Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung III |
Dossiernummer: | C-5768/2010 |
Datum: | 12.07.2012 |
Leitsatz/Stichwort: | Rente |
Schlagwörter : | Rente; Leistung; Bundes; Sozialversicherung; Recht; Ehemann; Verwirkung; Vorinstanz; Zeitpunkt; Invalidenversicherung; Einsprache; Anspruch; Anmeldung; Verfügung; Altersrente; Altersleistungen; Bundesverwaltungsgericht; Zahlung; Gesuch; Leistungen; Fassung; Verordnung; Schweiz; Hinterlassenen; Entscheid; Ehemannes; Verfahren |
Rechtsnorm: | Art. 21 AHVG ; Art. 24 ATSG ; Art. 27 ATSG ; Art. 29 ATSG ; Art. 46 AHVG ; Art. 46 ATSG ; Art. 48 VwVG ; Art. 50 VwVG ; Art. 60 ATSG ; Art. 85b AHVG ; |
Referenz BGE: | 113 V 69; 130 V 1; 130 V 329; 134 V 315 |
Kommentar: | Kieser, ATSG- 2. Auflage, Zürich, Art. 29 ATSG, 2009 |
Abteilung III C-5768/2010
Besetzung Einzelrichterin Franziska Schneider Gerichtsschreiber Tobias Merz.
Parteien A. ,
Beschwerdeführerin,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Nachzahlung der Rente.
Die 1935 geborene A. (nachfolgend: Versicherte oder Beschwerdeführerin) ist deutsche Staatsangehörige und lebt in Deutschland. In den Jahren 1959 bis 1961 lebte sie zusammen mit ihrem Ehemann
B.
in der Schweiz. Der Ehmann zahlte während insgesamt 26
Monaten Beiträge an die obligatorische Alters, Hinterlassenenund Invalidenversicherung (Akten [im Folgenden: act.] der SAK 41 - 42).
Am 21. Dezember 1970 stellte der Ehemann der Versicherten bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung ein Leistungsgesuch. Mangels Versicherteneigenschaft beim Eintritt des Versicherungsfalles im Jahre 1967 wurde das Gesuch mit Entscheid vom 7. April 1972 abgewiesen (act. 77).
Mit Gesuch vom 19. Januar 2010 beantragte die Versicherte nach dem Tod ihres Ehemannes am 30. Dezember 2009 bei der Deutschen Rentenversicherung Hinterlassenenleistungen. Das Rentengesuch wurde der Schweizerische Ausgleichskasse (nachfolgend: SAK) zur Rentenprüfung und -festsetzung übermittelt und ist bei der Vorinstanz am
25. Februar 2010 eingegangen (act. 1).
Mit Verfügung (Nr. 1005048485) vom 30. April 2010 sprach die SAK der Versicherten ab 1. Januar 2010 gestützt auf eine anrechenbare Beitragsdauer von 2 Jahren und 2 Monaten sowie einem massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen von CHF 30'096.- eine ordentliche Altersrente mit Witwenzuschlag zu (act. 60). Mit einer zweiten Verfügung sprach die Vorinstanz der Versicherten vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2009 rückwirkend ordentliche Altersrentenleistungen zu.
Mit Eingabe vom 21. Mai 2010 (act. 78) erhob die Versicherte Einsprache und beantragte die rückwirkende Auszahlung von Altersrenten für weitere elf Jahre. Zur Begründung wird sinngemäss ausgeführt, dass der verstorbene Ehemann im Jahr 1970 einen Antrag auf Leistungen der Invalidenversicherung gestellt habe, der mit Entscheid vom 29. März 1972 (act.
77) abgelehnt worden sei. In der Meinung, dass keine weiteren Ansprüche gegenüber der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung bestünden, sei bei Erreichung des Rentenalters kein Rentenantrag gestellt worden.
Mit Entscheid vom 22. Juli 2010 (act. 87 - 89) wies die SAK die Einsprache ab und bestätigte die Verfügung vom 30. Juli 2010. Zur Begründung führte die Vorinstanz aus, der Anspruch auf ausstehende Leistungen sei fünf Jahre nach dem Ende des Monats, für welchen die Leistung geschuldet war, erloschen. Das Rentengesuch sei am 19. Januar 2010 erstmals eingereicht worden. Entsprechend hätten die Altersleistungen lediglich für den Zeitraum ab 1. Januar 2005 nachgezahlt werden können.
Gegen die Einspracheverfügung vom 22. Juli 2010 erhob die Versicherte, am 12. August 2010 Beschwerde (eingegangen beim Bundesverwaltungsgericht am 16. August 2010, Akten im Beschwerdeverfahren [im Folgenden: BVGer-act.] 1) und beantragte sinngemäss die Aufhebung der Verfügung, soweit die rückwirkende Auszahlung der Altersleistungen vor dem 1. Januar 2005 abgelehnt wurde. Zur Begründung wird geltend gemacht: Das Leistungsgesuch des Ehemannes um Invalidenversicherungsleistungen aus dem Jahre 1970 hätte als Gesuch um Altersleistungen angesehen werden können; bei der Ablehnung der Invalidenversicherungsleistungen am 29. März 1972 (act. 77) habe ein Hinweis gefehlt, dass zu einem späteren Zeitpunkt Rentenleistungen hätten geltend gemacht werden können; bei entsprechender Kenntnis hätte der Ehemann der Versicherten im Jahre 1993 ein Rentengesuch gestellt; die Verwirkungsregelung des ATSG habe zur Zeit der Entstehung des Rentenanspruchs des Ehemannes (1993) nicht gegolten und sei im konkreten Fall nicht anwendbar, weshalb einem Grundsatz entsprechend eine zehnjährige Verwirkungsfrist gelte.
In ihrer Vernehmlassung vom 22. September 2010 (BVGer act. 3) beantragte die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde und die Bestätigung der Verfügung sowie des Einspracheentscheides. Zur Begründung wird geltend gemacht, ein Antrag auf Versicherungsleistungen habe beim zuständigen Versicherungsträger in der für die jeweilige Sozialversicherung gültigen Form zu erfolgen. Der Antrag auf Leistungen der Invalidenversicherung vom 21. Dezember 1970 habe den Antrag auf Altersleistungen nicht ersetzen können. Ein Gesuch um Altersleistungen sei erstmals mit dem Rentenantrag vom 19. Januar 2010 an die deutsche Rentenversicherung gestellt worden. Aufgrund der Verwirkungsregelung könne eine Rente, die mehr als fünf Jahre nach ihrer Entstehung geltend gemacht worden sei, lediglich für die dem Monat der Anmeldung vorangehenden fünf Jahre nachbezahlt werden. Für die an die Anmeldung geknüpften
Rechtswirkungen sei nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung der Zeitpunkt der Übergabe an die Post massgebend. Im vorliegenden Fall sei die Nachzahlung ab dem 1. Januar 2005 zu Recht verfügt worden. Rentenansprüche vor dem 1. Januar 2005 seien erloschen.
Mit Instruktionsverfügung vom 1. Oktober 2010 (BVGer act. 4) wurde dem bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin ein Doppel der Vernehmlassung der Vorinstanz zugesandt und die Möglichkeit eröffnet, eine Replik einzureichen. Der Zustellungsversuch vom 6. Oktober 2010 blieb erfolglos, und die per Einschreiben mit Rückschein erfolgte Sendung wurde innerhalb der siebentägigen Frist nicht abgeholt (BVGer act. 5). Eine Replik wurde in der Folge nicht eingereicht.
In der Instruktionsverfügung vom 15. November 2010 (BVGer act. 6) wurde festgehalten, dass die Instruktionsverfügung vom 1. Oktober 2010 (BVGer act. 5) als zugestellt gilt, und dass die Frist zur Einreichung einer Replik am 12. November 2010 geendet hat. Entsprechend wurde der Schriftenwechsel abgeschlossen.
Auf die weiteren Vorbringen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit für die Entscheidfindung erforderlich, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig für die Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) sofern kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist (Art. 31, 32 des Bundesgesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 17. Juni 2005 [Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG, SR 172.32]). Zulässig sind Beschwerden gegen Verfügungen von Vorinstanzen gemäss Art. 33 VGG. Die SAK ist eine Vorinstanz im Sinn von Art. 33 Bst. d VGG (vgl. auch Art. 85bis Abs. 1 Bst. b des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Altersund Hinterlassenenversicherung [AHVG, SR 831.10]) und eine Ausnahme nach Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig.
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat an dessen Aufhebung oder Änderung ein schutzwürdiges Interesse (Art. 48 Abs. 1 VwVG; vgl. auch Art. 59 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG, SR 830.1] ). Sie ist daher zur Beschwerde legitimiert.
Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung der Verfügung oder des Einspracheentscheides einzureichen (Art. 60 Abs. 1 ATSG, vgl. auch Art. 50 Abs. 1 VwVG). Die angefochtene Einspracheverfügung, datiert vom 22. Juli 2010, wurde der Beschwerdeführerin mit normaler Post zugestellt. Die Eingabe vom 12. August 2010 ist beim Bundesverwaltungsgericht am 16. August 2010 eingegangen.
Die Eingabe ist als Beschwerde gegen die Einspracheverfügung entgegen zu nehmen und erfolgte fristund formgerecht, weshalb darauf einzutreten ist (Art. 52 VwVG).
Vorab ist zu prüfen, welche Rechtsnormen im vorliegenden Verfahren zur Anwendung gelangen.
Nach den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln sind in verfahrensrechtlicher Hinsicht in der Regel diejenigen Rechtssätze massgebend, welche im Zeitpunkt der Beschwerdebeurteilung Geltung haben (BGE 130 V 1 E. 3.2), unter Vorbehalt der spezialgesetzlichen Übergangsbestimmungen.
Gemäss Art. 37 VGG richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt. Das VwVG findet aufgrund von Art. 3 Bst. dbis VwVG jedoch keine Anwendung in Sozialversicherungssachen, soweit das ATSG anwendbar ist. Nach Art. 2 des ATSG sind die Bestimmungen des ATSG anwendbar, soweit die einzelnen Sozialversicherungsgesetze des Bundes dies vorsehen. Nach Art. 1 Abs. 1 AHVG sind die Bestimmungen des ATSG auf die im ersten Teil geregelte Altersund Hinterlassenenversicherung anwendbar, soweit das AHVG nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht.
In materiellrechtlicher Hinsicht sind - vorbehältlich besonderer übergangsrechtlicher Regelungen - grundsätzlich diejenigen Rechtsvorschriften anwendbar, die bei Erfüllung des rechtlich zu ordnenden oder des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhalts Geltung haben (BGE 134 V 315 E. 1.2; BGE 130 V 329 E. 2.3).
Seit Erreichen des Rentenalters der Versicherten am 16. April 1997 sind verschiedene rechtliche Erlasse und Erlassänderungen in Kraft getreten. Im vorliegenden Verfahren finden demnach grundsätzlich jene Vorschriften Anwendung, die bei Eintritt des Versicherungsfalles, spätestens jedoch bei Erlass der Einspracheverfügung vom 22. Juli 2010 in Kraft standen; weiter aber auch solche Vorschriften, die zu jenem Zeitpunkt bereits ausser Kraft getreten waren, die aber für die Beurteilung allenfalls früher entstandener Leistungsansprüche von Belang sind (das AHVG ab dem 1. Januar 1997 in der Fassung vom 7. Oktober 1994 [AS 1996 2466;
10. AHV-Revision] und das ATSG ab dem 1. Januar 2003 in der Fassung vom 6. Oktober 2000).
Im Übrigen wären für den Zeitraum der ersten Kontaktnahme des Ehemannes der Beschwerdeführerin mit der Invalidenversicherung im Jahr 1970 bis zum Eintritt des Versicherungsfalls die folgenden Erlasse und Erlassänderungen zu beachten: Das AHVG ab dem 1. Januar 1969 in der Fassung vom 4. Oktober 1968 [AS 1969 111; 7. AHV-Revision]; ab dem
1. Januar 1973 in der Fassung vom 30. Juni 1972 [AS 1972 2483;
8. AHV-Revision], ab dem 1. Januar 1979 in der Fassung vom
24. Juni 1977 [AS 1979 391; 9. AHV-Revision].
Die Beschwerdeführerin ist deutsche Staatsangehörige, weshalb das am 1. Juni 2002 in Kraft getretene Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedsstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA, SR 0.142.112.681) zu beachten ist.
Anhang II des FZA betreffend die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit wurde per 1. April 2012 geändert (Beschluss Nr. 1/2012 des Gemischten Ausschusses vom 31. März 2012; AS 2012 2345). Vorliegend ist auf die bis Ende März 2012 gültige Fassung (vgl. namentlich AS 2002 1527, AS 2006 979 und 995, AS 2006 5851, AS 2009 2411 und
2421) abzustellen, wonach die Vertragsparteien untereinander insbesondere folgende Rechtsakte (oder gleichwertige Vorschriften) anwenden (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Abschnitt A Anhang II des FZA): die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige
sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zuund abwandern (AS 2004 121 [vgl. auch AS 2008 4219, AS 2009 4831]; nachfolgend: Verordnung Nr. 1408/71) sowie die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zuund abwandern (AS 2005 3909 [vgl. auch AS 2009 621, AS 2009 4845]; nachfolgend: Verordnung Nr. 574/72). Im Rahmen des FZA ist auch die Schweiz als "Mitgliedstaat" im Sinne dieser Koordinierungsverordnungen zu betrachten (Art. 1 Abs. 2 Anhang II des FZA).
Die neuen, ab dem 1. April 2012 in den Beziehungen zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten geltenden EU-Verordnungen Nr. 883/2004 und 987/2009, welche die Verordnungen Nr. 1408/71 und 574/72 ersetzen, und der - seit demselben Datum in Kraft stehende - revidierte Anhang II zum FZA sind vorliegend noch nicht anwendbar.
Das Bundesverwaltungsgericht prüft die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich der Überschreitung oder des Missbrauchs des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit (Art. 49 VwVG).
Anfechtungsobjekt bildet die Einspracheverfügung der Vorinstanz vom
22. Juli 2010 (act. 89) mit welcher über die Altersrentenansprüche der Versicherten entschieden wurde. Streitig und zu prüfen ist, ob ihre Rentenansprüche vor dem 1. Januar 2005 verwirkt sind, und ob der Antrag auf Nachzahlung der Rentenleistungen zu Recht abgewiesen wurde.
Nach Art. 21 AHVG in der Fassung vom 7. Oktober 1994 i.V. mit Bst. d. Abs. 2 Bst. a. der Schlussbestimmungen der Änderungen vom
7. Oktober 1994 hatten Frauen im Jahr 1997 Anspruch auf eine Altersrente ab dem ersten Tag des Monats nach Vollendung des 62. Altersjahres. Bei gegebenen Voraussetzungen hätte die im April 1935 geborene Versicherte demnach Altersleistungen ab dem 1. Mai 1997 beantragen können.
Nach Art. 67 der Verordnung über die Altersund Hinterlassenenversicherung vom 31.Oktober 1947 (AHVV, SR 831.101) muss der Anspruch auf eine Altersrente durch Einreichung eines ausgefüllten Anmeldeformulars bei der zuständigen Ausgleichskasse geltend gemacht werden. In allgemeiner Form wird die Obliegenheit zur Geltendmachung des Rentenanspruchs überdies durch den seit dem 1. Januar 2003 geltenden Art. 29 Abs. 1 ATSG geregelt. Demnach hat sich beim zuständigen Versicherungsträger in der für die jeweilige Sozialversicherung gültigen Form anzumelden, wer eine Versicherungsleistung beansprucht. Dass der Leistungsanspruch eine Anmeldung voraussetzt und die Leistungsausrichtung nicht von Amtes wegen erfolgt, stellt im Sozialversicherungsrecht einen allgemeinen Grundsatz dar (UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2009, hiernach: Kieser ATSG-Kommentar, N. 7 zu Art. 29). Nach diesem im Leistungsbereich des Sozialversicherungsrecht geltenden Dispositionsprinzip ist damit eine formgültige Anmeldung Voraussetzung zum Leistungsbezug. Diese Rechtslage galt auch schon im Zeitpunkt der Erreichung des Rentenalters der Beschwerdeführerin im Jahr 1997.
Das Rentengesuch vom 21. Dezember 1970 erfolgte durch den Ehemann der Versicherten und betraf Leistungen der eidgenössischen Invalidenversicherung für ihn infolge Invalidität. Das Gesuch wurde rund 27 Jahre vor Erreichen des Rentenalters der Beschwerdeführerin gestellt. Mangels persönlichem, sachlichem und zeitlichem Zusammenhang kann dieses Leistungsgesuch an einen anderen Sozialversicherungszweig nicht als Anmeldung zum Bezug von Altersleistungen der Beschwerdeführerin betrachtet werden.
Die Beschwerdeführerin hat in der Folge am 19. Januar 2010 ein Rentengesuch nach dem Tod ihres Ehemannes bei der deutschen Rentenversicherung eingereicht. Bei der Vorinstanz ist das Gesuch am
25. Februar 2010 eingegangen (act. 1). Für die an die Anmeldung geknüpften Rechtswirkungen ist nach der Rechtsprechung in diesem Fall derjenige Zeitpunkt massgebend, in welchem das Gesuch der Post übergeben wurde (Urteil des Bundesgerichts 9C_582/2007 E. 3.2 vom 18. Februar 2008). Die Rentenanmeldung ist demnach erstmals am
19. Januar 2010 erfolgt.
Vom Grundsatz, wonach Sozialversicherungsleistungen ab den Zeitpunkt
der Anmeldung für die Zukunft ausgerichtet werden, sieht Art. 77 AHVG eine Ausnahmeregelung vor. Demnach hat die Ausgleichskasse ausstehende Rentenleistungen auch für die Vergangenheit nachzuzahlen. Vorbehalten bleibt die Verwirkung gemäss Artikel 46 AHVG. Jene Bestimmung verweist für den Anspruch auf Nachzahlung auf Art. 24 Abs. 1 ATSG. Demnach erlischt der Anspruch auf ausstehende Leistungen fünf Jahre nach dem Ende des Monats, für welchen die Leistung geschuldet war. In der Zeit vor der Einführung des ATSG am
1. Januar 2003 sah Art. 46 Abs. 1 AHVG (in den bis Ende 2002 gültigen Fassungen) eine gleiche Regelung vor: «Der Anspruch auf Nachzahlung erlischt mit dem Ablauf von fünf Jahren seit Ende des Monats, für welchen die Leistung geschuldet war». Bei der fünfjährigen Frist handelt es sich um eine Verwirkungsfrist (Kieser ATSG-Kommentar, N. 13 zu Art. 24). Die Verwirkungsfrist kann grundsätzlich weder gehemmt, unterbrochen noch wiederhergestellt werden (vgl. BGE 113 V 69). Mit Ablauf der 5-jährigen Verwirkungsfrist ist der Anspruch erloschen. Der Eintritt der Verwirkung muss von Amtes wegen berücksichtigt werden (Kieser ATSGKommentar, N. 12 zu Art. 24).
Nach der Praxis ist der Beginn der Verwirkung auf denjenigen Zeitpunkt zu legen, in dem bei umgehender Leistungsanmeldung die Leistung zu erbringen gewesen wäre (Kieser ATSG-Kommentar, N. 18 zu Art. 24). Bei rechtzeitiger Anmeldung wäre der Anspruch der Versicherten auf Altersrente ab dem der Vollendung des 62. Altersjahres folgenden Monat, d.h. ab Mai 1997, entstanden (Art. 21 Abs. 2 AHVG) und die monatlich geschuldete Rente hätte bis zum 20. Tag des jeweiligen Monats ausbezahlt werden müssen.
Zur Wahrung der Verwirkungsfrist wird in der Praxis auf den Zeitpunkt der Anmeldung abgestellt (Kieser ATSG-Kommentar, N. 19 zu Art. 24).
Bei einer Anmeldung im Januar 2010 sind somit die Ansprüche vor dem Januar 2005 erloschen.
Die Beschwerdeführerin machte in ihrer Eingabe sinngemäss geltend, die Verwirkung für diesen Tatbestand sei im Gesetz nicht explizit geregelt, weshalb die Lücke durch Richterrecht zu füllen sei. Eine kurze Frist sei nicht angebracht, prinzipiell gelte eine zehnjährige Verjährungsfrist.
Die Verwirkung von Ansprüchen ist im Verwaltungsrecht nicht einheitlich geregelt. Im Leistungsrecht der AHV besteht jedoch mit Art. 46 Abs. 1 ATSG i. V. mit Art. 24 Abs. 1 ATSG eine einschlägige Regelung. Vor der Einführung des ATSG sah Art. 46 Abs. 1 AHVG selbst eine einschlägige Verwirkungsregelung für Leistungsansprüche vor.
Aufgrund der expliziten Regelung im AHVG und im ATSG besteht keine Lücke im Gesetz, welche durch allgemeine Grundsätze oder Richterrecht zu füllen wäre.
In ihrer Beschwerde wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass im Leistungsentscheid vom 7. April 1972 (act. 77) ein Hinweis fehlte, wonach zu einem späteren Zeitpunkt ein Anspruch auf Altersrente geltend gemacht werden kann, und dass ihr Ehemann bei entsprechender Kenntnis im Jahre 1993 einen Rentenantrag gestellt hätte.
Soweit mit dieser Rüge die Altersleistungen des Ehemannes der Versicherten angesprochen werden, kann darauf nicht eingetreten werden. Die Altersleistungen des Ehemannes waren nicht Gegenstand des angefochtenen Einspracheentscheides und liegen damit ausserhalb des Streitgegenstandes.
Art. 27 Abs. 2 ATSG normiert die persönliche Informationspflicht der Sozialversicherung. Diese Beratungspflicht gilt nicht umfassend und voraussetzungslos. Sie gilt für den konkreten Einzelfall, bezogen auf eine einzelne Person (vgl. BBl 1999 4583) und ist auf den jeweiligen Versicherungszweig beschränkt (Kieser ATSG-Kommentar, N. 19 zu Art. 27). Eine Verpflichtung des Sozialversicherungsträgers darauf hinzuweisen, dass zu einem späteren Zeitpunkt unter anderen Voraussetzungen eine Leistungspflicht eines anderen Sozialversicherungszweiges gegenüber einer anderen Person besteht, lässt sich aus der persönlichen Beratungspflicht nach Art. 27 Abs. 2 ATSG nicht herleiten.
Art. 27 Abs. 3 ATSG normiert die Informationspflicht des Sozialversicherungsträgers über Ansprüche gegenüber anderen Sozialversicherungen oder anderen Sozialversicherungszweigen. Demnach ist die versicherte Person oder deren Angehörige zu informieren, wenn der Versicherungsträger feststellt, dass Leistungen anderer Sozialversicherungen beansprucht werden können. Die Informationspflicht entsteht bei der Feststellung eines bestehenden Leistungsanspruchs. Der Versicherungsträger
hat nicht eigene Nachforschungen anzustellen und ist nicht verpflichtet, über zukünftige, noch nicht bestehende Leistungen zu informieren (vgl. auch (Kieser ATSG-Kommentar, N. 35 zu Art. 27).
Eine Verpflichtung der Invalidenversicherung, in ihrer leistungsablehnenden Verfügung vom 7. April 1972 (act. 77) auf zukünftige Altersoder Hinterlassenenrentenansprüche der Ehefrau hinzuweisen, lässt sich aus der Rechtsordnung nicht herleiten.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass aufgrund der Regelung im AHVG und im ATSG feststeht, dass Rentenansprüche, welche vor Januar 2005 geschuldet waren, erloschen sind, und dass die Ausgleichskasse weder berechtigt noch verpflichtet ist, diese Leistungen nachzuzahlen. Die SAK hat das Gesuch um Nachzahlung von Altersrenten vor Januar 2005 zurecht abgelehnt.
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet, weshalb sie im einzelrichterlichen Verfahren abzuweisen ist (Art. 23 Abs. 2 VGG).
Das Verfahren ist für die Parteien kostenlos, weshalb keine Verfahrenskosten zu erheben sind (Art. 85bis Abs. 2 AHVG). Die unterliegende Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben und keine Parteientschädigung entrichtet.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Einschreiben mit Rückschein)
die Vorinstanz (Einschreiben)
das Bundesamt für Sozialversicherungen
Die Einzelrichterin Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Franziska Schneider Tobias Merz
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).
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