Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung III |
Dossiernummer: | BVGE 2013/47 |
Datum: | 09.12.2013 |
Leitsatz/Stichwort: | Erleichterte Einbürgerung |
Schlagwörter : | Vater; Schweiz; Kindes; Bürger; Schweizer; Bürgerrecht; Kindesverhältnis; Vaters; Bürgerrechts; Einbürgerung; Erwerb; Mutter; Vaterschaft; Botschaft; Gesuch; Revision; Recht; Voraussetzung; Abstammung; Bürgerrechtsgesetzes; Anerkennung; Urteil; Zahlvaterschaft; Inkrafttreten; Vaterschaftsklage; Altersjahr; Kindesverhältnisses |
Rechtsnorm: | Art. 13 ZGB ; Art. 25 ZGB ; Art. 258 ZGB ; Art. 26 ZGB ; Art. 30 ZGB ; Art. 30232 ZGB ; Art. 303 ZGB ; Art. 307 ZGB ; Art. 309 ZGB ; Art. 31 ZGB ; Art. 58 B?G; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Geiser, Basler Kommentar zum Zivilgesetzbuch I, Art. 260 ZGB, 2010 |
LANDESRECHT — DROIT NATIONAL — DIRITTO NAZIONALE
1 Staat - Volk - Behörden Etat - Peuple - Autorités Stato - Popolo - Autorità
Auszug aus dem Urteil der Abteilung III
i.S. A. gegen Bundesamt für Migration C3739/2012 vom 9. Dezember 2013
Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger und wurde am
24. April 1961 in Deutschland geboren. Seine Mutter ist ebenfalls deutsche Staatsangehörige. Sie war mit dem Vater des Beschwerdeführers, dem Schweizer Staatsangehörigen B., nie verheiratet. Das Amtsgericht
X. verurteilte B. am 29. Mai 1964 zu Leistung von Unterhaltsbeiträgen zugunsten des Beschwerdeführers gemäss dem damals in Kraft stehenden aArt. 319 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom 10. Dezember 1907 (ZGB, SR 210; vgl. BS 2 3).
Am 11. Januar 2008 ersuchte der Beschwerdeführer gestützt auf die Abstammung von B. um erleichterte Einbürgerung gemäss Art. 58c des Bürgerrechtsgesetzes vom 29. September 1952 (BüG, SR 141.0).
Mit Verfügung vom 7. Juni 2012 trat das Bundesamt für Migration (BFM) auf das Gesuch nicht ein.
Mit Eingabe vom 13. Juli 2012 wurde gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben und die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung sowie die Gutheissung des Gesuchs um erleichterte Einbürgerung beantragt.
Das Bundesverwaltungsgericht weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
Bis zum Inkrafttreten der Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Kindesverhältnis) vom 25. Juni 1976 am 1. Januar 1978 (AS 1977 237) kannte das Zivilrecht zwei unterschiedliche Beziehungen eines Kindes zu seinem im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter nicht verheirateten Vater: Zum einen gab es die Möglichkeit, eine familienrechtliche Beziehung herzustellen, sei es durch die Ehelicherklärung bei nachträglicher Eheschliessung mit der Mutter, durch Anerkennung durch den Vater oder durch richterliche Zusprechung mit Standesfolge, wobei Letztere strenge Voraussetzungen kannte (vgl. aArt. 258 ff. ZGB [Ehelicherklärung], aArt. 303 ff. ZGB [Anerkennung] sowie aArt. 307 ff. ZGB [Vaterschaftsklage]). Zum anderen gab es die Möglichkeit, den biologischen Vater mittels Vaterschaftsklage zu einer Vermögensleistung zu verpflichten, ohne dass ein Kindesverhältnis entstand (vgl. aArt. 309 Abs. 1 und aArt. 319 ZGB; CYRIL HEGNAUER, Berner Kommentar, Bd. II Familienrecht, 2. Teilband 1. Lieferung, Das aussereheliche Kindesverhältnis, Art. 302327 ZGB, 3. Aufl., Bern 1969, Art. 303 N. 37 f.). Diese Unterscheidung zwischen Vaterschaft mit Standesfolge und Vaterschaft mit blosser finanzieller Verpflichtung wurde mit der erwähnten Revision des Kindesrechts aufgehoben (zu den Gründen vgl. Botschaft vom
5. Juni 1974 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesverhältnis], BBl 1974 II 1, nachfolgend: Botschaft 1974). In den Schlusstiteln des ZGB wurde für hängige Vaterschaftsklagen in übergangsrechtlicher Hinsicht festgelegt, dass das neue Recht zur Anwendung kommen sollte (vgl. Art. 13 Abs. 1 SchlT ZGB). Kinder, deren (biologischer) Vater gemäss dem früheren Recht zu einer Zahlung verpflichtet worden war oder sich zu einer Vermögensleistung verpflichtet hatte (« Zahlvaterschaft »), konnten, sofern sie bei Inkrafttreten, das heisst am 1. Januar 1978, das zehnte Altersjahr noch nicht vollendet hatten, innerhalb von zwei Jahren auf Feststellung des Kindesverhältnisses klagen (vgl. Art. 13a SchlT ZGB).
Dem am 24. April 1961 geborenen Beschwerdeführer wurde nach der in E. 4.1 geschilderten Rechtslage mit Urteil vom 29. Mai 1964 zulasten seines « ausserehelichen Vaters » ( ) gestützt auf aArt. 309 und aArt. 319 ZGB ein Unterhaltsbeitrag bis zur Vollendung seines 18. Altersjahres zugesprochen. Zur Zeit des Inkrafttretens der Revision des Kindesrechts am 1. Januar 1978 war der Beschwerdeführer bereits 16 Jahre alt, so dass ihm die Möglichkeit zur Vaterschaftsklage, wie sie das Übergangsrecht in Art. 13a Abs. 1 SchlT ZGB vorsah, nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr offenstand.
Die Bestimmungen des BüG betreffend Erwerb des Bürgerrechts durch Abstammung lehnen sich seit jeher an die Regelung des Kindesverhältnisses des ZGB an. Vor Inkrafttreten des BüG am 1. Januar 1953 fand sich die Rechtsgrundlage für den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts von Gesetzes wegen sogar einzig im ZGB (vgl. dazu Botschaft zum Entwurf zu einem Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom 9. August 1951, BBl 1951 II 674, 690). Die oben dargelegte Entwicklung der Regelung des Kindesverhältnisses des ZGB hat die entsprechende Regelung des BüG nachvollzogen. So war in dessen ursprünglicher Fassung der Erwerb des Bürgerrechts durch ein Kind einer ausländischen Mutter, die mit dem Schweizer Vater nicht verheiratet war, in aArt. 2 Abs. 1 BüG (vgl. AS 1952 1087) folgendermassen geregelt:
« 1 Das aussereheliche Kind einer ausländischen Mutter erwirbt das Schweizerbürgerrecht, wenn der Vater Schweizerbürger ist:
durch Eheschliessung des Vaters mit der Mutter oder durch richterliche Ehelichkeitserklärung;
durch richterliche Zusprechung mit Standesfolge;
durch Anerkennung durch den Vater oder den väterlichen Grossvater, wenn das Kind noch unmündig ist. »
Mit der Revision des Kindesrechts vom 26. Juni 1976 (vgl. E. 4.1) war gleichzeitig eine Änderung des BüG verbunden, die ebenfalls am 1. Januar 1978 in Kraft trat. Dabei wurde aArt. 2 BüG aufgehoben und der Bürgerrechtserwerb ausserehelicher ausländischer Kinder in Art. 1 Abs. 2 BüG (vgl. AS 1977 261) mit folgendem Wortlaut geregelt:
« 2 Ein unmündiges ausländisches Kind erwirbt das Schweizer Bürgerrecht, wie wenn der Erwerb mit der Geburt erfolgt wäre:
wenn sein Vater Schweizer Bürger ist und nachträglich die Mutter heiratet;
wenn seine Eltern nicht miteinander verheiratet sind und es durch Namensänderung den Familiennamen des schweizerischen Vaters erhält, weil es unter seiner elterlichen Gewalt aufwächst. »
Die heute geltende Fassung von Art. 1 Abs. 2 BüG ist abgesehen von einem neuen Ausdruck (« minderjährig » anstelle von « unmündig ») seit dem 1. Januar 2006 in Kraft (AS 2005 5233):
« 2 Das minderjährige ausländische Kind eines schweizerischen Vaters, der mit der Mutter nicht verheiratet ist, erwirbt das Schweizer Bürgerrecht, wie wenn der Erwerb mit der Geburt erfolgt wäre, durch die Begründung des Kindesverhältnisses zum Vater. »
Anhand der genannten Bestimmungen wird deutlich, dass die
« Zahlvaterschaft » zu keinem Zeitpunkt Grund für den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts durch Abstammung war. Dafür hätte es vielmehr einer Zuerkennung mit Standesfolge gemäss aArt. 309 Abs. 1 letzter Teilsatz ZGB bedurft (vgl. aArt. 2 Abs. 1 Bst. b BüG). Seit der Abschaffung des schuldrechtlichen Kindesverhältnisses der « Zahlvaterschaft » per 1. Januar 1978 kennt das ZGB nur noch das (familien-) rechtliche Kindesverhältnis. Deshalb kann sich auch der heute geltende Art. 1 Abs. 2 BüG nur auf die (familien-)rechtliche Beziehung zu einem Schweizer Vater beziehen. Bereits in der Botschaft 1974 (S. 110) heisst es denn auch unmissverständlich: « Im Übrigen versteht es sich von selbst, dass der Erwerb des Schweizer Bürgerrechts durch Abstammung ein familienrechtliches Kindesverhältnis zur Person, die das Bürgerrecht vermittelt, voraussetzt. » An diesem Grundsatz hat keine der seither erfolgten Revisionen von Art. 1 BüG etwas geändert (vgl. die Botschaft zum Bürgerrecht für junge Ausländerinnen und Ausländer und zur Revision des Bürgerrechtsgesetzes vom 21. November 2001 [BBl 2002 1911, 1955], die Botschaft zur Änderung des Bürgerrechtsgesetzes vom
26. August 1987 [BBl 1987 III 293, ausdrückliche Bestätigung: S. 313] und die Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Erwerb und
Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 18. April 1984 [BBl 1984 II 211]); auch der Entwurf zur Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes sieht in dieser Hinsicht keine Änderungen vor (vgl. Botschaft zur Totalrevision
des Bundesgesetzes über das Schweizer Bürgerrecht vom 4. März 2011,
BBl 2011 2825, 2848).
Aus diesen Darlegungen folgt, dass die biologische Abstammung von einem Schweizer Bürger nicht für den Erwerb des Bürgerrechts genügt. Vielmehr muss ein Kindesverhältnis im rechtlichen Sinne, das heisst im Sinne von Art. 252 ZGB, bestehen. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, da zwischen dem Beschwerdeführer und seinem (biologischen) Vater, B., nie ein solches Kindesverhältnis entstanden ist; insbesondere wurde der Beschwerdeführer weder im Sinne von Art. 260 ZGB (bzw. aArt. 303 ZGB) anerkannt noch wurde die Vaterschaft aufgrund einer Vaterschaftsklage (vgl. aArt. 261 ZGB bzw. aArt. 307 ZGB oder Art. 13a Abs. 1 SchlT ZGB) festgestellt. Dass das Urteil von 1964, mit dem die sogenannte « Zahlvaterschaft » eingerichtet wurde, ein Kindesverhältnis im erwähnten Sinne begründet hat, wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet.
Wie bereits das Zivilstandsamt dem Beschwerdeführer mitgeteilt hat ( ), besteht zum heutigen Zeitpunkt einzig die Möglichkeit der Anerkennung durch B., um ein Kindesverhältnis zu begründen, da dieses Verfahren an keine Frist gebunden ist; eine solche Anerkennung kann sogar noch durch letztwillige Verfügung erfolgen (vgl. INGEBORG SCHWENZER, in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler Kommentar zum Zivilgesetzbuch I, 4. Aufl., Basel 2010, Art. 260 N. 1 und 11).
Der Beschwerdeführer stützt sein Gesuch um erleichterte Einbürgerung auf Art. 58c Abs. 2 BüG. Dieser Artikel wurde per 1. Januar 2006 (vgl. AS 2005 5233; BBl 2002 1911) als Übergangsbestimmung zum neu formulierten Art. 1 Abs. 2 BüG eingeführt und hat folgenden Wortlaut:
« 1 Das Kind eines schweizerischen Vaters kann vor der Vollendung des 22. Altersjahres ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn es die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 2 erfüllt und vor dem Inkrafttreten der Änderung vom 3. Oktober 2003 dieses Gesetzes [d.h. vor dem 1. Januar 2006] geboren wurde.
2 Ist es mehr als 22 Jahre alt, so kann es ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn es mit der Schweiz eng verbunden ist. »
Der Beschwerdeführer beruft sich aufgrund seines Alters zu Recht auf Art. 58c Abs. 2 BüG. Dabei macht er geltend, diese Bestimmung setze kein (rechtliches) Kindesverhältnis mehr voraus; vielmehr genüge die biologische Abstammung. Diese Auffassung ist unzutreffend. Beide Absätze des Art. 58c BüG sind als Einheit zu sehen. Auch Abs. 2
kann nur zur Einbürgerung führen, wenn die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen unter anderem muss ein Kindesverhältnis zum Vater begründet worden sein, vgl. Art. 1 Abs. 2 BüG erfüllt sind (vgl. Botschaft vom 21. November 2001 zur Revision des Bürgerrechtsgesetzes, BBl 2002 1911, 1970; Urteil des Bundesgerichts 1C_258/2013 vom
7. August 2013 E. 5.3). Für Personen, die das 22. Altersjahr bereits vollendet haben, wird jedoch als zusätzliches Element die enge Verbundenheit mit der Schweiz vorausgesetzt. Da zwischen dem Beschwerdeführer und B. nie ein Kindesverhältnis entstanden ist, erfüllt der Beschwerdeführer die Voraussetzung von Art. 58c Abs. 1 BüG nicht. Folglich steht ihm die erleichterte Einbürgerung gemäss Art. 58c Abs. 2 BüG nicht offen. Im fehlenden Kindesverhältnis im rechtlichen Sinn besteht denn auch der wesentliche Unterschied zum Sachverhalt, der dem erwähnten Bundesgerichtsurteil (1C_258/2013) zugrunde lag. Dort hatte der Schweizer Vater seinen Sohn anerkannt; diese Anerkennung konnte jedoch aufgrund von aArt. 304 ZGB nicht ins schweizerische Zivilstandsregister eingetragen werden. Obwohl es aus dem Sachverhalt des Urteils nicht explizit hervorgeht, ist davon auszugehen, dass die Erklärung des Vaters in der Schweiz inzwischen anerkannt wurde. Nur so lässt sich der Schluss des Bundesgerichts erklären, der Sohn könne aufgrund von Art. 58c BüG ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen. Zudem kann es, wie die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung vom 29. August 2012 zutreffend festhält, nicht der Sinn einer Übergangsbestimmung sein, mehr Rechte zu gewähren, als der betroffenen Person nach den ordentlichen Bestimmungen zustehen würden, wären sie zum massgeblichen Zeitpunkt bereits in Kraft gewesen. Die weiteren Einwände des Beschwerdeführers, mit denen er sich auf die Kinderrechtekonvention und gleichstellungspolitische Themen bezieht, vermögen hieran nichts zu ändern. Solche Überlegungen, wie auch die Frage der immer zuverlässiger werdenden Vaterschaftsabklärungen, könnten allenfalls im Rahmen der politischen Diskussion zu einer Revision des Bürgerrechtsgesetzes berücksichtigt werden.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.