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Bundesverwaltungsgericht Urteil A-5311/2014

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-5311/2014
Datum:30.09.2014
Leitsatz/Stichwort:Amtshilfe
Schlagwörter : StAhiG; Busse; Quot;; Bussenverfügung; Schlussverfügung; Amtshilfe; Bundesverwaltungsgericht; Beschwerdeführende; Verfügung; Editionsverfügung; Beschwerdeführenden; Richter; Rechtsmittelbelehrung; Parteien; Steuersachen; Informationen; Aufforderung; Bundesgesetz; Übrigen; Umstände; Daniel; Riedo; Gerichtsschreiber; Winiger; Eidgenössische; Steuerverwaltung; Vorinstanz
Rechtsnorm: Art. 100 BGG ; Art. 17 StPO ; Art. 19 BV ; Art. 29 StGB ; Art. 45 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 VwVG ; Art. 84 BGG ;
Referenz BGE:102 Ib 218; 111 Ib 213
Kommentar:
-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung I

A-5311/2014

U r t e i l  v o m  3 0.  S e p t e m b e r  2 0 1 4

Besetzung Richter Daniel Riedo (Vorsitz), Richter Michael Beusch, Richterin Salome Zimmermann, Gerichtsschreiber Marc Winiger.

Parteien 1. A. ,

2. B. SA,

beide vertreten durch Tax Partner AG, Steuerberatung, Talstrasse 80, 8001 Zürich, Beschwerdeführende,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, Amtshilfe, Eigerstrasse 65, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Amtshilfe; Bussenverfügung.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest und erwägt,

dass die zuständige norwegische Behörde am 24. Dezember 2013 ein Amtshilfegesuch gemäss Art. 26 des Abkommens vom 7. September 1987 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Norwegen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-N, SR 0.672.959.81) an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) richtete,

dass die ESTV die B. SA mit Editionsverfügung ("ordonnance de production") vom 21. Januar 2014 aufforderte, ihr innert 14 Tagen ab Zustellung der Editionsverfügung die darin verlangten Informationen zu übermitteln; dass die ESTV diese Aufforderung mit einer Strafandrohung gemäss Art. 9 Abs. 5 des Bundesgesetzes vom 28. September 2012 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen (StAhiG, SR 672.5) verband; dass die ESTV der fraglichen Editionsverfügung keine Rechtsmittelbelehrung anfügte mit der Begründung, eine Anfechtung sei nach Art. 19 Abs. 1 StAhiG nur zusammen mit der Schlussverfügung möglich,

dass die ESTV mit Verfügung vom 29. August 2014 der B. SA (bzw. den statutarisch verantwortlichen Organen der Gesellschaft) in Anwendung von Art. 9 Abs. 5 und Art. 10 Abs. 4 StAhiG eine Busse von Fr. 7'000.-- auferlegte; dass die ESTV dieser Bussenverfügung eine Rechtsmittelbelehrung anfügte, wonach "gegen diese Schlussverfügung" innert 30 Tagen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht geführt werden könne,

dass die B.

SA sowie A.

als statutarisch verantwortli-

ches Organ der Gesellschaft (Beschwerdeführende) mit Eingabe vom

18. September 2014 gegen diese Bussenverfügung Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben; dass sie im Wesentlichen beantragen, die Bussenverfügung sei aufzuheben, und "es seien die Aufforderungen zur Erteilung von Auskünften bzw. Herausgabe von Dokumenten der ESTV vom 21. Januar, 19. März, 7. Juli und 25. Juli 2014 [ ] für gegenstandslos zu erklären bzw. aufzuheben",

dass das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist zur Beurteilung von Beschwerden gegen Schlussverfügungen der ESTV betreffend die Amtshilfe gestützt auf Art. 26 DBA-N (vgl. Art. 19 Abs. 5 StAhiG i.V.m. Art. 31- 33 VGG); dass jede der Schlussverfügung vorangehende Verfügung sofort vollstreckbar ist und nur zusammen mit der Schlussverfügung angefochten werden kann (Art. 19 Abs. 1 StAhiG),

dass in einer Schlussverfügung die Amtshilfeleistung begründet und der Umfang der zu übermittelnden Informationen bestimmt bzw. die Amtshilfe verweigert wird (vgl. Art. 17 Abs. 1 StAhiG); dass die vorliegende Bussenverfügung demgegenüber als reine Bussenverfügung ausgestaltet ist und daher offensichtlich - entgegen der in der Rechtsmittelbelehrung der Bussenverfügung implizit geäusserten Ansicht der ESTV - keine Schlussverfügung im Sinn des StAhiG darstellt,

dass die Bussenverfügung auch nicht als eine "der Schlussverfügung vorangehende Verfügung" im Sinn von Art. 19 Abs. 1 StAhiG gelten kann, erfolgt doch dort der Bezug auf den Verfahrensablauf in der Sache, also auf denjenigen, der zur Amtshilfe führt bzw. führen soll, und soll mit der Regelung von Art. 19 Abs. 1 StAhiG nur aber immerhin ausgeschlossen werden, dass Zwischenverfügungen nach den Regeln der ansonsten qua Art. 5 Abs. 1 StAhiG berufenen Art. 45 f. VwVG angefochten werden könnten,

dass mit "einschliesslich einer Verfügung über Zwangsmassnahmen" in Art. 19 Abs. 1 StAhiG eine Verfügung nach Art. 13 StAhiG gemeint ist und nicht eine Bussenverfügung wie die vorliegende,

dass das Bundesverwaltungsgericht mithin zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde nicht zuständig und auf diese daher nicht einzutreten ist,

dass sich damit die Frage nach der Überweisung der Streitsache stellt (Art. 8 Abs. 1 VwVG),

dass dabei vorfrageweise zu prüfen ist, ob die ESTV ihrerseits zur Ausfällung der Busse überhaupt berechtigt war,

dass sich dazu Art. 9 Abs. 5 und Art. 10 Abs. 4 StAhiG nichts entnehmen lässt; dass insbesondere - anders als in Art. 21a Abs. 5 StAhiG - nicht vorgesehen ist, die ESTV sei verfolgende und urteilende Behörde; dass unter diesen Umständen auch das Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR, SR 313.0) nicht anwendbar ist (vgl. Art. 1 VStrR; BGE 102 Ib 218),

dass folglich das Bundesgesetz vom 5. Oktober 2007 über die Schweizerische Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) zur Anwendung gelangt (Art. 1 Abs. 1 StPO); dass keine Übertragung der Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen an die Verwaltungsbehörde ersichtlich ist (Art. 17 Abs. 1 StPO),

dass von einer Zuständigkeit der ESTV zur Ausfällung der vorliegenden Busse nach Art. 9 Abs. 5 bzw. Art. 10 Abs. 4 StAhiG mithin nicht ausgegangen werden kann; dass diese vielmehr durch die ordentlichen Straf(gerichts)behörden auszufällen ist; dass die fragliche Bussenregelung, welche materiell lex specialis zu Art. 292 StGB ist (Botschaft StAhiG, BBl 2011 6211, 6213), prozessual dem gleichen Weg folgt wie Art. 292 StGB,

dass sich dies im Übrigen mit der in der Botschaft manifestierten Intention des Gesetzgebers deckt, wonach "eine Busse nach dieser Bestimmung [d.h. nach Art. 9 Abs. 5 und Art. 10 Abs. 4 StAhiG] erst ausgesprochen werden [kann], wenn die Verfügung zur Herausgabe von Informationen, welche zwar sofort vollstreckt, aber erst mit der Schlussverfügung angefochten werden kann (vgl. Art. 19 Abs. 1), rechtskräftig ist" (BBl 2011 6211, 6213),

dass sich die von der unzuständigen ESTV gegenüber den Beschwerdeführenden ausgesprochene Bussenverfügung mithin als nichtig erweist (vgl. etwa BGE 111 Ib 213 E. 5b; PIERRE TSCHANNEN/ULRICH ZIMMER-

LI/MARKUS MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Bern 2009,

§ 31 Rz. 16),

dass diese Nichtigkeit vom Bundesverwaltungsgericht als Rechtsmittelbehörde für Sachverfügungen im Bereich der Steueramtshilfe vorfrageweise festzustellen ist (vgl. BVGE 2009/30 E. 1.1),

dass sich unter diesen Umständen die Frage nach der Überweisung der Sache erübrigt,

dass im Übrigen die Beschwerdeführenden mit ihrem Antrag betreffend "die Aufforderungen [durch die ESTV] zur Erteilung von Auskünften" den vorliegenden Streitgegenstand (Busse) ohnehin in unzulässiger Weise ausdehnen, so dass darauf auch deshalb nicht einzutreten wäre,

dass ausserdem unklar ist, ob sie mit ihrem Vorbringen, der Erlass der vorliegenden Bussenverfügung stelle eine "konkludente Ablehnung [ihres gegenüber der ESTV gestellten Antrags auf Erlass] einer anfechtungsfähigen Editionsverfügung" dar, überhaupt formal eine Rechtsverweigerungsbzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde nach Art. 46a VwVG erheben wollen; dass den Beschwerdeführenden diesfalls ohnehin zu entgegnen wäre, dass (erstens) eine Editionsverfügung vorliegt (Editionsverfügung vom 21. Januar 2014), diese (zweitens) zwar nicht selbständig, aber mit der Schlussverfügung anfechtbar ist, und (drittens) der entsprechende Art. 19 Abs. 1 StAhiG unter das Anwendungsgebot von Art. 190 BV fällt,

dass bei Nichteintreten auf die Beschwerde die Beschwerdeführenden einerseits zwar formell unterliegen; dass andererseits aber auch auf Nichtigkeit der angefochtenen Verfügung zu erkennen ist; dass aufgrund der vorliegenden besonderen Umstände deshalb auf eine Kostenauferlegung zu verzichten ist (vgl. Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG i.V.m. Art. 6 Bst. b des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]); dass entsprechend auf die Zusprechung einer Parteientschädigung ebenfalls zu verzichten ist (Art. 64 Abs. 1 VwVG e contrario).

Das Dispositiv befindet sich auf der nächsten Seite.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.

Es wird festgestellt, dass die Bussenverfügung der ESTV vom 29. August 2014 nichtig ist.

3.

Es werden weder Verfahrenskosten auferlegt noch wird eine Parteientschädigung zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführenden (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. ; Gerichtsurkunde)

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Daniel Riedo Marc Winiger

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen kann innert 10 Tagen nach Eröffnung nur dann beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt (Art. 82, Art. 83 Bst. h, Art. 84a, Art. 90 ff. und Art. 100 Abs. 2 Bst. b BGG). In der Rechtsschrift ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. Im Übrigen ist die Rechtsschrift in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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