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Bundesverwaltungsgericht Urteil BVGE 2014/15

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:BVGE 2014/15
Datum:06.03.2014
Leitsatz/Stichwort:Mehrwertsteuer
Schlagwörter : Gesellschaft; Forderung; Hafte; Kollektivgesellschaft; Konkurs; Mehrwertsteuer; Verjährung; SchKG; Gesellschafter; Rechtlich; Verlustschein; Forderungen; Beschwerde; MWSTG; AMWSTG; Beschwerdeführerin; Steuer; Mehrwertsteuerforderung; Urteil; Schuld; Verjährungsfrist; Vollstreckung; Haftung; Verjährt; été; Solidarisch; Betreibung; Société; Person
Rechtsnorm: Art. 11 OR ; Art. 13 BV ; Art. 149 KG ; Art. 16 AHVG ; Art. 21 KG ; Art. 32 MWSTG ; Art. 39 KG ; Art. 531 OR ; Art. 552 OR ; Art. 55261 OR ; Art. 559 OR ; Art. 568 OR ; Art. 570 OR ; Art. 571 OR ; Art. 591 OR ;
Referenz BGE:126 II 1; 133 II 366; 134 III 643; 134 III 644; 137 II 17; 69 III 89; 81 III 20; ;
Kommentar zugewiesen:
PESTALOZZI, HETTICH, Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 2012
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

6 Finanzen Finances Finanze

15

Auszug aus dem Urteil der Abteilung I

i.S. A. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung A3942/2013 vom 6. März 2014

Mehrwertsteuer, Verjährung, Kollektivgesellschaft.
Art. 32 Abs. 1 Bst. a MWSTG von 1999. Art. 149a Abs. 1 SchKG. Art. 568 Abs. 3, Art. 591 Abs. 1 OR.
  1. Die Vollstreckung von Mehrwertsteuerforderungen richtet sich grundsätzlich nach dem Schuldund Konkursbetreibungsrecht, womit auch die zwanzigjährige Verjährung von Art. 149a Abs. 1 SchKG Anwendung findet (E. 3.3).
  2. Die solidarische Haftung des Kollektivgesellschafters für Mehrwertsteuerschulden der Kollektivgesellschaft tritt erst ein, wenn er selbst in Konkurs geraten oder wenn die Kollektivgesellschaft aufgelöst oder erfolglos betrieben worden ist (E. 3.4).
  3. Forderungen von Gesellschaftsgläubigern gegen einen Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft verjähren grundsätzlich fünf Jahre nach der Veröffentlichung seines Ausscheidens oder der Auflösung der Gesellschaft im SHAB. In solchen Konstellationen verlängert der Konkursverlustschein gegen die Gesellschaft die Verjährung der Forderung gegenüber den Gesellschaftern nicht auf 20 Jahre (E. 3.5).
Taxe sur la valeur ajoutée, prescription, société en nom collectif.
Art. 32 al. 1 let. a LTVA de 1999. Art. 149a al. 1 LP. Art. 568 al. 3,
art. 591 al. 1 CO.
  1. L'exécution forcée des créances de taxe sur la valeur ajoutée est régie par le droit de la poursuite pour dettes et la faillite; par conséquent, la prescription de vingt ans de l'art. 149a al. 1 LP est aussi applicable (consid. 3.3).
  2. La responsabilité solidaire de l'associé en nom collectif pour les dettes de taxe sur la valeur ajoutée de la société ne prend naissance que s'il tombe lui-même en faillite ou que la société est dissoute ou a été l'objet de poursuites infructueuses (consid. 3.4).
  3. Les prétentions des créanciers de la société contre un associé pour des dettes de la société se prescrivent par cinq ans après la publication dans la FOSC de sa sortie de la société ou de la dissolution de cette dernière. Dans un tel cas de figure, l'acte de défaut de biens concernant la société n'allonge pas à 20 ans le délai de prescription des créances à l'égard des associés (consid. 3.5).
Imposta sul valore aggiunto. Prescrizione. Società in nome collettivo. Art. 32 cpv. 1 lett. a LIVA del 1999. Art. 149a cpv. 1 LEF. Art. 568
cpv. 3, art. 591 cpv. 1 CO.
  1. L'esecuzione dei crediti di imposta sul valore aggiunto è retta, di principio, dalla legislazione in materia di esecuzione e fallimento; di conseguenza, il termine di prescrizione ventennale dell'art. 149a cpv. 1 LEF è anch'esso applicabile (consid. 3.3).
  2. La responsabilità solidale del socio di una società in nome collettivo per i debiti d'imposta sul valore aggiunto della società subentra soltanto quando egli sia fallito oppure la società sia stata sciolta o inutilmente escussa (consid. 3.4).
  3. Le pretese dei creditori sociali nei confronti di un socio per impegni della società si prescrivono di principio cinque anni dopo la pubblicazione nel FUSC dell'uscita del socio o dello scioglimento della società. In tali circostanze, l'attestato di carenza beni emesso nei confronti della società in seguito a fallimento non estende a 20 anni la prescrizione del credito nei confronti del socio (consid. 3.5).

    Frau A. betrieb gemeinsam mit Herrn B. in der Rechtsform einer Kollektivgesellschaft ein Hotel-Restaurant.

    Am 14. September 2004 stellte das Konkursamt des Kantons Y. der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) infolge Konkurses der Kollektivgesellschaft einen Konkursschein in der Höhe von Fr. 43 914.50 aus.

    Mit Schreiben vom 25. Mai 2012 informierte das Grundbuchamt und Notariat W. die ESTV, dass die erwähnte Steuerforderung ins öffentliche Inventar im Nachlass von Herrn B., verstorben am 30. November 2011, aufgenommen worden sei.

    In der Folge stellte die ESTV beim Betreibungsamt W. ein Betreibungsbegehren gegen Frau A. Sie hafte als Gesellschafterin der aufgelösten Kollektivgesellschaft solidarisch für die Steuerforderung in der Höhe von Fr. 43 914.50. Das Betreibungsamt stellte daraufhin am 16. November 2012 Frau A. den diesbezüglichen Zahlungsbefehl zu.

    Mit Schreiben vom 19. November 2012 an das Betreibungsamt erhob Frau A. Rechtsvorschlag. Die Forderung gegenüber ihr als Gesellschafterin der Kollektivgesellschaft sei verjährt. Im Übrigen seien die Gesellschafter selber nie betrieben worden, womit keine deren Privatvermögen betreffenden Verlustscheine existieren würden.

    Mit Verfügung vom 8. Januar 2013 beseitigte die ESTV den Rechtsvorschlag. Die dagegen erhobene Einsprache wies die ESTV mit Entscheid vom 4. Juni 2013 ab.

    Gegen den Einspracheentscheid der ESTV erhob Frau A. am 11. Juli 2013 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses heisst die Beschwerde gut, soweit darauf einzutreten ist.

    Aus den Erwägungen:

    3.
    1. Der Bund erhebt eine allgemeine Verbrauchssteuer nach dem System der Nettoallphasensteuer (auch als Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug beziehungsweise Mehrwertsteuer bezeichnet; Art. 130 BV). Steuerobjekt der Mehrwertsteuer (Inlandsteuer) ist gemäss Art. 5 des Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (aMWSTG AS 2000 1300) der durch die mehrwertsteuerpflichtige

      Person getätigte Umsatz, sofern dieser nicht ausdrücklich von der Steuer

      ausgenommen ist. Ein Umsatz im Sinne des Mehrwertsteuerrechts entsteht durch entgeltliches Erbringen von Dienstleistungen und Lieferungen im Inland (vgl. statt vieler: Urteil des BVGer A3149/2012 vom 4. Januar 2013 E. 2.1 f.)

    2. Die Mehrwertsteuerforderung verjährt gemäss Art. 49 Abs. 1 aMWSTG fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden ist. Der Lauf der Verjährungsfrist wird durch jede Einforderungshandlung und jede Berichtigung durch die zuständige Behörde gegenüber allen Zahlungspflichtigen unterbrochen (Art. 49 Abs. 2 und 3 aMWSTG). Jede Unterbrechungshandlung führt dazu, dass die Frist neu zu laufen beginnt. Die Einforderungshandlung ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung an keine besondere Form gebunden. So fallen unter den Begriff der Einforderungshandlung nicht nur die eigentlichen Steuerbezugshandlungen; jede der mehrwertsteuerpflichtigen Person zur Kenntnis gebrachte, auf Einforderung oder Feststellung des Steueranspruchs gerichtete Amtshandlung genügt, um die Verjährung zu unterbrechen. Als verjährungsunterbrechende Einforderungshandlung gilt namentlich die Ankündigung und Vornahme von Bücheruntersuchungen, die Zustellung einer Ergänzungsabrechnung beziehungsweise einer Gutschrift oder die Aufforderung beziehungsweise Mahnung zur Zahlung (vgl. statt vieler BGE 126 II 1 E. 2c; Urteil des BGer 2C_806/2008 vom 1. Juli 2009 E. 2.2.4; Urteil des BVGer A7843/2010 vom 22. Juli 2011

      E. 2.2; MICHAEL BEUSCH, Der Untergang der Steuerforderung, 2012,

      S. 299 ff. mit zahlreichen weiteren Hinweisen). Die Steuerforderung verjährt in jedem Fall 15 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden ist (Art. 49 Abs. 4 aMWSTG). Die Verjährung der Mehrwertsteuerforderung ist von Amtes wegen zu prüfen (BGE 133 II 366

      E. 3.3; Urteil des BGer 2C_227/2010 vom 5. August 2010 E. 2.2; BVGE 2009/12 E. 6.3.1; BEUSCH, a.a.O., S. 282 mit zahlreichen weiteren Hinweisen).

    3. Das Mehrwertsteuerrecht selbst regelt die Vollstreckung von Steuerforderungen ebenso wenig wie das Zivilrecht. Hierfür kommt grundsätzlich das Schuldbetreibungsund Konkursrecht zur Anwendung (Art. 38 SchKG [SR 281.1]; BGE 137 II 17 E. 2.6; BEUSCH, a.a.O.,

S. 117 ff. mit zahlreichen weiteren Hinweisen). Wenn die Forderungen gemäss diesem Erlass zwangsvollstreckt werden, gelangen auch dessen Vorschriften einschliesslich der Verjährungsnorm von Art. 149a Abs. 1 SchKG zur Anwendung. Art. 149a Abs. 1 SchKG sieht vor, dass die durch den Verlustschein verurkundete Forderung 20 Jahre nach der Ausstellung des Verlustscheins verjährt. Bei zivilrechtlichen Forderungen müssen nach dem Ausgeführten die allgemeinen Verjährungsregeln des Obligationenrechts gegenüber jenen des Schuldbetreibungsund Konkursrechts zurücktreten, weil es sich bei Forderungen, für welche ein Verlustschein ausgestellt wurde, um eine besondere Art von Forderungen handelt. Der Gesetzgeber hat für solche eine längere als die zivilrechtlich nach Obligationenrecht geltende Verjährungsfrist gewähren wollen (vgl.

Botschaft vom 8. Mai 1991 über die Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG], BBl 1991 III 1, insb. S. 104). Dem entspricht, dass das AHVG [SR 831.10] ausdrücklich festlegt, dass für die Vollstreckung von Beitragsforderungen aArt. 149 Abs. 5 SchKG nicht anwendbar ist (Art. 16 Abs. 2 AHVG), was ebenfalls für Art. 149a Abs. 1 SchKG gilt. Daraus ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu schliessen, dass auch Mehrwertsteuerforderungen nicht von Art. 149a Abs. 1 SchKG ausgenommen sind, da dies im Mehrwertsteuerrecht nirgends vorgesehen ist. Dementsprechend gilt in Bezug auf Mehrwertsteuerforderungen, für welche ein Verlustschein ausgestellt wurde, die Verjährungsfrist von Art. 149a Abs. 1 SchKG und nicht jene von Art. 49 Abs. 1 aMWSTG. Die Ausstellung eines Verlustscheins lässt also die ursprüngliche Forderung zwar grundsätzlich bestehen. Neben den betreibungsrechtlichen Folgen bewirkt der Verlustschein aber, dass die Forderung nunmehr nach den betreibungsrechtlichen Bestimmungen verjährt (vgl. zum Ganzen: BGE 137 II 17 E. 2.7 f.; Urteil des BVGer A491/2007 vom 25. Februar 2010 E. 2.4.5). Steuerforderungen sind in der Zwangsvollstreckung auch ansonsten gleich zu behandeln, wie solche, die ihren Ursprung in einem privatrechtlichen Verhältnis haben, es sei denn, das SchKG selber sehe wie etwa bis Ende 2013 in Art. 219 Abs. 4 Zweite Klasse Bst. e SchKG (AS 2009 5203, 5255) eine Privilegierung vor.

3.4
      1. Mit der steuerpflichtigen Person haften gemäss Art. 32 Abs. 1 Bst. a aMWSTG die Teilhaber an einer einfachen Gesellschaft, Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft im Rahmen ihrer zivilrechtlichen Haftbarkeit solidarisch (vgl. Urteile des BVGer A4941/2007 vom 11. März 2009 E. 5 und A5418/2007 vom 11. März 2009 E. 5). Der Anspruch gegen die Gesellschafter bleibt öffentlich-rechtlicher Natur, richtet sich jedoch nach dem Zivilrecht (Urteile des BVGer A1544/2006 vom

        11. September 2008 E. 2.2 und A1514/2006 vom 14. Februar 2008

        E. 2.2).

      2. Eine Kollektivgesellschaft gemäss Art. 552 ff. OR haftet grundsätzlich gegenüber Dritten zunächst mit ihrem Gesellschaftsvermögen, das sich zusammensetzt aus den Beiträgen der Gesellschafter und den nichtbezogenen Gewinnen, Zinsen und Honoraren (vgl. Art. 557 Abs. 2

i.V.m. Art. 531 Abs. 1 OR; Art. 559 Abs. 3 OR). Das Gesellschaftsvermögen steht rechtlich nicht der Gesellschaft als solcher, sondern den Gesellschaftern zu gesamter Hand zu (MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER,

Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 11. Aufl. 2012, Rz. 19). Beim Gesellschaftsvermögen handelt es sich um ein Sondervermögen, welches primär der Haftung für Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber Dritten dient (BGE 134 III 643 E. 5.2.1). Konsequenterweise ist denn die Kollektivgesellschaft auch betreibungsfähig und unterliegt der Konkursbetreibung (Art. 39 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG). Kann das Gesellschaftsvermögen die Gesellschaftsschulden nicht mehr decken, haften subsidiär alle Gesellschafter persönlich und zwar unbeschränkt und solidarisch mit ihrem ganzen Vermögen (Art. 568 Abs. 1 OR). Gemäss Art. 568 Abs. 3 OR tritt die Haftung des Gesellschafters erst ein, wenn er selbst in Konkurs geraten oder wenn die Gesellschaft aufgelöst oder erfolglos betrieben worden ist. Die primäre Haftung des Gesellschaftsvermögens hat zur Folge, dass der Konkurs der Gesellschaft nicht zwangsläufig den Konkurs der einzelnen Gesellschafter bewirkt. Vielmehr sind der Konkurs der Gesellschaft und der allfällige Konkurs des Gesellschafters voneinander unabhängig (Art. 571 Abs. 1 OR; BGE 134 III 644 E. 5.5.2; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat,

5. Aufl. 2012, Rz. 1779 ff., insb. 1781). Die jeweilige Betreibung ist selbstständig durchzuführen, was insbesondere auch bedeutet, dass eine gegen die Gesellschaft eingeleitete Betreibung nicht gegen die Gesellschafter fortgesetzt werden kann (PESTALOZZI/HETTICH, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 4. Aufl. 2012, Art. 571 N. 1, nachfolgend: BSK-OR II; WILHELM HARTMANN, in: Berner Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 1943, Art. 568 N. 25).

    1. Gemäss Art. 591 Abs. 1 OR verjähren die Forderungen von Gesellschaftsgläubigern gegen einen Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren nach der Veröffentlichung seines Ausscheidens oder der Auflösung der Gesellschaft im SHAB, sofern nicht wegen der Natur der Forderung eine kürzere Verjährungsfrist gilt. Die Frage der Verjährung stellt sich erst, wenn der Gesellschafter gemäss Art. 568 Abs. 3 OR haftbar geworden ist (E. 3. 4; DANIEL STAEHELIN, in: BSK-OR II, a.a.O., Art. 591 N. 5). Die fünfjährige Frist gilt insbesondere auch gegenüber den Gesellschaftern, die nach dem Konkurs der Gesellschaft belangt werden. Nach einhelliger Meinung verlängert in solchen Konstellationen der Konkursverlustschein gegen die Gesellschaft die Verjährung der Forderung gegenüber den Gesellschaftern nicht auf 20 Jahre (STAEHELIN, in: BSK-OR II, a.a.O., Art. 591 N. 6; HANDSCHIN/

      CHOU, in: Zürcher Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, Art. 552619 OR, 4. Aufl. 2009, Art. 591593 N. 45; HARTMANN, a.a.O.,

      Art. 591 N. 6; ANDREAS CASUTT, OR Kommentar, 2. Aufl. 2009,

      Art. 591 N. 3). Vielmehr bewirkt der Konkursverlustschein gemäss herrschender Lehre eine Verjährungsunterbrechung (statt vieler: STAEHELIN, in: BSK-OR II, a.a.O., Art. 591 N. 6 m.w.H.; anderer Ansicht HARTMANN, a.a.O., Art. 591 N. 6).

    2. Die Ausstellung eines Verlustscheins begründet keine neue Forderung. Die ursprüngliche Forderung wird also nicht noviert im Sinne von Art. 116 OR. Vielmehr bleibt die alte Forderung bestehen. Insbesondere belegt der Verlustschein nicht den Bestand der Forderung, sondern ist lediglich ein Indiz dafür. Die ursprüngliche Forderung behält also ihren ziviloder öffentlich-rechtlichen Charakter, wird jedoch durch den Verlustschein mit neuen Eigenschaften, insbesondere einer neuen Verjährungsfrist, versehen (so schon BGE 69 III 89 E. 1, bestätigt in: BGE 81 III 20 E. 2a und 86 III 77 E. 2; Urteil des BGer 4P.126/2003 vom

25. August 2003 E. 2.3 m.H.; BGE 137 II 17 E. 2.5; Urteil A491/2007

E. 2.1).

4.
    1. Vorliegend ist unbestritten, dass die zu beurteilende, im Verlustschein vom 14. September 2004 verurkundete Mehrwertsteuerforderung über Fr. 43 914.50 zuzüglich Verzugszins primär gegenüber der Kollektivgesellschaft und nicht gegenüber der Beschwerdeführerin besteht. Die gegenüber der Kollektivgesellschaft dergestalt verurkundete Forderung verjährt gemäss Art. 149a Abs. 1 SchKG 20 Jahre nach der Ausstellung des Verlustscheins und ist deshalb vorliegend noch nicht verjährt (E. 3.3). Die ESTV geht mit der Beschwerdeführerin einig, dass die Ausstellung eines Verlustscheins die erfolglose Betreibung gegen die Kollektivgesellschaft voraussetzt und damit grundsätzlich die Voraussetzungen der Solidarhaftung der einzelnen Gesellschafter gemäss Art. 568 Abs. 3 OR gegeben sind (E. 3.4). Strittig vor Bundesverwaltungsgericht ist somit einzig, ob bezüglich der Mehrwertsteuerforderung gegen die aufgelöste Kollektivgesellschaft, für die ein Verlustschein ausgestellt wurde, für die Forderung gegenüber der einzelnen Gesellschafterin, der Beschwerdeführerin, die fünfjährige Verjährungsfrist für Forderungen von Gesellschaftsgläubigern gegen den Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gemäss Art. 591 Abs. 1 OR zur Anwendung gelangt oder die zwanzigjährige Verjährungsfrist gemäss Art. 149a Abs. 1 SchKG für Forderungen, für die ein Verlustschein ausgestellt wurde.

    2. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, die im Verlustschein verurkundete Forderung sei auf die Kollektivgesellschaft ausgestellt, weshalb sie als solidarisch haftende Gesellschafterin gemäss

      Art. 591 Abs. 1 OR lediglich fünf Jahre nach Veröffentlichung der Auflösung der Gesellschaft im SHAB für Forderungen gegen die Gesellschaft belangbar sei. Da diese Veröffentlichung am 15. November 2004 erfolgte ( ), sei die Forderung gegenüber ihr mittlerweile verjährt.

    3. Die ESTV bestreitet dies und bringt vor, dass es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Forderung handle, für welche Art. 591 Abs. 1 OR nicht unbesehen übernommen werden könne. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Entscheid A491/2007 vom 25. Februar 2010 festgestellt, dass weder das Mehrwertsteuerrecht noch das Zivilrecht die Vollstreckung von Forderungen regle. Hierfür sei vielmehr das Schuldbetreibungsund Konkursrecht inklusive der Verjährungsvorschrift in Art. 149a Abs. 1 SchKG heranzuziehen. Die Verjährungsbestimmungen des Mehrwertsteuerbeziehungsweise des Obligationenrechts hätten dagegen gegenüber denjenigen des SchKG zurückzutreten, denn das SchKG regle die Verjährung von Forderungen, für welche ein Verlustschein ausgestellt wurde. Art. 149a SchKG kenne keine Einschränkung, wonach die darin statuierte Verjährungsfrist nur gegenüber dem Schuldner und nicht auch gegenüber anderen Mitverpflichteten gelte. Auch das Mehrwertsteuerrecht selbst halte in Art. 49 Abs. 3 aMWSTG unmissverständlich fest, dass Unterbrechung und Stillstand gegenüber allen zahlungspflichtigen Personen (also auch gegenüber den Mithaftenden nach Art. 32 aMWSTG) wirke.

4.4
      1. Vorab sei festgehalten, dass Art. 32 Abs. 1 Bst. a aMWSTG für die solidarische Haftung der Kollektivgesellschafter mit der Kollektivgesellschaft für Mehrwertsteuerschulden auf die zivilrechtlichen Haftungsbestimmungen verweist (E. 3.4.1). Dementsprechend richtet sich die Haftbarkeit der Beschwerdeführerin für die Mehrwertsteuerschulden der Kollektivgesellschaft nach den Bestimmungen des Obligationenrechts. Art. 568 Abs. 3 OR sieht unter anderem eine subsidiäre Haftung des Gesellschafters vor, falls die Gesellschaft aufgelöst wurde (E. 3.4.2). Im vorliegenden Fall wurde die Kollektivgesellschaft, an welcher die Beschwerdeführerin als Gesellschafterin beteiligt war, mit Entscheid vom

        12. Oktober 2004 durch den Konkursrichter gelöscht. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war diese entscheidende Voraussetzung für die

        « subsidiäre » Haftbarkeit der Beschwerdeführerin grundsätzlich erfüllt.

      2. Das Mehrwertsteuerrecht selbst regelt die Vollstreckung von Forderungen nicht umfassend. Hierfür kommt grundsätzlich das Schuldbetreibungsund Konkursrecht zur Anwendung (E. 3.3). Dieses unter-

scheidet in Art. 218 SchKG zwischen zwei Konstellationen. In Abs. 1 werden die konkursrechtlichen Folgen festgelegt, für den Fall, dass über eine Kollektivgesellschaft und einen Gesellschafter gleichzeitig der Konkurs eröffnet ist. Abs. 2 regelt die Konstellation, in der zwar über den Gesellschafter, aber nicht über die Kollektivgesellschaft der Konkurs eröffnet wurde. Die dritte denkbare Konstellation, dass nämlich ein ausschliesslicher Konkurs der Gesellschaft vorliegt, wird durch Art. 218 SchKG nicht geregelt. Die Rechtsfolgen ergeben sich grundsätzlich zunächst aus den Normen des Obligationenrechts. Den Verfahrensakten ist nicht zu entnehmen, ob gegen die Beschwerdeführerin nach Konkurs der Gesellschaft (also im Zeitpunkt des Eintritts der Haftung der Beschwerdeführerin) eine Betreibung eingeleitet wurde. Der Konkurs der Kollektivgesellschaft hätte gemäss Art. 570 ff. OR jedenfalls nicht ohne selbstständiges Zwangsvollstreckungsverfahren den Konkurs der Beschwerdeführerin zur Folge. Mit anderen Worten sind der Konkurs der Kollektivgesellschaft und ein allfälliger Konkurs der Beschwerdeführerin (der wie bereits dargestellt weder aktenkundig noch behauptet ist) voneinander unabhängig (E. 3.4.2).

4.5
      1. Diese « Unabhängigkeit » des Konkurses der Kollektivgesellschaft und des allfälligen späteren Konkurses des Kollektivgesellschafters hat auch Auswirkungen auf die anwendbaren Bestimmungen der Verjährung.

      2. Der von der ESTV herangezogene Art. 149a SchKG sieht eine Verjährung der verurkundeten Forderung 20 Jahre nach der Ausstellung des Verlustscheins vor. Wie die ESTV zu Recht vorbringt, haben das Bundesgericht in BGE 137 II 17 E. 2.7 f. und das Bundesverwaltungsgericht im Urteil A491/2007 E. 2.4.5 entschieden, dass auch Mehrwertsteuerforderungen, für welche ein Verlustschein besteht, gemäss Art. 149a SchKG verjähren (E. 3.3).

        Vorliegend kann aber Art. 149a SchKG entgegen der Auffassung der ESTV keine Anwendung finden. Es ist zwar richtig, dass sich Art. 149a SchKG mit Ausnahme der Regelung betreffend die Erben des Schuldners keine Einschränkung entnehmen lässt, wonach die darin enthaltene Verjährungsfrist von 20 Jahren nur gegenüber dem Schuldner und nicht auch gegenüber dem Mitverpflichteten gilt. Diese Frage ist aber vorliegend schlicht nicht von Belang, bezieht sich Art. 149a SchKG doch auf die gegenüber dem Schuldner, hier also der Kollektivgesellschaft, im Verlustschein verurkundete Forderung. Gegenüber der Beschwerdeführerin als Kollektivgesellschafterin besteht zwar bei Vorliegen der Voraussetzungen der subsidiären Haftung durchaus eine eigenständige Forderung, welche auch auf dem Weg der Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden kann (E. 3.4). Die Frist, innerhalb derer dies zu geschehen hat, richtet sich allerdings mangels einer vollstreckungsrechtlichen Spezialregelung nach den Regeln des Zivilrechts (E. 3.4 und 4.4.2). Art. 591 Abs. 1 OR sieht neben anderem vor, dass Forderungen von Gesellschaftsgläubigern gegen einen Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft fünf Jahre nach der Veröffentlichung der Auflösung der Gesellschaft im SHAB verjähren (E. 3.5). Mit anderen Worten: Diese Bestimmung tritt damit vorliegend nicht gegenüber Art. 149a SchKG zurück. Die zu beurteilenden Mehrwertsteuerschulden sind nämlich primär Verbindlichkeiten der Kollektivgesellschaft und nicht der Kollektivgesellschafter (E. 4.4.1). Aufgrund der Publikation im SHAB am

        15. November 2004 bezüglich der Auflösung der Kollektivgesellschaft ist da weder eine Unterbrechungshandlung geltend gemacht wurde noch ein Stillstandstatbestand einschlägig ist die relative, fünfjährige Verjährungsfrist am 15. November 2009 abgelaufen.

      3. Was die ESTV dagegen vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Sie macht zwar zutreffend geltend, dass es sich bei der Mehrwertsteuerschuld um eine öffentlich-rechtliche Forderung handle, für die die Gültigkeit der privatrechtlichen Verjährungsnormen nicht ohne Weiteres angenommen werden könne. Abgesehen davon, dass gerade das Mehrwertsteuerrecht selber in Art. 32 Abs. 1 Bst. a aMWSTG für die vorliegende Konstellation auf das Zivilrecht verweist, vermag die ESTV aber nicht darzulegen, inwieweit im Rahmen der Vollstreckung von öffentlichrechtlichen Forderungen gegenüber einer Kollektivgesellschaft nicht dieselben Bestimmungen Anwendung finden sollten, wie für privatrechtliche Forderungen. Bei privatrechtlichen Forderungen ist wie bereits dargestellt unbestritten, dass der Konkursverlustschein gegen die Kollektivgesellschaft die Verjährung der Forderung gegen den Gesellschafter nicht auf 20 Jahre verlängert (E. 3.5). Es ist nicht ersichtlich, inwieweit nun allein aufgrund der öffentlich-rechtlichen Natur der Mehrwertsteuerforderung für diese etwas anderes gelten sollte. Für die Vollstreckung von Mehrwertsteuerforderungen finden falls keine Sondernormen bestehen dieselben Bestimmungen Anwendung wie für die Vollstreckung von privatrechtlichen Forderungen (E. 3.3 und 4.4.2). Eine solche auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbare Norm, welche die Vollstreckung einer Mehrwertsteuerforderung gegenüber einer Kollektivgesellschaft anders als Art. 591 Abs. 1 OR regeln würde, besteht aber gerade nicht (E. 3.3).

      4. Im Übrigen kann die ESTV entgegen ihrer Vorbringen auch nichts aus Art. 49 Abs. 3 aMWSTG zu ihren Gunsten ableiten. Diese Bestimmung sieht vor, dass Unterbrechung und Stillstand gegenüber allen zahlungspflichtigen Personen wirken. Zu diesen gehören neben der steuerpflichtigen Person zwar durchaus auch die mit ihr nach Art. 32 Abs. 1 Bst. a aMWSTG solidarisch Haftenden. Wie bereits dargelegt (E. 4.4.1), sieht diese letztere Bestimmung ausdrücklich vor, dass Kollektivgesellschafter im Rahmen ihrer zivilrechtlichen Haftbarkeit solidarisch mit der steuerpflichtigen Person haften. Mit anderen Worten verweist die Norm selber auf die Bestimmungen (im Obligationenrecht) zur « zivilrechtlichen Haftbarkeit » des Kollektivgesellschafters. Der ESTV ist deshalb nicht zu folgen, wenn sie vorbringt, aus Art. 49 Abs. 3 aMWSTG könne der Rückschluss gezogen werden, dass Art. 591 Abs. 1 OR keine Anwendung bei Mehrwertsteuerforderungen finde.

4.6 Vorliegend ist somit die Forderung gegenüber der Beschwerdeführerin fünf Jahre nach Veröffentlichung der Auflösung der Kollektivgesellschaft im SHAB am 16. November 2009 verjährt. Die Beschwerde wird somit gutgeheissen und der Einspracheentscheid vom 14. Juni 2013 aufgehoben.

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