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Bundesverwaltungsgericht Urteil A-6072/2013

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts A-6072/2013

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-6072/2013
Datum:04.06.2015
Leitsatz/Stichwort:Verrechnungssteuer
Schlagwörter : Kapital; Kapitaleinlage; Verlust; Kapitaleinlagen; Verrechnung; Steuer; Gewinn; Verluste; Rückzahlung; Bundes; Kapitaleinlagereserve; Grund; Reserve; Reserven; Verrechnungssteuer; Verlusten; Kapitaleinlagereserven; Handelsbilanz; Recht; Einlage; Gewinne; Gesellschaft; Sinne; Bilanz; Verlustverrechnung; Auslegung; Höhe; Einlagen; Bundesverwaltungsgericht
Rechtsnorm: Art. 120 OR ;Art. 125 DBG ;Art. 127 BV ;Art. 132 BV ;Art. 20 DBG ;Art. 48 VwVG ;Art. 49 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 58 DBG ;Art. 60 DBG ;Art. 62 BV ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 662a OR ;Art. 67 DBG ;Art. 67 OR ;Art. 732 OR ;Art. 957 OR ;
Referenz BGE:115 Ib 238; 119 V 347; 123 II 16; 125 II 113; 131 II 13; 133 II 97; 134 II 249; 134 V 1; 137 I 77; 137 II 353; 138 I 189
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung I

A-6072/2013

U r t e i l  v o m  4.  J u n i  2 0 1 5

Besetzung Richterin Salome Zimmermann (Vorsitz), Richter Daniel Riedo,

Richter Michael Beusch,

Richterin Marie-Chantal May Canellas, Richter Jürg Steiger, Gerichtsschreiber Beat König.

Parteien A. AG,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Conrad M. Walther, und Rechtsanwalt Martin Plüss, dipl. Steuerexperte, Beschwerdeführerin,

gegen

Eidg. Steuerverwaltung ESTV,

Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer, Stempelabgaben,

Vorinstanz.

Gegenstand Verrechnungssteuer (Kapitaleinlageprinzip).

Sachverhalt:

A.

    1. Die A. AG (nachfolgend auch: Steuerpflichtige) mit Sitz in B. erhöhte am 15. Februar 2002 (Datum der Statutenänderung) ihr nominelles Aktienkapital von Fr. 90'000.- um Fr. 210'000.- auf Fr. 300'000.-. Die Kapitalerhöhung wurde mittels einer Einlage von Fr. 1'050'000.- finanziert, wobei die Differenz in der Höhe von Fr. 840'000.- (Fr. 1'050'000.- abzüglich Fr. 210'000.-) als Agio verbucht wurde.

      In der Bilanz per 31. Dezember 2003 wies die Steuerpflichtige das erwähnte Agio von Fr. 840'000.-, Verbindlichkeiten gegenüber den Aktionären von Fr. 425'479.-, einen Verlustvortrag von Fr. 923'307.- und einen Jahresverlust von Fr. 638'353.- aus.

      Per 1. Dezember 2004 verzichteten die C. AG, die D. AG und die E. AG - alle in ihrer damaligen Eigenschaft als Aktionärinnen der Steuerpflichtigen - aufgrund der finanziellen Lage der Steuerpflichtigen auf dieser gegenüber bestehende Forderungen in der Höhe von insgesamt Fr. 425'479.-. Die Steuerpflichtige verbuchte diese Forderungsverzichte als Ertrag in der Erfolgsrechnung.

      In der Bilanz per 31. Dezember 2005 wies die Steuerpflichtige nach wie vor ein Agio in der Höhe von Fr. 840'000.- aus. Der Verlustvortrag betrug zu diesem Zeitpunkt Fr. 1'247'009.-, der Jahresgewinn Fr. 35'891.-.

    2. In der Bilanz per 31. Dezember 2006 betrug das ausgewiesene Agio der Steuerpflichtigen Fr. 0.-, während sich der Verlustvortrag (nach Verrechnung mit dem Jahresgewinn 2005 und dem Agio) auf Fr. 371'118.- (Fr. 1'247'009.- abzüglich Fr. 35'891.- sowie abzüglich Fr. 840'000.-) reduzierte und der Jahresgewinn sich auf Fr. 86'859.- belief.

    3. In der Bilanz per 31. Dezember 2009 wies die Steuerpflichtige unter der Position «Kapitaleinlagereserve gem. Art. 20 Abs. 3 DBG [SR 642.11]

      + Art. 7b StHG [= Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, SR 642.14]» einen Betrag von Fr. 1'265'479.- aus. Diesbezüglich finden sich im Anhang der per 31. Dezember 2009 abgeschlossenen Jahresrechnung der Steuerpflichtigen folgende Ausführungen:

      «Gemäss Art. 20 Abs. 3 des Gesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) ist die Rückzahlung von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen ab 2011 gleich

      zu behandeln wie Grundkapital (Aktienkapital). Die Steuerbehörden verlangen den offenen und transparenten Ausweis im Abschluss 2011 [ ]. Weil diese Gesetzesbestimmung in den Vorjahren noch nicht bekannt war, wurde das Agio aus der Kapitalerhöhung vom 15. Februar 2002 [ ] von CHF 840'000 und der Darlehensverzicht der Aktionäre im 2004 über CHF 425'479, insgesamt CHF 1'265'479 gegen den Bilanzverlust ausgebucht. Im 2009 wurden diese Buchungen den aktuellen Gesetzesbestimmungen angepasst und die früheren Aktionärszuschüsse werden als Kapitaleinlagereserve ausgewiesen.»

    4. Mit Protokoll der ordentlichen Generalversammlung vom 9. Mai 2011 beschloss die Steuerpflichtige, eine «Dividende aus Kapitaleinlagereserven» in der Höhe von Fr. 100'000.- mit Fälligkeit per 1. Juni 2011 auszurichten.

B.

    1. Mit Formular 170 gelangte die Steuerpflichtige am 9. Mai 2011 an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) und deklarierte Kapitaleinlagen (nach einem Anfangsbestand von Fr. 0.- per 1. Januar 1997) von insgesamt Fr. 1'265'479.- (dieser Betrag entspricht dem Agio von Fr. 840'000.- und den erwähnten Forderungsverzichten von Fr. 425'479.-). Nach Ansicht der Gesellschaft ergaben sich nach Abzug der «Dividende aus Kapitaleinlagereserven» von Fr. 100'000.- per 31. Dezember 2010 Reserven aus Kapitaleinlagen in der Höhe von Fr. 1'165'479.-.

      Mit Schreiben vom 14. September 2011 teilte die ESTV der Steuerpflichtigen mit, dass die geltend gemachten Reserven aus Kapitaleinlagen in der Handelsbilanz per 31. Dezember 2006 mit den damaligen Verlusten verrechnet worden seien, weshalb die per 31. Dezember 2010 vorhandenen Reserven nicht als Reserven aus Kapitaleinlagen, sondern als übrige Reserven zu qualifizieren seien. Demnach seien auf dem per 1. Juni 2011 an die Aktionäre ausgerichteten Ausschüttungsbetrag von Fr. 100'000.- Verrechnungssteuern von 35 %, ausmachend Fr. 35'000.-, geschuldet.

      Die Steuerpflichtige bezahlte am 3. Oktober 2011 unter Vorbehalt die von der ESTV geforderten Verrechnungssteuern in der Höhe von Fr. 35'000.-. Ebenfalls unter Vorbehalt bezahlte die Steuerpflichtige am 3. November 2011 die Verzugszinsen im Betrag von Fr. 447.20, welche die ESTV auf der geltend gemachten Verrechnungssteuerforderung verlangte.

    2. Die Generalversammlung der Steuerpflichtigen beschloss am 13. Juni 2012, per 14. August 2012 eine weitere «Dividende aus Kapitaleinlagereserven» im Betrag von Fr. 200'000.- auszurichten.

Mit auf den 13. Juni 2012 datierendem Formular 170 deklarierte die Steuerpflichtige einen Anfangsbestand der Kapitaleinlagen von Fr. 1'165'479.- per 1. Januar 2011 sowie (nach Rückzahlungen von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen in der Höhe von Fr. 200'000.-) von Fr. 965'479.- per 31. Dezember 2011.

C.

Mit Entscheid vom 4. April 2013 legte die ESTV fest, dass die Steuerpflichtige «per 31. Dezember 2010 über keine bewilligten Kapitaleinlagen im Sinne von Art. 5 Abs. 1bis VStG [(Bundesgesetz vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer, SR 642.21)] verfügt» (Dispositiv-Ziff. 1 des Entscheids). Ferner verfügte sie, dass die Steuerpflichtige der ESTV die Verrechnungssteuer von 35 %, ausmachend Fr. 35'000.-, «auf der Dividendenausschüttung von CHF 100'000.00 mit Fälligkeit 1. Juni 2011» und einen Verzugszins von Fr. 447.20 auf dieser Verrechnungssteuerforderung schulde und die entsprechenden Steuersowie Zinsbeträge zu Recht entrichtet worden seien (Dispositiv-Ziff. 2 ff. des Entscheids). Zudem ordnete die ESTV an, dass die Steuerpflichtige ihr «auf der Dividendenausschüttung von CHF 200'000.00 mit Fälligkeit 14. August 2012» Verrechnungssteuern in der Höhe von Fr. 70'000.- schulde und die Steuerpflichtige auf letzterem Betrag einen Verzugszins von 5 %, berechnet für die Zeitspanne vom 13. September 2012 bis zum Tag der Entrichtung der Steuer, zu bezahlen habe (Dispositiv-Ziff. 6 f. des Entscheids).

Zur Begründung führte die ESTV im Wesentlichen aus, die Steuerpflichtige habe die vorhanden gewesenen Kapitaleinlagen in den Geschäftsjahren 2004 und 2006 mit bestehenden Verlusten verrechnet. Diese Verlustverrechnungen hätten die nach Art. 5 Abs. 1bis VStG steuerfrei rückzahlbaren Kapitaleinlagen vermindert. Infolgedessen habe die Steuerpflichtige per

  1. Dezember 2010 über keine bewilligten Kapitaleinlagen im Sinne dieser Vorschrift mehr verfügt und seien die Leistungen von Fr. 100'000.- mit Fälligkeit 1. Juni 2011 und von Fr. 200'000.- mit Fälligkeit 14. August 2012 verrechnungssteuerpflichtige Dividendenausschüttungen.

    D.

    Gegen den genannten Entscheid vom 4. April 2013 liess die Steuerpflichtige am 2. Mai 2013 Einsprache erheben.

    E.

    Die ESTV (nachfolgend auch: Vorinstanz) wies die Einsprache mit Einspracheentscheid vom 27. September 2013 vollumfänglich ab (DispositivZiff. 1 des Einspracheentscheids). Sie hielt fest, dass die Reserven aus Kapitaleinlagen der Steuerpflichtigen per 31. Dezember 2006 Fr. 0.- betragen (Dispositiv-Ziff. 2 des Einspracheentscheids). Ferner erkannte die ESTV, dass die Steuerpflichtige der ESTV einen Verrechnungssteuerbetrag von insgesamt Fr. 105'000.- und Verzugszinsen von insgesamt Fr. 2'518.05 schulde und die in dieser Höhe geleisteten Zahlungen somit zu Recht erfolgt seien (Dispositiv-Ziff. 3 f. des Einspracheentscheids).

    In der Begründung des Einspracheentscheids erklärte die Vorinstanz im Wesentlichen, die Kapitaleinlagereserven bei der Steuerpflichtigen in der Höhe von Fr. 1'265'479.- seien infolge Verlustverrechnung endgültig untergegangen. Zwar habe die Steuerpflichtige mit Bilanz per 31. Dezember 2009 die per 31. Dezember 2004 bzw. per 31. Dezember 2006 ausgebuchten Reserven aus Kapitaleinlagen im Betrag von Fr. 1'265'479.- wieder der Position «Kapitaleinlagereserve» zugewiesen, wodurch sich der Jahresgewinn 2009 um diesen Betrag vermindert habe. Indessen vermöge diese nachträgliche Wiedereinbuchung dieser Reserven aus Kapitaleinlagen die Anforderungen an eine rechtsgültige Bilanzänderung nicht zu erfüllen. Deshalb sei auf den Dividendenausschüttungen von Fr. 100'000.- bzw. Fr. 200'000.- eine Verrechnungssteuerschuld von insgesamt Fr. 105'000.- entstanden und seien in diesem Zusammenhang Verzugszinsen von gesamthaft Fr. 2'518.05 angefallen.

    F.

    Gegen den Einspracheentscheid der Vorinstanz vom 27. September 2013 liess die Steuerpflichtige (nachfolgend: Beschwerdeführerin) am 25. Oktober 2013 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erheben. Sie beantragt, ihre Reserven aus Kapitaleinlagen seien per 31. Dezember 2009 auf Fr. 1'265'479.- festzusetzen. Ferner verlangt sie, die Vorinstanz sei zu verpflichten, ihr folgende Beträge zurückzuerstatten:

    • die mit Valuta vom 3. Oktober 2011 unter Vorbehalt bezahlte Verrechnungssteuer von Fr. 35'000.- zuzüglich Vergütungszins ab dem 3. Oktober 2011,

    • die mit Valuta vom 16. April 2013 unter Vorbehalt bezahlte Verrechnungssteuer von Fr. 70'000.- zuzüglich Vergütungszins ab dem 16. April 2013,

    • die mit Valuta vom 3. November 2011 unter Vorbehalt entrichteten Verzugszinsen von Fr. 447.20 zuzüglich Vergütungszins ab dem 3. November 2011, und

    • die mit Valuta vom 3. Mai 2013 unter Vorbehalt bezahlten Verzugszinsen von Fr. 2'070.85 zuzüglich Vergütungszins ab dem 3. Mai 2013.

Schliesslich fordert die Beschwerdeführerin Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Vorinstanz.

Die Beschwerdeführerin bestreitet in ihrer Begründung zum einen die Auffassung der Vorinstanz, wonach die per 31. Dezember 2010 mit Formular 170 geltend gemachten Kapitaleinlagereserven (Agio und Forderungsverzichte) aufgrund der Verrechnung der Kapitaleinlagen mit bestehenden Verlusten in der Bilanz per 31. Dezember 2006 endgültig vernichtet worden seien, weil die Beschwerdeführerin in der Handelsbilanz per 31. Dezember 2006 keine Reserven aus Kapitaleinlagen mehr aufgewiesen habe. Zum anderen macht sie geltend, es sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht rechtskonform, vorliegend eine Rückgängigmachung der Verrechnung der Kapitaleinlagereserven mit den Verlustvorträgen mittels Wiedereinbuchung der Reserven aus Kapitaleinlagen in der Handelsbilanz per 31. Dezember 2009 verrechnungssteuerrechtlich auszuschliessen.

G.

Mit Vernehmlassung vom 9. Dezember 2013 beantragt die Vorinstanz, die Beschwerde sei vollumfänglich und kostenfällig abzuweisen.

H.

Die Beschwerdeführerin hält mit unaufgefordert eingereichter Stellungnahme vom 24. Dezember 2013 an ihren Beschwerdeanträgen und den Ausführungen in der Beschwerde vollumfänglich fest.

I.

Auf die weiteren Ausführungen der Verfahrensbeteiligten und die eingereichten Akten wird - soweit sie entscheidwesentlich sind - in den nachfolgenden Erwägungen näher eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Als anfechtbare Verfügungen gelten auch Einspracheentscheide der ESTV auf dem Gebiet der Verrechnungssteuer (Art. 5 Abs. 2 VwVG in Verbindung mit Art. 33 Bst. d VGG). Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Soweit das VGG nichts anderes bestimmt,

      richtet sich gemäss dessen Art. 37 das Verfahren nach dem VwVG. Als Adressatin des Einspracheentscheids vom 27. September 2013 ist die Beschwerdeführerin zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist somit einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).

    2. Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht - einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens (Art. 49 Bst. a VwVG) -, die unrichtige bzw. unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG) sowie die Unangemessenheit der vorinstanzlichen Verfügung (Art. 49 Bst. c VwVG) gerügt werden. Das Bundesverwaltungsgericht kann den angefochtenen Entscheid grundsätzlich in vollem Umfang überprüfen. Im Beschwerdeverfahren gilt der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Das Bundesverwaltungsgericht ist demzufolge verpflichtet, auf den

      • unter Mitwirkung der Verfahrensbeteiligten - festgestellten Sachverhalt die richtige Rechtsnorm, d.h. jenen Rechtssatz anzuwenden, den es als den zutreffenden erachtet, und ihm jene Auslegung zu geben, von der es überzeugt ist (ALFRED KÖLZ et al., Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, N. 144, 154, 1133 f. und 1136; ANDRÉ MOSER et al., Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, N. 1.54, unter Verweis auf BGE 119 V 347 E. 1a).

    3. Nach dem Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen ist das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz an die rechtliche Begründung der Begehren nicht gebunden. Es kann eine Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder den angefochtenen Entscheid im Ergebnis mit einer Begründung bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (Art. 62 Abs. 4 VwVG; BVGE 2007/41

E. 2; KÖLZ et al., a.a.O., N. 154; MOSER et al., a.a.O., N. 1.54).

2.

    1. Die Konkretisierung einer Norm im Hinblick auf einzelne Lebenssachverhalte als Teil der Gesetzesanwendung geschieht durch Auslegung. Deren Ziel ist die Ermittlung des Sinngehalts der Bestimmung. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut, wobei bei Erlassen des Bundesrechts die Fassungen in den drei Amtssprachen gleichwertig sind (zur Gleichwertigkeit: Art. 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt [Publikationsgesetz, PublG, SR 170.512]; BGE 134 V 1 E. 6.1). Der Wortlaut kann jedoch nicht allein massgebend sein. Von ihm kann abgewichen werden,

      wenn triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Vorschrift wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Norm oder aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben (vgl. BGE 137 I 77

      E. 3.3.2, 137 V 351 E. 4, 136 III 373 E. 2.3). Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen ([statt vieler] BGE 131 II 13 E. 7.1, mit Hinweisen; vgl. [allgemein] THOMAS GÄCHTER, Rechtsmissbrauch im öffentlichen Recht, 2005,

      S. 69 ff. und S. 254 ff; [steuerrechtsspezifisch] PETER LOCHER, Rechtsmissbrauchsüberlegungen im Recht der direkten Steuern der Schweiz, ASA 75

      S. 682 ff.). Es sollen alle jene Methoden kombiniert werden, die für den konkreten Fall im Hinblick auf ein vernünftiges und praktikables Ergebnis am meisten Überzeugungskraft haben (ULRICH HÄFELIN et al., Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, N. 217). Sind mehrere Lösungen denkbar, ist jene zu wählen, die der Verfassung entspricht (BGE 134 II 249 E. 2.3, 131 II 697 E. 4.1; BVGE 2007/41 E. 4.2).

      Im Steuerrecht gelten die genannten, allgemeinen Auslegungsregeln (vgl. BGE 125 II 113 E. 3a). Bei der Auslegung steuerrechtlicher Normen, welche an wirtschaftliche und nicht vorab zivilrechtliche Gegebenheiten anknüpfen, kann dabei auch die Methode der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zur Anwendung kommen (vgl. BGE 115 Ib 238 E. 3b). Dabei handelt es sich um ein Instrument im Rahmen der teleologischen Auslegung (vgl. MARKUS REICH, Steuerrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 N. 16). Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist im Steuerrecht stets dann anzuwenden, wenn der Normsinn danach verlangt, auf den wirtschaftlichen Gehalt des Sachverhalts abzustellen (REICH, § 6 N. 14).

    2. Verwaltungsverordnungen (Merkblätter, Richtlinien, Kreisschreiben etc.) sind Meinungsäusserungen der Verwaltung über die Auslegung der anwendbaren Gesetzesbestimmungen (Urteil des Bundesgerichts 2A.321/2002 vom 2. Juni 2003 E. 3.2.1, mit Hinweisen). Sie sollen eine einheitliche, gleichmässige und sachrichtige Praxis des Gesetzesvollzugs sicherstellen (MICHAEL BEUSCH, Was Kreisschreiben dürfen und was nicht, in: Der Schweizer Treuhänder [ST] 2005 S. 613 ff.). Verwaltungsverordnungen sind für die als eigentliche Adressaten figurierenden Verwaltungsbehörden verbindlich, wenn sie nicht klarerweise einen verfassungsoder gesetzwidrigen Inhalt aufweisen (vgl. BVGE 2010/33 E. 3.3.1, mit Hinweisen). Nicht verbindlich sind Verwaltungsverordnungen dagegen für die Justizbehörden, deren Aufgabe es ist, die Einhaltung von Verfassung und Gesetz im Einzelfall zu überprüfen (MOSER et al., a.a.O., N. 2.173 f.). Die Gerichte

      sollen Verwaltungsverordnungen bei ihrem Entscheid allerdings mitberücksichtigen, sofern diese eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Dies gilt umso mehr, als es nicht die Aufgabe der Gerichte ist, als Zweitinterpreten des der Verwaltungsverordnung zugrunde liegenden Erlasses eigene Zweckmässigkeitsüberlegungen an die Stelle des Vollzugskonzepts der zuständigen Verwaltungsbehörde zu setzen (BGE 123 II 16 E. 7; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-883/2014 vom 23. September 2014 E. 1.5, A-5017/2013 vom 15. Juli 2014 E. 3.1).

    3. In Rechtsprechung und Lehre wird zwischen echter und unechter Rückwirkung unterschieden. Unter der grundsätzlich unzulässigen bzw. nur unter strengen Voraussetzungen verfassungsrechtlich erlauben echten Rückwirkung wird die Anwendung neuen Rechts auf einen Sachverhalt verstanden, der sich unter altem Recht abschliessend verwirklicht hat (BGE 138 I 189 E. 3.4; vgl. HÄFELIN et al., a.a.O., N. 329 f.; PIERRE TSCHAN-

NEN et al., Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2014, § 24 N. 23). Von dieser echten Rückwirkung zu unterscheiden ist die unechte Rückwirkung. Eine Variante der letzteren ist die sogenannte Rückanknüpfung. Bei ihr findet das neue Recht nur für die Zeit nach seinem Inkrafttreten Anwendung, stellt dabei aber in einzelnen Belangen auf Sachverhalte ab, die bereits vor Inkrafttreten vorlagen (vgl. HÄFELIN et al., a.a.O., N. 341). Eine solche Anknüpfung ist grundsätzlich zulässig, sofern dem nicht wohlerworbene Rechte bzw. der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegenstehen (Art. 9 BV; vgl. BGE 133 II 97 E. 4.1, 126 V 134 E. 4a; Urteile des Bundes-

verwaltungsgerichts A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 2.2,

B-2194/2012 vom 2. November 2012 E. 10.2.2, A-6874/2010 vom 20. Juni 2011 E. 3.2). Das Vertrauensschutzprinzip (vgl. Art. 9 BV) kann dann angerufen werden, wenn ein Privater durch eine unvorhersehbare Rechtsänderung in schwerwiegender Weise in seinen gestützt auf die bisherige gesetzliche Regelung getätigten Dispositionen getroffen wird und keine Möglichkeit der Anpassung an die neue Rechtslage hat, so dass er unter Umständen einen Anspruch auf eine angemessene Übergangsregelung hat (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 2.2, A-6181/2009 vom 3. Februar 2011 E. 5.5.1; HÄFELIN et al.,

a.a.O., N. 342 und N. 642; zurückhaltender: TSCHANNEN et al., a.a.O., § 24 N. 14).

3.

    1. Der Bund erhebt eine Verrechnungssteuer unter anderem auf dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens (Art. 132 Abs. 2 BV; Art. 1 Abs. 1

      VStG). Gegenstand der Verrechnungssteuer auf dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens sind insbesondere die Zinsen, Renten, Gewinnanteile und sonstigen Erträge der von einem Inländer ausgegebenen Aktien, Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaftsanteile, Partizipationsscheine und Genussscheine (vgl. Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG). Steuerbarer Ertrag von Aktien, Stammanteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Genossenschaftsanteilen ist jede geldwerte Leistung der Gesellschaft oder Genossenschaft an die Inhaber der gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechte oder an nahestehende Dritte, die sich nicht als Rückzahlung der im Zeitpunkt der Leistung bestehenden Anteile am einbezahlten Grundoder Stammkapital darstellt (Dividenden, Boni, Gratisaktien, Gratis-Partizipationsscheine, Liquidationsüberschüsse und dergleichen; Art. 20 Abs. 1 Verrechnungssteuerverordnung vom

      19. Dezember 1966 [VStV, SR 642.211]). Die Rückzahlung von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen, die von den Inhabern der Beteiligungsrechte nach dem 31. Dezember 1996 geleistet worden sind, wird gemäss dem durch Ziff. II 4 des Unternehmenssteuerreformgesetzes II vom 23. März 2007 (in Kraft seit 1. Januar 2011 [AS 2008 2893; BBl 2005 4733]) eingefügten Art. 5 Abs. 1bis VStG gleich behandelt wie die Rückzahlung von Grundoder Stammkapital, wenn die Einlagen, Aufgelder und Zuschüsse von der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft in der Handelsbilanz auf einem gesonderten Konto ausgewiesen werden und die Gesellschaft jede Veränderung auf diesem Konto der ESTV meldet.

      Steuerpflichtig ist nach Art. 10 Abs. 1 VStG der Schuldner der steuerbaren Leistung. Diese ist bei der Auszahlung, Überweisung, Gutschrift oder Verrechnung ohne Rücksicht auf die Person des Gläubigers um den Steuerbetrag zu kürzen, bei Kapitalerträgen um 35 % (Überwälzungspflicht; Art. 13 Abs. 1 Bst. a in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 VStG).

    2. Die Verrechnungssteuer wird bei inländischen Sachverhalten nicht zum Zweck erhoben, den Bürger mit ihr zu belasten, sondern ist in erster Linie als steuertechnisches Mittel gedacht, um die Hinterziehung der Kantonsund Gemeindesteuern auf beweglichem Kapitalvermögen und seinem Ertrag durch die der schweizerischen Steuerhoheit unterworfenen Steuerpflichtigen einzudämmen (sog. Sicherungszweck; vgl. Botschaft des Bundesrates vom 18. Oktober 1963 betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer, BBl 1963 II 953, 955). Dem-gegenüber hat die Verrechnungssteuer direkten Fiskalzweck für den im Ausland steuerpflichtigen Empfänger der steuerbaren Erträge, soweit dieser nicht

      abkommensrechtlich geschützt ist, und für den inländischen Leistungsempfänger in all den Fällen, in denen diesem die Erfüllung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen für die Rückerstattung aberkannt wird. In beiden Fällen verfällt die Verrechnungssteuer definitiv mit deren Erhebung (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 3.2, A-5786/2012 vom 7. August 2013 E. 2.2; MAJA BAUER-BAL-

      MELLI/MARKUS REICH, in: Martin Zweifel et al. [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer, 2. Aufl. 2012 [hiernach: Kommentar VStG], Vorbemerkungen N. 71).

    3. Der Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz (sog. Massgeblichkeitsprinzip) stammt aus dem Gewinnsteuerrecht und besagt, dass die handelsrechtliche Bilanz und Erfolgsrechnung Ausgangspunkt und Grundlage der steuerrechtlichen Gewinnermittlung bilden (JÜRG ALTORFER/MARCO GRETER, Kommentar VStG, Art. 5 N. 156). Die Steuerbehörden sind verpflichtet, auf die von den Organen verabschiedete Jahresrechnung abzustellen, ebenso hat sich die Gesellschaft auf ihrer Handelsbilanz behaften zu lassen (BGE 137 II 353 E. 6.2; Urteile des Bundesgerichts 2C_509/2013, 2C_510/2013, 2C_527/2013 und 2C_528/2013 vom 8. Juni

2014 E. 2.2.1, C_554/2013 und 2C_555/2013 vom 30. Januar 2014 E. 2.1;

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-4789/2012 vom 30. Januar 2014

E. 3.5.2.3; ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl. 2002, S. 269, mit Hinweisen). Damit kommt dem Massgeblichkeitsprinzip unter anderem auch eine Beweisfunktion zu. Die Steuerbehörden sollen sich auf die Angaben des Steuerpflichtigen verlassen dürfen (zum Ganzen auch PETER BRÜLISAUER/FLURIN POLTERA, in: Martin Zweifel/Peter Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht Bd. I/2a, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], Art. 1-82, 2. Aufl. 2008 [nachfolgend: DBG-Kommentar I/2a], Art. 58 N. 15).

Das Massgeblichkeitsprinzip bedeutet nicht, dass eine Handelsbilanz per se bindend ist. Massgeblich sind einzig die nach den zwingenden Bestimmungen des Handelsrechts ordnungsgemäss geführten Bücher. Entscheidend ist gemäss dem Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz somit der wirtschaftliche Sachverhalt, wie er nach den handelsrechtlichen Vorschriften in den Geschäftsbüchern dargestellt werden muss (ROLAND BURKHALTER, Massgeblichkeitsgrundsatz, 2003, N. 168 ff.; REICH, § 15 N. 65).

Auch wenn das Massgeblichkeitsprinzip aus dem Gewinnsteuerrecht stammt, ist auch bei der Verrechnungssteuer der nach handelsrechtlichen

Grundsätzen bestimmte Gewinn für die Ermittlung des verrechnungsteuerpflichtigen Gewinnanteils (vgl. Art. 4 Abs. 1 VStG) massgebend, indem das VStG ohne Umschreibung des Begriffes des Gewinns direkt an den handelsrechtlichen Gewinn anknüpft (vgl. FLORIAN REGLI, Grundlagen für die Konzernbesteuerung im schweizerischen Steuerrecht, 2013, N. 500).

4.

4.1 Die hiervor (E. 3.1) genannte Vorschrift von Art. 5 Abs. 1bis VStG ist - wie gesagt - seit dem 1. Januar 2011 in Kraft und wurde zusammen mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 125 Abs. 3 DBG und Art. 7b StHG im Rahmen der sog. Unternehmenssteuerreform II in das Gesetz aufgenommen. Bis dahin beruhte das Steuersystem des Bundes und der meisten Kantone im Bereich der Einkommenssteuer (Privatvermögen) und der Verrechnungssteuer auf dem Nennwertprinzip, wonach nur die Rückzahlung von Grundoder Stammkapital von der Verrechnungssteuer und der Einkommenssteuer ausgenommen war. Eine Rückzahlung von anderen ursprünglich von den Beteiligungsinhabern geleisteten Einlagen - beispielsweise Agio

  • war demgegenüber steuerbar (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 5.1, mit Hinweis auf die Botschaft vom 22. Juni 2005 zum Bundesgesetz über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeiten und Investitionen [Unternehmenssteuerreformgesetz II] [nachfolgend: Botschaft Unternehmenssteuerreformgesetz II], BBl 2005 4733 ff., 4800; vgl. ferner ALTORFER/GRETER, Kommentar VStG, Art. 5 N. 116, mit weiteren Hinweisen).

    4.2

        1. Art. 5 Abs. 1bis VStG bestimmt, dass die Rückzahlung von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen, die von den Inhabern der Beteiligungsrechte nach dem 31. Dezember 1996 geleistet worden sind, gleich zu behandeln ist wie die Rückzahlung von Grundoder Stammkapital, wenn die Einlagen, Aufgelder und Zuschüsse von der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft in der Handelsbilanz auf einem gesonderten Konto ausgewiesen werden und die Gesellschaft jede Veränderung auf diesem Konto der ESTV meldet.

          Eine Definition der Begriffe «Einlagen», «Aufgelder» und «Zuschüsse» (französische Fassung: «apports», «agios» und «versements supplémentaires»; italienische Fassung: «apporti», «aggio» und «pagamenti suppletivi») findet sich im Gesetz nicht. Von vornherein nicht darunter fallen jedoch Einlagen in das Grundund Stammkapital, da diese keinen verrechnungssteuerrechtlichen Ertrag (Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG) bilden und somit

          auch nicht vom Ausnahmekatalog von Art. 5 VStG erfasst werden können (ALTORFER/GRETER, Kommentar VStG, Art. 5 N. 120). Unter Art. 5 Abs. 1bis VStG können nach dem Wortlaut dieser Bestimmung im Übrigen nur Leistungen fallen, die von den Inhabern der Beteiligungsrechte der Gesellschaft stammen und mit welchen die Eigenkapitalbasis durch Zuführung von Eigenkapital von aussen erhöht wird. Sind auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt, können die entsprechenden Kapitaleinlagen später - dem Grundoder Stammkapital gleichgestellt - ohne verrechnungssteuerrechtliche Folgen wieder zurückbezahlt werden (vgl. zum Ganzen ausführlich Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 5.2, mit Hinweisen).

        2. Von Art. 5 Abs. 1bis VStG nicht erfasst ist die Ausschüttung von durch die ausschüttende Gesellschaft erwirtschafteten Gewinnanteilen. Eine solche bleibt - wie bis anhin - verrechnungssteuerpflichtig (Art. 4 Abs. 1 Bst. b VStG; vgl. dazu Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6142/2012 vom

    4. Februar 2014 E. 5.2 in fine).

    4.3 Mit der Einführung des Kapitaleinlageprinzips wollte der Gesetzgeber die negativen Folgen des bisher geltenden Nennwertprinzips für Beteiligungsrechte im Privatvermögen und bei der Verrechnungssteuer korrigieren. Zudem sollten insbesondere bei der Verrechnungssteuer die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessert werden (vgl. Botschaft Unternehmenssteuerreformgesetz II, BBl 2005 4800 f.; ROBERT DANON, Le principe de l'apport en capital [1ère partie], in: IFF Forum für Steuerrecht [FStR] 2011,

    S. 14 ff., S. 15). Die Rückzahlungen von Kapitaleinlagen, die von Inhabern der Beteiligungsrechte geleistet werden, werden damit steuerrechtlich den Rückzahlungen von Einlagen in das Grundoder Stammkapital gleichgestellt. Es soll mit anderen Worten verrechnungssteuerrechtlich für eine spätere Rückzahlung nicht mehr entscheidend sein, ob eine Leistung des Anteilsinhabers in das Grundbzw. Stammkapital oder in die Reserven gemäss Art. 5 Abs. 1bis VStG erfolgt. Innerhalb des Eigenkapitals wird so auch der Grundsatz der Finanzierungsneutralität berücksichtigt (s. zum Ganzen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6142/2012 vom 4. Februar 2014

    E. 5.3; vgl. auch ALTORFER/GRETER, Kommentar VStG, Art. 5 N. 127).

    5.

      1. Am 1. Januar 2013 traten die revidierten Bestimmungen zur kaufmännischen Buchführung und Rechnungslegung (Art. 957 ff. OR) in Kraft. Es erübrigt sich hier, auf diese Vorschriften einzugehen. Denn der vorliegende

        Fall betrifft, soweit es um die Buchführung sowie Rechnungslegung geht, einzig die Zeit vor dem 1. Januar 2013.

      2. Gemäss dem vor dem 1. Januar 2013 geltenden Rechnungslegungsrecht waren Verluste zuerst mit einem Gewinnvortrag zu verrechnen. Darüber hinausgehende Verluste mussten dem Bilanzverlust belastet, offen weitergeführt sowie mit späteren Gewinnen verrechnet werden. Der Bilanzverlust konnte indessen auch direkt mit anderen Reservekonti verrechnet werden (vgl. ALTORFER/GRETER, Kommentar VStG, Art. 5 N. 149, mit Hinweis). Wurden die Verluste nicht dem Kapitaleinlagekonto belastet, blieb dieses Konto in der ursprünglichen Höhe bestehen und damit handelsrechtlich in vollem Umfang für eine spätere Kapitalrückführung erhalten (JÜRG ALTORFER/JÜRG B. ALTORFER, Das Kapitaleinlageprinzip, 2. Teil [nachfolgend: ALTORFER/ALTORFER, 2. Teil], ST 83/2009 S. 309 ff., S. 321 f.; ALTORFER/GRETER, Kommentar VStG, Art. 5 N. 149).

        Wurden Verluste mit Reserven aus Kapitaleinlagen verrechnet und die Reserven deshalb ausgebucht, gingen diese Reserven nach dem bisherigen Rechnungslegungsrecht unter (vgl. PETER BRÜLISAUER/CHRISTOPH SUTER, Das Kapitaleinlageprinzip, 2. Teil [nachfolgend: BRÜLISAUER/SUTER,

        2. Teil], FStR 2011, S. 182 ff., S. 189). Ob eine «Wiederauffüllung» der mit Verlusten verrechneten Kapitaleinlagen mit späteren Gewinnen handelsrechtlich nach dem früheren Recht zulässig war, ist umstritten (vgl. RAINER HAUSMANN/PASCAL TADDEI, Das Kapitaleinlageprinzip, StR 66/2011, S. 86 ff., S. 88). Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts sind nach der Verlustverrechnung erzielte Gewinne in der Bilanz gemäss dem früheren Handelsrecht dem Gewinnvortrag oder der Gewinnreserve zuzuweisen. Die handelsrechtliche Zulassung des «Wiederauffüllens» der mit Verlusten verrechneten Kapitaleinlagen mit später erwirtschafteten Gewinnen würde nämlich einer Vermengung von Kapitaleinlagereserven mit Gewinnreserven gleichkommen, welche den Grundsätzen ordnungsgemässer Rechnungslegung im Sinne von aArt. 662a Abs. 1 OR widersprechen würde (in diesem Sinne auch BRÜLISAUER/SUTER, 2. Teil, S. 189; vgl. ferner DIETER PFAFF, Zu Bilanzierungsproblemen des Kapitaleinlageprinzips aus betriebswirtschaftlicher Sicht, ASA 82 S. 97 ff., S. 101, wo freilich eine solche Vermengung lediglich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten gewürdigt wird).

      3. Sog. Bilanzberichtigungen sind Korrekturen der Handelsbilanz, mit welchen die Verletzung von zwingenden handelsrechtlichen Bilanzierungs-

    und Bewertungsvorschriften beseitigt werden. Wurden handelsrechtswidrige Buchungen vorgenommen, ist eine Korrektur nach der Praxis zu den direkten Steuern bis zum Eintritt der Rechtskraft der Veranlagung zulässig; danach beurteilt sich die Zulässigkeit von Bilanzberichtigungen nach den Vorschriften über die Revision bzw. die Nachsteuererhebung (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_24/2014 vom 29. Januar 2015 E. 2.2, 2C_1218/2013 und 2C_1219/2013 vom 19. Dezember 2014 E. 3.3 [zur Publikation vorgesehen], 2C_29/2012 vom 16. August 2012 E. 2.1; REICH,

    § 15 N. 67a). Blosse Bilanzänderungen, bei welchen ein handelsrechtskonformer Wertansatz durch eine andere, ebenfalls vertretbare handelsrechtskonforme Bewertung ersetzt wird, sind hingegen bei den direkten Steuern in aller Regel lediglich bis zur Einreichung der Steuererklärung zulässig. Die steuerpflichtige Gesellschaft darf eine Bilanzänderung im Laufe des Veranlagungsverfahrens grundsätzlich nur noch vornehmen, wenn sich zeigt, dass sie in einem entschuldbaren Irrtum betreffend die steuerlichen Folgen gewisse Buchungen machte. Regelmässig ausgeschlossen sind jedoch Bilanzänderungen, mit denen Wertänderungen zum Ausgleich von Aufrechnungen im Veranlagungsverfahren erfolgen oder die lediglich aus Gründen der Steuerersparnis vorgenommen werden (Urteile des Bundesgerichts 2C_24/2014 vom 29. Januar 2015 E. 2.2, 2C_1218/2013 und 2C_1219/2013 vom 19. Dezember 2014 E. 3.4 [zur Publikation vorgesehen], 2C_29/2012 vom 16. August 2012 E. 2.1).

    Die genannte Praxis zu Bilanzberichtigungen und Bilanzänderungen im Bereich der direkten Steuern kann im Verrechnungssteuerrecht, soweit der Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz (vgl. E. 3.3) greift, grundsätzlich ebenfalls Geltung beanspruchen.

    6.

    Es stellt sich vorab die Frage, ob eine unter dem bisherigen Rechnungslegungsrecht vorgenommene Verrechnung von Verlusten mit Reserven aus Kapitaleinlagen mit Blick auf den Umstand, dass diese handelsrechtlich zum Untergang der entsprechenden Reserven führte (E. 5.2), auch steuerrechtlich eine entsprechende Reduktion der verrechnungssteuerfrei rückzahlbaren Kapitaleinlagen nach sich zog oder ob stattdessen der ursprüngliche Betrag der Kapitaleinlagen in einer separaten Steuerbilanz weitergeführt werden und bei Erzielung von Gewinnen in Höhe der verrechneten Verluste in den Folgejahren steuerfrei zurückbezahlt werden darf (vgl. ALTORFER/ALTORFER, 2. Teil, S. 322).

    6.1

        1. Die Vorinstanz hat in ihrem Kreisschreiben Nr. 29 vom 9. Dezember 2010 zum Kapitaleinlageprinzip (nachfolgend: KS ESTV Nr. 29) festgehalten, dass ihrer Auffassung nach bei Verrechnung von Verlusten mit Reserven aus Kapitaleinlagen ein definitiver Untergang dieser Reserven erfolgt. Ziff. 3.1 KS ESTV Nr. 29 enthält nämlich unter der Überschrift «Reserven aus Kapitaleinlagen» folgende Ausführungen:

          «Offene Kapitaleinlagen der Beteiligungsinhaber können steuerneutral den Reserven aus Kapitaleinlagen gutgeschrieben werden und sind dem einbezahlten Grundoder Stammkapital gleichgestellt. Verluste, die den Reserven aus Kapitaleinlagen belastet wurden, vermindern die Reserven aus Kapitaleinlagen definitiv. Dies gilt auch für offene Kapitaleinlagen, die von den Inhabern der Beteiligungsrechte nach dem 31. Dezember 1996 und vor dem Inkrafttreten der Artikel 20 Absatz 3 DBG und 5 Absatz 1bis VStG am 1. Januar 2011 geleistet wurden. [ ]»

          Auch mit Bezug auf Kapitaleinlagen, die im Rahmen einer Sanierung geleistet wurden, hält das KS ESTV Nr. 29 sinngemäss fest, dass diese im Falle der Verlustverrechnung verrechnungssteuerrechtlich gesehen endgültig untergehen. So wird in Ziff. 2.2.3 KS ESTV Nr. 29 erklärt, diese Kapitaleinlagen seien Reserven im Sinne von Art. 5 Abs. 1bis VStG (und Art. 20 Abs. 3 DBG), soweit sie «nicht durch die Ausbuchung von handelsrechtlichen Verlustvorträgen vernichtet werden».

          Gemäss Ziff. 3.2 KS ESTV Nr. 29 gelten namentlich die laufenden und thesaurierten Gewinne steuerlich als «übrige Reserven» (Satz 1). Eine Umqualifikation solcher Reserven in Reserven aus Kapitaleinlagen ist nach der Regelung im KS ESTV Nr. 29 unzulässig und wird steuerlich nicht anerkannt (Satz 2).

          Sodann wird in Ziff. 7.1 KS ESTV Nr. 29 mit der Überschrift «Ausweis im Kapitalabschluss» Folgendes festgehalten:

          «Einlagen, Aufgelder und Zuschüsse, die nach dem 31. Dezember 1996 geleistet worden sind, werden nach Artikel 5 Absatz 1bis VStG nur dann wie die Rückzahlung von Grundoder Stammkapital behandelt, wenn sie in der Handelsbilanz auf einem gesonderten Konto ausgewiesen werden und die Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft jede Veränderung auf diesem Konto der ESTV meldet.

          Offene Kapitaleinlagen, die von Inhabern der Beteiligungsrechte nach dem 31. Dezember 1996 und vor dem Inkrafttreten des Artikel 20 Absatz 3 DBG und Artikel 5 Absatz 1bis VStG am 1. Januar 2011 geleistet wurden, können spätestens in der handelsrechtlichen Schlussbilanz des Geschäftsjahres ausgewiesen werden, das im Kalenderjahr 2011 endet. Verluste, die solchen Reserven aus Kapitaleinlagen belastet wurden, verminderten diese definitiv.»

          Nach Ziff. 2.2.3, Ziff. 3.1 f. und Ziff. 7.1 KS ESTV Nr. 29 reduzieren somit - in Übereinstimmung mit dem bisherigen Handelsrecht (E. 5.2) - Verluste, welche dem Kapitaleinlagekonto belastet wurden, die verrechnungssteuerfrei rückzahlbaren Reserven aus Kapitaleinlagen endgültig.

        2. Abweichend von der hiervor genannten, im KS ESTV Nr. 29 zum Ausdruck kommenden Auffassung wird hingegen in der Doktrin überwiegend die Meinung vertreten, dass Kapitaleinlagen, welche mit Verlusten verrechnet werden, verrechnungssteuerrechtlich nicht definitiv untergehen und deshalb nach einem späteren «Wiederauffüllen» der Kapitaleinlagereserven steuerfrei zurückbezahlt werden können (in diesem Sinne ALTORFER/ALTORFER, 2. Teil, S. 322; ALTORFER/GRETER, Kommentar VStG, Art. 5

          N. 145; RETO ARNOLD, Unternehmenssteuerreform II, StR 66/2011 S. 98 ff., S. 104; BARBARA BRAUCHLI ROHRER/XENIA ATHANASSOGLOU, Kapitalein-

          lageprinzip, 1. Teil [nachfolgend: BRAUCHLI ROHRER/ATHANASSOGLOU, 1. Teil], ST 10/2010 S. 688 ff., S. 692; BRÜLISAUER/SUTER, 2. Teil, S. 189 f.

          und S. 193; URS CLEMENT/MARTIN JAU, Neuerungen im Gesetz der Direkten Bundessteuer per 1.1.2010 - Teil B, Der Treuhandexperte [TREX] 2010

          S. 334 ff., S. 337; DANON, a.a.O., S. 19 f.; MARCO DUSS, CATCH-22, ST 1-

          2/2011 S. 71 ff., S. 72; JULIA VON AH, Eingelegtes Kapital endlich steuerfrei rückzahlbar, IWB 17/2010 S. 647 ff., S. 652; MADELEINE SIMONEK et al., Unternehmensrecht I, 2. Aufl. 2013, S. 133).

          Soweit ersichtlich, teilen einzig die Autoren CHRISTOPH RECHSTEINER/JONAS SIGRIST (Das Kapitaleinlageprinzip der USTR II, ST 10/2008 S. 783 ff.,

          S. 786) und ROBERTO AUDINO (Le riserve da apporti di capitale, Novità fiscali [NF] 4/2014 S. 3 ff., S. 4) die hiervor genannte, im KS ESTV Nr. 29 zum Ausdruck kommende Auffassung, dass die Wiederherstellung (und damit verrechnungssteuerfreie Rückzahlung) von Kapitaleinlagen, welche mit Verlusten verrechnet wurden, nicht zulässig ist.

          Keine eindeutige Position bezieht MATTHIAS STAEHELIN (Die gesetzliche Kapitalreserve, ST 12/2014, S. 1133 ff., S. 1134): Dieser Autor nimmt zwar an, dass der Gesetzgeber eine steuerfreie Rückführung der gesamten Kapitaleinlage vorsehen wollte und vom Grundsatz des Kapitaleinlageprinzips her einmal eingelegtes Kapital später ohne Rücksicht darauf, ob die Gesellschaft zwischenzeitlich Verluste einer Reserve belastete, steuerfrei an die Gesellschafter zurückfliessen können muss. Er bezeichnet jedoch

          «diese liberale Haltung für das 'Wiederauffüllen' der Kapitalreserven» als

          «nicht zwingend», insbesondere weil aus dem Unternehmen erwirtschaftete Mittel «hier in der Kapitalreserve ausgewiesen» würden, «obwohl sie der Herkunft nach in der Gewinnreserve auszuweisen wären».

        3. Zu klären ist demnach, ob von einer verrechnungssteuerfreien

          «Rückzahlung von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen» im Sinne von Art. 5 Abs. 1bis VStG auszugehen ist, wenn nach einer Verrechnung von Verlusten mit Kapitaleinlagereserven Gewinne erwirtschaftet wurden und diese Gewinne in der Höhe der Verlustverrechnung an die Kapitaleinleger ausgeschüttet werden. Dabei gilt es auszulegen, was unter «Rückzahlung von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen» zu verstehen ist (insgesamt

          E. 6.2), wobei eingangs auf den Wortlaut einzugehen (E. 6.2.1) und dann zu prüfen ist, ob vom Wortlaut abzuweichen ist, weil triftige Gründe bestehen, dass dieser nicht den wahren Sinn der Vorschrift wiedergibt (E. 6.2.2 ff.; vgl. zur Auslegung im Allgemeinen E. 2.1).

        4. Vorweg klarzustellen ist, dass bei einer «Verrechnung von Verlusten mit Kapitaleinlagen» keine Forderungsverrechnung im Sinne von Art. 120 ff. OR erfolgt, d.h. dass nicht eine Schuld durch Hingabe einer gleichartigen Forderung getilgt wird (SALOME ZIMMERMANN, Repetitorium zum Schweizerischen Obligationenrecht, 1. Teil: Art. 1 - 183, 10. A. 2006, Frage 172). Stattdessen bezeichnet dieser Ausdruck einzig den Buchungsvorgang, mit welchem die Kapitaleinlagereserven um den Betrag des zu tilgenden Verlusts gekürzt werden.

    6.2

    6.2.1 Nach ihrem Wortlaut «Rückzahlung von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen, die von den Inhabern der Beteiligungsrechte [ ] geleistet worden sind» greift die Vorschrift von Art. 5 Abs. 1bis VStG nur, wenn der Inhaber der Beteiligungsrechte «die Leistung» - die Einlage, das Aufgeld, den Zuschuss -, welche er der Gesellschaft erbracht hat, zurückbezahlt erhält.

    Mit dem Verb «zurückbezahlen» wird klargestellt, dass eine Zahlung vom Beteiligungsinhaber an die Gesellschaft und dann wieder eine solche von der Gesellschaft an den Beteiligungsinhaber zu erfolgen hat. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet «zurückzahlen» «Geld dem Geldgeber zurückgeben» bzw. «Geld zurückgeben». Dabei heisst «zurückgeben» nach dem gewöhnlichen Verständnis «jemandem etwas geben, das

    er schon einmal hatte» bzw. «wieder dem ursprünglichen Besitzer übergeben» (s. zum Ganzen die Stichworte «zurückzahlen» und «zurückgeben» in: RENATE WAHRIG-BURFEIND, Deutsches Wörterbuch, 9. Aufl. Gütersloh 2011, sowie DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim etc. 2006). In diesem Sinn müsste somit die Einlage, das Aufgeld bzw. der Zuschuss zuerst vom Inhaber des Beteiligungsrechts an die Gesellschaft und dann von dieser wieder an den Inhaber des Beteiligungsrechts gegeben werden. Dies ruft grundsätzlich nach einer (noch näher zu bestimmenden) Identität zwischen «Hingegebenem» und «Zurückgegebenem».

    Zwischen der Einlage, dem Aufgeld bzw. dem Zuschuss und der späteren Leistung der Gesellschaft an den Inhaber der Beteiligungsrechte muss gemäss dem Gesetzeswortlaut somit ein gewisser Zusammenhang bestehen. Streng nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 1bis VStG genügt es deshalb nicht, dass ein Inhaber von Beteiligungsrechten der Gesellschaft eine Leistung erbracht hat und die Gesellschaft ihm danach eine bloss wertmässig identische Leistung erbringt, die sich aus von dritter Seite (bzw. aus der Gewinnerwirtschaftung) stammendem Substrat zusammensetzt. Deshalb liegt bei grammatikalischer Auslegung der Bestimmung keine Rückzahlung einer Einlage, eines Aufgelds bzw. eines Zuschusses vor, wenn eine Gesellschaft Inhabern von Beteiligungsrechten, deren Einlagen, Aufgelder bzw. Zuschüsse sie mit Verlusten verrechnet und ausgebucht hat, später erwirtschaftete Gewinne auszahlt. Denn, wie STAEHELIN (a.a.O., S. 1134) zutreffend festhält, handelt es sich bei diesen Gewinnen ihrer Herkunft nach nicht um von den Inhabern der Beteiligungsrechte stammende Mittel.

    Im Folgenden gilt es zu klären, ob unter Berücksichtigung der weiteren Auslegungselemente triftige Gründe bestehen, um vom Wortlaut abzuweichen (E. 2.1).

    6.2.2

          1. In systematischer Hinsicht ist bei der Auslegung von Art. 5 Abs. 1bis VStG vorab zu berücksichtigen, dass das (auch) im Verrechnungssteuerrecht zu beachtende Massgeblichkeitsprinzip (vgl. E. 3.3) in Einklang mit dem Wortlaut dieser Vorschrift grundsätzlich die Annahme stützt, dass ein

            «Wiederauffüllen» von mit Verlusten verrechneten Reserven aus Kapitaleinlagen mittels nachfolgenden Gewinnen verrechnungssteuerrechtlich ausgeschlossen ist. Denn jedenfalls soweit handelsrechtlich ein «Wiederauffüllen» der mit Verlusten verrechneten Kapitaleinlagen mit später erwirtschafteten Gewinnen unzulässig ist (vgl. dazu E. 5.2), müsste der Steuerpflichtige nach diesem Prinzip grundsätzlich darauf behaftet werden, dass

            er die Kapitaleinlagereserven aus der Handelsbilanz entfernt hat (vorbehalten blieben nur Fälle zulässiger Bilanzberichtigungen oder Bilanzänderungen [vgl. E. 5.3], welche die Ausbuchung in der Handelsbilanz rückgängig machen, und der vorliegend nicht einschlägige Fall, dass eine steuerrechtliche Korrekturvorschrift eine Abweichung von der Handelsbilanz erlaubt [vgl. dazu auch hinten E. 8.4]). Dementsprechend berufen sich RECHSTEINER/SIGRIST (a.a.O., S. 786) zur Begründung ihrer Auffassung, dass eine Wiederherstellung mit Verlusten verrechneter Kapitaleinlagen ausgeschlossen sei [vgl. E. 6.1.2], zu Recht auf das Massgeblichkeitsprinzip.

          2. Es gilt im Rahmen der systematischen Auslegung weiter zu beachten, dass der Gesetzgeber diese Bestimmung zusammen mit den einkommenssteuerrechtlichen Vorschriften von Art. 20 Abs. 3 DBG und Art. 7b StHG erlassen hat. Nach den letzteren Bestimmungen wird die Rückleistung von Einlagen für Inhaber von im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungsrechten der steuerfreien Rückleistung von Grundoder Stammkapital gleichgestellt. Dies stellt eine Einschränkung des in Art. 20 Abs. 1 Bst c DBG verankerten formalisierten, objektiven Vermögensertragsbegriffes dar. Da sowohl das Verrechnungssteuerals auch das Einkommenssteuerrecht auf den gleichen wirtschaftlichen Vorgang, nämlich auf Kapitalentnahme und -rückzahlung, abstellen und die Kapitalrückzahlung von der Besteuerung ausnehmen, folgt aus dem systematischen Zusammenhang, dass die Abgrenzung zwischen Kapitalrückzahlung und steuerbarem Ertrag aus Beteiligungsrechten im Privatvermögen für beide Steuerarten gleich erfolgen muss, d.h. objektiv-wirtschaftlich, indem einzig der Blickwinkel der Gesellschaft massgebend ist (s. zum Ganzen ALTORFER/GRETER, Kommentar VStG, Art. 5 N. 123, mit Hinweisen). Der von ARNOLD (a.a.O., S. 104) vertretenen Auffassung, wonach die Beantwortung der Frage, ob eine Rückzahlung einer Kapitaleinlage im Sinne von Art. 5 Abs. 1bis VStG vorliegt, ausschliesslich aus Sicht des Kapitaleinlegers zu erfolgen hat, ist deshalb nicht zu folgen.

    Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb bei der gebotenen, streng auf den Blickwinkel der Gesellschaft abstellenden Betrachtungsweise vom Ergebnis der hiervor durchgeführten grammatikalischen Auslegung (E. 6.2.1) abzuweichen wäre. Vielmehr spricht eben dieser Ansatz dafür, bei der verrechnungssteuerlichen Beurteilung als entscheidend zu betrachten, dass Gewinne, die nach einer Verrechnung von Verlusten mit Kapitaleinlagereserven an die Beteiligungsinhaber ausgeschüttet werden, ihrer Herkunft nach - wie ausgeführt (E. 6.2.1 Abs. 3) - keine von diesen Beteiligungsinhabern stammende Mittel bilden.

    6.2.2.3

            1. Weiter gilt es zu prüfen, ob sich aus Art. 60 Bst. a bzw. Art. 67 DBG Folgerungen für die hier zu klärende Frage ziehen lassen. In der Doktrin wird vorgebracht, eine Auslegung des Gesetzes, wonach Kapitaleinlagereserven, die zwischenzeitlich mit Verlusten verrechnet wurden, bei späteren Gewinnen nicht mehr verrechnungssteuerfrei zurückbezahlt werden können, sei nicht kohärent mit Art. 60 Bst. a DBG bzw. dem Umstand, dass eine handelsrechtliche Verlustausbuchung den gewinnsteuerlichen Verlustvortrag im Sinne von Art. 67 Abs. 1 und 2 DBG nicht schmälere (ALTORFER/GRETER, Kommentar VStG, Art. 5 N. 150; BRÜLISAUER/SUTER,

              2. Teil, S. 191; DANON, 1ère partie, S. 19 f.). In diesem Kontext wird insbe-

              sondere geltend gemacht, die verrechnungsund die gewinnsteuerrechtlichen Vorschriften müssten mit Blick auf den identischen wirtschaftlichen Vorgang der Kapitaleinlage und -rückzahlung ungeachtet der unterschiedlichen Gesetzeszwecke sowie Anwendungsbereiche der beiden Steuerarten einheitlich und kohärent ausgelegt werden (ALTORFER/GRETER, Kommentar VStG, Art. 5 N. 123, 145 und 150; PETER BRÜLISAUER/CHRISTOPH

              SUTER, Das Kapitaleinlageprinzip, 1. Teil [nachfolgend: BRÜLISAUER/SUTER, 1. Teil], FStR 2011, S. 110 ff., S. 120; dies., 2. Teil, S. 191).

            2. Gegenstand der Gewinnsteuer der juristischen Person ist der Reingewinn (Art. 57 DBG). Nach Art. 58 Abs. 1 Bst. a DBG bildet der Saldo der Erfolgsrechnung unter Berücksichtigung des Saldovortrages Ausgangspunkt für die Bestimmung des steuerbaren Reingewinns. Das Bundesgericht leitet aus dieser Vorschrift ab, dass gewinnsteuerlich der Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz gilt, sofern der Erfolgsausweis nicht unter Verletzung zwingender Bestimmungen des Handelsrechts zustande kam und nicht spezielle steuerrechtliche (Korrektur-)Vorschriften für die Gewinnermittlung zu beachten sind (vgl. [anstelle vieler] Urteil des Bundesgerichts 2C_29/2012 vom 16. August 2012 E. 2.1, mit weiteren Hinweisen).

              Gemäss Art. 60 Bst. a DBG entsteht kein steuerbarer Gewinn durch Kapitaleinlagen von Mitgliedern von Kapitalgesellschaften, einschliesslich Aufgelder und Leistungen à fonds perdu.

              Laut Art. 67 Abs. 1 DBG können vom Reingewinn der Steuerperiode Verluste aus sieben der Steuerperiode vorangegangenen Geschäftsjahren abgezogen werden, soweit sie bei der Berechnung des steuerbaren Reingewinns dieser Jahre nicht berücksichtigt werden konnten. Art. 67 Abs. 2 DBG

              enthält ferner eine erweiterte Verlustverrechnungsmöglichkeit: Mit Leistungen zum Ausgleich einer Unterbilanz im Rahmen einer Sanierung, welche nicht Kapitaleinlagen (Art. 60 Bst. a DBG) sind, können danach auch Verluste früherer Jahre verrechnet werden.

            3. Nach überwiegender Auffassung handelt es bei Art. 60 Bst. a DBG um eine steuerrechtliche Korrekturvorschrift in dem Sinne, dass die handelsrechtliche Verbuchung in Durchbrechung des im Gewinnsteuerrecht geltenden Massgeblichkeitsprinzips nicht relevant ist und von der Handelsbilanz zugunsten des Steuerpflichtigen abzuweichen ist (vgl. PETER BRÜLISAUER/ANDREAS HELBING, DBG-Kommentar I/2a, Art. 60 N 3; RO-

              BERT DANON, 1ère partie, 15; ders., in: Danielle Yersin/Yves Noël [Hrsg.],

              Commentaire romand de la LIFD, 2008 [im Folgenden: Commentaire LIFD], Art. 60 N. 2; PASCAL TADDEI, Die gewinnsteuerneutrale Buchwertübertragung von Vermögenswerten auf Tochtergesellschaften, 2012,

              S. 111; vgl. ferner mit Bezug auf die sogleich zu erwähnenden sog. unechten Sanierungserträge PETER UEBELHART et al., Sanierung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, ST 3/2011 S. 182 ff., S. 189; a.M. offenbar REICH, § 20 N. 12). Entsprechend dieser Meinung wird denn auch mitunter angenommen, dass gewinnsteuerlich gesehen nicht nur die Kapitaleinlage, sondern auch die Verrechnung von Verlusten mit Kapitaleinlagen in der Handelsbilanz erfolgsneutral ist und damit durch eine solche Verrechnung in der Handelsbilanz ausgebuchte Verluste steuerlich in den zeitlichen Schranken von Art. 67 Abs. 1 DBG in einem Folgejahr noch zur Verrechnung gebracht werden können (vgl. DANON, Commentaire LIFD, Art. 60 N. 38). In gleicher Richtung geht auch die im Kreisschreiben der ESTV Nr. 32 «Sanierung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften» (im Folgenden: KS ESTV Nr. 32) vorgesehene Regelung für sog. unechte Sanierungserträge, zu welchen nach dem Kreisschreiben Erträge zählen, welche entweder durch Kapitalherabsetzungen von sanierungsbedürftigen Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften oder aber durch à- fonds-perdu-Leistungen der Beteiligungsinhaber solcher Gesellschaften entstanden sind. Denn nach diesem Kreisschreiben gelten zulasten unechter Sanierungserträge handelsrechtlich vorgenommene Verlustausbuchungen steuerlich als nicht erfolgt (Ziff. 3.1 Bst. b KS ESTV Nr. 32; im gleichen Sinne DANIELA SCHMUCKI/ANDREA NORDIN, Sanierung und Steuern, in: Thomas Sprecher [Hrsg.], Sanierung und Insolvenz von Unternehmen IV, 2014, S. 21 ff., S. 29, wonach der unechte Sanierungsertrag keine steuerlichen Verlustvorträge konsumiere, selbst wenn diese handelsrechtlich eliminiert würden).

            4. Ein Unterschied zwischen der gewinnsteuerlichen und der hier interessierenden verrechnungssteuerrechtlichen Regelung besteht insofern, als die beiden Regelungskomplexe unterschiedliche Zeitpunkte erfassen: Während Art. 60 Bst. a DBG den Zeitpunkt der Kapitaleinlage regelt, geht es bei Art. 5 Abs. 1bis VStG um den Zeitpunkt der Rückzahlung der Kapitaleinlage. Dieser Umstand wird in der Lehre teilweise nicht als relevant eingestuft. Dabei wird vertreten, eine Leistung, die gewinnsteuerrechtlich als Kapitaleinlage zu qualifizieren sei, behalte diese Qualifikation bei und müsse dementsprechend verrechnungssteuerrechtlich bei der «Rückzahlung» als Kapitalentnahme behandelt werden (BRÜLISAUER/SUTER, 1. Teil, S. 120 f.). Dieser Auffassung kann indessen nicht gefolgt werden:

              Wie erläutert (E. 6.2.2.3.3), basiert die im KS ESTV Nr. 32 festgehaltene Regelung, wonach zulasten unechter Sanierungserträge handelsrechtlich vorgenommene Verlustausbuchungen gewinnsteuerlich nicht als erfolgt gelten, auf der gesetzlichen Ordnung, wonach Kapitaleinlagen im Zeitpunkt der Einlage gewinnsteuerneutral sind. Demgegenüber regelt Art. 5 Abs. 1bis VStG einzig die Verrechnungssteuerpflicht im Zeitpunkt der Rückzahlung von Kapitaleinlagen und setzt diese Steuerbefreiungsvorschrift nach ihrem Wortlaut (insbesondere) voraus, dass die Kapitaleinlage in diesem Zeitpunkt noch vorhanden, also nicht durch Verlustverrechnung untergegangen ist (vgl. E. 6.2.1). Letztere Voraussetzung, die auch für eine steuerfreie Rückzahlung von Kapitaleinlagen im Einkommenssteuerrecht gilt (vgl. Art. 20 Abs. 3 DBG und Art. 7b StHG, wonach die Rückzahlung von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen, die von den Inhabern der Beteiligungsrechte nach dem 31. Dezember 1996 geleistet worden sind, gleich behandelt wie die Rückzahlung von Grundoder Stammkapital), kann nicht dadurch ausgehebelt werden, dass aus der vom Gesetzgeber mit Art. 60 Bst. a DBG (im Sinne einer gewinnsteuerlichen Korrekturvorschrift) getroffenen Anordnung, dass die Kapitaleinlagen erfolgsneutral sind, Rückschlüsse für die verrechnungssteuerliche Beurteilung von Verlustverrechnungen mit Kapitaleinlagereserven gezogen werden. Nichts daran zu ändern vermag der Umstand, dass diese gewinnsteuerliche Anordnung, soweit man dem KS ESTV Nr. 32 folgt, auch im Fall von Verlustausbuchungen in der Handelsbilanz infolge Verrechnung mit Kapitaleinlagen und damit über den Zeitpunkt der Kapitaleinlage hinaus greift.

            5. Gegen die nach dem Vorstehenden gebotene unterschiedliche Behandlung von handelsrechtlichen Verlustverrechnungen mit Kapitaleinlagen im Einkommensund im Verrechnungssteuerrecht zum einen und im Gewinnsteuerrecht zum anderen lässt sich entgegen einer in der Doktrin

    vertretenen Auffassung auch nicht der im schweizerischen Steuerrecht verankerte, teilweise gemilderte Grundsatz der wirtschaftlichen Doppelbelastung anrufen (so jedoch BRÜLISAUER/SUTER, 1. Teil, S. 121). Denn, wie aufgezeigt, hat der Gesetzgeber im Einkommensund im Verrechnungssteuerrecht die Rückzahlung von Kapitaleinlagen bzw. die Kapitalentnahmen, im Gewinnsteuerrecht dagegen die Kapitaleinlagen geregelt und dabei eine Inkongruenz bezüglich der dabei jeweils massgebenden Begriffe der Kapitaleinlage und Kapitalentnahme in Kauf genommen (vgl. E. 6.2.2.3.3 f.).

          1. Nach einem Teil der Lehre rechtfertigt es sich sodann, verrechnungssteuerlich ein «Wiederauffüllen» von Kapitaleinlagereserven entgegen der im KS ESTV Nr. 29 statuierten definitiven Reduktion von Kapitaleinlagereserven bei Verlustverrechnung zuzulassen, weil damit eine Spannung zum Emissionsabgaberecht vermieden werde (DANON, 1ère partie,

            S. 19 f.). Im Blickfeld ist dabei die Praxis, wonach für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift von Art. 6 Abs. 1 Bst. k StG und der Erlassnorm von Art. 12 StG zwingend vorausgesetzt wird, dass Verluste (aus der Handelsbilanz) beseitigt werden (vgl. Ziff. 3.3.2 f. KS ESTV Nr. 32 und mit Bezug auf Art. 6 Abs. 1 Bst. k StG Ziff. 2.2.3 KS ESTV Nr. 29). Bei Annahme einer definitiven Reduktion verrechnungssteuerfrei rückzahlbarer Kapitaleinlagen im Falle der Verlustverrechnung bestehe eine Spannung zwischen dem Interesse des sanierenden Aktionärs, der eine steuerfreie Rückführung der Kapitaleinlagereserve anstrebe, und dem Interesse der sanierungsbedürftigen Gesellschaft an einer Vermeidung der Kosten der Emissionsabgabe (BARBARA BRAUCHLI ROHRER/XENIA ATHANASSOGLOU,

            Kapitaleinlageprinzip, 2. Teil, ST 12/2010 S. 875 ff., S. 876; DANON, 1ère

            partie, S. 19; vgl. dazu auch RECHSTEINER/SIGRIST, a.a.O., S. 786).

            Es kann hier offen bleiben, ob die nach der Praxis zur Emissionsabgabe geforderte Beseitigung von Verlusten deren Verrechnung mit sanierungshalber geleisteten Zuschüssen bzw. deren Ausbuchung aus der Handelsbilanz erfordert und ob damit die in der Doktrin skizzierte Spannung zur Verrechnungssteuer überhaupt besteht (vgl. DUSS, a.a.O., S. 72 f.; s. dazu auch Ziff. 2.2.3 KS ESTV Nr. 29, wo vom Erfordernis der Verrechnung unechten Sanierungsertrages mit Verlusten die Rede ist). Denn die verrechnungssteuerrechtliche Frage, wann eine Kapitaleinlage vorliegt und unter welchen Umständen von einer steuerfreien Rückzahlung der Kapitaleinlage ausgegangen werden kann, ist nicht mit der emissionsabgaberechtlichen Fragestellung gleichzusetzen, wann bestehende Verluste infolge von

            Kapitaleinlagen als beseitigt gelten (vgl. VON AH, a.a.O., S. 652). Das Emissionsabgaberecht stellt die vorstehenden verrechnungssteuerrechtlichen Überlegungen mit anderen Worten nicht in Frage.

          2. In der Doktrin wird verschiedentlich vorgebracht, das Leistungsfähigkeitsprinzip (Art. 127 Abs. 2 BV) werde verletzt, wenn im Sinne des KS ESTV Nr. 29 verrechnungssteuerlich bei Verlustverrechnung von einer definitiven Verminderung der Reserven aus Kapitaleinlagen ausgegangen und damit eine verrechnungssteuerfreie Ausschüttung von später erwirtschafteten Gewinnen in der Höhe der Verlustverrechnung ausgeschlossen würde (in diesem Sinne ALTORFER/GRETER, Kommentar VStG, Art. 5

            N. 150; CLEMENT/JAU, a.a.O., S. 337; DANON, 1ère partie, S. 19).

            Das Leistungsfähigkeitsprinzip spricht indessen nach dem vorn in E. 6.2.1 und E. 6.2.2.2 Ausgeführten nicht gegen einen Ausschluss der Wiederherstellung von mit Verlusten verrechneten Kapitaleinlagen, handelt es sich doch bei den zu beurteilenden «Rückzahlungen» gar nicht um Rückzahlungen des eingelegten Kapitals, sondern um Ausschüttungen von später erwirtschafteten Gewinnen.

          3. Nach dem Dargelegten drängt sich auch aufgrund systematischer Überlegungen kein Abweichen vom Wortlaut von Art. 5 Abs. 1bis VStG auf.

        1. Es bleibt zu klären, ob die Entstehungsgeschichte von Art. 5 Abs. 1bis VStG ein Abweichen vom Wortlaut dieser Bestimmung nahelegt (vgl. historisches Auslegungselement; vgl. E. 2.1).

          1. In der Botschaft Unternehmenssteuerreform II finden sich insbesondere Ausführungen, wonach bis zehn Jahre vor dem Inkrafttreten der Reform einbezahltes Agio auf Antrag berücksichtigt werden bzw. steuerfrei rückzahlbar sein soll, «sofern auf Grund der Handelsbilanz Reserven und Gewinnvorträge in mindestens gleicher Höhe nachgewiesen werden» (BBl 2005 4802). Ferner wird in der Botschaft ausgeführt, durch den Übergang zum Kapitaleinlageprinzip werde «die Möglichkeit der steuerfreien Gewinnausschüttung eines fortbestehenden, wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmens ausgeweitet» (BBl 2005 4860). Nach einer in der Doktrin vertretenen Auffassung sprechen diese Stellen aus der Botschaft für die Annahme, dass der Gesetzgeber zwischenzeitliche Verrechnungen mit Verlusten oder andere Veränderungen als unerheblich erachtete und damit die handelsbilanzielle Ausbuchung von Kapitaleinlagereserven einer verrechnungssteuerfreien Rückzahlung von späteren Gewinnen in entsprechender Höhe nicht entgegensteht (vgl. ARNOLD, a.a.O., S. 104; CLEMENT/JAU, a.a.O., S. 337).

            Indessen ist in der Botschaft Unternehmenssteuerreformgesetz II im Zusammenhang mit dem Kapitaleinlageprinzip (BBl 2005 4800 ff.) an keiner Stelle ausdrücklich von der Verlustverrechnung mit Kapitaleinlagereserven die Rede (vgl. dazu auch CLEMENT/JAU, a.a.O., S. 337 Fn. 16). Letzteres legt den Schluss nahe, dass der Bundesrat mit seinen Ausführungen über die verrechnungssteuerfreie Rückzahlung von Agio bei Vorhandensein von Gewinnvorträgen und seinem Hinweis auf die Ausdehnung der Möglichkeit der steuerfreien Gewinnausschüttung nicht diejenige Konstellation im Auge hatte, welche hier zur Diskussion steht. Vielmehr scheint man mit dieser Ausdrucksweise in der Botschaft dem Umstand Rechnung getragen zu haben, dass nach dem seinerzeit geltenden Handelsrecht Kapitaleinlagereserven nicht separat, sondern mit erwirtschafteten Gewinnen als allgemeine Reserven im Sinne von aArt. 671 OR auszuweisen waren (vgl. zum früheren Rechnungslegungsrecht PETER BÖCKLI, L'agio, champ de bataille, ST 8/2011 S. 546 ff., S. 546 f.; HAUSMANN/TADDEI, a.a.O., S. 88). Jedenfalls

            lassen die genannten Stellen aus der Botschaft in Bezug auf das hier diskutierte Problem keine eindeutigen Folgerungen zu.

          2. Auch aus dem Umstand, dass in der Botschaft Unternehmenssteuerreform II im Zusammenhang mit dem verrechnungssteuerrechtlichen Kapitaleinlageprinzip an einer weiteren Stelle auf Art. 60 Bst. a DBG (und die entsprechende Vorschrift von Art. 24 Abs. 2 Bst. a StHG) Bezug genommen wird (vgl. Botschaft Unternehmenssteuerreform II, BBl 2005 4802), kann für die hier zu beurteilende Frage nichts abgeleitet werden. Insbesondere schliesst die Bezugnahme auf diese gewinnsteuerlichen Vorschriften eine unterschiedliche Behandlung der Verrechnung von Verlusten mit Kapitaleinlagen im Gewinnund im Verrechnungssteuerrecht weder ausdrücklich noch implizit aus (anders jedoch BRÜLISAUER/SUTER, 1. Teil,

            S. 120 [mit ihrem vorn in E. 6.2.2.3.1 erwähnten Postulat der Kongruenz der Kapitalentnahmebegriffe im Verrechnungssteuerund Gewinnsteuerrecht]).

          3. Nach dem Gesagten drängt sich auch mit Blick auf das historische Auslegungselement nicht die Annahme auf, dass der hier interessierende Wortlaut von Art. 5 Abs. 1bis VStG (bzw. der darin enthaltene Passus

            «Rückzahlung von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen, die von den Inhabern der Beteiligungsrechte [ ] geleistet worden sind») nicht den richtigen Sinn der Vorschrift zum Ausdruck bringt.

        2. Im Rahmen der Auslegung der Bestimmung stellt sich ferner die Frage, ob sich im Lichte des erwähnten Zwecks von Art. 5 Abs. 1bis VStG (E. 4.3) ein abweichender Schluss aufdrängt (teleologisches Auslegungselement), d.h. ob mit Blick auf Sinn und Zweck der Norm ein triftiger Grund für die Annahme vorliegt, dass der Wortlaut nicht den richtigen Sinn der Vorschrift wiedergibt (vgl. E. 2.1).

          1. Der Zweck der fraglichen Bestimmung, die Rückzahlung von Kapitaleinlagen der Rückzahlung von Einlagen in das Grundoder Stammkapital gleichzustellen (vgl. E. 4.3), verlangt nicht, dass Gewinne, die eine Gesellschaft nach einer Verrechnung von Verlusten mit Kapitaleinlagereserven erwirtschaftet, in der Höhe der verrechneten Verluste verrechnungssteuerfrei an die Beteiligungsinhaber ausgeschüttet werden können:

            Anders als eine Kapitaleinlagereserve lässt sich das Grundoder Stammkapital nicht in Form eines Buchungsvorganges mit Verlusten «verrechnen». Würde Grundoder Stammkapital zur Eliminierung von Verlusten verwendet, wäre stattdessen - da das Grundoder Stammkapital grundsätzlich fix ist - das formalisierte Verfahren der Kapitalherabsetzung (bei der Aktiengesellschaft gemäss Art. 732 ff. OR) durchzuführen (so zum Aktienkapital MICHEL HEINZMANN, Die Herabsetzung des Aktienkapitals, 2004,

            N. 9). Gegebenenfalls würde, wenn Beteiligungsrechte gestützt auf einen entsprechenden Kapitalherabsetzungsbeschluss oder im Hinblick auf einen solchen durch die Gesellschaft erworben würden, sogleich sowie unbedingt Vermögensertrag realisiert und läge zu diesem Zeitpunkt ein grundsätzlich verrechnungssteuerpflichtiger Tatbestand vor (vgl. Art. 4a VStG sowie Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-4084/2007 vom 5. November 2008 E. 5.2.1). Allein durch die Erwirtschaftung späterer Gewinne würde hernach weder das qua Kapitalherabsetzung vernichtete Grundoder Stammkapital wiederhergestellt, noch neues Grundoder Stammkapital geschaffen werden. Eine steuerfreie Rückzahlung dieser Gewinne unter dem Titel Rückzahlung «wiederaufgefüllten» Grundoder Stammkapitals wäre somit ausgeschlossen, so dass Entsprechendes nach dem Zweck des Gesetzes auch für die Rückzahlung «wiederaufgefüllter» Kapitaleinlagereserven gelten muss.

            Die vom Gesetz bezweckte Gleichbehandlung von Einlagen in die Kapitaleinlagereserven und von Einlagen in das Grundoder Stammkapital rechtfertigt somit kein Abweichen vom Gesetzeswortlaut, nach welchem von einem definitiven Untergang von Kapitaleinlagereserven durch Verrechnung auszugehen ist (vgl. E. 6.2.1).

          2. In der Doktrin wird sodann vorgebracht, eine verrechnungssteuerrechtliche Nichtzulassung des «Wiederauffüllens» von Kapitaleinlagereserven nach Verlustverrechnung würde die vom Gesetzgeber angeordnete

    «Rückwirkung» unterlaufen (so DUSS, a.a.O., S. 72) bzw. in dem Sinn zu einer negativen «Vorwirkung» führen, als Steuerpflichtige in der Vergangenheit Verrechnungen mit Kapitaleinlagen vorgenommen hätten, ohne zu wissen, dass sie dadurch inskünftig die Möglichkeit einer steuerfreien Rückzahlung verwirken. Die Regelung betreffend Verlustverrechnung von Kapitaleinlagen im KS ESTV Nr. 29 benachteilige Steuerpflichtige, die solche - besonders bei wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen im Rahmen von Sanierungen häufigen - Verrechnungen vorgenommen hätten (BRAUCHLI ROHRER/ATHANASSOGLOU, 1. Teil, S. 692).

    Dieser Einwand gegenüber der hier in Frage stehende Regelung des KS ESTV Nr. 29 bzw. die darin vertretene, mit dem Wortlaut des Gesetzes übereinstimmende Auslegung von Art. 5 Abs. 1bis VStG ist unbegründet.

    Es ist zwar zutreffend, dass vor Erlass von Art. 5 Abs. 1bis VStG noch niemand wissen konnte, dass eine Verrechnung der Kapitaleinlagen mit Verlusten in verrechnungssteuerlicher Hinsicht - folgte man dem Wortlaut dieser Vorschrift (vgl. E. 6.2.1) - in Zukunft einmal für den Steuerpflichtigen ungünstige Folgen haben würde. Diese Problematik hat aber ihren Ursprung in der vom Gesetzgeber bewusst in das Gesetz aufgenommenen rückwirkenden Geltung für Kapitaleinlagen, die nach dem 31. Dezember 1996 von Beteiligungsinhabern geleistet wurden. Diese rückwirkende Geltung bildet eine Rückanknüpfung (E. 2.3). Bei einer Rückanknüpfung ist es ein immanentes Problem, dass im Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhaltes, an den - nachträglich - angeknüpft wird, nicht bekannt ist, ob und wie dieser für eine zukünftig in Kraft tretende Gesetzesnorm relevant werden könnte. Daher ist die Rückanknüpfung auch nur unter gewissen Voraussetzungen zulässig. Auf die Auslegung einer Gesetzesnorm kann es jedoch keinen Einfluss haben, ob diese eine solche Rückanknüpfung enthält. Insbesondere kann nicht Folge einer Rückanknüpfung sein, dass die Gesetzesnorm - hier Art. 5 Abs. 1bis VStG - im Ergebnis anders auszulegen ist, um allfällige für den Steuerpflichtigen ungünstige Folgen des sich

    bereits verwirklichten Sachverhaltes zu mildern. Mit anderen Worten bedeutet dies für den vorliegenden Fall, dass die bis hierhin vorgenommene Auslegung von Art. 5 Abs. 1bis VStG nicht aufgrund des Umstandes modifiziert werden kann, dass in der Vergangenheit allfällige Verlustverrechnungen nicht auf die aus heutiger Sicht nunmehr für die Steuerpflichtigen günstigste Art und Weise (nämlich unter Schonung der Kapitaleinlagereservekonti) vorgenommen worden sind. In diesem Sinne müssen sich Steuerpflichtige auf die im Zeitraum bis und mit 31. Dezember 2006 vorgenommenen Verrechnungen von Verlusten mit Kapitaleinlagereserven behaften lassen (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6142/2012 vom 4. Februar 2014 E. 7.4.2).

    6.3 Als Resultat der hiervor vorgenommenen Auslegung kann festgehalten werden, dass bei Leistungen an die Anteilsinhaber, die nach einer Verrechnung von Kapitaleinlagereserven mit Verlusten unter Verwendung von danach erwirtschafteten Gewinnen finanziert wurden, keine «Rückzahlung von Einlagen, Aufgeldern und Zuschüssen» im Sinne von Art. 5 Abs. 1bis VStG vorliegt. Die zu Beginn der E. 6 aufgeworfene Frage ist demnach im Sinne des KS ESTV Nr. 29 zu beantworten, also in dem Sinne, dass Verluste, welche dem Kapitaleinlagekonto belastet wurden, die verrechnungssteuerfrei rückzahlbaren Reserven aus Kapitaleinlagen endgültig vermindern (vgl. E. 6.1.1).

    7.

    Die vorstehend erarbeiteten Rechtsgrundlagen sind nun auf den vorliegenden Fall anzuwenden.

      1. Streitig ist in erster Linie, ob die von der Beschwerdeführerin an ihre Aktionäre ausgerichteten Ausschüttungen von Fr. 100'000.- mit Fälligkeit am 1. Juni 2011 und von Fr. 200'000.- mit Fälligkeit am 14. August 2012 verrechnungssteuerpflichtig sind oder als Rückzahlung von Kapitaleinlagen im Sinne von Art. 5 Abs. 1bis VStG nicht der Verrechnungssteuer unterliegen. Zu Recht wird dabei nicht in Abrede gestellt, dass nur dann von einer Rückzahlung von Kapitaleinlagen ausgegangen werden kann, wenn die Beschwerdeführerin verrechnungssteuerrechtlich gesehen per 31. Dezember 2009 (und damit auch im Zeitpunkt dieser Ausschüttungen) über Reserven aus Kapitaleinlagen verfügte. Die Uneinigkeit unter den Verfahrensbeteiligten beschlägt einzig die Frage, ob verrechnungssteuerrechtlich betrachtet per 31. Dezember 2009 solche Reserven bei der Beschwerdeführerin vorhanden waren:

        Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe per 31. Dezember 2009 im Umfang von Fr. 1'265'479.- über steuerfrei rückzahlbare Kapitaleinlagen verfügt, nämlich aufgrund eines Agios in der Höhe von Fr. 840'000.- sowie infolge von Forderungsverzichten ihrer Aktionärinnen im Betrag von insgesamt Fr. 425'479.-. Demgegenüber stellt sich die Vorinstanz auf den Standpunkt, dass die Beschwerdeführerin per 31. Dezember 2009 infolge vorausgegangener Verrechnung des Agios von Fr. 840'000.- und des aufgrund der erwähnten Forderungsverzichte eingenommenen betriebsfremden Ertrages von Fr. 425'479.- mit Verlusten keine Reserven aus Kapitaleinlagen mehr hatte.

      2. Es ist unbestritten, dass vorliegend sowohl die streitbetroffenen Forderungsverzichte im Betrag von insgesamt Fr. 425'479.-, als auch das Agio von Fr. 840'000.- als Kapitaleinlagen im Sinne von Art. 5 Abs. 1bis VStG zu qualifizieren waren (vgl. dazu E. 2.1.2 des Einspracheentscheids) und diese nach dem 31. Dezember 1996 erbrachten Leistungen der Aktionäre in der Höhe von insgesamt Fr. 1'265'479.- in der per 31. Dezember 2006 erstellten Handelsbilanz der Beschwerdeführerin infolge Verrechnung mit Verlusten nicht (mehr) aufgeführt waren. Hingegen wies die per 31. Dezember 2009 erstellte Handelsbilanz der Beschwerdeführerin einen entsprechenden Betrag unter der Position «Kapitaleinlagereserve gem. Art. 20 Abs. 3 DBG + Art. 7b StHG» aus. Indem die Beschwerdeführerin diesen Betrag der Position Kapitaleinlagereserve zugewiesen hat, verminderte sich der ausgewiesene Jahresgewinn 2009 um den entsprechenden Betrag.

        Gemäss vorstehender E. 6 ist davon auszugehen, dass verrechnungssteuerrechtlich betrachtet die in Frage stehenden Leistungen der Aktionäre in der Höhe von insgesamt Fr. 1'265'479.- infolge Verlustverrechnung spätestens per 31. Dezember 2006 endgültig untergegangen sind und folglich seither keine «Rückzahlung» im Sinne des Gesetzes mehr erfolgen konnte. Die Voraussetzungen für eine steuerfreie Rückzahlung von Kapitaleinlagen im Sinne von Art. 5 Abs. 1bis VStG sind folglich nicht erfüllt.

      3. Am vorstehenden Resultat nichts ändern kann auch die (Neu-)Bildung der Position «Kapitaleinlagereserve gem. Art. 20 Abs. 3 DBG + Art. 7b StHG» in der Handelsbilanz der Beschwerdeführerin per 31. Dezember 2009. Das Einfügen der Position «Kapitaleinlagereserven» in die per

        31. Dezember 2009 erstellte Handelsbilanz macht nicht ungeschehen, dass diese Reserven bereits in diesem Zeitpunkt infolge Verrechnung mit dem Verlustvortrag aufgebraucht waren und somit nicht mehr existierten.

        Auch unter dem Blickwinkel des Massgeblichkeitsprinzips verhält es sich vorliegend nicht anders. Denn nach dem Ausgeführten (E. 5.2) handelt es sich gemäss dem hier noch massgebenden früheren Rechnungslegungsrecht bei der Bildung der erwähnten Position «Kapitaleinlagereserve gem. Art. 20 Abs. 3 DBG + Art. 7b StHG» in der Handelsbilanz per 31. Dezember 2009 um ein gegen die Grundsätze ordnungsgemässer Rechnungslegung verstossendes und damit handelsrechtlich nicht zulässiges «Wiederauffüllen» von infolge Verlustverrechnung untergegangenen (allfälligen) Kapitaleinlagereserven. Verrechnungssteuerrechtlich kann deshalb aus dem erwähnten Ausweis von «Kapitaleinlagereserven» in der per 31. Dezember 2009 erstellten Bilanz unter Berufung auf das Massgeblichkeitsprinzips nichts abgeleitet werden, da nach diesem Grundsatz nur eine handelsrechtskonforme Bilanz Grundlage für die steuerliche Beurteilung bilden kann (vgl. E. 3.3 Abs. 2).

      4. Nach dem Gesagten sind der Antrag, es seien «die Reserven aus Kapitaleinlagen [ ] per 31. Dezember 2009 auf CHF 1'265'479 festzusetzen» (Beschwerde, S. 2), und die daran geknüpften weiteren Begehren der Beschwerdeführerin unbegründet.

    8.

    Die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin vermögen an den hiervor gezogenen Schlüssen nichts zu ändern:

      1. Die Beschwerdeführerin macht insbesondere geltend, das KS ESTV Nr. 29 sei insoweit gesetzwidrig, als es für eine steuerfreie Rückzahlung einer im Zeitraum vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2010 geleisteten Kapitaleinlage verlange, dass die Kapitaleinlage nicht bis zum 31. Dezember 2010 mit Verlusten verrechnet worden ist. Das Statuieren dieser Voraussetzung in einer Verwaltungsverordnung stelle eine Lückenfüllung dar, für welche infolge qualifizierten Schweigens des Gesetzes bzw. mangels Gesetzeslücke kein Raum bestehe. Das im KS ESTV Nr. 29 statuierte Verbot des «Wiederauffüllens» der Kapitaleinlagereserve nach Verlustverrechnung stehe überdies im Widerspruch zum Gesetzeszweck und zu den Materialien.

        Diese Einwände verfangen nicht. Denn, wie aufgezeigt, ergibt sich das Erfordernis, dass keine Verlustverrechnung erfolgt ist, nicht aus dem KS ESTV Nr. 29, sondern bereits aus Art. 5 Abs. 1bis VStG - also aus dem Gesetz selber -, nämlich aus der dort statuierten Regelung, wonach sich die Steuerfreiheit nur auf die Rückzahlung einer Kapitaleinlage erstreckt,

        die vom Beteiligungsinhaber - und nicht aus erwirtschafteten Gewinnen - geleistet wurde (vgl. E. 6). Sodann lässt sich aus den Materialien, insbesondere aus der Botschaft Unternehmenssteuerreform II, nach dem Gesagten nichts ableiten, was diesem Erfordernis dem Boden entziehen könnte. Insbesondere vermögen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin (vgl. Beschwerde, S. 11; Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 24. Dezember 2013, S. 3) auch die Ausführungen in der Botschaft Unternehmenssteuerreform II, wonach das Kapitaleinlageprinzip die Rückzahlung «der gesamten Kapitaleinlagen» ermögliche (BBl 2005, 4859), die Rechtskonformität des Ausschlusses der steuerfreien Rückzahlung von verrechneten Kapitaleinlagereserven nicht in Frage zu stellen.

      2. Ins Leere stösst die Beschwerdeführerin auch mit ihrem Vorbringen, es sei überspitzt formalistisch und sachlich nicht gerechtfertigt, bei Sanierungsleistungen der Anteilsinhaber darauf abzustellen, ob diese buchhalterisch mit ausgewiesenen Verlusten verrechnet oder einer Kapitaleinlagereserve gutgeschrieben würden (vgl. Beschwerde, S. 12 f.). Dies gilt schon deshalb, weil die Berücksichtigung der Verlustverrechnung - wie aufgezeigt - dem Massgeblichkeitsprinzip entspricht (vgl. E. 6.2.2.1).

      3. Die Beschwerdeführerin rügt ferner, sie werde im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen, welche nach der Publikation des KS ESTV Nr. 29 vor der Frage stehen, ob ein Verlust mit einer Kapitaleinlage verrechnet werden soll, rechtsungleich behandelt, und zwar aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin vor der Veröffentlichung dieser Verwaltungsverordnung nicht habe wissen können, dass eine Verlustverrechnung zur Vernichtung der Kapitaleinlagen führe. Es komme hinzu, dass eine Besteuerung der Rückzahlung ihrer Kapitaleinlagen den Grundsatz von Treu und Glauben verletze (vgl. insbesondere Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 24. Dezember 2013, S. 7).

        Dieses Vorbringen entbehrt schon deshalb jeder Grundlage, weil sich nach dem Ausgeführten bereits aus Art. 5 Abs. 1bis VStG ergibt, dass eine Verlustverrechnung mit Kapitaleinlagen deren steuerfreie Rückzahlung ausschliesst. Eine auf dem KS ESTV Nr. 29 beruhende rechtsungleiche Behandlung liegt demnach nicht vor. Zwar erhebt die Beschwerdeführerin sinngemäss die Rüge, es sei eine unzulässige, zu Rechtsungleichheiten führende Rückbzw. «Vorwirkung» gegeben. Wie erläutert, müssen sich die Steuerpflichtigen aber trotz Vorliegens einer Rückanknüpfung auf den von ihnen im Zeitraum bis und mit 31. Dezember 2006 vorgenommenen Verrechnungen von Verlusten mit Kapitaleinlagereserven behaften lassen

        (vgl. E. 6.2.4.2). Weder wird die Zulässigkeit der Rückanknüpfung durch wohlerworbene Rechte der Beschwerdeführerin in Frage gestellt, noch steht der Grundsatz von Treu und Glauben bzw. der Vertrauensschutz dieser Rückanknüpfung entgegen. Letzteres gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Vornahme der Verlustverrechnungen mit Blick auf das damals geltende Nennwertprinzip noch davon ausgehen musste, dass die Ausschüttung späterer Gewinne auch unter dem Titel

        «Rückzahlung von Kapitaleinlagen» steuerbar sein würde. Es kann damit von vornherein nicht behauptet werden, die Beschwerdeführerin habe im Vertrauen auf die Weitergeltung des bisherigen Rechts Dispositionen getroffen, die sie nicht mehr ohne Nachteil rückgängig machen kann.

        Im Übrigen könnte selbst dann nichts zugunsten der Beschwerdeführerin abgeleitet werden, wenn angenommen würde, dass Art. 5 Abs. 1bis VStG im Sinne einer echten Rückwirkung für die Vergangenheit lediglich diejenigen Steuerpflichtigen begünstigt, welche im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2010 auf eine Verrechnung ihrer Kapitaleinlagereserven mit Verlusten verzichtet haben. Zwar darf eine Rückwirkung begünstigender Erlasse nicht zu Rechtsungleichheiten führen (vgl. HÄFELIN et al., a.a.O., N. 335). Ein Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot (vgl. Art. 8 Abs. 1 BV) könnte aber bei Annahme einer echten Rückwirkung nur zur Folge haben, dass sich eine Anwendung der Rückwirkungsklausel auf die von ihr Begünstigten zum Nachteil von Personen in gleicher oder vergleichbarer Lage verbietet (vgl. BVGE 2007/25 E. 4.2). Ein Anspruch auf eine gesetzlich nicht vorgesehene Rückwirkung, wie ihn die Beschwerdeführerin sinngemäss geltend macht, lässt sich hingegen aus dem Rechtsgleichheitsgebot nicht ableiten.

      4. Die Beschwerdeführerin hält sodann dafür, Art. 5 Abs. 1bis VStG bilde eine steuerrechtliche Korrekturvorschrift, welche insoweit eine Abweichung vom Massgeblichkeitsprinzip zulasse, als sie eine Wiedereinbuchung von verrechneten Kapitaleinlagereserven ermögliche (vgl. Beschwerde, S. 14 f.; Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 24. Dezember 2013, S. 4).

    Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bildet Art. 5 Abs. 1bis VStG keine Grundlage, die Handelsrechtswidrigkeit der vorliegend per 31. Dezember 2009 vorgenommenen Wiedereinbuchung der Kapitaleinlagereserven (vgl. E. 7.4) verrechnungssteuerrechtlich unberücksichtigt zu lassen: Zwar wollte der Gesetzgeber mit der Regelung des buchmässigen Ausweises in Art. 5 Abs. 1bis VStG gemäss einer in der Literatur geäusserten Auffassung ermöglichen, dass die von den Inhabern der Beteiligungsrechte geleisteten Kapitaleinlagen mittels eines gesonderten Nachweises in der Handelsbilanz nachvollzogen werden können (in diesem Sinne ALTORFER/GRETER, Kommentar VStG, Art. 5 N. 153 f., mit Hinweis auf Botschaft Unternehmenssteuerreformgesetz II, BBl 2005 4801). Es besteht aber kein Grund zur Annahme, dass Art. 5 Abs. 1bis VStG, wo bezeichnenderweise von der Handelsbilanz (und nicht von einer Steuerbilanz) die Rede ist, für den Sonderfall der Verrechnung von Kapitaleinlagen mit Verlusten verrechnungssteuerrechtlich abweichend vom Handelsrecht eine nachträgliche Wiederauffüllung der Kapitaleinlagereserven mit erwirtschafteten Gewinnen erlaubt.

    Welche Tragweite dem in Art. 5 Abs. 1bis VStG statuierten Erfordernis, dass die Kapitaleinlagen «in der Handelsbilanz auf einem gesonderten Konto ausgewiesen werden und die Gesellschaft jede Veränderung auf diesem Konto der Eidgenössischen Steuerverwaltung meldet», im Übrigen zukommt, muss hier nicht abschliessend geklärt werden.

    9.

    Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weil die Beschwerdeführerin per 31. Dezember 2009 und danach über keine steuerfrei rückzahlbare Kapitaleinlagereserven mehr verfügte und damit auch die von der ESTV erhobene, in der Höhe (für den Fall des Fehlens solcher Reserven) unbestrittene Verrechnungssteuerforderung rechtens war. Die Beschwerde ist somit abzuweisen.

    Ausgangsgemäss hat die unterliegende Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Diese sind auf Fr. 6'000.-festzulegen (vgl. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der in gleicher Höhe geleistete Kostenvorschuss ist zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (vgl. Art. 64 Abs. 1 VwVG e contrario und Art. 7 Abs. 1 VGKE e contrario sowie Art. 7 Abs. 3 VGKE).

    (Das Dispositiv befindet sich auf der nächsten Seite.)

    Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

    1.

    Die Beschwerde wird abgewiesen.

    2.

    Die Verfahrenskosten werden auf Fr. 6'000.- festgesetzt. Der einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

    3.

    Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

    4.

    Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde);

  • die Vorinstanz (Ref.-Nr. [ ]; Gerichtsurkunde).

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Salome Zimmermann Beat König

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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