Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung III |
Dossiernummer: | C-4125/2013 |
Datum: | 19.05.2015 |
Leitsatz/Stichwort: | Rückvergütung von Beiträgen |
Schlagwörter : | Abkommen; Leistung; Quot;; Abkommens; Leistungen; Beitragsüberweisung; Recht; Sozialversicherung; Einspracheentscheid; Renten; Verfahren; Bundesverwaltungsgericht; Anspruch; Sinne; Urteil; Türkei; Vorinstanz; SAK-act; Schweiz; Abklärung; Rechtsbegehren; B-act; Staatsangehörige; Überweisung; Richter; Parteien; Hinterlassenen |
Rechtsnorm: | Art. 18 AHVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 85b AHVG ; |
Referenz BGE: | 132 V 257 |
Kommentar: | - |
Abteilung III C-4125/2013
Besetzung Richter Beat Weber (Vorsitz),
Richter Daniel Stufetti, Richter Vito Valenti, Gerichtsschreiber Daniel Golta.
Parteien A. , (wohnhaft in der Türkei) vertreten durch B. ,
dieser wiederum vertreten durch lic. iur. Sandra Waldhauser, Advokatin,
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand AHV, Beitragsüberweisung; Einspracheentscheid der SAK vom 18. Juni 2013.
dass die Schweizerische Ausgleichskasse (SAK; nachfolgend: Vorinstanz) das Gesuch von A. (türkischer Staatsangehöriger, geboren 1960, wohnhaft in der Türkei; nachfolgend: Beschwerdeführer), die zu seinen Gunsten an die schweizerische Altersund Hinterlassenenversicherung (AHV) entrichteten Beiträge an die türkische Sozialversicherung zu überweisen, mit Einspracheentscheid vom 18. Juni 2013 abwies (nachfolgend: Einspracheentscheid; vgl. Akten der SAK [SAK-act.] 7, 10, 16, 22),
dass die SAK dies damit begründete, dass Art. 10a Abs. 1 des Abkommens zwischen der Schweiz und der Republik Türkei über soziale Sicherheit vom
1. Mai 1969 (SR 0.831.109.763.1; nachfolgend: Abkommen) eine solche Überweisungsoption zwar vorsehe, aber nur unter der Voraussetzung, dass der darum ersuchenden Person (noch) keine Leistungen aus der schweizerischen Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung (nachfolgend: AHV/IV) gewährt worden seien, dem Beschwerdeführer gegenüber aber in Form von Arbeitsvermittlung und medizinischer Abklärung solche IV-Leistungen erbracht worden seien und er daher keinen Anspruch auf Beitragsüberweisung habe,
dass der Beschwerdeführer am 19. Juli 2013 gegen diesen Einspracheentscheid Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhob und beantragte: Es sei der Einspracheentscheid vom 18. Juni 2013 aufzuheben (1. Rechtsbegehren); es sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer sämtliche Voraussetzungen von Art. 10a Abs. 1 des Abkommens erfülle (2. Rechtsbegehren); es sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf Beitragsüberweisung an die türkische Sozialversicherung habe (3. Rechtsbegehren); es sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese den Überweisungsbetrag berechne und diesen dem türkischen Sozialversicherer überweise (4. Rechtsbegehren), alles unter o/e-Kostenfolge,
dass der Beschwerdeführer in der Beschwerde und der Beschwerdeergänzung vom 26. August 2013 (Akten des Beschwerdeverfahrens [B-act.] 1, 3) geltend machte, dass der Beschwerdeführer keine Renten bezogen habe, und dass Art. 10a Abs. 1 des Abkommens - in systematischer und historischer Auslegung dieser Bestimmung - eine Beitragsüberweisung nur ausschliesse, wenn Renten bezogen worden seien, nicht wenn andere Leistungen (namentlich die Kostenübernahme für eine medizinische Abklärung im Rahmen eines IV-Verfahrens) oder für Stellensuche bezogen worden seien,
dass die SAK mit Vernehmlassung vom 12. September 2013 (B-act. 5) ausführte, dass weder in Art. 10a Abs. 1 des Abkommens noch in der dazugehörigen Botschaft davon die Rede sei, dass unter dem Begriff "Leistungen" im Sinne von Art. 10a Abs. 1 des Abkommens ausschliesslich AHVund IV-Renten zu verstehen seien, weshalb die dem Beschwerdeführer gewährten, von diesem nicht bestrittenen IV-Leistungen (medizinische Abklärung und Arbeitsvermittlung), einen Anspruch auf Beitragsüberweisung ausschlössen,
dass der Beschwerdeführer in seiner Replik vom 17. Oktober 2013 (B-act. 7) an seinen Rechtsbegehren festhielt und ausführte, dass der Vernehmlassung keine überzeugende Begründung zu entnehmen sei, weshalb unter dem Begriff "Leistungen" in Art. 10a Abs. 1 des Abkommens nicht nur Renten, sondern auch andere Leistungen wie z.B. Taggelder, Hilflosenentschädigungen, Sachleistungen oder Abklärungsmassnahmen zu verstehen seien,
dass vorliegend das Bundesverwaltungsgericht für die Beurteilung der vom Beschwerdeführer gegen den Einspracheentscheid der SAK erhobenen Beschwerde des im Ausland wohnenden Beschwerdeführers gemäss Art. 31 VGG in Verbindung mit Art. 33 Bst. d VGG und Art. 85bis Abs. 1 AHVG (SR 831.10) zuständig ist,
dass sich das vorliegende Verfahren nach dem VwVG richtet, soweit das VGG und/oder das ATSG (SR 830.1) nichts anderes bestimmen (Art. 37 VGG in Verbindung mit Art. 3 Bst. dbis VwVG und Art. 1 Abs. 1 AHVG),
dass der Beschwerdeführer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat, durch den Einspracheentscheid besonders berührt ist, ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung hat, somit grundsätzlich zur Beschwerde legitimiert ist (Art. 59 ATSG),
dass allerdings ein gerichtlicher Feststellungsentscheid grundsätzlich nur subsidiär zu einem Leistungsoder Gestaltungsentscheid zu fällen ist (vgl. BGE 132 V 257 E. 1; Urteil des BVGer C-877/2014 vom 10. Juni 2014 E. 4.2), und der Beschwerdeführer nicht darlegt und nicht ersichtlich ist, inwiefern er neben einem Entscheid über die Beschwerdebegehren 1 und 4 ein schutzwürdiges Interesse an einem Feststellungsentscheid im Sinne der Beschwerdebegehren 2 und 3 haben sollte,
dass daher auf die im Übrigen fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 60 ATSG und Art. 52 VwVG) in Bezug auf die Begehren 1
und 4 einzutreten, in Bezug auf die Begehren 2 und 3 hingegen nicht einzutreten ist,
dass vorliegend lediglich strittig ist, ob die dem Beschwerdeführer gewährten Leistungen der IV-Stelle des Kantons Solothurn Leistungen im Sinne von Art. 10a Abs. 1 des Abkommens darstellen,
dass der Beschwerdeführer türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Türkei ist, weshalb das von den Parteien angerufene Abkommen zur Anwendung gelangt,
dass gemäss dem französischen Originalwortlaut von Art. 10a Abs. 1 des Abkommens türkische Staatsangehörige die Beitragsüberweisung an die türkische Sozialversicherung beantragen können "à condition toutefois qu’ils n’aient encore bénéficié d’aucune prestation des assurances vieillesse, survivants et invalidité suisses",
dass gemäss Wortlaut der Bestimmung somit jegliche von der AHV/IV gewährte Leistung eine Beitragsüberweisung ausschliesst und sich darin kein Indiz dafür findet, dass stattdessen nur Renten einer solchen Überweisung entgegenstehen sollten,
dass im Abkommen klar zwischen Leistungen insgesamt (z.B. prestations de sécurité sociale" [Art. 3]) und einzelnen Leistungsgruppen differenziert wird (z.B. in Art. 8-10: "rentes ordinaires et [ ] allocations pour impotents de l’assurance-vieillesse et survivants suisse"; "indemnité unique"; "mesures de réadaptation de l’assurance-invalidité suisse"),
dass dies ebenfalls dagegen spricht, den Begriff "prestation" in Art. 10a Abs. 1 des Abkommens einschränkend zu interpretieren und darunter nur Renten zu subsumieren,
dass der Bundesrat in seiner Botschaft vom 25. Mai 1979 betreffend das Zusatzabkommen mit der Türkei über Soziale Sicherheit (nachfolgend: Zusatzabkommen), mit welchem Art. 10a mit Wirkung ab 1. Juni 1981 in das Abkommen eingefügt wurde (BBl 1979 III 1021 bzw. Feuille fédérale [FF] 1979 III 1017), ausgeführt hat, dass eine Beitragsüberweisung an die türkische Versicherung möglich sei, sofern die türkischen Staatsangehörigen (u.a.) "bis zum Zeitpunkt der Überweisung noch keine Leistungen der schweizerischen AHV oder IV bezogen haben" (BBL 1979 III 1024) bzw. "à condition que jusqu'à la date de transfert ils n'aient "bénéficié d'aucune prestation de l'AVS et de l'AI suisse" (FF 1979 III 1020),
dass sich in der Botschaft kein Hinweis darauf findet, dass Art. 10a Abs. 1 des Abkommens entgegen seinem Wortlaut einschränkend auszulegen ist, und solches insbesondere - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht - auch nicht daraus abgeleitet werden kann, dass die Vorteile an der Aufnahme dieser Bestimmung für die Schweiz hauptsächlich in einer administrativen Entlastung und allenfalls in entsprechenden Einsparungen gesehen wurden,
dass die Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen in ihrem Urteil AHV 56110 vom 9. Oktober 2002 eine Beitragsüberweisung an die türkische Sozialversicherung unter Berufung auf Art. 10a des Abkommens mit der Begründung abgelehnt hat, dass der damaligen Beschwerdeführerin, die keine Renten der AHV oder IV bezogen hatte, medizinische Massnahmen und optische Hilfsmittel zugesprochen worden waren und sie Taggelder der IV bezogen hatte (E. 3),
dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil C-3112/2012 vom 25. März 2013 eine Beitragsüberweisung an die türkische Sozialversicherung mit der Begründung abgelehnt hat, dass der Beschwerdeführer eine Invalidenrente und Taggelder, mithin Leistungen der IV im Sinne von Art. 10a des Abkommens bezogen habe (E. 4.2 f.),
dass die Beitragsüberweisung an die türkische Sozialversicherung ein mittels völkerrechtlicher Vereinbarung geschaffenes, dem innerschweizerischen Recht unbekannten Institut darstellt, welches nicht mit einer Beitragsrückerstattung gemäss Art. 18 Abs. 3 AHVG gleichzusetzen ist (vgl. BGE 136 V E. 4.3.1; Urteil H 383/00 E. 3.b, 4),
dass das Abkommen einer Rückvergütung gemäss Art. 18 Abs. 3 AHVG und der Verordnung vom 29. November 1995 über die Rückvergütung der von Ausländern an die Altersund Hinterlassenenversicherung bezahlten Beiträge (RV-AHV, SR 831.131.12) entgegensteht (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 383/00 vom 12. Juli 2001 E. 2, 4.a), wovon im Übrigen auch der Beschwerdeführer ausgeht,
dass unter diesen Umständen nicht nachvollziehbar ist, weshalb entsprechend den Ausführungen des Beschwerdeführers Art. 10a Abs. 1 des Abkommens in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 der RV-AHV, welche im Übrigen erst am 29. November 1995 vom Bundesrat verabschiedet wurde (mithin über 15 Jahre nach Abschluss des Zusatzabkommens), ausgelegt werden sollte,
dass somit darauf zu schliessen ist, dass jegliche im innerschweizerischen Recht vorgesehene Leistung der schweizerischen IV einem Anspruch auf Beitragsüberweisung gemäss Art. 10a des Abkommens entgegensteht,
dass auch die Argumente des Beschwerdeführers, dass die zu seinen Gunsten geleisteten AHV-Beiträge anwartschaftlich in Hinblick auf den Eintritt des Versicherungsfalles Alter geäufnet worden seien und die Kosten für Stellensuche die Berechnung des Überweisungsbeitrages nicht tangierten, angesichts der klaren staatsvertraglichen Regelung keinen abweichenden Schluss zulassen,
dass aus den Akten ersichtlich und unbestritten ist, dass die IV-Stelle des Kantons Solothurn (nachfolgend: IV-SO) dem Beschwerdeführer im Jahr 2004 Beratung und Unterstützung bei der Stellensuche durch die Stellenvermittlung der IV-Stelle Basel-Landschaft gewährt hat (vgl. Verfügung der IV-SO vom 28. Juli 2004 [SAK-act. 19 S. 6]; B-act. 1 Beilage 3; B-act. 3, 5,
7),
dass weiter ersichtlich und unbestritten ist, dass die IV-SO im Rahmen eines Leistungsprüfungsverfahrens in den Jahren 2004/2005 die Kosten für medizinische Abklärung (inkl. Begutachtung) in der Höhe von über Fr. 10'000.- getragen hat (vgl. SAK-act. 14 f., SAK-act. 19 S. 2 f.),
dass für das Jahr 2004 - gemäss IVG (SR 831.20; in der im Jahr 2004 in Kraft stehenden Fassung, auf welche im Folgenden - soweit nicht anders vermerkt - jeweils Bezug genommen wird) - unter den Leistungen (erster Teil, dritter Abschnitt des Gesetzes) unter anderem Eingliederungsmassnahmen aufgeführt werden, welche gemäss Art. 8 Abs. 3 IVG bestehen in:
a) medizinischen Massnahmen; b) Massnahmen beruflicher Art (Berufsberatung, erstmalige berufliche Ausbildung, Umschulung, Arbeitsvermittlung); c) Massnahmen für die besondere Schulung; d) der Abgabe von Hilfsmitteln; e) der Ausrichtung von Taggeldern; gemäss Art. 8 Abs. 4 IVG sind die Eingliederungsmassnahmen nach Absatz 3 Buchstaben a-d Sachleistungen im Sinne von Art. 14 ATSG,
dass eingliederungsfähige Versicherte insbesondere Anspruch auf aktive Unterstützung bei der Suche eines geeigneten Arbeitsplatzes haben (vgl. Art. 18 Abs. 1 erster Satz IVG),
dass im Übrigen das Abkommen eine Bestimmung enthält (Art. 9), wonach türkischen Staatsangehörigen unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Wiedereingliederungsmassnahmen der schweizerischen IV zusteht (Art. 9),
dass somit die von der IV-SO mit Verfügung vom 28. Juli 2004 (SAK-act. 19
S. 6) zugesprochene und vom Beschwerdeführer bezogene Beratung und Unterstützung bei der Stellensuche eine Leistung der schweizerischen IV darstellt, die gemäss Art. 10a Abs. 1 des Abkommens der Beitragsüberweisung an die türkische Sozialversicherung entgegensteht,
dass unter diesen Umständen offen bleiben kann, ob im Rahmen einer Leistungsabklärung finanzierte medizinische Untersuchungen als IV-Leistungen im Sinne von Art. 10a Abs. 1 des Abkommens gelten,
dass die Beschwerde daher abzuweisen ist, soweit darauf einzutreten ist, dass das Verfahren gemäss Art. 85bis Abs. 2 AHVG kostenlos ist, sodass
keine Verfahrenskosten zu erheben sind,
dass bei diesem Verfahrensausgang weder dem unterliegenden Beschwerdeführer noch der Vorinstanz eine Parteientschädigung zuzusprechen ist (vgl. Art. 64 Abs. 1 VwVG e contrario und Art. 7 Abs. 3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
Dieses Urteil geht an:
den Beschwerdeführer (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Ref-Nr. [ ]; Einschreiben)
das Bundesamt für Sozialversicherungen (Einschreiben)
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Beat Weber Daniel Golta
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).
Versand:
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