Nachdem das SEM auch die Eingabe vom 18. Mai 2015 unbeantwortet gelassen hatte, wies die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers dieses mit Schreiben vom 22. Juni 2015 darauf hin, ihr Mandant halte sich nunmehr seit über einem Jahr in der Schweiz auf, ohne dass eine Bundesanhörung durchgeführt worden sei. Falls sie bis zum 6. Juli 2015 auch auf das Schreiben vom 22. Juni 2015 keine Antwort erhalte, würde sie eine Rechtverzögerungsbeschwerde einleiten.

F.

    1. Auch die Eingabe vom 22. Juni 2015 blieb unbeantwortet, weshalb die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers schliesslich am 21. Juli 2015 beim Bundesverwaltungsgericht eine Rechtsverzögerungsbeschwerde einreichte. Darin wurde um Feststellung, dass das vorliegende Asylverfahren durch die Vorinstanz verzögert worden sei, sowie um eine an das SEM gerichtete Anweisung, den Beschwerdeführer umgehend zur Anhörung zu den Asylgründen vorzuladen und das Asylgesuch prioritär zu behandeln, ersucht. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde zudem die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und der Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses beantragt.

    2. Zur Begründung wurde auf die beim SEM eingereichten, unbeantwortet gebliebenen Schreiben vom 20. April 2015 und vom 18. Mai 2015 sowie auf den Bericht der Beiständin vom 7. April 2015 verwiesen und im Weiteren geltend gemacht, indem die Vorinstanz einen unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden wie den Beschwerdeführer so lange in Ungewissheit

über sein Verfahren lasse, trage sie den Verpflichtungen, die sich aus dem Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (nachfolgend: KRK, SR 0.107) ergeben würden, nicht ausreichend Rechnung.

G.

Mit Zwischenverfügung vom 5. August 2015 teilte das Bundesverwaltungsgericht der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers mit, ihre Eingabe vom 21. Juli 2015 werde als Rechtsverzögerungsbeschwerde entgegengenommen und behandelt. Überdies werde das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gutgeheissen und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses verzichtet.

H.

In seiner Vernehmlassung vom 18. August 2015 beantragte das SEM die Abweisung der Beschwerde. Es treffe zu, dass im vorliegenden Fall bis zum heutigen Zeitpunkt noch keine Anhörung zu den Asylgründen des Beschwerdeführers stattgefunden und es das Staatssekretariat verpasst habe, die genannten Eingaben zu beantworten. Dieser Unterlassung liege indirekt zugrunde, dass es die Ressourcen des SEM seit Frühjahr des laufenden Jahres verunmöglicht hätten, eritreische Asylsuchende und insbesondere unbegleitete minderjährige Gesuchstellende in der Zentrale des SEM in Wabern anzuhören. Die bekanntlich sehr hohe Anzahl neu eingereichter Asylgesuche eritreischer Staatsangehöriger habe es nämlich nötig gemacht, die Dolmetschenden primär in den Empfangsund Verfahrenszentren einzusetzen, um mit den vielen neu Ankommenden die Befragung zur Person so rasch wie möglich durchführen zu können. Vor diesem Hintergrund wäre es bis vor Kurzem gar nicht möglich gewesen, dem Ersuchen des Beschwerdeführers um Beschleunigung des Verfahrens unmittelbar Folge zu leisten. Inzwischen seien die Gesuchszahlen eritreischer Staatsangehöriger wieder rückläufig, weshalb die Durchführung von Anhörungen in Wabern in beschränktem Umfang wieder möglich sei. Selbstverständlich werde diese besondere Sachlage wo immer nötig vom SEM kommuniziert, und entsprechende Anfragen und Eingaben würden auch innert nützlicher Frist beantwortet. Im vorliegenden Fall handle es sich um ein einzelnes administratives Versäumnis, wofür man sich entschuldige. Nach Abschluss des vorliegenden Beschwerdeverfahrens werde das SEM den Beschwerdeführer möglichst rasch zu einer Anhörung vorladen, um danach zügig über das Asylgesuch entscheiden zu können.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend - endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG [SR 142.31]). Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer anfechtbaren Verfügung kann bei der Beschwerdeinstanz, die für die Behandlung einer Beschwerde gegen eine ordnungsgemäss ergangene Verfügung zuständig wäre, Beschwerde geführt werden (Art. 46a VwVG; vgl. dazu auch MARKUS MÜLLER, in: Auer/Müller/Schindler (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG), Zürich 2008, Rz. 3 zu Art. 46a). Das Bundesverwaltungsgericht ist damit zur Beurteilung der vorliegenden Rechtsverzögerungsbeschwerde zuständig.

    2. Rechtsverzögerungsbeschwerden richten sich gegen den Nichterlass einer anfechtbaren Verfügung. Die Beschwerdelegitimation setzt voraus, dass bei der zuständigen Behörde zuvor ein Begehren um Erlass einer Verfügung gestellt wurde und Anspruch darauf besteht. Ein Anspruch ist anzunehmen, wenn die Behörde verpflichtet ist, in Verfügungsform zu handeln, und dem Rechtssuchenden nach Art. 6 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 VwVG Parteistellung zukommt (vgl. BVGE 2008/15 E. 3.2, mit weiteren Hinweisen).

      Der Beschwerdeführer, der in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt und durch seine Rechtsvertreterin wiederholt um Erlass eines entsprechenden Asylentscheids in Form einer anfechtbaren Verfügung ersucht hat, ist zur Beschwerdeführung legitimiert.

    3. Gegen das unrechtmässige Verzögern einer Verfügung kann grundsätzlich jederzeit Beschwerde geführt werden (Art. 50 Abs. 2 VwVG). Dennoch steht der Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht völlig im Belieben des Beschwerdeführenden. Dieser muss darlegen, dass er zur Zeit der Beschwerdeeinreichung ein schutzwürdiges - mithin aktuelles und praktisches - Interesse an der Vornahme der verzögerten Amtshandlung respektive der Feststellung einer entsprechenden Rechtsverzögerung hat (vgl. URSINA BEERLI-BONORAND, Die ausserordentlichen Rechtsmittel in der Verwaltungsrechtspflege des Bundes und der Kantone, Zürich 1985, S. 221 f.).

Das schutzwürdige Interesse des Beschwerdeführers an der Vornahme der allenfalls verzögerten Amtshandlung manifestiert sich vorliegend in den bei den Akten liegenden Eingaben, mit welchen er um beförderliche Verfahrenserledigung ersuchen liess. Auf die Rechtsverzögerungsbeschwerde ist damit einzutreten.

2.

Die Prüfungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts beschränkt sich auf die Frage, ob das Gebot des Rechtsschutzes in angemessener Zeit im konkreten Fall verletzt worden ist oder nicht. Im Falle einer Gutheissung der Beschwerde weist es die Sache mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück (Art. 61 Abs. 1 VwVG; so noch ausdrücklich alt Art. 70 Abs. 2 VwVG). Hingegen hat sich das Gericht einer Stellungnahme dazu, wie ein unrechtmässig verzögerter Entscheid inhaltlich hätte ausfallen sollen, zu enthalten, da es - Spezialkonstellationen vorbehalten - nicht anstelle der untätig gebliebenen Behörde entscheiden darf, ansonsten der Instanzenzug verkürzt und allenfalls weitere Rechte der am Verfahren Beteiligten verletzt würden (vgl. BVGE 2008/15 E. 3.1.2 S. 193, mit weiteren Hinweisen).

3.

    1. Das Verbot der Rechtsverzögerung ergibt sich als Teilgehalt aus der allgemeinen Verfahrensgarantie von Art. 29 Abs. 1 BV. Danach hat jede Person Anspruch auf eine Beurteilung ihrer Sache innert angemessener Frist. Diese Verfassungsgarantie gilt für alle Sachbereiche und alle Akte der Rechtsanwendung (vgl. BGE 130 I 173 f., mit weiteren Hinweisen).

    2. Von einer Rechtsverzögerung im Sinn des Gesetzes ist nach Lehre und Praxis auszugehen, wenn behördliches Handeln zwar nicht (wie bei einer Rechtsverweigerung) grundsätzlich infrage steht, aber die Behörde nicht innert der Frist handelt, die nach der Natur der Sache objektiv noch als angemessen erscheint. Die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beurteilen. In Betracht zu ziehen sind dabei namentlich die Komplexität der Sache, das Verhalten der betroffenen Beteiligten und der Behörden, die Bedeutung des Verfahrens für die betroffene Partei sowie einzelfallspezifische Entscheidungsabläufe (vgl. zum Ganzen BGE 130 I 312 E. 5.1 und 5.2 mit weiteren Hinweisen auf Lehre und Praxis). Ein Verschulden der Behörde an der Verzögerung wird nicht vorausgesetzt, weshalb sie das Rechtsverzögerungsverbot auch dann verletzt, wenn sie wegen Personalmangels o- der Überlastung nicht innert angemessener Frist handelt (vgl. BGE 107 Ib

160 E. 3c, 103 V 190 E. 5.2). Spezialgesetzliche Behandlungsfristen sind bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer zu berücksichtigen.

4.

    1. In der Beschwerde vom 21. Juli 2015 wird gerügt, das SEM habe das Asylverfahren seit der BzP im EVZ B. vom 20. Mai 2014 nicht weitergeführt. Die Schreiben vom 20. April 2015 und vom 18. Mai 2015 seien ebenso wenig behandelt worden wie die Eingabe vom 22. Juni 2015, in welchem die Einleitung einer Rechtsverzögerungsbeschwerde angedroht worden sei. Dies, obwohl aus dem Bericht der Beiständin klar hervorgehe, dass der Beschwerdeführer unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide und "das hängige Asylverfahren einen erschwerenden Unsicherheitsfaktor in dieser Situation mit sich bringe". Indem die Vor-instanz den Beschwerdeführer so lange in Ungewissheit über sein Verfahren lasse, trage sie der in der KRK enthaltenen Pflicht, das Wohl eines Kindes bei allen Massnahmen vorrangig zu berücksichtigen und den Schutz zu gewährleisten, der für das Wohlergehen notwendig sei, nicht ausreichend Rechnung (vgl. Beschwerde S. 3 f.).

    2. Gemäss Art. 29 Abs. 1 Bst. b AsylG hört das SEM die Asylsuchenden innerhalb von 20 Tagen nach dem Entscheid über die Zuweisung in den Kanton zu den Asylgründen an. Nach den vom Gesetzgeber per 1. Februar 2014 zusätzlich verschärften Behandlungsfristen für das erstinstanzliche Asylverfahren ist über Asylgesuche materiell in der Regel innerhalb von zehn Arbeitstagen nach der Gesuchstellung zu entscheiden (Art. 37 Abs. 2 AsylG).

    3. Das Bundesverwaltungsgericht stellt vorliegend nach Durchsicht der vorinstanzlichen Akten fest, dass seit der BzP des Beschwerdeführers im EVZ B. vom 20. Mai 2014 und der unmittelbar daran erfolgten Kantonszuweisung während mehr als einem Jahr keine verfahrensleitenden Handlungen seitens des BFM beziehungsweise des SEM mehr erfolgt sind. Sämtliche Ersuchen der Rechtsvertreterin um Beschleunigung des Asylverfahrens und auch die Androhung der Einleitung einer Rechtsverzögerungsbeschwerde blieben unbeantwortet. Die letzte den Akten zu entnehmende Amtshandlung datiert vom 21. Mai 2014, als der Beschwerdeführer vom BFM für den Aufenthalt während der Dauer des Asylverfahrens dem Kanton C. zugewiesen worden war.

    4. Dem Bundesverwaltungsgericht ist die hohe Arbeitslast des SEM auf die in der Vernehmlassung hingewiesen wird, bekannt, und es ist nicht nur nachvollziehbar, sondern aufgrund der Geschäftslast unvermeidbar, dass nicht jedes Asylverfahren innerhalb der gesetzlichen Behandlungsfristen abgeschlossen werden kann, was in der Formulierung von Art. 37 Abs. 2 AsylG ("in der Regel") zum Ausdruck kommt. Keine solche Relativierung kennt die Bestimmung von Art. 29 Abs. 1 AsylG betreffend die Frist zur Anhörung zu den Asylgründen, aber dennoch handelt es sich auch bei dieser Behandlungsfrist um eine blosse, bei Überschreitung nicht mit verfahrensrechtlichen Sanktionen verbundene Ordnungsfrist. Indessen vermag die grosse Geschäftslast die Untätigkeit des SEM seit der weit über ein Jahr zurückliegenden BzP nicht zu rechtfertigen. Mit dem Verweis auf die hohe Zahl neuer Asylgesuche eritreischer Staatsangehöriger und auf den Einsatz der Dolmetschenden in den EVZ vermag das SEM nicht stichhaltig zu begründen, inwiefern es wegen nicht selbst zu verantwortender Umstände nicht einmal in der Lage gewesen sein sollte, den Beschwerdeführer - dessen Anhörung zu den Asylgründen den Kernpunkt der Sachverhaltsfeststellung und damit die Grundlage für die rechtliche Analyse der Asylvorbringen bildet, und daher möglichst zeitnah zur Asylgesuchstellung erfolgen sollte - über den Grund der Verzögerung zu informieren. Erst recht lässt sich damit nicht begründen, wieso das SEM alle drei zwischen dem

      20. April 2015 und dem 22. Juni 2015 erfolgten Anfragen und Ersuchen um Anhandnahme beziehungsweise Beschleunigung des Asylverfahrens unbeantwortet gelassen hat, wobei die in der Vernehmlassung vom 18. August 2015 diesbezüglich angebrachte Bemerkung, es handle sich "um ein einzelnes administratives Versäumnis", nicht gehört werden kann.

    5. Indem das SEM den offensichtlich psychisch belasteten, minderjährigen (und damit unter dem Schutz der KRK stehenden) Beschwerdeführer trotz wiederholter Nachfrage mehr als ein Jahr lang über den Fortgang des Verfahrens im Unklaren gelassen hat, hat es das Beschleunigungsverbot von Art. 29 Abs. 1 BV verletzt.

    6. Die Rüge der Rechtsverzögerung erweist sich damit als begründet und die Beschwerde ist gutzuheissen. Die Akten gehen an das BFM zurück, verbunden mit der Anweisung, das Asylverfahren des Beschwerdeführers beförderlich weiterzuführen und das Asylgesuch zügig einer anfechtbaren Verfügung zuzuführen.

5.

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind - ungeachtet dessen, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Zwischenverfügung vom 5. August 2015 das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gutgeheissen hatte - keine Verfahrenskosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG).

    2. Dem Beschwerdeführer ist aufgrund seines Obsiegens in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 VwVG eine Parteientschädigung für die ihm erwachsenen Vertretungskosten im Beschwerdeverfahren zuzusprechen. Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers hat dem Bundesverwaltungsgericht eine Honorarnote zukommen lassen, in der sie einen als angemessen zu beurteilenden Vertretungsaufwand in der Höhe von Fr. 860.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) geltend macht. Das SEM ist somit anzuweisen, dem Beschwerdeführer diesen Betrag als Parteientschädigung auszurichten.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Rechtsverzögerungsbeschwerde wird gutgeheissen.

2.

Das SEM wird angewiesen, das Asylverfahren des Beschwerdeführers beförderlich weiterzuführen und das Asylgesuch zügig einer anfechtbaren Verfügung zuzuführen.

3.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

4.

Das SEM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 860.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zu entrichten.

5.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer und das SEM.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Martin Zoller Kathrin Mangold Horni

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