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Bundesverwaltungsgericht Urteil C-1202/2010

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts C-1202/2010

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung III
Dossiernummer:C-1202/2010
Datum:14.03.2012
Leitsatz/Stichwort:Invalidenversicherung (Übriges)
Schlagwörter : Verrechnung; Beiträge; Recht; Vorinstanz; Verfügung; Ausgleichskasse; Schweiz; Rente; Bundesverwaltungsgericht; B-act; Akten; Brasilien; Parteien; Verbindung; Existenzminimum; Verfahren; Bundesgesetz; Nichterwerbstätige; Leistungen; Höhe; Bundesgesetzes; Renten; Beschwerdeführers; Folgenden:
Rechtsnorm: Art. 120 OR ;Art. 14 AHVG ;Art. 15 AHVG ;Art. 20 AHVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 61 ATSG ;Art. 64 VwVG ;
Referenz BGE:115 V 341; 128 V 224; 130 V 1; 130 V 329; 130 V 445; 130 V 501; 131 V 164; 131 V 249; 132 V 220; 134 V 315
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung III C-1202/2010

U r t e i l  v o m  1 2.  M ä r z  2 0 1 2

Besetzung Richterin Franziska Schneider (Vorsitz),

Richter Francesco Parrino, Richter Beat Weber, Gerichtsschreiber Roger Stalder.

Parteien A. ,

Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA,

Avenue Edmond-Vaucher 18, Postfach 3100, 1211 Genf 2, Vorinstanz.

Gegenstand Verrechnung von AHV/IV-Beiträgen mit IV-Rente.

Sachverhalt:

A.

Der 1956 geborene Schweizer Staatsbürger A.

(im Folgenden:

Versicherter oder Beschwerdeführer) meldete sich erstmals am 3. September 2004 (Eingangstempel: 6. September 2004) bei der IV-Stelle des Kantons Graubünden (im Folgenden: IV-Stelle GR) zum Bezug von Leistungen der schweizerischen Invalidenversicherung (IV) an (Akten [im Folgenden: act.] der Invalidenversicherungs-Stelle für Versicherte im Ausland [im Folgenden: IVSTA oder Vorinstanz] 40). Dieses Leistungsgesuch wurde mit Verfügungen vom 4. Oktober 2006 abgewiesen (act. 18 und 19); diese erwuchsen unangefochten in Rechtskraft.

B.

Mit Datum vom 26. Juni 2008 (Eingangsstempel) stellte der Versicherte ein neues Leistungsgesuch (act. 43). Nach Durchführung der für die Beurteilung des Anspruchs massgeblichen Abklärungen erging am 25. Mai 2009 ein Beschluss, in welchem ein Invaliditätsgrad von 100 % ab 1. August 2008 festgestellt wurde (act. 59 resp. 83); die entsprechende, unangefochten in Rechtskraft erwachsene Verfügung der IV-Stelle GR, mit welcher dem Versicherten eine ganze Rente zugesprochen wurde, datiert vom 21. August 2009 (act. 85). Da der Versicherte seinen Wohnsitz im November 2009 nach Brasilien verlegt hatte, wurden die Akten am

23. November 2009 der Schweizerischen Ausgleichskasse (SAK) überwiesen (act. 92); die neue Zuständigkeit wurde dem Versicherten am

26. November 2009 mitgeteilt (act. 93).

C.

Am 15. Januar 2010 stellte die AHV-Ausgleichskasse des Kantons GR der SAK einen Verrechnungsantrag für die vom Versicherten geschuldeten und nicht geleisteten persönlichen Beiträge für die Monate Oktober und November 2009 in der Höhe von insgesamt Fr. 78.90 (act. 103). Daraufhin erliess die IVSTA am 22. Januar 2010 eine Verfügung, mit welcher dem Versicherten mitgeteilt wurde, dass zwecks Tilgung der Schuld der Betrag von Fr. 78.90 von der IV-Rente im Februar 2010 in Abzug gebracht würde (act. 104).

D.

Hiergegen erhob der Versicherte beim Bundesverwaltungsgericht mit Eingabe vom 22. Februar 2010 Beschwerde (der brasilianischen Post gleichentags übergeben und beim Bundesverwaltungsgericht am 1. März

2010 eingegangen) und beantragte die Aufhebung der Verfügung vom

22. Januar 2010 (act. im Beschwerdeverfahren [im Folgenden: B-act.] 1).

Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Abzug in der Höhe von Fr. 78.90 für die Monate Oktober und November 2009 sei widerrechtlich gewesen. Er sei am 28. November 2009 aus dem "Stralcio dal catalogo civiso" der ehemaligen Wohnortsgemeinde B. gelöscht worden. Das Abflugsdatum sei Ende Oktober 2009 noch ungewiss gewesen. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei der Einwohnerkontrolle die Abmeldung eröffnet worden. Am 18. November 2009 sei der Abflug erfolgt. Bis zum

28. November 2009 habe er den SKOS-Richtlinien unterstanden. Das Sozialhilfegesetz verbiete zweckentfremdete Geldabzüge vom absoluten Existenzminimum. Zudem sei zu überprüfen, ob die politische Gemeinde

B.

EL-Leistungen für den Monat November 2010 (recte: 2009)

erhalten habe, obwohl seitens des Sozialhilfeempfängers kein Mietverhältnis mehr bestanden habe.

E.

Mit Einschreiben vom 4. März 2010 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, dem Bundesverwaltungsgericht innert Frist ein Zustellungsdomizil in der Schweiz bekannt zu geben (B-act. 2); dieser Aufforderung wurde nachgekommen (B-act. 4 und 4a).

F.

In ihrer Vernehmlassung vom 9. Juli 2010 beantragte die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde (B-act. 7).

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe die Schweiz im Laufe des Monats November 2009 verlassen. Er sei folglich gemäss Art. 1a Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVG, SR 831.10) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 AHVG bis und mit November 2009 beitragspflichtig gewesen. Gemäss Art. 15 Abs. 1 AHVG seien Beiträge, die auf erfolgte Mahnung hin nicht bezahlt würden, ohne Verzug auf dem Weg der Betreibung einzuziehen, soweit sie nicht mit fälligen Renten verrechnet werden könnten. Gemäss Art. 50 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG, SR 831.20) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 AHVG könnten Forderungen aufgrund des AHVG mit fälligen Invalidenrenten verrechnet werden. Die Ausgleichskasse GR sei berechtigt und verpflichtet gewesen, die Verrechnung der ausstehenden persönlichen Beiträge für die Monate Oktober und November 2009 in Höhe von Fr. 78.90 mit der Invalidenrente durch die SAK zu veranlassen. Die Verrechnung von Beitragsforderungen mit fälligen Rentenleistungen finde ihre Grenze praxisgemäss am existenzrechtlichen Minimum. Da der Beschwerdeführer seit Dezember 2009 in Brasilien wohnhaft und die Verrechnung im Februar 2010 verfügt worden sei, seien die Verhältnisse in Brasilien massgebend. Die Berufung auf die schweizerische Sozialhilfegesetzgebung und die schweizerischen Verhältnisse gingen deshalb fehl. In der Beschwerde werde nicht dargelegt, dass durch den geringfügigen Abzug von Fr. 78.90 das Existenzminimum in Brasilien, wo die Lebenshaltungskosten wesentlich tiefer seien als in der Schweiz, tangiert würde.

G.

Als Beilage zum Schreiben vom 22. Juli 2010 übermittelte die Vorinstanz dem Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der postalischen Nachforschung nach dem Zustellzeitpunkt der angefochtenen Verfügung vom

22. Januar 2010; dieser datiert vom 17. Februar 2010 (B-act. 9).

H.

Mit Zwischenverfügung vom 28. Juli 2010 wurde der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Säumnisfolgen aufgefordert, einen Kostenvorschuss von Fr. 400.- in der Höhe der mutmasslichen Verfahrenskosten zu leisten (B-act. 10).

I.

In seiner Replik vom 30. Juli 2010 hielt der Beschwerdeführer an seinen Rechtsbegehren fest (B-act. 11).

Zur Begründung führte er insbesondere aus, die von der Vorinstanz aufgeführten Argumente seien irrelevant. Tatsache sei, dass er sich zufolge einer Prozessflut seit dem 2. Mai 2010 in der Schweiz aufhalten müsse. Somit könne von tieferen Lebenskosten in Brasilien nicht die Rede sein; ab besagtem Datum unterstehe er wiederum den SKOS-Richtlinien. Weiter könne er aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse den Kostenvorschuss nicht leisten (B-act. 17).

J.

In ihrer Duplik vom 6. August 2010 beantragte die Vorinstanz weiterhin die Abweisung der Beschwerde und führte ergänzend aus, bei der Beurteilung eines Falles sei grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung eingetretenen Sachverhalt abzustellen.

Dass der Beschwerdeführer im Mai 2010 in die Schweiz zurückgekehrt sei, sei somit für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht von Relevanz (B-act. 14).

K.

Mit prozessleitender Verfügung vom 13. September 2010 schloss die Instruktionsrichterin den Schriftenwechsel (B-act. 16).

L.

Auf den weiteren Inhalt der Akten sowie der Rechtsschriften der Parteien ist - soweit erforderlich - in den nachfolgenden Erwägungen einzugehen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Zu den anfechtbaren Verfügungen gehören jene der IVSTA, welche eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts darstellt (Art. 33 Bst. d VGG; vgl. auch Art. 69 Abs. 1 Bst. b IVG). Eine Ausnahme, was das Sachgebiet angeht, ist in casu nicht gegeben (Art. 32 VGG).

    2. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (vgl. Art. 37 VGG). Gemäss Art. 3 Bst. dbis VwVG bleiben in sozialversicherungsrechtlichen Verfahren die besonderen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom

      6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, SR 830.1) vorbehalten. Gemäss Art. 2 ATSG sind die Bestimmungen dieses Gesetzes auf die bundesgesetzlich geregelten Sozialversicherungen anwendbar, wenn und soweit die einzelnen Sozialversicherungsgesetze es vorsehen. Nach Art. 1 IVG sind die Bestimmungen des ATSG auf die IV anwendbar (Art. 1a bis 70 IVG), soweit das IVG nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht. Dabei finden nach den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln in formellrechtlicher Hinsicht mangels anderslautender Übergangsbestimmungen grundsätzlich diejenigen Rechtssätze Anwendung, welche im Zeitpunkt der Beschwerdebeurteilung Geltung haben (BGE 130 V 1 E. 3.2). Weiter sind

      gemäss Art. 1 Abs. 1 AHVG die Bestimmungen des ATSG auf die im ersten Teil geregelte Altersund Hinterlassenenversicherung anwendbar, soweit das AHVG nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht.

    3. Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht (vgl. Art. 22a in Verbindung mit Art. 60 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG, SR 830.1] und Art. 52 Abs. 1 VwVG). Als Adressat der angefochtenen Verfügung vom 22. Januar 2010 (act. 104) ist der Beschwerdeführer berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung (vgl. Art. 59 ATSG). Zusammenfassend ergibt sich, dass sämtliche Prozessvoraussetzungen erfüllt sind. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten (vgl. insb. E. 1.4.2. hiernach).

1.4.

      1. Anfechtungsobjekt bildet der Entscheid der Vorinstanz vom 22. Januar 2010 (act. 104), mit welcher zwecks Tilgung der Schuld der Abzug des Betrages von Fr. 78.90 von der IV-Rente des Beschwerdeführers für den Monat Februar 2010 verfügt worden war. Streitig und zu prüfen ist die Rechtmässigkeit dieser Verrechnung. In diesem Zusammenhang ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass nicht zu beanstanden ist, dass die Vorinstanz vor Erlass der Verfügung vom 22. Januar 2010 kein Vorbescheidverfahren durchgeführt hat (Art. 73bis Abs. 1 der Verordnung vom

        17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung [IVV, SR 831.201] in Ver-

        bindung mit Art. 57a IVG).

      2. Betreffend den Antrag des Beschwerdeführers, es sei zu überprüfen, ob die politische Gemeinde B. EL-Leistungen für den Monat November 2010 (recte: 2009) erhalten habe, ist festzustellen, dass im bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen und zu beurteilen sind, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Da im Zusammenhang mit dem obigen Rechtsbegehren des Beschwerdeführers - soweit aus den Akten ersichtlich - keine Verfügung ergangen ist, fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, weshalb diesbezüglich auf die Beschwerde nicht einzutreten ist (vgl. hierzu BGE 131 V 164 E. 2.1, 125 V 413 E. 1a). Ergänzend ist zu erwähnen, dass die von der Rechtsprechung herausgebildeten Voraussetzungen zur Ausdeh-

nung des Anfechtungsgegenstandes vorliegend nicht gegeben sind (vgl. BGE 130 V 501 E. 1.2, 122 V 3 E. 2a; ZAK 1990 S. 403 E. 2b; RKUV

1998 U 308 S. 454 E. 2b; ARV 1995 S. 155 E. 2a).

1.5. Das Bundesverwaltungsgericht prüft die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich der Überschreitung oder des Missbrauchs des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit (Art. 49 VwVG).

2.

Am 1. Januar 2008 sind im Rahmen der 5. IV-Revision Änderungen des IVG und anderer Erlasse wie des ATSG in Kraft getreten. Weil in zeitlicher Hinsicht - vorbehältlich besonderer übergangsrechtlicher Regelungen - grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgeblich sind, die bei der Erfüllung des rechtlich zu ordnenden oder zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 132 V 220 E. 3.1.1, 131 V 11 E. 1), sind die Leistungsansprüche für die Zeit bis zum 31. Dezember 2007 aufgrund der bisherigen und ab diesem Zeitpunkt nach den neuen Normen zu prüfen (pro rata temporis; BGE 130 V 445). Im vorliegenden Verfahren finden demnach grundsätzlich jene Vorschriften Anwendung, die bei Erlass der angefochtenen Verfügung vom 22. Januar 2010 in Kraft standen (das IVG ab dem 1. Januar 2008 in der Fassung vom 6. Oktober 2006 [AS 2007 5129; 5. IV-Revision]; die IVV in der entsprechenden Fassungen der 5. IV-Revision [AS 2003 3859 und 2007 5155]). In materiellrechtlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen Rechtsvorschriften anwendbar, die bei Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhalts Geltung haben (BGE 134 V 315 E. 1.2; BGE 130 V 329 E. 2.3). Am 1. Januar 1997 ist

die 10. AHV-Revision (Bundesgesetz vom 7. Oktober 1994) in Kraft getreten. Da vorliegend streitig und zu prüfen ist, ob die verfügte Verrechnung der Vorinstanz von - im Jahr 2009 für die Monate Oktober und November geschuldeten - Beiträgen rechtmässig gewesen ist, gelten vorliegend die Bestimmungen gemäss der 10. AHV-Revision (Übergangsbestimmungen der 10. AHV-Revision).

3.

In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer für die Monate Oktober und November 2009 beitragspflichtig gewesen war oder nicht.

    1. Versichert nach Massgabe von Art. 1a Abs. 1 AHVG sind die natürlichen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz (Bst. a) und/oder die natürlichen Personen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben (Bst. b). Die Versicherten sind beitragspflichtig, solange sie eine Erwerbstätigkeit ausüben. Für Nichterwerbstätige beginnt die Beitragspflicht am

      1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres und dauert bis zum Ende des Monats, in welchem Frauen das 64. und Männer das 65. Altersjahr vollendet haben (Art. 3 Abs. 1 AHVG).

    2. Beschwerdeweise führte der Versicherte am 22. Februar 2010 aus, er sei am 18. November 2009 abgeflogen (B-act. 1). Diese Aussage korreliert mit einer Äusserung des Beschwerdeführers im Rahmen seiner E- Mail vom 20. November 2009, er sei nach 19 Stunden Flugzeit in C. angekommen (act. 22 und 91). Mit Blick auf die weiteren Akten ergeben sich jedoch betreffend das Abflugsdatum Widersprüche. So ist - nach einem Anruf des Beschwerdeführers - einer undatierten Aktennotiz zu entnehmen, dass er am 4. November 2009 abfliegen werde (act. 86), was mit dem Schreiben des Versicherten vom 8. März 2010, worin er ausgeführt hatte, er wohne seit dem 5. November 2009 in Brasilien (act. 111), und der Registratur im "D. " (act. 91 und 99) übereinstimmt. Die Frage nach dem genauen Abflugsdatum kann jedoch offen gelassen werden, denn unter den Parteien ist unbestritten, dass der Abflug resp. die Ausreise nach Brasilien spätestens für den 27. November 2009 (act. 86) geplant und schliesslich auch im November 2009 erfolgt war. In Anwendung von Art. 1a Abs. 1 Bst. a AHVG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 AHVG war der Beschwerdeführer unter diesen Umständen ohne Zweifel bis und mit November 2009 beitragspflichtig.

4.

In einem nächsten Schritt ist weiter zu prüfen, ob mit Blick auf die vorliegenden Akten die Verrechnung der aufgrund der zweifelsfrei feststehenden Beitragspflicht geschuldeten Beiträge möglich resp. rechtmässig gewesen war. Dabei ist vorab die Höhe dieser Beiträge (Fr. 78.90) zu überprüfen.

    1. Gemäss Art. 14 Abs. 2 AHVG sind die Beiträge der Nichterwerbstätigen periodisch festzusetzen und zu entrichten, wobei der Bundesrat die Bemessungsund Beitragsperioden bestimmt. Gemäss Art. 14 Abs. 4 AHVG erlässt der Bundesrat Vorschriften über die Zahlungstermine für die Beiträge (Bst. a), das Mahnund Veranlagungsverfahren (Bst. b), die Nachzahlung zu wenig bezahlter Beiträge (Bst. c) und den Erlass der Nachzahlung, auch in Abweichung von Art. 24 ATSG (Bst. d). Laut Art. 34 Abs. 1 Bst. b AHVV haben Nichterwerbstätige der Ausgleichskasse die

      Beiträge vierteljährlich zu bezahlen. Die für eine Zahlungsperiode geschuldeten Beiträge sind innert zehn Tagen nach deren Ablauf zu bezahlen (Art. 34 Abs. 3 1. Satz AHVV). Gemäss Art. 34a Abs. 1 AHVV sind Beitragspflichtige, die innert der vorgeschriebenen Frist die Beiträge nicht bezahlen oder die Lohnbeiträge nicht abrechnen, von der Ausgleichskasse unverzüglich schriftlich zu mahnen. Mit der Mahnung ist eine Mahngebühr von Fr. 20.- bis Fr. 200.- aufzuerlegen (Art. 34a Abs. 2 AHVV). Beiträge, die auf erfolgte Mahnung hin nicht bezahlt werden, sind ohne Verzug auf dem Wege der Betreibung einzuziehen, soweit sie nicht mit fälligen Renten verrechnet werden können (Art. 15 Abs. 1 AHVG). Gemäss Art. 50 Abs. 2 IVG findet für die Verrechnung Art. 20 Abs. 2 AHVG sinngemäss Anwendung.

    2. Die Verrechenbarkeit sich gegenüberstehender Forderungen stellt nach Rechtsprechung und Lehre einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, der für das zivile Recht in Art. 120 ff. des Bundesgesetzes vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht [OR, SR 220]) ausdrücklich verankert ist, aber auch im Verwaltungsrecht zur Anwendung gelangt. Unter Vorbehalt verwaltungsrechtlicher Sonderbestimmungen können im Prinzip Forderungen und Gegenforderungen von Bürgerinnen und Bürgern und des Gemeinwesens miteinander verrechnet werden. Der Verrechnungsgrundsatz gilt insbesondere auch im Sozialversicherungsrecht, wobei sich in den meisten Zweigen hierüber eine gesetzliche Bestimmung findet (BGE 128 V 224 E. 3b mit Hinweisen, 110 V 183 E. 2; SVR 2006 BVG Nr. 19

S. 70 E. 6.1.1).

Die Verrechnung in Anwendung von Art. 20 Abs. 2 AHVG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 IVG darf den betreibungsrechtlichen Notbedarf der versicherten Person nicht beeinträchtigen. Für die Berechnung des Notbedarfs sind die betreibungsrechtlichen Regeln anzuwenden (BGE 131 V 249 E. 1.2; RKUV 2006 KV 379 S. 335 E. 5.1.2). Durch Art. 20 Abs. 2

AHVG wird für die Verrechnung eine eigene Ordnung geschaffen, welche auf die Besonderheiten der Sozialgesetzgebung im AHV-Bereich zugeschnitten ist. Dabei geht die Verrechenbarkeit von Beiträgen mit Leistungen gemäss Art. 20 Abs. 2 AHVG über die obligationenrechtlichen Regeln (Art. 120 Abs. 1 OR) hinaus; denn nach ständiger Rechtsprechung sind versicherungsrechtlich bzw. -technisch zusammenhängende Beiträge und Renten ohne Rücksicht auf die pflichtige bzw. berechtigte Person verrechenbar (BGE 115 V 341 E. 2b, 111 V 1 E. 3 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung hat Art. 20 Abs. 2 AHVG zwingenden Charakter und die

Ausgleichskassen sind im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet, geschuldete Beiträge mit fälligen Leistungen zu verrechnen. Die Verrechnung der geschuldeten Beiträge darf aber nur insoweit erfolgen, als der Verrechnungsabzug an den monatlichen Renten das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht beeinträchtigt. Ist die Verrechnung des vollen Betrages auf einmal nicht möglich, so sind entsprechende Teilbeträge monatlich zur Verrechnung zu bringen (BGE 115 V 341 E. 2c; ZAK 1986 S. 289 f. E. 3b mit Hinweisen).

4.3.

      1. Dem Schreiben der Sozialversicherungsanstalt des Kantons GR an den Beschwerdeführer vom 15. Januar 2010 ist zu entnehmen, dass am

        8. Dezember 2009 eine Rechnung für die persönlichen Beiträge für die Monate Oktober und November 2009 über Fr. 76.60 und für Verwaltungskostenbeiträge über Fr. 2.30, somit insgesamt Fr. 78.90, gestellt wurde (act. 102). Dieser Betrag gibt mit Blick auf die Beitragstabelle für Nichterwerbstätige (www.ahv-iv.info ch > Dienstleistungen > Merkblätter > Beiträge AHV/IV/EO/ALV > Dokument 2.03; Mindestbeitrag pro Monat Fr. 38.30; für zwei Monate Fr. 76.60) und den Verwaltungskostenbeitrag der kantonalen Ausgleichskasse GR in der Höhe von 3 % (bei Nichterwerbstätigen neu ab 1. Januar 2011 5 % der massgebenden jährlichen Beitragssumme; vgl. www.sva.gr.ch > Publikationen > Archiv-Publikationen > neue Verwaltungskostenbeiträge der kantonalen Ausgleichskasse GR; www.sva.gr.ch > AHV > Nichterwerbstätige > Merkblatt Beitragssätze für Nichterwerbstätige) zu keinen Beanstandungen Anlass und wurde überdies von den Parteien auch nicht beanstandet.

      2. Da die forderungsberechtigte Ausgleichskasse GR die IV-Rente des Beschwerdeführers nicht selber auszahlt, erteilte sie der auszahlenden SAK mit Schreiben vom 15. Januar 2010 - unter Beilage der Rechnungskopie vom 8. Dezember 2009 - einen Verrechnungsauftrag (act. 102 und 103). Wie vorstehend bereits dargelegt (vgl. E. 4.2. hiervor), darf die Verrechnung in Anwendung von Art. 20 Abs. 2 AHVG in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 IVG den betreibungsrechtlichen Notbedarf der versicherten Person nicht beeinträchtigen, wobei für die Berechnung des Notbedarfs die betreibungsrechtlichen Regeln anzuwenden sind.

Gemäss den Rz. 10921 und 10925 der vorliegend anwendbaren Wegleitung über die Renten [RWL] in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (gültig ab 1. Januar 2003, Stand 1. Januar 2009 [vgl. E. 2. hiervor; keine Änderungen in der ab 1. Januar 2010 bis

31. Dezember 2010 gültig gewesenen Fassung]) hätte es im Zusammenhang mit einem Verrechnungsauftrag der forderungsberechtigten Ausgleichskasse GR oblegen, vorerst abzuklären, ob und in welchem Umfang die Verrechnung zulässig ist, damit das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht unterschritten wird. Dabei ist für die Prüfung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums diejenige Zeitspanne massgebend, für welche die Nachzahlung bestimmt ist. Im vorliegenden Fall sind dies folglich die Monate Oktober und November 2009, für welche die Beiträge geschuldet sind. Der Argumentation der Vorinstanz, dass die Verhältnisse in Brasilien (zu den Lebenshaltungskosten vgl. www.swissemigration.ch > Länder > Brasilien; Lebenskostenindex im Vergleich zur Schweiz [Bern] von 78,1 % für Rio de Janeiro und 84,5 % für São Paulo [Stand: September 2009]; abgerufen am 16. Januar 2012) massgebend seien, da der Beschwerdeführer dort seit Dezember 2009 wohnhaft und die Verrechnung im Februar 2010 verfügt worden sei, kann unter diesen Umständen nicht gefolgt werden. Da aus den Akten nicht ersichtlich ist, dass die zwingend erforderliche Prüfung stattgefunden hatte, ist dieses Versäumnis - unter Einbezug allfälliger EL-Leistungen (vgl. E. 1.4.2. hiervor) - von der Ausgleichskasse GR nachzuholen.

5.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich zusammenfassend, dass der Beschwerdeführer betreffend die Monate Oktober und November 2009 beitragspflichtig gewesen war. Die Ausgleichskasse GR hat die Zulässigkeit der Verrechnung resp. den Umstand, ob durch die Verrechnung das betreibungsrechtliche Existenzminimum unterschritten wird, nicht ordnungsgemäss abgeklärt. In Gutheissung der Beschwerde vom

22. Februar 2010 ist deshalb die angefochtene Verrechnungsverfügung vom 22. Januar 2010 aufzuheben. Die Akten sind an die Vorinstanz - zur Übermittlung an die Ausgleichskasse GR zur Durchführung der erforderlichen Abklärungen - zurückzuweisen. Die Ausgleichskasse GR hat das Resultat der Prüfung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums der Vorinstanz schriftlich mitzuteilen (vgl. Rz. 10925 RWL in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung) resp. einen neuen Verrechnungsantrag über den vollen Betrag oder allenfalls über Teilbeträge (vgl. E. 4.2. 2. Absatz hiervor) zu stellen, damit diese bei gegebenen Voraussetzungen eine neue Verrechnungsverfügung erlassen kann.

6.

Zu befinden bleibt noch über die Verfahrenskosten und eine allfällige Parteientschädigung.

    1. In Anwendung von Art. 61 Bst. a ATSG in Verbindung mit Art. 69 Abs. 1bis IVG (e contrario) sind keine Verfahrenskosten zu erheben.

    2. Dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer sind keine unverhältnismässig hohen Kosten entstanden, weshalb ihm keine Parteientschädigung zuzusprechen ist. Als Bundesbehörde hat die Vorinstanz ebenfalls keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl. Art. 64 Abs. 1 VwVG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 und 4 des Reglements vom

21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde vom 22. Februar 2010 wird, soweit darauf eingetreten wird, in dem Sinn gutgeheissen, als dass die angefochtene Verfügung vom 22. Januar 2010 aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • den Beschwerdeführer (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. [ ]; Einschreiben)

  • das Bundesamt für Sozialversicherungen (Einschreiben)

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Franziska Schneider Roger Stalder

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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