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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-3976/2012

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-3976/2012

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-3976/2012
Datum:23.04.2013
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Bundesverwaltungsgericht; Verfügung; Beschwerdeführers; Verfahren; Asylgesuch; Wegweisung; Kostenvorschuss; Parteien; Schweiz; Urteil; Richter; Vorinstanz; Eingabe; Rechtsvertreter; Akten; Familie; Hinweis; Flüchtling; Parteientschädigung; Steiner; Flüchtlingseigenschaft; Wegweisungsvollzugs; Ehegatten; Grundsatz; Einheit; Bundesverwaltungsgerichts; EMARK; Behörde
Rechtsnorm: Art. 48 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV

D-3976/2012/mel

U r t e i l  v o m  2 3.  A p r i l  2 0 1 3

Besetzung Richterin Nina Spälti Giannakitsas, Richter Daniele Cattaneo,

Richter Bendicht Tellenbach, Gerichtsschreiberin Sara Steiner.

Parteien A. , geboren ( ), Türkei,

vertreten durch lic. iur. Michael Steiner, Rechtsanwalt, Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung;

Verfügung des BFM vom 28. Juni 2012 / N ( ).

Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,

dass der Beschwerdeführer am 31. Juli 2009 in der Schweiz ein erstes Asylgesuch stellte, welches mit Verfügung des BFM vom 6. Oktober 2009 abgelehnt wurde, und eine dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil vom

21. Dezember 2009 abgewiesen wurde,

dass er eigenen Angaben zufolge, nachdem er in die Türkei zurückgekehrt sei, am 21. September 2011 erneut in die Schweiz eingereist sei, wo er am 16. Januar 2012 schriftlich ein zweites Asylgesuch stellte,

dass das BFM mit Verfügung vom 28. Juni 2012 - eröffnet am 2. Juli 2012 - das Asylgesuch des Beschwerdeführers abwies und die Wegweisung sowie den Vollzug anordnete,

dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 29. Juli 2012 gegen die Verfügung des BFM vom 28. Juni 2012 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob und die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Asylgewährung sowie die Feststellung der Unzulässigkeit, Unzumutbarkeit und Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs beantragte,

dass er in prozessualer Hinsicht um Gewährung der aufschiebenden Wirkung und der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021) sowie um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und um Unterlassung einer Kontaktaufnahme sowie Datenweitergabe an die türkischen Behörden ersuchte,

dass er zur Begründung seiner Beschwerde unter anderem ausführte, er sei seit kurzem in der Schweiz verheiratet,

dass die Instruktionsrichterin mit Zwischenverfügung vom 6. August 2012 die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses abwies und den Beschwerdeführer aufforderte, bis zum 21. August 2012 einen Kostenvorschuss zu bezahlen,

dass am 7. August 2012 ein Schreiben des Migrationsdienstes des Kan-

tons B.

vom 2. August 2012 beim Bundesverwaltungsgericht

einging, wonach der Beschwerdeführer am 10. Juli 2012 C. (N [ ]) geheiratet habe,

dass der Beschwerdeführer den einverlangten Kostenvorschuss am

20. August 2012 fristgerecht bezahlte,

dass der Rechtsvertreter mit Eingabe vom 29. Oktober 2012 unter Einreichung einer Vollmacht seine Mandatierung bekannt gab und Beweismittel zur Eheschliessung des Beschwerdeführers zu den Akten reichte,

dass der Beschwerdeführer - handelnd durch seinen Rechtsvertreter - mit Eingaben vom 21. November 2012 und vom 16. Januar 2013 weitere Beweismittel zu den Akten reichte,

und zieht in Erwägung,

dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 [VwVG, SR 172.021]) des BFM entscheidet, ausser - was vorliegend nicht der Fall ist - bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31] i.V.m. Art. 31 - 33 des Verwaltungsgerichtsge-

setzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des

Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]),

dass sich das Verfahren nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG richtet, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG),

dass der Beschwerdeführer am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist, ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung hat und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 105 AsylG und Art. 48 Abs. 1 VwVG),

dass somit auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten ist (Art. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 VwVG),

dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden können (Art. 106 Abs. 1 AsylG),

dass gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG vorliegend auf einen Schriftenwechsel verzichtet wurde,

dass die Frage der Flüchtlingseigenschaft eines Ehegatten nicht losgelöst von derjenigen des Anderen geprüft werden kann, wenn sich zwei Asylsuchende in der Schweiz verheiratet haben, die unabhängig voneinander ein Asylgesuch eingereicht haben,

dass das Gleiche grundsätzlich für die Frage des Wegweisungsvollzugs gilt, da der Grundsatz der Einheit der Familie eine nicht gleichzeitige Wegweisung von Ehegatten verbietet und die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs auf koordinierte Weise geprüft werden muss (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-3324/2007 vom 19. Mai 2011 E. 4.2 mit Hinweis auf Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1999 Nr. 1 E. 2a-d S. 5 f. und E. 4

S. 6 f.),

dass eine verfahrensmässige Auftrennung von Ehegatten - also ein Abweichen vom Grundsatz der Einheit der Familie - nur in Frage kommt, wenn sachliche Gründe eine separate Behandlung als zwingend erscheinen lassen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-3605/2008 vom

26. Juni 2009 mit Hinweis auf EMARK 2006 Nr. 11 E. 1.3 S. 116 f.) und vorliegend keine solchen ersichtlich sind,

dass sich aus dem Wortlaut, die Einheit der Familie sei "zu berücksichtigen", ableiten lässt, dass vom dargelegten Grundsatz Ausnahmen möglich sind, namentlich wenn eine Familienvereinigung ohne weiteres im Ausland möglich ist (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-367/2010 vom 28. September 2010 E. 5.4 mit Hinweis auf EMARK 1995 Nr. 24 E. 11 c) S. 232 f.),

dass dies vorliegend aber ebenfalls nicht der Fall ist, da nicht als gesichert gelten kann, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers nach Italien, wo sie als Flüchtling anerkannt ist, zurückkehren kann,

dass das Asylgesuch der Ehefrau des Beschwerdeführers seit dem

6. August 2009 erstinstanzlich hängig ist,

dass das BFM gemäss telefonischer Auskunft vom 11. April 2013 nicht angeben kann, wann ihr Verfahren zu einem Abschluss kommen wird, sodass nicht damit gerechnet werden kann, dass über ihr Asylgesuch in nächster Zeit erstinstanzlich entschieden wird,

dass eine eigentlich sinnvolle und namentlich prozessökonomische Koordination nur möglich ist, wenn die sich stellenden Fragen bereits im erstinstanzlichen Verfahren koordiniert beantwortet werden,

dass bei dieser Sachlage - in Gutheissung der Beschwerde - die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung unter Koordination mit dem Verfahren von C. (N [ ]) an die Vorinstanz zurückzuweisen ist,

dass bei diesem Ausgang des Verfahrens keine Kosten aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG) und der einbezahlte Kostenvorschuss somit zurückzuerstatten ist,

dass dem Beschwerdeführer angesichts des Obsiegens im Beschwerdeverfahren in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 VwVG eine Parteientschädigung für die ihm erwachsenen notwendigen und verhältnismässig hohen Kosten zuzusprechen ist (vgl. Art. 7 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht ([VGKE, SR 173.320.2]),

dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers keine Kostennote zu den Akten gereicht hat, sich der notwendige Vertretungsaufwand aufgrund der Aktenlage jedoch hinreichend zuverlässig abschätzen lässt,

dass der Beschwerdeführer die Beschwerdeeingabe vom 29. Juli 2012 selber verfasste, weshalb ihm dafür keine Kosten entstanden sind,

dass der Rechtsvertreter das Mandat des Beschwerdeführers am

15. Oktober 2012 übernahm und seither drei Eingaben machte,

dass die vorliegende Gutheissung einzig aufgrund der Eheschliessung des Beschwerdeführers erfolgte und die Ausführungen zur Flüchtlingseigenschaft somit nicht notwendig waren, weshalb eine reduzierte Parteientschädigung angemessen scheint,

dass die von der Vorinstanz auszurichtende Parteientschädigung unter Berücksichtigung der massgebenden Bemessungsfaktoren von Amtes wegen auf Fr. 400.- festzusetzen ist (Art. 14 Abs. 2 VGKE),

dass der Antrag um Unterlassung einer Kontaktaufnahme sowie Datenweitergabe an die türkischen Behörden abzuweisen ist, zumal eine solche gemäss Art. 97 Abs. 2 AsylG zulässig gewesen wäre und im Übrigen keine konkreten Hinweise bestehen, dass das BFM eine solche bereits vorgenommen hätte.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt. Der einbezahlte Kostenvorschuss von Fr. 600.- wird zurückerstattet.

3.

Das BFM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 400.- auszurichten.

4.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die zuständige kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Nina Spälti Giannakitsas Sara Steiner

Versand:

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