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Bundesverwaltungsgericht Urteil BVGE 2015/50

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts BVGE 2015/50

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:BVGE 2015/50
Datum:23.03.2015
Leitsatz/Stichwort:Mehrwertsteuer
Schlagwörter : Steuer; MWSTG; Bezug; Bezugsteuer; Person; Voraussetzung; Erlass; Steuerpflicht; Vorsteuer; Inland; Leistung; Abwicklung; Unternehmen; Voraussetzungen; Recht; Urteil; Bezugsteuern; Abwicklungsfehler; Verzicht; Mehrwertsteuer; Irrtum; Leistungen; Befreiung; Ausland; Steuererlass; Dienstleistungen; BEUSCH; Wille
Rechtsnorm: Art. 10 MWSTG ;Art. 11 MWSTG ;Art. 13 BV ;Art. 14 MWSTG ;Art. 24 MWSTG ;Art. 24 VwVG ;Art. 28 MWSTG ;Art. 43 MWSTG ;Art. 45 MWSTG ;Art. 66 MWSTG ;Art. 81 MWSTG ;Art. 87 MWSTG ;Art. 90 MWSTG ;Art. 92 MWSTG ;
Referenz BGE:127 III 357
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

6 Finanzen Finances Finanze

50

Auszug aus dem Urteil der Abteilung I

i.S. A. AG gegen Eidgenössische Steuerverwaltung A7110/2014 vom 23. März 2015

Mehrwertsteuer. Erlass von Bezugsteuern (2010 und 2011). Art. 92 Abs. 1 Bst. a und b MWSTG.
  1. Unwissenheit betreffend das Gesetz beziehungsweise rechtliche Bestimmungen allein, kann nicht als entschuldbarer Grund im Sinne von Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG gelten. Gemäss dieser Bestimmung reicht es denn auch nicht aus, dass sich die steuerpflichtige Person betreffend ihre Steuerpflicht (z.B. aus Unwissenheit) « im Irrtum » befand. Vielmehr muss dieser Irrtum im konkreten Fall aus einem entschuldbaren Grund entstanden sein (E. 2.7.1 und 3.4).
  2. Für die Beurteilung, ob ein Formoder Abwicklungsfehler im Sinne von Art. 92 Abs. 1 Bst. b MWSTG vorliegt, ist zu beachten, dass solche Fehler jeweils untrennbar an eine zugrunde liegende Willensbildung gebunden sind: Zunächst muss ein auf etwas Bestimmtes gerichteter Wille vorhanden sein, wobei die Umsetzung dieses Willens an einem Formfehler oder einem Fehler in der Abwicklung scheitern kann. Hingegen können die Umstände, welche zum jeweiligen Willen geführt haben, nicht selbst Formoder Abwicklungsfehler sein (E. 2.7.2 und 3.3).
Taxe sur la valeur ajoutée. Remise de l'impôt sur les acquisitions (2010 et 2011).
Art. 92 al. 1 let. a et b LTVA.
  1. L'ignorance de la loi ou de certaines de ses dispositions ne peut être invoquée comme telle en tant que motif excusable au sens de
    l'art. 92 al. 1 let. a LTVA. Il ne suffit pas non plus, selon cette disposition, que l'assujetti se soit trouvé « dans l'erreur » concernant son assujettissement à l'impôt (p. ex. par ignorance). Bien plutôt, il faut que, dans le cas concret, son erreur soit issue d'un motif excusable (consid. 2.7.1 et 3.4).
  2. Pour déterminer si l'on est en présence d'une erreur de forme ou d'un manquement dû à des raisons d'organisation au sens de l'art. 92 al. 1 let. b LTVA, il convient de prendre en considération le fait que ce type d'erreur est indissociable d'une intention sousjacente: ainsi, l'intention préalable de faire quelque chose de déterminé doit d'abord exister, mais la réalisation de cette intention peut ensuite échouer en raison d'une erreur sur la forme ou d'un défaut d'organisation. En revanche, les circonstances qui ont conduit à l'intention en question ne peuvent constituer en soi une erreur sur la forme ou un manquement dû à des raisons d'organisation (consid. 2.7.2 et 3.3).
Imposta sul valore aggiunto. Condono di imposte sull'acquisto (2010 e 2011).
Art. 92 cpv. 1 lett. a e b LIVA.
  1. L'ignoranza della legge, rispettivamente di alcune disposizioni legali non può di per sé costituire un motivo scusabile ai sensi dell'art. 92 cpv. 1 lett. a LIVA. Secondo tale norma non è infatti sufficiente che il contribuente si sia trovato « in errore » riguardo al proprio assoggettamento (ad es. per ignoranza). L'errore deve piuttosto, nel caso concreto, essere sorto per un motivo scusabile (consid. 2.7.1 e 3.4).
  2. Nell'esaminare se sussiste un errore formale o di organizzazione ai sensi dell'art. 92 cpv. 1 lett. b LIVA occorre tener presente che tali errori sono sempre legati alla formazione di una volontà soggiacente: anzitutto deve sussistere una volontà ben precisa, che in seguito non si realizza a causa di un errore formale o di organizzazione. Le circostanze stesse all'origine della volontà in questione non possono invece costituire un errore formale o di organizzazione (consid. 2.7.2 e 3.3).

    Die A. AG ist seit 1994 im Handelsregister eingetragen. Unternehmenszweck ist im Wesentlichen die Erbringung von Dienstleistungen.

    Mit Verfügung vom 4. November 2014 wies die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) das Erlassgesuch der A. AG betreffend die Bezugsteuern für den Zeitraum zwischen 1. Januar 2010 und 31. Dezember 2011 ab. Sie begründete dies damit, dass keiner der in Art. 92 MWSTG (SR 641.20) abschliessend aufgezählten Erlassgründe gegeben sei.

    Gegen diese Verfügung erhob die A. AG (nachfolgend: Beschwerdeführerin) mit Eingabe vom 4. Dezember 2014 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragt unter anderem die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung sowie die Gutheissung ihres Gesuchs um Erlass der für 2010 und 2011 in Rechnung gestellten Bezugsteuern.

    Mit Vernehmlassung vom 26. Januar 2015 beantragt die ESTV (nachfolgend: Vorinstanz) die vollumfängliche Abweisung der Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin (mit Ausnahme des Antrags auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung).

    Das Bundesverwaltungsgericht weist die Beschwerde ab.

    Aus den Erwägungen:

    2.
    1. Der Bund erhebt eine allgemeine Verbrauchssteuer nach dem System der Nettoallphasensteuer (auch als Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug bzw. Mehrwertsteuer bezeichnet; Art. 1 Abs. 1 MWSTG; Art. 130 BV). Die Steuer wird auf den im Inland von steuerpflichtigen Personen gegen Entgelt erbrachten Leistungen (Inlandsteuer), auf dem Bezug von

      Leistungen von Unternehmen mit Sitz im Ausland durch Empfänger und

      Empfängerinnen im Inland (Bezugsteuer) und auf Einfuhren von Gegenständen (Einfuhrsteuer) erhoben (Art. 1 Abs. 2 MWSTG).

    2. Dienstleistungen von Unternehmen, die ihren Sitz im Ausland haben und die nicht im Register der steuerpflichtigen Personen eingetragen sind, unterliegen der Bezugsteuer, sofern sich der Ort der Leistung im Inland befindet (Art. 45 Abs. 1 Bst. a MWSTG). Steuerpflichtig ist der Empfänger der Leistung im Inland, sofern er entweder nach Art. 10 MWSTG steuerpflichtig ist oder bei gegebenen anderen Voraussetzungen im Kalenderjahr für mehr als Fr. 10 000. solche Leistungen bezieht (Art. 45 Abs. 2 Bst. a und b MWSTG). Es kommen die ordentlichen Steuersätze zur Anwendung (Art. 46 i.V.m. Art. 24 f. MWSTG). Wer einzig aufgrund der Bezugsteuer steuerpflichtig wird, hat sich innert 60 Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres, für das er steuerpflichtig ist,

      schriftlich bei der ESTV anzumelden und gleichzeitig die bezogenen Leistungen zu deklarieren (Art. 66 Abs. 3 MWSTG).

      Die Bezugsteuer ergänzt die Inlandsowie die Einfuhrsteuer und trägt damit zur lückenlosen Realisierung des aus der Wettbewerbsneutralität fliessenden Bestimmungslandprinzips im internationalen Verhältnis bei (vgl. ALOIS CAMENZIND et al., Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz [MWSTG], 3. Aufl. 2012, Rz. 2092). Sinn und Zweck der Besteuerung von Dienstleistungsimporten ist die umfassende und rechtsgleiche Erfassung von Leistungen im Inland und damit auch die Vermeidung ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteile ausländischer Anbieter (Urteil des BGer 2C_309/2009 vom 1. Februar 2010 E. 4.4 m.H. auf Urteil des BGer 2A.541/2006 vom 21. Februar 2007 E. 2.3, in: StR 62/2007 S. 590).

      Die Bezugsteuer unterscheidet sich insofern grundlegend von der Inlandsteuer, als dass die gemäss Art. 45 MWSTG bezugsteuerpflichtige Person grundsätzlich auch die anvisierte Steuerbelastete ist. Jedoch kann die Bezugsteuer gemäss Art. 28 Abs. 1 Bst. b MWSTG unter gegebenen Umständen als Vorsteuer in Abzug gebracht werden. Voraussetzung dafür ist im Wesentlichen das Vorliegen einer subjektiven Steuerpflicht nach Art. 10 ff. MWSTG sowie das Anfallen der Vorsteuer im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit (vgl. BEATRICE BLUM, in: MWSTG Kommentar, 2012, Art. 28 N. 2 ff.). Da dergestalt steuerpflichtigen Personen das Recht zusteht, ordnungsgemäss deklarierte Bezugsteuern im Umfang ihrer Berechtigung zum Vorsteuerabzug anzurechnen, wird die Steuerneutralität der Bezugsteuer im unternehmerischen Bereich realisiert (BLUM, a.a.O., Art. 28 N. 9). Gemäss Art. 28 Abs. 4 MWSTG ist der Abzug der Vorsteuer nach Art. 28 Abs. 1 MWSTG zulässig, wenn die steuerpflichtige Person nachweist, dass sie die Vorsteuer bezahlt hat.

      Wie dargelegt, können aufgrund von Art. 28 Abs. 1 MWSTG nur gemäss Art. 10 MWSTG steuerpflichtige Personen Vorsteuern in Abzug bringen. Ist ein Unternehmen gemäss Art. 10 Abs. 2 MWSTG von der Inlandsteuerpflicht befreit, besteht gemäss Art. 11 Abs. 1 MWSTG das Recht, auf die Befreiung von der entsprechenden Steuerpflicht zu verzichten. Der Verzicht auf die Befreiung von der Steuerpflicht kann mit Wirkung auf jeden Zeitpunkt innerhalb der laufenden Steuerperiode gegenüber der ESTV erklärt werden. Als frühester Zeitpunkt ist nach Art. 14 Abs. 4 MWSTG der Beginn der laufenden Steuerperiode möglich. Damit ist eine rückwirkende Verzichtserklärung für frühere Steuerperioden ausgeschlossen (vgl. BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, 2010, § 3 N. 54).

    3. Gemäss Art. 92 Abs. 1 MWSTG kann die ESTV rechtskräftig festgesetzte Steuern ganz oder teilweise erlassen, wenn die steuerpflichtige Person:

      1. die Steuer aus einem entschuldbaren Grund nicht in Rechnung gestellt und eingezogen hat, eine nachträgliche Überwälzung nicht möglich oder nicht zumutbar ist und die Bezahlung der Steuer eine grosse Härte bedeuten würde;

      2. die Steuer einzig aufgrund der Nichteinhaltung von formellen Vorschriften oder aufgrund von Abwicklungsfehlern schuldet und erkennbar ist oder die steuerpflichtige Person nachweist, dass für den Bund kein Steuerausfall entstanden ist; oder

      3. aus einem entschuldbaren Grund ihren Veranlagungspflichten nicht nachkommen konnte, nachträglich aber nachweisen oder glaubhaft machen kann, dass die durch die ESTV vorgenommene Ermessenseinschätzung zu hoch ausgefallen ist; in diesem Falle ist ein Steuererlass nur bis zur Höhe des zu viel veranlagten Betrages möglich.

      Es ist unbestritten, dass vorliegend die Erlassgründe von Art. 92 Abs. 1 Bst. c MWSTG nicht zur Anwendung gelangen. Ebenfalls wurde das Erlassgesuch nicht im Rahmen eines gerichtlichen Nachlassverfahrens gestellt, womit kein Fall von Art. 92 Abs. 2 MWSTG vorliegt. Daher beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen auf die Varianten von Art. 92 Abs. 1 Bst. a und b MWSTG.

    4. Gemäss Art. 92 Abs. 6 MWSTG regelt der Bundesrat die Voraussetzungen und das Verfahren für den Steuererlass näher. Von dieser Kompetenz hat er jedoch bis jetzt noch keinen Gebrauch gemacht (GUIDO MÜLLER, in: MWSTG Kommentar, a.a.O., Art. 92 N. 24).

    5. Der Steuererlass stellt den Verzicht des Gemeinwesens auf einen ihm zustehenden steuerrechtlichen Anspruch dar, mit welchem das öffentliche Vermögen vermindert wird. Er bildet Teil der sogenannt rechtlichen Untergangsgründe der Steuerforderung und kann damit ausschliesslich in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen und bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen gewährt werden. Ausgeschlossen ist somit insbesondere ein « gnadenweiser » Erlass über den gesetzlich geregelten hinaus. Aus Gründen der rechtsgleichen Behandlung der Steuerpflichtigen muss der Steuererlass seltene Ausnahme bleiben (vgl. MICHAEL BEUSCH, Der Untergang der Steuerforderung, 2012, S. 188 m.w.H.; vgl. Urteile des BVGer A593/2014 vom 27. Mai 2014 E. 3.3.3; A1714/2006 vom 11. August 2008 E. 2.4 m.w.H.).

    6. Art. 92 Abs. 1 MWSTG sieht als Grundvoraussetzung für einen Erlass das Vorliegen einer rechtskräftig festgesetzten Steuer vor. Der Steuererlass gehört somit nicht zur Steuerveranlagung, sondern zum Steuerbezug (BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 10

      N. 153). Im Erlassverfahren wird ausschliesslich geprüft, ob die gesetzlich statuierten Erlassvoraussetzungen erfüllt sind. Eine Revision der Steuerforderung selbst ist in einem solchen Verfahren nicht möglich. Die Erlassbehörde ist denn auch nicht befugt, Letztere nachzuprüfen (Urteil des BVGer A1080/2014 vom 2. Oktober 2014 E. 2.2.2 mit Verweis auf BVGE 2009/45 E. 2.3 [betrifft den Erlass der direkten Bundessteuer]; BEUSCH, a.a.O., S. 209). Die Rechtskraft einer Mehrwertsteuerforderung beurteilt sich nach Art. 43 Abs. 1 MWSTG.

    7. Die Gründe für einen Erlass liegen stets in der « Person » des Steuerschuldners (BEUSCH, a.a.O., S. 202). Neben der allgemeinen Voraussetzung der Rechtskraft der Steuerforderung müssen soweit hier interessierend entweder sämtliche Voraussetzungen von Art. 92 Abs. 1 Bst. a oder sämtliche von Bst. b MWSTG erfüllt sein (vgl. Botschaft vom

25. Juni 2008 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer, BBl 2008 6885, 7013, nachfolgend: Botschaft zum MWSTG).

      1. Bei den Voraussetzungen gemäss Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG, welche kumulativ gegeben sein müssen, handelt es sich um die folgenden:

        -Die steuerpflichtige Person hat die Steuer aus einem entschuldbaren Grund nicht in Rechnung gestellt und auch nicht eingezogen;

        -die nachträgliche Überwälzung ist nicht möglich oder kann der steuerpflichtigen Person nicht zugemutet werden; sowie

        -die Bezahlung der Steuer würde eine grosse Härte bedeuten.

        Die unbestimmten Rechtsbegriffe (« entschuldbarer Grund », « nachträgliche Überwälzung nicht zumutbar » sowie « grosse Härte ») lassen der ESTV einen relativ grossen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Erlassgesuche (Urteile des BVGer A1080/2014 E. 2.3; A6523/2012 vom 18. Juni 2013 E. 3.3.2; MÜLLER, a.a.O., Art. 92 N. 14).

        Nach der Botschaft zum MWSTG liegt ein « verständlicher Grund beispielsweise dann vor, wenn die steuerpflichtige Person sich über die Steuerpflicht in einem Irrtum befunden hat und eine andere Person unter gleichen Voraussetzungen ebenso gehandelt hätte » (BBl 2008 6885, 7013; CAMENZIND et al., a.a.O., Rz. 2377). In der Lehre wird betreffend die Frage der Entschuldbarkeit eines Grundes vorgebracht, dass auch die von der Rechtsprechung und Lehre entwickelten Kriterien zur unverschuldeten

        Nichteinhaltung von Fristen im Rahmen des prozessrechtlichen Instituts der Fristwiederherstellung hilfsweise herangezogen werden können (BEUSCH, a.a.O., S. 218): Im Verwaltungsverfahren kann eine Frist dann wiederhergestellt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein Vertreter unverschuldeterweise abgehalten worden ist, innert Frist zu handeln (Art. 24 Abs. 1 VwVG). Im Interesse der Rechtssicherheit und eines geordneten Verfahrens darf ein Hinderungsgrund nicht leichthin angenommen werden. Als unverschuldet im Sinne von Art. 24 Abs. 1 VwVG kann ein Versäumnis nur dann gelten, wenn dafür objektive Gründe vorliegen und der Partei beziehungsweise der Vertretung keine Nachlässigkeit vorgeworfen werden kann. Als erheblich sind mit anderen Worten nur solche Gründe zu betrachten, die der Partei auch bei Aufwendung der üblichen Sorgfalt die Wahrung ihrer Interessen verunmöglicht oder unzumutbar erschwert hätten (MOSER/BEUSCH/ KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 2.140 unter Verweis auf Urteil des BGer 2C_703/2009 vom

        21. September 2010 E. 3.3 m.H.; Urteile des BVGer B65/2012 vom 11. April 2012 E. 3 und 4.3; E350/2012 vom 1. Februar 2012 m.H.). Nicht als unverschuldete Hindernisse in Bezug auf die Fristwahrung gelten namentlich organisatorische Unzulänglichkeiten, Arbeitsüberlastung, Ferienabwesenheit oder Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften (MOSER/ BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 2.143 unter Verweis auf Urteile des BVGer C300/2009 vom 16. Februar 2009 E. 2.1; A1514/2006 vom

        14. Februar 2008 E. 2.5 m.H.). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gelten Gesetze mit der amtlichen Publikation des Textes als bekannt. Jemand, der aus seiner Unkenntnis des Rechts etwas zu seinen Gunsten ableiten will, muss sich den Grundsatz « error iuris nocet », wonach die subjektive Unkenntnis des Rechts nicht vor den entsprechenden Rechtsfolgen schützt, entgegenhalten lassen (Urteil des BGer 5A_240/2011 vom 6. Juli 2011 E. 6.5 m.w.H., insb. auf BGE 127 III 357

        E. 3d). Auch von (potenziell) Mehrwertsteuerpflichtigen wird verlangt, dass sie über die erforderlichen Kenntnisse betreffend ihre (allfälligen) gesetzlichen Pflichten verfügen und sich über die geltende Praxis zum Mehrwertsteuergesetz hinreichend informieren (vgl. Urteile des BVGer A1344/2011 und A3285/2011 vom 26. September 2011 E. 3.3 m.w.H.). Aus alledem folgt, dass Unwissenheit betreffend das Gesetz beziehungsweise rechtliche Bestimmungen allein nicht als « entschuldbarer Grund » im Sinne von Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG gelten kann. Gemäss dieser Bestimmung reicht es denn auch nicht aus, dass sich die steuerpflichtige Person betreffend ihre Steuerpflicht (zum Beispiel aus Unwissenheit) « im

        Irrtum » befand. Vielmehr muss dieser Irrtum im konkreten Fall aus einem entschuldbaren Grund entstanden sein.

        Unzumutbarkeit beziehungsweise Unmöglichkeit der nachträglichen Überwälzung dürfte beispielsweise in Fällen vorliegen, in welchen die steuerpflichtige Person an eine Vielzahl von oder an anonyme Leistungsempfänger gelangen müsste oder wenn Leistungsempfänger nicht mehr existieren (MÜLLER, a.a.O., Art. 92 N. 16; BAUMGARTNER/CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 10 N. 153).

        Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der « grossen Härte » kann auch die einschlägige reichhaltige Kasuistik aus den anderen Steuerrechtsgebieten herangezogen werden (BEUSCH, a.a.O., S. 218). Sodann ist die « grosse Härte » von der « erheblichen Härte » gemäss Art. 90 Abs. 1 MWSTG zu unterscheiden. Demnach würde ein kurzfristiger Liquiditätsengpass kaum als « grosse Härte » bezeichnet werden können. Hingegen dürfte von einer solchen auszugehen sein, wenn der Fortbestand der steuerpflichtigen Person aufgrund der Steuerforderung gefährdet erschiene (MÜLLER, a.a.O., Art. 92 N. 15).

      2. In Art. 92 Abs. 1 Bst. b MWSTG werden folgende Voraussetzungen für einen Steuererlass genannt (MÜLLER, a.a.O., Art. 92 N. 17):

-Die steuerpflichtige Person kann nachweisen oder es ist für die ESTV erkennbar, dass dem Bund kein Steuerausfall entstanden ist; und

-eine formelle Vorschrift wurde nicht eingehalten; oder

-es liegt ein Abwicklungsfehler vor.

Nach den Ausführungen in der Botschaft zum MWSTG ist diese Bestimmung auf den Fall anwendbar, in welchem die steuerpflichtige Person die MWST einzig deshalb schuldet, weil sie bei der Steuerabrechnung formelle Vorschriften nicht eingehalten hat. Allerdings sollten solche Fälle nicht mehr vorkommen, zumal das Gesetz grundsätzlich keine formellen Vorschriften (wie beispielsweise Formerfordernisse für zu erbringende Nachweise; vgl. dazu Art. 81 Abs. 3 MWSTG) mehr kennt (BBl 2008 6885, 7013; CAMENZIND et al., a.a.O., Rz. 2378). In jedem Fall darf dem Bund nachweislich kein Steuerausfall entstanden sein. Dies ist beispielsweise immer dann der Fall, wenn der Leistungserbringer an andere Steuerpflichtige fakturiert, die zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind (MÜLLER, a.a.O., Art. 92 N. 20).

In Art. 92 Abs. 1 Bst. b MWSTG wird auch der « Abwicklungsfehler » genannt, wobei nicht näher beschrieben wird, was darunter zu verstehen

ist. Auch aus dem französischen und italienischen Wortlaut von Art. 92 Abs. 1 Bst. b MWSTG ergibt sich keine Klärung, zumal dort von « erreurs pour des raisons d'organisation » beziehungsweise « errori per motivi di organizzazione » die Rede ist. In der Lehre wird die Meinung vertreten, es sei wohl unter Berücksichtigung des Wortlauts von Art. 87 Abs. 2 MWSTG, wonach bei einer Nachbelastung kein Verzugszins geschuldet ist, wenn diese auf einem Fehler beruht, der bei richtiger Abwicklung beim Bund zu keinem Steuerausfall geführt hätte davon auszugehen, dass jeder Fehler unter Abwicklungsfehler subsumierbar sei (vgl. MÜLLER, a.a.O., Art. 92 N. 19). Dies darf indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Formbeziehungsweise Abwicklungsfehler jeweils untrennbar an eine zugrunde liegende Willensbildung gebunden sind. Mit anderen Worten muss zunächst ein auf etwas Bestimmtes gerichteter Wille vorhanden sein. Die Umsetzung dieses Willens kann sodann an einem Formfehler oder einem Fehler in der Abwicklung scheitern. Hingegen können die Umstände, welche zum jeweiligen Willen geführt haben, nicht selbst Formoder Abwicklungsfehler sein.

    1. Gemäss den Ausführungen des Bundesrats in der Botschaft zum MWSTG hat die steuerpflichtige Person keinen Anspruch auf Erlass der Steuer (BBl 2008 6885, 7014). Dementsprechend ist in Art. 92 Abs. 1 MWSTG auch nur eine « Kann-Formulierung » zu finden. Ob diese Auffassung zutrifft, ist wie von der Lehre aufgezeigt fraglich (vgl. BEUSCH, a.a.O., S. 231 ff.; MOLLARD/OBERSON/TISSOT BENEDETTO,

      Traité TVA, 2009, Anhang 3 Rz. 527). Wie dem auch sei: Gemäss Art. 92 Abs. 3 MWSTG besteht wie ganz allgemein bereits aufgrund der Rechtsweggarantie von Art. 29a BV die Möglichkeit der Beschwerdeführung an das Bundesverwaltungsgericht. Bei der gerichtlichen Überprüfung einer Verfügung der ESTV muss jedoch deren grosser Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Voraussetzungen für einen Steuererlass beachtet werden. Überprüft wird aber die Einhaltung der Grenzen der Ermessensausübung (Urteile A1080/2014 E. 2.4; A6523/2012 E. 3.4; BEUSCH, a.a.O., S. 232 f.).

    2. Verzugszinsen haben ihren Ursprung in der verspäteten Zahlung einer Mehrwertsteuerforderung und dienen dazu, den der Steuerverwaltung auf dieser Forderung entstandenen Zinsverlust auszugleichen. Sie treten zu dieser hinzu und teilen ihr Schicksal. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass die Verzugszinspflicht endet, sobald die Mehrwertsteuerforderung bezahlt ist. Demzufolge handelt es sich auch bei den

Verzugszinsen im weiteren Sinne um geschuldete Mehrwertsteuer (Urteil A1714/2006 E. 3.1.1; MÜLLER, a.a.O., Art. 92 N. 7).

3.
    1. Im vorliegenden Fall ist die Grundvoraussetzung der rechtskräftig festgesetzten Steuer durch die Einschätzungsmitteilung Nr. ( ) vom 6. Juni 2014 gegeben. Nachfolgend gilt es zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für einen Steuererlass nach Art. 92 Abs. 1 Bst. a oder b MWSTG erfüllt sind.

    2. Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin ihren Sitz im Inland hat und in den Jahren 2010 und 2011 Dienstleistungen im Wert von über Fr. 10 000. von Unternehmen mit Sitz im Ausland, welche nicht im Register der steuerpflichtigen Personen eingetragen sind, bezog. Damit war sie während dieses Zeitraums ohne Weiteres bezugsteuerpflichtig (E. 2.2). Da die Beschwerdeführerin ihre eigenen Dienstleistungen grossmehrheitlich an Unternehmen im Ausland erbringt und im Inland die Umsatzgrenze von Fr. 100 000. nicht erreicht, ist sie von der Inlandsteuerpflicht befreit. Will sie die Bezugsteuer als Vorsteuer in Abzug bringen, müsste sie somit auf die Befreiung von der entsprechenden Steuerpflicht verzichten (E. 2.2). Dies hat sie im Laufe des Jahres 2012 erstmals gemacht, womit sie den Vorsteuerabzug rückwirkend ab 1. Januar 2012 geltend machen konnte (E. 2.2).

    3. Zunächst wird geprüft, ob die infrage stehenden Bezugsteuern im vorliegenden Fall gestützt auf Art. 92 Abs. 1 Bst. b MWSTG erlassen werden können:

      Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie schulde die für die Jahre 2010 und 2011 festgesetzten Bezugsteuern einzig aufgrund des Nichteinhaltens formeller Vorschriften beziehungsweise wegen eines Abwicklungsfehlers. Den Formbeziehungsweise Abwicklungsfehler erblickt sie darin, dass sie sich aufgrund eines Irrtums in Bezug auf ihre Bezugsteuerpflicht nicht rechtzeitig der Steuerpflicht gemäss Art. 10 MWSTG unterstellt und dadurch die Möglichkeit verpasst habe, die Bezugsteuern als Vorsteuern in Abzug zu bringen. Diesbezüglich verweist sie auf Art. 45a der bis Ende 2009 geltenden Verordnung vom 29. März 2000 [aMWSTGV, AS 2006

      2353, 2354] zum MWSTG vom 22. September 1999 [aMWSTG; AS 2000

      1300]. Diese Bestimmung war zwischen 1. Juli 2006 und 31. Dezember 2009 in Kraft und lautete wie folgt:

      Allein aufgrund von Formmängeln wird keine Steuernachforderung erhoben, wenn erkennbar ist oder die steuerpflichtige Person nachweist,

      dass durch die Nichteinhaltung einer Formvorschrift des Gesetzes oder dieser Verordnung für die Erstellung von Belegen für den Bund kein Steuerausfall entstanden ist.

      Sodann beruft sich die Beschwerdeführerin auf die Praxismitteilung ( ) der ESTV vom 31. Oktober 2006 betreffend die Behandlung von Formmängeln: In Ziff. 2.11 der genannten Praxismitteilung wurde festgehalten, dass im Gegensatz zu vorher ab dem 1. Juli 2006 auch in den Steuerquartalen vor der Eintragung als inlandsteuerpflichtige Person getätigte Dienstleistungsbezüge von Unternehmen mit Sitz im Ausland, in der ersten Abrechnung, die auf das bewilligte Optionsgesuch (gemeint ist in der heutigen Terminologie der Verzicht auf die Befreiung von der Inlandsteuerpflicht) hin folgt, nachdeklariert und der Vorsteuerabzug vorgenommen werden kann, soweit die bezogenen Dienstleistungen für steuerbare Zwecke verwendet worden sind.

      Die Beschwerdeführerin macht geltend, die ESTV habe ihr gestützt auf diese Praxis zugestanden, die in den Jahren 20072009 angefallenen Bezugsteuern als Vorsteuern in Abzug zu bringen. Vor dem Hintergrund, dass aus der Botschaft zum MWSTG hervorgehe, dass Sinn und Zweck von Art. 45a aMWSTGV durch Art. 92 Abs. 1 Bst. b MWSTG übernommen werden sollte (vgl. BBl 2008 6885, 7013; BAUMGARTNER/ CLAVADETSCHER/KOCHER, a.a.O., § 10 N. 154), sei die damalige Praxis der ESTV weiterzuführen beziehungsweise die hier infrage stehenden Bezugsteuern gestützt darauf zu erlassen.

      Dieser Argumentation kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden: Zwar trifft es grundsätzlich zu, dass sowohl durch Art. 45a aMWSTGV wie auch durch Art. 92 Abs. 1 Bst. b MWSTG sichergestellt werden sollte, dass niemand aus rein formellen Gründen mit Steuer belastet wird, wenn dem Bund nachweislich kein Steuerausfall entsteht (E. 2.7.2), doch schuldet die Beschwerdeführerin für die Jahre 2010 und 2011 Bezugsteuern, weil sie in diesem Zeitraum Dienstleistungen aus dem Ausland bezog (Art. 45 MWSTG; E. 2.2 sowie E. 3.2) und mangels rechtzeitigem Verzicht auf Befreiung von der Inlandsteuerpflicht (E. 2.2) nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Dass nur gemäss Art. 10 MWSTG steuerpflichtige Personen Vorsteuern in Abzug bringen können, ist ein Grundsatz materiellen Rechts und nicht eine formelle Vorschrift. Sodann erfolgt der Verzicht auf die Befreiung von der entsprechenden Steuerpflicht freiwillig. Ein von der Steuerpflicht befreites Unternehmen entscheidet selbstverantwortlich, ob es auf die Befreiung verzichten will oder nicht. Dieser Entscheid ist in diesem Sinne nicht « richtig » oder

      « falsch ». Nur weil das Unternehmen im Nachhinein feststellt, dass es vorteilhafter gewesen wäre, zu einem gegebenen Zeitpunkt auf die Befreiung von der Steuerpflicht gemäss Art. 10 MWSTG zu verzichten, stellt dies objektiv gesehen nicht einen Fehler und somit auch keinen Formoder Abwicklungsfehler im Sinne von Art. 92 Abs. 1 Bst. b MWSTG (E. 2.7.2) dar. Der einzige « Fehler », den die Beschwerdeführerin aus steuerrechtlicher Sicht begangen hat, ist, dass sie sich nicht innert der in Art. 66 Abs. 3 MWSTG festgelegten Frist als bezugsteuerpflichtige Person bei der ESTV angemeldet und die bezogenen Leistungen deklariert hat (E. 2.2). Und selbst wenn sie die bezogenen Leistungen pflichtgemäss deklariert hätte, hätte dies nicht automatisch den Verzicht auf die Steuerbefreiung (Art. 11 MWSTG) bedeutet. Der Entscheid für oder gegen einen solchen Verzicht auf die Steuerbefreiung ist ein individueller und nicht an die Bezugsteuerpflicht gekoppelt. Es sind denn auch durchaus Fälle denkbar, in welchen ein entsprechender Verzicht für ein Unternehmen trotz Bezugsteuerpflicht insgesamt nicht die vorteilhafteste Lösung darstellt und es sich deshalb bewusst gegen einen Verzicht auf die Befreiung von der Inlandsteuerpflicht entscheidet. Sodann bewirkt ein solcher Verzicht lediglich, dass die Bezugsteuern unter den gegebenen weiteren Voraussetzungen (als Vorsteuern) abgezogen werden können. Die Bezugsteuerpflicht an sich wird davon nicht berührt.

      Aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin nicht auf eine Befreiung von der Steuerpflicht verzichtet hat, muss hier unberücksichtigt bleiben. Relevant ist einzig, dass diese Wahl weder einen Formnoch einen Abwicklungsfehler darstellt (E. 2.7.2.). Daran vermag auch die frühere Praxis der ESTV nichts zu ändern ( ).

      In den Jahren 2010 und 2011 war die Beschwerdeführerin gemäss Art. 10 Abs. 2 MWSTG von der obligatorischen Inlandsteuerpflicht befreit und es lag kein Verzicht auf Befreiung von der entsprechenden Steuerpflicht vor. Da ein solcher aufgrund des geltenden Rechts für den fraglichen Zeitraum auch nicht nachgeholt werden kann (E. 2.2), würde dem Bund ohne Weiteres ein Steuerausfall entstehen, würden die hier infrage stehenden Bezugsteuern nicht bezahlt beziehungsweise als Vorsteuern geltend gemacht (E. 2.7.2). Damit sind die Voraussetzungen für einen Steuererlass nach Art. 92 Abs. 1 Bst. b MWSTG vorliegend nicht erfüllt.

    4. Es bleibt zu prüfen, ob im vorliegenden Fall ein Erlass gestützt auf Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG infrage kommt:

      In Bezug auf das in dieser Bestimmung genannte Erfordernis der Unmöglichkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit der nachträglichen Überwälzung der Steuer (E. 2.7.1) macht die Beschwerdeführerin geltend, dass es bei der Bezugsteuer von vornherein keine Überwälzungsund damit auch keine Korrekturmöglichkeit gebe. Die Konstellation, in welcher die Steuer grundsätzlich nicht überwälzt werden könne, da die entsprechenden Leistungen ins Ausland erbracht würden, sei nicht geregelt. Die Beschwerdeführerin erblickt darin eine echte Gesetzeslücke ( ) und ist der Ansicht, dass die Voraussetzung der Unmöglichkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit der nachträglichen Überwälzung (E. 2.2 und 2.7.1) unter diesen Umständen im vorliegenden Fall als erfüllt zu betrachten sei. Die Frage, ob von einer Lücke des Gesetzes auszugehen ist, kann indessen offen bleiben, zumal es vorliegend ohnehin an der Erfüllung der Voraussetzung des entschuldbaren Grundes mangelt:

      Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, sich ihrer Bezugsteuerpflicht nicht bewusst gewesen zu sein. Der Irrtum in Bezug auf ihre Bezugsteuerpflicht rühre daher, dass sie die von (Tochter-)Unternehmen aus dem Ausland bezogenen (Beratungs-)Dienstleistungen sogleich wieder an Unternehmen mit Sitz im Ausland weiterverrechnet habe. Deshalb habe sie die bezogenen Dienstleistungen lediglich als Teil ihrer Kosten gesehen, anstatt sie als eigenständige, der Bezugsteuer unterliegende Leistungen zu erkennen beziehungsweise zu deklarieren. Es sei hinlänglich bekannt, dass dieser Irrtum Unternehmen in vergleichbaren Situationen immer wieder unterlaufe. Demzufolge sei vorliegend von einem entschuldbaren Irrtum auszugehen.

      Diese Argumentation geht aus folgenden Gründen fehl: Die objektive Steuerpflicht der von der Beschwerdeführerin aus dem Ausland bezogenen Dienstleistungen ergibt sich ohne Weiteres aus dem Gesetz (Art. 45 Abs. 1 Bst. a MWSTG). Die Beschwerdeführerin ist ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen. Von einem solchen darf erwartet werden, dass es die anwendbaren rechtlichen Bestimmungen kennt. Wie dargelegt, schützt die subjektive Unkenntnis des Rechts oder ein Vertrauen auf die Rechtsgültigkeit nicht vor den entsprechenden Rechtsfolgen. Mit anderen Worten kann die Beschwerdeführerin aus der Unkenntnis des Gesetzes nichts zu ihren Gunsten ableiten (E. 2.7.1).

      Es bleibt zu prüfen, ob der konkrete Grund, welcher gemäss der Beschwerdeführerin dazu geführt hat, dass sie fälschlicherweise glaubte, überhaupt nicht mehrwertsteuerpflichtig zu sein, als entschuldbar einzustufen ist. Als diesen entschuldbaren Grund erachtet die Beschwerdeführerin den Umstand, dass sie aufgrund der Abrechnungsmethode (Kostenaufschlagsmethode), welche sie mit ihren Dienstleistungserbringern verwende, nicht realisiert habe, der Bezugsteuer unterliegende Leistungen zu beziehen. Sie beruft sich diesbezüglich darauf, dass es auch andere Unternehmen geben dürfte, die sich in einer vergleichbaren Situation betreffend ihre Bezugsteuerpflicht im Irrtum befinden. Selbst wenn dem tatsächlich so wäre, ist davon auszugehen, dass diesen unzählige Bezugsteuerpflichtige gegenüberstehen, welche die entsprechenden Leistungen, auch unter vergleichbaren Umständen wie denjenigen, unter welchen die Beschwerdeführerin mit ihren Dienstleistungserbringern abrechnet, korrekt deklarieren. Immerhin hält die Beschwerdeführerin selbst fest, allein durch den Beizug eines Steuerberaters realisiert zu haben, bezugsteuerpflichtig zu sein. Somit kann vorliegend nicht angenommen werden, dass eine andere Person unter den nämlichen Voraussetzungen gleich wie die Beschwerdeführerin gehandelt hätte (E. 2.7.1). In einem solchen Fall kann ein ohne Weiteres vermeidbarer Irrtum über die Steuerpflicht nicht als entschuldbar bezeichnet werden.

      Da für einen Steuererlass in Anwendung von Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG alle in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen (E. 2.3 und 2.7.1), kann nach Feststellung des Fehlens einer Voraussetzung auf die Prüfung der weiteren Voraussetzungen verzichtet werden. Nach dem Dargelegten ist auch der Erlassgrund gemäss Art. 92 Abs. 1 Bst. a MWSTG nicht gegeben.

    5. Betreffend die Verzugszinsen ist der Beschwerdeführerin zwar darin beizupflichten, dass der Verzugszins für die eingeforderten Bezugsteuern Teil der Forderung der ESTV bildet. Verzugszinsen treten zur MWST-Forderung hinzu und teilen das Schicksal der Hauptforderung (E. 2.9). Da indes die geschuldete Bezugsteuer im vorliegenden Fall nicht erlassen werden kann, bleiben auch die Verzugszinsen geschuldet.

    6. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung ist mit vorliegendem Endentscheid gegenstandslos geworden.

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