Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-4719/2013 |
Datum: | 27.08.2013 |
Leitsatz/Stichwort: | Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) |
Schlagwörter : | Italien; Wegweisung; Asylgesuch; Schweiz; Verfügung; Verfahren; Behörden; Bundesverwaltungsgericht; Recht; Verpflichtungen; Zuständigkeit; Prüfung; Behandlung; Staat; Bundesamt; Begründung; Vollzug; Akten; Kriterien; Mitgliedstaat; Überstellung; Regel; Sinne; Verfahrens |
Rechtsnorm: | Art. 63 VwVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-4719/2013
Besetzung Einzelrichter Bruno Huber,
mit Zustimmung von Richter Bendicht Tellenbach; Gerichtsschreiber Peter Jaggi.
Parteien A. , geboren ( ), Marokko,
( ),
Beschwerdeführer,
gegen
Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren);
Verfügung des BFM vom 7. August 2013 / N ( ).
Der Beschwerdeführer gelangte am 6. Juli 2013 in die Schweiz und suchte gleichentags um Asyl nach. Zur Begründung brachte er anlässlich der Befragung zur Person (BzP) vom 11. Juli 2013 vor, er habe sich im Jahre 2002 aus wirtschaftlichen Gründen von Marokko nach Italien begeben; dort habe er sich bis zu seiner Einreise in die Schweiz aufgehalten und von ( ) bis ( ) eine Gefängnisstrafe verbüsst. Im Rahmen des rechtliche Gehörs zur mutmasslichen Zuständigkeit Italiens für das vorliegende Asylverfahren und zu einer allfälligen Wegweisung dorthin führte er an, er wolle nicht nach Italien zurück, weil er dort weder Arbeit noch Unterkunft habe. Zudem hätten ihm die italienischen Behörden eine Wegweisungsverfügung überreicht und ihn aufgefordert, das Land zu verlassen.
Am 1. August 2013 entsprachen die italienischen Behörden dem Ersuchen des Bundesamtes vom 18. Juli 2013 um Übernahme des Beschwerdeführers.
Das BFM trat mit am 12. August 2013 eröffneter Verfügung vom 7. August 2013 auf das Asylgesuch nicht ein und wies den Beschwerdeführer aus der Schweiz nach Italien weg. Gleichzeitig forderte es ihn auf, das Land spätestens am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen, verpflichtete den Kanton Aargau mit dem Vollzug der Wegweisung, verfügte die Aushändigung der editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis und hielt fest, eine allfällige Beschwerde gegen diese Verfügung habe keine aufschiebende Wirkung.
Zur Begründung führte es an, die italienischen Behörden hätten das Übernahmeersuchen gestützt auf Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin-II-VO) gutgeheissen, womit die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens gemäss Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Antrages ([DAA] Dublin-Assoziierungsabkommen, SR 0.142.392.68) bei Italien liege.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers anlässlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs, die italienischen Behörden hätten ihn aufgefordert, das Land zu verlassen, sei festzuhalten, dass es den zuständigen Behörden in Italien obliege, dessen Aufenthaltsstatus zu regeln oder gegebenenfalls eine Wegweisung in sein Heimatland anzuordnen. Eine in Italien ausgehändigte Wegweisungsverfügung vermöge keine Änderung der Zuständigkeit zu bewirken. Die Überstellung an Italien habe - vorbehältlich einer allfälligen Unterbrechung oder Verlängerung der Frist - bis spätestens am 1. Februar 2014 zu erfolgen
Die Folge des Nichteintretens auf ein Asylgesuch sei in der Regel die Wegweisung in die Schweiz. Das Nonrefoulement-Gebot bezüglich des Heimatoder Herkunftsstaates sei nicht zu prüfen, weil der Beschwerdeführer in einen Drittstaat reisen könne, in dem er Schutz vor Rückschiebung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) finden würde. Ferner gebe es auch keine Hinweise auf eine Verletzung von Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101). Der Vollzug der Wegweisung nach Italien sei somit zulässig.
Zudem sprächen weder die in Italien herrschende Situation noch andere Gründe gegen die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs nach Italien. Es liege in der Kompetenz der italienischen Behörden, dem Beschwerdeführer eine Arbeitsbewilligung zu erteilen. Des Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass Italien an die Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003), welche zahlreiche Mindestnormen für die Aufnahme und Betreuung von Asylsuchenden beinhalte, gebunden sei. Auch könne er bei einer der in Italien zahlreich vorhandenen karitativen Organisationen um Hilfe ersuchen.
Abklärungen beim Migrationsamt des Kantons ( ) hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer an ( ) leide und sich deshalb in medizinischer Behandlung befinde. Diesbezüglich sei anzumerken, dass Italien seinen Verpflichtungen nachkomme und keine Hinweise vorliegen würden, wonach dem Beschwerdeführer der Zugang zu einer adäquaten Behandlung verwehrt werde. Es sei ihm zuzumuten, die medizinische Behandlung in Italien fortzusetzen. Die italienischen Behörden würden rechtzeitig über
seinen Gesundheitszustand informiert, damit sie die entsprechenden Vorkehren treffen könnten.
Der Beschwerdeführer focht diese Verfügung mit am 19. August 2013 beim BFM eingelangter und am 22. August 2013 an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleiteter Eingabe vom 14. August 2013 an. Er beantragt sinngemäss die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung und das Eintreten auf das Asylgesuch. Zur Stützung seiner Vorbringen reichte er den Durchschlag eines Unfallprotokolls zu den Akten.
Auf die Begründung der Rechtsbegehren und das eingereichte Dokument wird in den nachstehenden Erwägungen eingegangen.
Am 23. August 2013 trafen die vorinstanzlichen Akten beim Bundesverwaltungsgericht ein (Art. 109 Abs. 2 AsylG).
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - so auch vorliegend - endgültig (vgl. Art. 83 Bst d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]; Art. 105 AsylG). Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG).
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Voraussetzungen für das Eintreten auf die Beschwerde sind erfüllt.
Das Bundesverwaltungsgericht überprüft die angefochtene Verfügung auf Verletzung von Bundesrecht, unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und Unangemessenheit hin (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im Verfahren einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters (Art. 111 Bst. e AsylG) ohne Weiterungen und mit summarischer Begründung zu behandeln (Art. 111a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG).
Nach Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG tritt das BFM auf ein Asylgesuch in der Regel nicht ein, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, welcher für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist.
Mit der Umsetzung des Dublin-Assoziierungsabkommen verpflichtet sich die Schweiz, die Dublin-II-VO anzuwenden. Diese enthält die Kriterien, um denjenigen Dublin-Staat zu bestimmen, der zuständig ist, ein Asylund Wegweisungsverfahren durchzuführen.
Nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO kann die Schweiz ein Asylgesuch prüfen, auch wenn sie nach den in dieser Verordnung vorgesehenen Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, um ihren Verpflichtungen aus dem nationalen und internationalen Recht nachzukommen. Diese Bestimmung ist nicht direkt anwendbar, sondern kann nur in Verbindung mit einer anderen Norm des nationalen oder internationalen Rechts angerufen werden (vgl. BVGE 2010/45 E. 5). Zu den Verpflichtungen der Schweiz aus internationalem Recht gehört insbesondere das Nonrefoulement-Gebot nach Art. 33 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30), Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) und Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105).
Es bestehen vorliegend keine Hinweise dafür, dass Italien sich nicht an die internationalen Verpflichtungen halten würde. Italien ist Signatarstaat der FK, EMRK und FoK. Unter dem Dublin-System besteht die Vermutung, dass alle Mitgliedstaaten beziehungsweise staatsvertraglich assoziierten Staaten die Rechte der EMRK garantieren und die Zuständigkeitsordnung selbst ein EMRK-konformes Ergebnis liefert. Diese generelle Vermutung kann nur umgestossen werden, wenn aufgrund allgemein anerkannter Quellen zur Menschenrechtssituation und der Medien bekannt ist, dass der zuständige Staat nicht mehr in der Lage oder willens ist, seinen internationalen Verpflichtungen im Asylverfahren nachzukommen (Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechtsgericht [EGMR] M.S.S. vs Belgien und Griechenland vom 21. Januar 2011, Rz. 192). Ausserdem müssten stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Grundrechtsträger - im Fall einer Überstellung - konkret einer reellen und ernsthaften Gefahr einer grundrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt wäre (vgl. EGMR, a.a.O., Rz. 342), wofür vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte bestehen.
Darüber hinaus bringt der Beschwerdeführer nichts vor, was das BFM hätte veranlassen können, aus humanitären Gründen (Art. 29a Abs. 3 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen [AsylV 1, SR 142.311]) auf sein Asylgesuch einzutreten, und auch sonst sind keine Gründe ersichtlich, die eine Wegweisung aus humanitärer Sicht als unangemessen erscheinen lassen (vgl. BVGE 2011/9). Eine Auseinandersetzung mit den nicht belegten Vorbringen in der Beschwerde, die italienischen Behörden hätten sich geweigert, sein Asylgesuch entgegenzunehmen, und er sei von der italienischen Polizei gefoltert worden, erübrigt sich, weil diese als offensichtlich haltlos zu bezeichnen sind. An dieser Beurteilung vermag auch der Durchschlag eines Unfallprotokolls nichts zu ändern, zumal darin vermerkt ist, es habe keine Verletzte (inklusive Leichtverletzte) gegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann an dieser Stelle vollumfänglich auf die Ausführungen des Bundesamtes verwiesen werden.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien weder völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz noch humanitäre Gründe entgegenstehen, weshalb die Souveränitätsklausel (Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung) nicht zur Anwendung gelangt und folglich das BFM zu Recht in Anwendung von Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist.
Gemäss Art. 44 Abs. 1 AsylG verfügt das Bundesamt, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder darauf nicht eintritt, in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an. Da der Beschwerdeführer weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen verfügt (vgl. BVGE 2009/50 E. 9), ist die Anordnung der Wegweisung nicht zu beanstanden.
Im Rahmen des Dublin-Verfahrens im Sinne von Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG, bei dem es sich um ein Überstellungsverfahren in den für die Prüfung des Asylgesuches zuständigen Staat handelt, besteht systembedingt kein Raum für Ersatzmassnahmen im Sinne von Art. 44 Abs. 2 AsylG
i.V.m. Art. 83 Abs. 1-4 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20). Eine entsprechende Prüfung hat, soweit notwendig, vielmehr bereits im Rahmen des Nichteintretensentscheides stattzufinden (vgl. BVGE 2010/45 E. 8.2.3 und E. 10.2). Die Vorinstanz hat in diesem Sinne den Vollzug der Wegweisung nach Italien zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet.
Nach dem Gesagten ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten von Fr. 600.- (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und ( ).
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:
Bruno Huber Peter Jaggi
Versand:
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