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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-2469/2014

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-2469/2014

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-2469/2014
Datum:23.06.2014
Leitsatz/Stichwort:Wegweisung und Wegweisungsvollzug (Beschwerde gegen Wiedererwägungsentscheid)
Schlagwörter : Italien; Beschwerdeführende; Beschwerdeführenden; Verfügung; Bundesverwaltungsgericht; Behörden; Verfahren; Wiedererwägung; Behandlung; Person; Überstellung; Familie; Urteil; Verfahrens; Recht; Personen; Vorinstanz; Sachverhalt; Wegweisung; Zugang; Versorgung; Schweiz
Rechtsnorm: Art. 445 ZGB ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 66 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV

D-2469/2014/plo

U r t e i l  v o m  2 3.  J u n i  2 0 1 4

Besetzung Richter Hans Schürch (Vorsitz),

Richter Fulvio Haefeli, Richter Yanick Felley, Gerichtsschreiber Christoph Basler.

Parteien A. , geboren ( ), B. , geboren ( ),

  1. , geboren ( ),

  2. , geboren ( ),

  3. , geboren ( ),

  4. , geboren ( ), Afghanistan,

alle vertreten durch lic. iur. Martina Culic,

Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not, ( ),

Beschwerdeführende,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Beschwerde gegen Wiedererwägungsentscheid/Dublin-Verfahren); Verfügung des BFM vom 6. Mai 2014 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

    1. Die Beschwerdeführer, ethnische Tadschiken aus Afghanistan, gelangten am 11. August 2013 in die Schweiz, wo sie gleichentags um Asyl nachsuchten. Bei der Befragung zur Person (BzP) vom 23. August 2013 gaben sie an, sie hätten längere Zeit im Iran gelebt, seien von der Türkei her kommend in Seenot geraten und von der italienischen Küstenwache gerettet worden. Die italienischen Behörden hätten sie registriert und in einem Empfangslager untergebracht. Ihr Sohn C. leide an Leukämie und könne einzig durch eine Knochenmarkspende gerettet werden; in Italien könne er nicht ausreichend medizinisch behandelt werden.

    2. Die italienischen Behörden hiessen das Ersuchen des BFM vom

      6. September 2013 zur Übernahme der Beschwerdeführenden gestützt auf Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom

      18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines Asylantrages zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines Drittlandes in einem Mitgliedstaat gestellt hat (Dublin-II-Verordnung) am 18. September 2013 gut.

    3. Mit Verfügung vom 3. Oktober 2013 trat das BFM gestützt auf Art. 34 Abs. 2 Bst. d aAsylG auf die Asylgesuche nicht ein, und wies die Beschwerdeführenden nach Italien weg.

    4. Das BFM teilte den italienischen Behörden am 4. Oktober 2013 mit, dass C. an Leukämie leide und zurzeit medikamentös behandelt werde. Die Beschwerdeführerin sei hochschwanger und es werde geprüft, ob das Neugeborene für eine Knochenmarkspende an C. in Frage komme. Angesichts der besonderen Verletzlichkeit der Familie werde um die Mitteilung eines angemessenen Ansprechpartners in Italien gebeten. Die medizinischen Unterlagen würden zu einem späteren Zeitpunkt übermittelt.

    5. Die italienischen Behörden teilten dem BFM am 4. Oktober 2013 mit, die Beschwerdeführenden hätten sich nach ihrer Rückkehr umgehend an die Grenzpolizei zu wenden. Sie würden dem "G. " (H. ) zugewiesen.

    6. Das Bundesverwaltungsgericht wies eine gegen die Verfügung vom

3. Oktober 2013 gerichtete Beschwerde vom 18. Oktober 2013 mit Urteil

D-5957/2013 vom 3. Dezember 2013 ab.

B.

    1. Mit Eingabe an das BFM vom 7. März 2014 ersuchten die Beschwerdeführenden durch ihre Rechtsvertreterin um die Feststellung, dass seit Erlass der ursprünglichen Verfügung eine wiedererwägungsrechtlich massgebliche Änderung der Sachlage eingetreten sei beziehungsweise neue erhebliche Beweismittel vorgebracht würden. Die Verfügung vom

      3. Oktober 2013 sei wiedererwägungsweise aufzuheben und es sei festzustellen, dass ihnen eine Wegweisung nach Italien nicht zuzumuten sei. Es sei ihnen in der Schweiz ein nationales Asylverfahren zu gewähren. Die Vollzugsbehörden seien anzuweisen, von Vollzugshandlungen abzusehen und sie seien von der Bezahlung von Verfahrenskosten zu befreien. Der Eingabe lagen diverse Beweismittel bei (vgl. S. 11 derselben).

    2. Das BFM forderte die Beschwerdeführenden mit Zwischenverfügung vom 28. März 2014 unter Androhung des Nichteintretens auf das Wiedererwägungsgesuch im Falle der Nichtbezahlung zur Leistung eines Gebührenvorschusses von Fr. 600.- auf (Frist: 11. April 2014). Der Vollzug der Wegweisung wurde nicht ausgesetzt.

    3. Am 7. April 2014 übermittelten die Beschwerdeführenden dem BFM zwei weitere Arztberichte und teilten mit, sie würden den Gebührenvorschuss fristgerecht leisten.

C.

Das BFM wies das Wiedererwägungsgesuch mit Verfügung vom 6. Mai 2014 ab, soweit es darauf eintrat. Es stellte fest, die Verfügung vom

3. Oktober 2013 sei rechtskräftig und vollstreckbar. Es erhob eine Gebühr von Fr. 600.- und stellte fest, diese sei durch den am 14. April 2014 (recte: 10. April 2014) geleisteten Gebührenvorschuss gedeckt. Des Weiteren hielt es fest, dass einer allfälligen Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukomme.

D.

Mit Eingabe an das Bundesverwaltungsgericht vom 8. Mai 2014 beantragten die Beschwerdeführenden durch ihre Vertreterin, es sei festzustellen, dass seit Erlass der ursprünglichen Verfügung eine wiedererwägungsrechtlich massgebliche Änderung der Sachlage eingetreten sei beziehungsweise neue erhebliche Beweismittel vorgebracht würden. Die Verfügung vom 6. Mai 2014 sei aufzuheben. Es sei festzustellen, dass ihnen eine Wegweisung nach Italien nicht zumutbar sei und ihnen ein nationales Asylverfahren in der Schweiz zu gewähren. Die Vollzugsbehörden

seien vorsorglich anzuweisen, bis zum Entscheid über die Beschwerde von Vollzugshandlungen abzusehen. Sie seien von der Bezahlung von Verfahrenskosten zu befreien und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sei zu verzichten. Der Eingabe lagen eine Honorarnote vom

8. Mai 2014 und eine Bestätigung der Fürsorgeabhängigkeit der Beschwerdeführenden vom 4. März 2014 bei.

E.

Der Instruktionsrichter hiess die Gesuche um Aussetzung des Wegweisungsvollzugs und Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG mit Zwischenverfügung vom 15. Mai 2014 gut, nachdem er den Vollzug der Wegweisung bereits am 13. Mai 2014 vorsorglich ausgesetzt hatte. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 2 VwVG wies er ab. Die Akten überwies er zur Vernehmlassung an das BFM.

F.

Die Beschwerdeführenden reichten am 27. Mai 2014 zwei den Beschwerdeführer betreffende ärztliche Zeugnisse ein.

G.

Das BFM beantragte in seiner Vernehmlassung vom 30. Mai 2014 die Abweisung der Beschwerde.

H.

In ihrer Stellungnahme vom 10. Juni 2014 hielten die Beschwerdeführenden an ihren Anträgen fest.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Nachdem gemäss Lehre und Praxis Wiedererwägungsentscheide grundsätzlich wie die ursprüngliche Verfügung auf dem ordentlichen Rechtsmittelweg weitergezogen werden können, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Es entscheidet auf dem Gebiet des Asyls - in

      der Regel und auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).

    2. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Die Beschwerdeführenden haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, sind durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

3.

Das Wiedererwägungsverfahren ist im Asylrecht spezialgesetzlich geregelt (vgl. Art. 111b ff. AsylG). Ein entsprechendes Gesuch ist dem BFM innert 30 Tagen nach Entdeckung des Wiedererwägungsgrundes schriftlich und begründet einzureichen; im Übrigen richtet sich das Verfahren nach den revisionsrechtlichen Bestimmungen von Art. 66-68 VwVG (Art. 111b Abs. 1 AsylG).

In seiner praktisch relevantesten Form bezweckt das Wiedererwägungsgesuch die Änderung einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung an eine nachträglich eingetretene erhebliche Veränderung der Sachlage (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1995 Nr. 21 E. 1 S. 202 ff.). Falls die abzuändernde Verfügung unangefochten blieb - oder ein eingeleitetes Beschwerdeverfahren mit einem blossen Prozessentscheid abgeschlossen wurde - können auch Revisionsgründe einen Anspruch auf Wiedererwägung begründen (zum sogenannten «qualifizierten Wiedererwägungsgesuch» vgl. etwa EMARK 2003 Nr. 17 E. 2.a S. 103 f. m.w.H.).

4.

4.1 Das BFM begründete seinen Entscheid damit, dass es sich bei den im Gesuch erwähnten Urteilen einzelner deutscher Verwaltungsgerichte sowie den Bemerkungen zu den allgemeinen, als unzulänglich bezeichneten Aufnahmebedingungen in Italien nicht um neue Tatsachen oder

Beweismittel handle, die nicht bereits Gegenstand des ordentlichen Verfahrens gewesen seien. Die geltend gemachten psychischen Probleme von A. , die Hauterkrankung von B. und die Zahnprobleme von D. hätten bereits vor Rechtskraft des Entscheids vom 3. Oktober 2013 bestanden. Das Bundesverwaltungsgericht habe den Gesundheitszustand von C. ausführlich gewürdigt und festgehalten, seine weitere medizinische Betreuung sei in Italien möglich. Es sei nicht erstellt, dass Italien gegen die Bestimmungen der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung der Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (Aufnahmerichtlinie) systematisch verstosse. Dublin-Rückkehrende und vulnerable Personen würden bevorzugt behandelt. Für letztere seien insbesondere in Mailand und Rom besondere Strukturen geschaffen worden. In ihrem Zustimmungsschreiben zur Wiederaufnahme hätten die italienischen Behörden den Schweizer Behörden mitgeteilt, wohin die Beschwerdeführenden zu überstellen seien. Sie hätten auch den Namen der Betreuungsstelle angegeben, an die sie sich bei ihrer Ankunft in Italien melden könnten. Das H. , das durch das Hilfswerk I. geführt werde, biete Unterkunft und Unterstützung für besonders vulnerable Personen. Das Kindeswohl werde massgeblich dadurch geprägt, dass ein Verbleib im familiären Kontext gewährleistet bleibe, was vorliegend der Fall sei, da die Beschwerdeführenden zusammen nach Italien überstellt würden. Die medizinische Grundversorgung sei in Italien selbst für illegal anwesende Personen gewährleistet. Die Beschwerdeführenden hätten die Möglichkeit, nach ihrer Überstellung in Italien ein Asylgesuch einzureichen und damit in die asylrechtlichen Strukturen aufgenommen zu werden. Der Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung sei unter anderem durch die Aufnahmerichtlinie sichergestellt, wonach Asylsuchenden nicht nur die unbedingt erforderliche Behandlung angeboten werde. Die Beschwerdeführenden könnten auch in Italien medizinische Hilfe und psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen. Dem BFM lägen keine Hinweise dafür vor, dass Italien den Zugang zur medizinischen Versorgung nicht gewährleisten würde beziehungsweise die Krankheitsbilder dort nicht adäquat behandelt werden könnten. Der Umstand, wonach sie in das H. aufgenommen würden, lasse darauf schliessen, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung gewährt sei. Vorliegend seien die italienischen Behörden vom BFM bereits über die medizinische Situation der Beschwerdeführenden informiert worden. Den italienischen Behörden werde vom BFM spätestens sieben Arbeitstage vor der vorgesehenen Überstellung ein auf Englisch oder Italienisch abgefasstes Arztzeugnis übermittelt, das Aufschluss über die aktuelle Diagnose und die in

der Schweiz eingeleitete medizinische Behandlung enthalte, die in Italien fortzusetzen sei.

4.2

      1. In der Beschwerde wird geltend gemacht, der gesundheitliche Zustand aller Beschwerdeführenden habe sich deutlich verschlechtert. Es seien weitere Krankheiten bekannt geworden. Der an Leukämie erkrankte Sohn habe wegen akuter Suizidalität in ein Kriseninterventionszentrum eingewiesen werden müssen. Es sei eine superprovisorische Massnahme gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB betreffend Familienbegleitung verfügt worden. Den Beschwerdeführenden drohe in Italien mangels angemessener Behandlung sowie Unterkunft und Ernährung unmenschliche Behandlung. Deutsche Gerichte hätten sich in diversen Beschwerdeverfahren bezüglich Dublin-Entscheiden mit der Frage auseinandergesetzt, wie in Italien die Aufnahmerichtlinie, die Verfahrensrichtlinie und die Qualitätsrichtlinie umgesetzt würden. Diesbezüglich sei auf ein Urteil vom 9. Juli 2013 des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main zu verweisen.

      2. C.

leide an Leukämie und sei in Abklärung wegen eines

Befundes der Nierenrinde. Er benötige verschiedene Medikamente; das Rückfallrisiko sei hoch und ohne Behandlung würde er in diesem Fall sterben. Damit dies nicht geschehe, bedürfe er einer intensiven Chemotherapie und einer Knochenmarkspende. Zudem leide er an ernsthaften psychischen Problemen, er sei Anfang Februar 2014 infolge akuter Suizidalität per Fürsorgerischer Freiheitsentziehung stationär betreut worden. Zurzeit sei er in onkologischer und psychoonkologischer Betreuung. Die Beschwerdeführerin sei an einer schweren Psoriasis erkrankt, die nicht geheilt werden könne. Sie bedürfe aber einer längerfristigen Behandlung. Der Beschwerdeführer leide unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und einer depressiven Episode. Eine medikamentöse und psychotherapeutische Weiterbehandlung seien weiterhin nötig. D. leide an Schmerzen im Oberkiefer infolge starkes Karies an neun Zähnen; die behandelnde Zahnärztin erachte eine Sanierung des Gebisses als notwendig. Bei nicht adäquater Behandlung und mangelnder Zahnhygiene sei die Prognose schlecht. E. werde in der ( ) behandelt.

    1. Das BFM führte in seiner Vernehmlassung aus, die italienischen Behörden seien auf die medizinische Situation von C. aufmerksam gemacht worden. Minderjährige Kinder hätten gemäss Aufnahmerichtlinie Anspruch auf eine spezialisierte Unterkunft, medizinische Versorgung und

      Schulbildung. Aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der Beschwerdeführenden seien sie dem H. zugeteilt worden, das Unterkunft und Unterstützung für besonders vulnerable Personen biete. Italien verfüge über die notwendige Infrastruktur, um die erforderliche medizinische Versorgung sicherzustellen und die Leiden der Beschwerdeführenden angemessen zu behandeln. Für die Überstellung nach Italien sei somit einzig die Transportfähigkeit ausschlaggebend; den Arztberichten seien keine Bemerkungen zu einer Einschränkung der Reisefähigkeit zu entnehmen. Der aktuelle Gesundheitszustand werde bei einer Überstellung berücksichtigt und das italienische Dublin Office werde rechtzeitig informiert.

    2. In der Stellungnahme wird entgegnet, es werde nicht bestritten, dass Italien über die notwendige Infrastruktur verfüge, um die Leiden der Beschwerdeführenden zu behandeln, sondern dass sie diese Versorgung erhielten. Es liege keine Bestätigung Italiens vor, wonach sie eine angemessene Unterkunft, ärztliche Betreuung und Medikamente erhielten sowie die aus kindesschutzrechtlicher Sicht erforderlichen Massnahmen aufrecht erhalten würden. Die Vorinstanz komme somit ihren aufgrund Art. 3 EMRK obliegenden Pflichten nicht nach und nehme in Kauf, dass die Beschwerdeführenden in Italien unmenschlich behandelt würden. Die Vorinstanz habe den Ernst der Lage nicht erkannt, da das ganze Familiensystem durch die Erkrankungen sämtlicher Familienmitglieder derart überfordert sei, dass die Kindesund Erwachsenenschutzbehörde eine Familienbegleiterin ernannt habe. Auf diesen Punkt sei die Vorinstanz nicht eingegangen.

5.

    1. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil D-5967/2013 vom 3. Dezember 2013 eingehend mit der Situation der Beschwerdeführenden auseinandergesetzt und ist zum Schluss gelangt, dass das BFM in der Verfügung vom 3. Oktober 2013 die von ihnen geltend gemachten Befürchtungen (schwieriger Zugang zum Asylverfahren in Italien, mangelnde Berücksichtigung der gesundheitlichen Situation von C. ) erfasst und rechtsgenüglich gewürdigt habe. Das Bundesverwaltungsgericht hielt unmissverständlich fest, es liege nicht an den Beschwerdeführenden, den zuständigen Mitgliedstaat, in dem sie das Asylverfahren durchlaufen möchten, selber zu wählen und ihre Einwände seien nicht geeignet, an der Zuständigkeit Italiens zur Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens etwas zu ändern. Es wurde weiter festgestellt, dass nicht davon auszugehen sei, ihnen würde in Italien der Zugang zu

      einem fairen Asylverfahren verwehrt. Den Einwand, eine Überstellung der Beschwerdeführenden nach Italien verletze Art. 3 EMRK erachtete das Bundesverwaltungsgericht als unberechtigt. C. Leiden könnten in Italien behandelt werden und für die einer besonders verletzlichen Gruppe angehörenden Beschwerdeführenden stünden dort besondere Strukturen zur Verfügung. Eine Überstellung nach Italien verstosse nicht gegen das Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (KRK; SR 0.107). Davon ist bei der Beurteilung des vorliegenden Falles gebührend Vormerk zu nehmen.

    2. Insofern in der Beschwerde auf die Urteile diverser deutscher Verwaltungsgerichte aus dem Jahr 2013 hingewiesen wird, in denen unter anderem auf die Frage eingegangen wurde, wie Italien die Aufnahmerichtlinie, die Verfahrensrichtlinie und die Qualifikationsrichtlinie anwende und umsetze, ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz festzustellen, dass in dieser Hinsicht keine veränderte Sachlage geltend gemacht wird und damit keine Wiedererwägungsgründe angerufen werden, sondern zum Ausdruck gebracht wird, dass die Beschwerdeführenden sich mit den Entscheidungen der schweizerischen Asylbehörden nicht einverstanden erklären können. Bei den entsprechenden Ausführungen handelt es sich somit im Kern um Urteilskritik, die nicht Gegenstand eines Wiedererwägungsverfahrens bilden kann.

5.3

      1. Die Beschwerdeführenden reichten im Beschwerdeverfahren D-5957/2013 einen ärztlichen Bericht des ( ) vom 13. September 2013 ein, dem zu entnehmen ist, dass C. an einer akuten lymphatischen Leukämie leidet, die im Frühjahr 2012 im Iran diagnostiziert worden sei. Sie sei unter aktueller Erhaltungstherapie stabil und werde leicht angepasst weitergeführt. Es seien 14-tägige Kontrollen in der medizinisch-onkologischen Poliklinik notwendig. Dem im Rahmen des Wiedererwägungsverfahrens eingereichten ärztlichen Bericht des ( ) vom 29.

        Januar 2014 gemäss benötigt C.

        eine Erhaltungstherapie mit

        drei Medikamenten und regelmässige (alle zwei bis drei Wochen) klinische und laborchemische Untersuchungen. Erhalte er diese Behandlungen nicht, bestehe ein relevantes Rückfallrisiko. Der Zugang zu medizinischen Leistungen sei unabdingbar.

      2. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes von C. sind sowohl dem ärztlichen Bericht des ( ) vom 29. Januar 2014 als auch demjenigen desselben Spitals vom 5. November 2013, der noch im Beschwerde-

verfahren D-5957/2013 hätte eingereicht werden können, keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen. Die Erkrankung von C. war Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens und das BFM und das Bundesverwaltungsgericht haben übereinstimmend geurteilt, dass diese einer Überstellung der Beschwerdeführenden nach Italien nicht entgegensteht. Dem Austrittsbericht der ( ) vom 11. Februar 2014 ist zu entnehmen, dass C. vom 31. Januar 2014 bis zum 7. Februar 2014 in der Klinik J. hospitalisiert war. Er sei wegen depressiver Stimmungslage mit akuter Suizidalität eingewiesen worden. Es werde die Einleitung einer ambulanten Psychotherapie empfohlen. Da sich der Ge-

sundheitszustand von C.

hinsichtlich der diagnostizierten Leu-

kämie nicht wesentlich verändert hat und eine ambulante Psychotherapie in Italien fraglos durchgeführt werden kann, liegt diesbezüglich kein wesentlich veränderter Sachverhalt vor.

5.4

      1. Die Beschwerdeführerin leidet gemäss einem Bericht von Dr. med. K. (Hautarzt) vom 30. Januar 2014 seit zirka fünf Jahren unter einer schweren Psoriasis vulgaris. Sie benötige eine lebenslange medikamentöse Therapie, da die Erkrankung nicht heilbar sei. Eine moderne medizinische Versorgung ermögliche ein weitestgehend normales Leben.

      2. Da die Beschwerdeführerin bereits seit etwa fünf Jahren unter der Psoriasis leidet, liegt kein seit der letztmaligen Beurteilung der Sache wesentlich veränderter Sachverhalt vor.

5.5

      1. Bezüglich des Beschwerdeführers wird im ärztlichen Zeugnis der ( ) vom 22. Mai 2014 festgehalten, er leide an einer PTBS und einer mittelgradigen depressiven Episode. Eine psychotherapeutische und medikamentöse Weiterbehandlung sei dringend indiziert und notwendig.

      2. Der Beschwerdeführer begab sich gemäss dem bei der Vorinstanz eingereichte Arztzeugnis von Dr. med. L. vom 29. Oktober 2013 am 21. Oktober 2013 zu seinem Hausarzt, der die vorgenannten Diagnosen stellte. Der Hausarzt überwies ihn an die ( ), wo er sich gemäss den ärztlichen Berichten vom 11. und 20. Dezember 2013 seit dem 15. November 2013 in Behandlung befindet. Bei den psychischen Leiden des Beschwerdeführers handelt es sich somit um vorbestehende Leiden (Tatsachen), die dem Bundesverwaltungsgericht während des ordentlichen Beschwerdeverfahrens hätten zur Kenntnis gebracht werden können.

Auch in dieser Hinsicht liegt somit rechtlich gesehen kein veränderter Sachverhalt vor.

5.6

      1. In der Beschwerde wird des Weiteren geltend gemacht, D. leide unter starken Schmerzen im Oberkiefer zufolge ausgedehnter Ka-

        ries. Dem Bericht der Schulzahnklinik der M.

        vom 3. Februar

        2014 ist zu entnehmen, dass an diversen Zähnen eine konservierende Zahnbehandlung durchgeführt werden sollte und zwei Zähne extrahiert werden müssten.

      2. Auch hinsichtlich der starken Karies und der damit verbundenen

Schmerzen, unter denen D.

leidet, handelt es sich um vorbe-

standene Leiden, weshalb nicht von einem rechtswesentlich veränderten Sachverhalt auszugehen ist. Zudem ist davon auszugehen, dass die dringend notwendigen zahnärztlichen Behandlungen mittlerweile durchgeführt wurden.

5.7

      1. Von den Beschwerdeführenden wird nicht bestritten, dass ihre Erkrankungen in Italien behandelt werden können (vgl. Stellungnahme vom

        10. Juni 2014 S. 2), weshalb auf diese Frage im vorliegenden Urteil nicht weiter einzugehen ist. Sie räumen in dieser Hinsicht implizit ein, dass im Vergleich zum im Verfahren D-5957/2013 zu beurteilenden Sachverhalt keine rechtswesentlich veränderte Sachlage eingetreten ist.

      2. Bestritten wird hingegen, dass die Beschwerdeführenden in Italien die notwendige medizinische Behandlung erhielten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 3. Dezember 2013 festgestellt, es könne nicht geschlossen werden, dass Italien in genereller Weise seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkomme respektive in völkerrechtswidriger Weise gegen die Verfahrensund Aufnahmerichtlinie verstosse. Diese Ansicht werde durch den EGMR bestätigt, indem dieser in seiner neusten Rechtsprechung festhalte, dass in Italien kein systematischer Mangel an Unterstützung und Einrichtungen für Asylsuchende bestehe, obwohl die allgemeine Situation und insbesondere die Lebensumstände von Asylsuchenden, anerkannten Flüchtlingen und Personen mit einem subsidiären Schutzstatus in Italien gewisse Mängel aufwiesen. Der EGMR gehe davon aus, dass in Italien insbesondere für besonders verletzliche Personen, darunter auch für Dublin-Rückkehrende, in den Aufnahmezentren Plätze reserviert sind und gemäss Stellungnahme des italienischen Staates zudem die notwendigen medizinischen Vorkehrungen für diese Personen getroffen würden, sofern der überstellende Staat eine Person als solche bezeichne. Mit dem Einwand in der Beschwerde, eine Überstellung der Beschwerdeführenden verletze Art. 3 EMRK, könne nicht dargelegt werden, inwiefern die Überstellung einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichkomme oder den Beschwerdeführenden damit in Italien der Zugang zu einem fairen Asylverfahren grundsätzlich verwehrt wäre. Die Vermutung, gemäss der Italien seine völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht einhalte, sei mangels ausreichender Anhaltspunkte nicht umgestossen worden. Das Bundesverwaltungsgericht führte weiter aus, dass eine zwangsweise Rückweisung von Personen mit gesundheitlichen Problemen nur dann einen Verstoss gegen Art. 3 EMRK darstellen könne, wenn die betroffene Person sich in einem fortgeschrittenen oder terminalen Krankheitsstadium und bereits in Todesnähe befinde. Dies sei bei C. nicht der Fall, zumal seine gesundheitliche Situation in einem eingereichten Arztbericht als stabil bezeichnet und ihm ein guter Allgemeinzustand attestiert werde.

      3. Diese Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts haben nach wie vor und auch in Bezug auf die weiteren Familienmitglieder Gültigkeit. Wohl wurde im Wiedererwägungsverfahren vorgebracht, dass auch die

        Eltern und Geschwister von C.

        gesundheitlich angeschlagen

        sind, indessen befindet sich keines der Familienmitglieder in einem derart schlechten Gesundheitszustand, dass seine Überstellung nach Italien einer Verletzung von Art. 3 EMRK gleichkommen könnte. Das BFM wird den italienischen Behörden die gesundheitlichen Probleme jedes einzelnen Familienmitglieds mitzuteilen und diese mittels aussagekräftiger Arztzeugnisse zu dokumentieren haben. Wie bereits dargelegt wurde, haben die italienischen Behörden erkannt, dass es sich bei den Beschwerdeführenden um besonders verletzliche Personen handelt und sie deshalb dem H. zugeteilt. Das BFM wird in diesem Zusammenhang die italienischen Behörden auch über die von der Kindesund Erwachsenenschutzbehörde (KESB) angeordnete Familienbegleitung in Kenntnis setzen. Es liegt in der Verantwortung der zuständigen italienischen Behörden in dieser Hinsicht als notwendig erachtete Dispositionen zu treffen.

      4. Schliesslich hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 3. Dezember 2013 befunden, eine Überstellung der Beschwerdeführenden nach Italien verstosse nicht gegen die KRK, woran sich nichts geändert hat, zumal davon ausgegangen wird, die italienischen Behörden liessen der Familie die notwendige Unterstützung und Betreuung zukommen.

6.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass das BFM zu Recht zur Einschätzung gelangte, es seien keine Gründe für eine Wiedererwägung der Verfügung vom 3. Oktober 2013 gegeben. Bei dieser Sachlage ist auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde sowie die eingereichten Beweismittel nicht mehr näher einzugehen. Die angefochtene Verfügung verletzt damit im Sinne von Art. 106 Abs. 1 AsylG kein Bundesrecht. Die Beschwerde ist abzuweisen.

7.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten den Beschwerdeführenden aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da ihnen mit Zwischenverfügung vom 15. Mai 2014 die unentgeltliche Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG gewährt wurde und sich an den entsprechenden Voraussetzungen nichts geändert hat, sind keine Verfahrenskosten zu erheben.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

3.

Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden, das BFM und die kantonale Migrationsbehörde.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Hans Schürch Christoph Basler

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