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Bundesverwaltungsgericht Urteil BVGE 2011/34

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts BVGE 2011/34

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung III
Dossiernummer:BVGE 2011/34
Datum:01.07.2011
Leitsatz/Stichwort:Leistungsstreitigkeiten zwischen Versicherungsträgern
Schlagwörter : Arbeit; Unfall; Arbeitnehmer; Berufs; Testeinsatz; Unfallversicherung; Leistung; Person; Erwerbsabsicht; Fassung; Arbeitnehmereigenschaft; Sinne; Spesen; Entgelt; Versicherungen; Charakter; Schulter; Ereignis; Leistungspflicht; Arbeitnehmers; Arbeitsleistung; Anstellung; Erwerbstätigkeit; Abklärung; Berufsunfall
Rechtsnorm: Art. 1a UVG ;Art. 77 UVG ;
Referenz BGE:115 V 55; 125 V 383; 133 V 161
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

8 Gesundheit - Arbeit - Soziale Sicherheit Santé - Travail - Sécurité sociale Sanità - Lavoro - Sicurezza sociale

34

Auszug aus dem Urteil der Abteilung III

  1. S. AXA Versicherungen AG gegen Suva und Bundesamt für Gesundheit

C-940/2009 vom 1. Juli 2011

Unfallversicherung. Begriff des Arbeitnehmers.
Art. 1 Abs. 1 UVG in der Fassung vom 20. März 1981 (seit dem
1. Januar 2003: Art. 1a Abs. 1 UVG). Art. 1 UVV (in der Fassung vom 15. Dezember 1997, in Kraft vom 1. Januar 1998 bis zum
31. Dezember 2002).
  1. Für die Arbeitnehmereigenschaft in der Unfallversicherung sind die wirtschaftlichen Umstände in ihrer Gesamtheit massgeblich (E. 5.2). Der erwerbliche Charakter einer Arbeitsleistung kann auch dann bejaht werden, wenn kein Lohn vereinbart worden ist (E. 5.2.4).
  2. Erwerbscharakter eines im Rahmen einer Stellenbewerbung absolvierten Probeeinsatzes bejaht (E. 5.2.4).
Assurance-accidents. Notion de travailleur.
Art. 1 al. 1 LAA dans sa version du 20 mars 1981 (depuis le 1er janvier 2003: art. 1a al. 1 LAA). Art. 1 OLAA (dans sa version du 15 décembre 1997, en vigueur du 1er janvier 1998 au 31 décembre 2002).
  1. La qualité de travailleur au sens de l'assurance-accidents se détermine en fonction de l'ensemble des circonstances économiques (consid. 5.2). Le caractère lucratif d'une prestation de travail peut être admis même si aucun salaire n'a été convenu (consid. 5.2.4).
  2. Caractère lucratif d'une prestation de travail fournie à titre d'essai dans le cadre d'une candidature à un emploi (consid. 5.2.4).
Assicurazione infortuni. Nozione di lavoratore.
Art. 1 cpv. 1 LAINF nella versione del 20 marzo 1981 (dal 1o gennaio 2003: art. 1a cpv. 1 LAINF). Art. 1 OAINF (nella versione del 15 dicembre 1997, in vigore dal 1o gennaio 1998 al 31 dicembre 2002).
  1. La qualità di lavoratore ai sensi dell'assicurazione infortuni è determinata dall'insieme delle circostanze economiche (consid. 5.2). Il carattere lucrativo di una prestazione lavorativa può essere riconosciuto anche se non è stato concordato un salario (consid. 5.2.4).
  2. Carattere lucrativo di una prestazione lavorativa fornita a titolo di prova nell'ambito di una domanda d'impiego (consid. 5.2.4).

Der 1982 geborene A. war seit dem 1. Mai 2001 beim Strasseninspektorat der Stadt U. als Kehrichtbelader angestellt. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses war er obligatorisch bei der Suva gegen Berufsund Nichtberufsunfälle sowie Berufskrankheiten versichert.

Am 17. August 2002 absolvierte A. im Rahmen einer Bewerbung für eine Teilzeitstelle bei der C. AG einen Probeeinsatz auf der Kartbahn G., wobei er stürzte und sich die rechte Schulter ausrenkte.

Am 3. Juli 2003 erlitt A. im Bett liegend eine habituelle Schulterluxation rechts. Da die rechte Schulter bereits mehrmals luxiert hatte, wurde sie am 29. September 2003 operiert. Die Lohnausfallkosten für die beiden Ereignisse beliefen sich insgesamt auf Fr. 11'843,55.

Mit Schreiben vom 5. Januar 2004 lehnte die Suva eine Kostenbeteiligung ab mit der Begründung, der Vorfall vom 17. August 2002 habe sich nicht bei einer Suva-versicherten Tätigkeit ereignet. Seither habe A. immer wieder Schulterbeschwerden gehabt. Beim Vorfall vom 3. Juli 2003 habe sich kein Unfallereignis im Sinne von Art. 4 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, SR 830.1) sowie kein sinnfälliges Ereignis zugetragen.

Die C. AG teilte den Unfall vom 17. August 2002 ihrem Unfallversicherer, der AXA Versicherungen AG, mit. Diese antwortete, für das Ereignis vom 17. August 2002 bestehe bei der AXA Versicherungen AG keine Deckung, weil A. weder Arbeitnehmer bei der C. AG gewesen sei noch von dieser einen AHV-pflichtigen Lohn bezogen habe.

Mit Schreiben an die Suva vom 13. April 2005 und vom 12. Dezember 2007 lehnte die AXA Versicherungen AG ihre Leistungspflicht für das Ereignis vom 17. August 2002 ab.

Mit Eingabe vom 22. Januar 2008 ersuchte die Suva das Bundesamt für Gesundheit (BAG) um Durchführung eines Verfahrens nach Art. 78a des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG, SR 832.20).

Mit Verfügung vom 7. Januar 2009 bejahte das BAG die Leistungspflicht der AXA Versicherungen AG für den Unfall von A. vom 17. August 2002 und auferlegte ihr Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 2'055.-.

Gegen die Verfügung des BAG vom 7. Januar 2009 erhob die AXA Versicherungen AG Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht mit den Anträgen, die Verfügung des BAG vom 7. Januar 2009 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Beschwerdeführerin bezüglich eines A. betreffenden Ereignisses vom 17. August 2002 nicht leistungspflichtig und der Beschwerdegegnerin gegenüber nicht rückerstattungspflichtig sei; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie nach Vornahme weiterer Abklärungen über die Zuständigkeit und den Rückforderungsanspruch der Suva aus dem A. betreffenden Ereignis vom

17. August 2002 neu verfüge.

Das Bundesverwaltungsgericht weist die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

2. Streitig und zu prüfen ist im vorliegenden Fall, ob die Beschwerdeführerin als Unfallversicherer der C. AG, in deren Betrieb der Versicherte den Testeinsatz absolvierte, für die Folgen des Unfalls vom

17. August 2002 leistungspflichtig ist, oder ob die Beschwerdegegnerin, Unfallversicherer der regulären Arbeitgeberin des Versicherten, dafür aufzukommen hat.

2.1 - 3.2 ( )
4.
    1. Die Vorinstanz begründet ihre Verfügung vom 7. Januar 2009 folgendermassen: Der Versicherte habe bei der C. AG einen Testeinsatz geleistet und für 4,5 Stunden Arbeit eine Entschädigung in Form von Spesen über Fr. 85.50 erhalten. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) bejahe bei einer solchen Entschädigung, insbesondere aufgrund

      der Höhe des Betrags, das Vorliegen von massgebendem Lohn. Zu diesem gehörten alle Bezüge der arbeitnehmenden Person, die wirtschaftlich betrachtet mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stünden. Folglich sei der Versicherte für seine Tätigkeit bei der C. AG UVG-versichert gewesen. Überdies wäre er entsprechend BGE 133 V 161 (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 486/05 vom 15. Dezember 2006) auch ohne Lohnauszahlung UVG-versichert, da er im Sinne eines Eignungstests im Hinblick auf eine feste Anstellung bei der C. AG tätig gewesen sei. Der Begriff der Erwerbstätigkeit bedeute die Ausübung einer auf die Erzielung von Einkommen gerichteten bestimmten (persönlichen) Tätigkeit, durch welche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht werde.

    2. Die Beschwerdegegnerin schliesst sich dieser Auffassung in ihrer Beschwerdeantwort vom 18. Mai 2009 an. Zudem führt sie an, gemäss Art. 1a Abs. 1 der Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV, SR 832.202) seien auch Personen obligatorisch unfallversichert, die zur Abklärung der Berufswahl bei einem Arbeitgeber tätig seien. Dies treffe auf den vorliegenden Sachverhalt zu.

      Weiter bringt die Beschwerdegegnerin vor, der Unfall sei dem Versicherten bei einer Arbeit zugestossen, die er auf Anordnung und im Interesse der C. AG ausgeführt habe. Mit dem durch das Zurückschieben eines GoKarts eingetretenen Schulterschaden habe sich ein typisch betriebsspezifisches Unfallrisiko verwirklicht. Demgemäss liege ein Berufsunfall vor, dessen Folgen von der Beschwerdeführerin als Berufsunfallversicherer der C. AG zu decken seien. Da sich der Unfall im Rahmen beruflicher Arbeiten auf Anordnung und im Interesse der C. AG ereignet habe, liege auch kein Nichtberufsunfall vor, für den die Beschwerdegegnerin aufzukommen hätte.

    3. Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin geltend, für die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft sei ein Lohnanspruch Voraussetzung. Die Berufung der Beschwerdegegnerin auf BGE 133 V 161 sei im vorliegenden Fall nicht statthaft, weil jenem Urteil eine andere Konstellation zugrunde liege. Das Bundesgericht habe explizit offen gelassen, ob - Erwerbsabsicht und unselbständiger Charakter der Arbeit vorausgesetzt - jegliche üblicherweise entlöhnte Tätigkeit dem UVG-Obligatorium zu unterstellen sei. Es könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, jede noch so geringfügige, zeitlich eng begrenzte Arbeit der obligatorischen Unfallversicherung unterstellen zu wollen, unbesehen

davon, ob massgeblicher Lohn erzielt werde oder nicht. Selbst wenn kurzfristig Arbeit im Hinblick auf eine künftige, regelmässige Erwerbstätigkeit erbracht werde, könne nicht ohne weiteres eine Erwerbsabsicht und die Erzielung eines massgebenden (hypothetischen) Lohns angenommen werden. Es gebe keine Hinweise darauf, dass es sich bei der Spesenentschädigung von Fr. 85.50 um vereinbarten Lohn gehandelt habe. Reisekosten würden ebenso wie Fahrtund Verpflegungskosten als Unkosten im Sinne von Art. 9 der Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVV, SR 831.101) und damit nicht als massgebender Lohn gelten. Allein die Kosten für die Hinund Rückfahrt von M. nach G. mit dem Privatwagen (2 Mal ca. 30 km) würden rund 50 % der ausgerichteten Spesen ausmachen. Die Vorinstanz habe nicht überzeugend dargelegt, in welchem Umfang dem Versicherten unter diesen Umständen noch ein wirtschaftlicher Vorteil aus der ausgeübten Tätigkeit verbleibe.

Der Auffassung der Beschwerdegegnerin, wonach der Versicherte zur Abklärung der Berufswahl bei der C. AG tätig geworden sei, könne nicht gefolgt werden, da es lediglich um eine geplante Nebenerwerbstätigkeit gegangen sei, die zusätzlich zur hauptberuflich bei der Beschwerdegegnerin versicherten Beschäftigung hätte ausgeübt werden sollen. Art. 1a UVV sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da es nie um die Abklärung der Berufswahl im Sinne dieser Bestimmung gegangen sei.

Da weder ein Arbeitsvertrag noch ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis bestanden habe und der Versicherte im Rahmen seines Testeinsatzes insbesondere keinen massgebenden Lohn erzielt habe, sei der Arbeitnehmerbegriff mit Bezug auf die fragliche Tätigkeit nicht erfüllt. Demzufolge sei der Versicherte in der fraglichen Zeit nicht bei der Beschwerdeführerin obligatorisch unfallversichert gewesen.

  1. Gemäss Art. 1 Abs. 1 UVG in der Fassung vom 20. März 1981

    (AS 1982 1676; seit dem 1. Januar 2003: Art. 1a Abs. 1 UVG) sind obligatorisch versichert nach dem UVG die in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer, einschliesslich der Heimarbeiter, Lehrlinge, Praktikanten, Volontäre sowie der in Lehroder Invalidenwerkstätten tätigen Personen. Der Bundesrat kann gemäss Art. 1 Abs. 2 erster Satz UVG in der Fassung vom 20. März 1981 (AS 1982 1676; seit dem 1. Januar 2003: Art. 1a

    Abs. 2 erster Satz UVG) die Versicherungspflicht ausdehnen auf Per-

    sonen, die in einem arbeitsvertragsähnlichen Verhältnis stehen. Von dieser Kompetenz hat der Bundesrat in Art. 1a UVV Gebrauch gemacht.

    1. Zuzustimmen ist der Beschwerdeführerin in ihrer Auffassung, wonach Art. 1a UVV auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar ist. Diese Bestimmung ist auf Personen zugeschnitten, die keine Anstellung haben und zur Abklärung der Berufswahl in einem beruflichen Umfeld tätig sind. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin kann die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin nicht aus Art. 1a UVV abgeleitet werden.

      Die Frage, ob der Versicherte für den am 17. August 2002 absolvierten Testeinsatz obligatorisch bei der Beschwerdeführerin unfallversichert war, ist somit nach Massgabe von Art. 1 Abs. 1 UVG in der Fassung vom

      20. März 1981 (AS 1982 1676; seit dem 1. Januar 2003: Art. 1a Abs. 1 UVG) zu prüfen. Die Versicherteneigenschaft ist zu bejahen, wenn der Versicherte in Bezug auf die im Rahmen des Testeinsatzes ausgeführte Tätigkeit als Arbeitnehmer der C. AG zu qualifizieren ist. Diesfalls müssen gleichzeitig die Voraussetzungen für einen Berufsunfall nach Art. 7 Abs. 1 UVG erfüllt sein, für dessen Folgen gemäss Art. 99 Abs. 1 UVV die Beschwerdeführerin leistungspflichtig wäre. Hat der Versicherte die Tätigkeit hingegen nicht als Arbeitnehmer der C. AG, sondern in seiner Freizeit ausgeübt, läge ein Nichtberufsunfall vor, für dessen Folgen gemäss Art. 77 Abs. 2 UVG die Beschwerdegegnerin aufzukommen hätte.

    2. Gemäss Art. 1 UVV (in der Fassung vom 15. Dezember 1997,

AS 1998 151, in Kraft vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2002) gilt als Arbeitnehmer nach Art. 1 Abs. 1 UVG (seit dem 1. Januar 2003: Art. 1a Abs. 1 UVG), wer eine unselbständige Erwerbstätigkeit im Sinne der Bundesgesetzgebung über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHV) ausübt. Der Begriff der unselbständigen Erwerbstätigkeit wird in der AHV-Gesetzgebung nicht definiert. Vor dem Inkrafttreten von Art. 10 ATSG, der eine Legaldefinition der arbeitnehmenden Person enthält (die allerdings im Verfahren nach Art. 78a UVG nicht zur Anwendung kommt, [ ]), liess sich der Arbeitnehmerbegriff aus der Umschreibung des massgebenden Lohns als Beitragsobjekt ableiten (vgl. THOMAS LOCHER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Aufl., Bern 2003,

S. 168 Rz. 6). Gemäss Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVG, SR 831.10) gilt als massgebender Lohn jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit; der massgebende Lohn umfasst auch Teuerungsund andere Lohnzulagen, Provisionen, Gratifikationen, Naturalleistungen, Ferienund Feiertagsentschädigungen und ähnliche Bezüge, ferner Trinkgelder, soweit diese einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsentgeltes darstellen. Aus der Umschreibung des Beitragsobjekts ergeben sich mittelbar die vier Elemente der Arbeitnehmereigenschaft in der AHV: Leistung von Arbeit, auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, Subordinationsverhältnis, Entgeltlichkeit.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach der Lehre und Rechtsprechung das Vorhandensein eines Arbeitsvertrags im Sinne von Art. 319 des Obligationenrechts vom 30. März 1911 (OR, SR 220) nicht Voraussetzung für die Versicherteneigenschaft gemäss Art. 1a Abs. 1 UVG ist. Der Begriff des Arbeitnehmers in der Unfallversicherung ist weiter als im Arbeitsvertragsrecht: Nicht die privatrechtliche Qualifizierung der Vertragsbeziehung, sondern die wirtschaftlichen Umstände in ihrer Gesamtheit sind ausschlaggebend für die Arbeitnehmereigenschaft in der Unfallversicherung (ANDRÉ GHÉLEW/OLIVIER RAMELET/JEAN-BAPTISTE

RITTER, Commentaire de la loi sur l'assurance-accidents [LAA], Lausanne 1992, S. 21). Das Schweizerische Bundesgericht hat den Begriff des Arbeitnehmers in der Unfallversicherung in BGE 115 V 55 folgendermassen definiert: « Als Arbeitnehmer nach Art. 1 Abs. 1 UVG gilt, wer um des Erwerbes oder der Ausbildung willen für einen Arbeitgeber, mehr oder weniger untergeordnet, dauernd oder vorübergehend tätig ist, ohne hiebei ein eigenes wirtschaftliches Risiko zu tragen. »

      1. Das Kriterium der Arbeitsleistung ist im vorliegenden Fall zweifellos erfüllt, hat doch der Versicherte eine im Betrieb der Beschwerdeführerin übliche Tätigkeit ausgeführt. Am Charakter der Tätigkeit als Arbeitsleistung ändert auch die Tatsache nichts, dass der Versicherte dabei getestet wurde.

      2. Das Kriterium « auf bestimmte oder unbestimmte Zeit » meint die Ausgestaltung des Arbeitseinsatzes als Dauerverhältnis. Dieses ist, etwa im Gegensatz zum Werkvertrag oder Auftrag, durch Zeitablauf definiert in dem Sinn, dass dem Dauerverhältnis eine Vereinbarung über die Arbeitszeit zu Grunde liegt. Ob die Vereinbarung befristet oder unbefristet ist, spielt für die Kategorisierung als Dauerverhältnis keine Rolle. Im vorliegenden Fall wurde ein auf einen Nachmittag (ca. 4,5 Stunden) befristeter Einsatz vereinbart. Das Erfordernis der Tätigkeit auf Zeit ist somit erfüllt.

      3. Der Begriff des Subordinationsverhältnisses spricht die unselbständige Stellung der arbeitnehmenden Person an. Charakteristisch

        hierfür ist, dass die Arbeit auf Weisung des Arbeitgebers und in dessen Interesse ausgeführt wird, ohne dass der Arbeitnehmer dabei ein wirtschaftliches Risiko zu tragen hätte (vgl. PETER FORSTER, AHV-Beitragsrecht, Materiellund verfahrensrechtliche Grundlagen; Abgrenzung zwischen selbständig und unselbständig erwerbstätigen Personen, Zürich 2007, S. 95 Rz. 91). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Testeinsatz des Versicherten auf der Kartbahn unter vollständiger Einbindung in die Arbeitsorganisation der C. AG erfolgte. Der Versicherte führte die Arbeit zweifellos auf Anweisung und im Interesse der Unternehmung durch. Die Voraussetzung « in untergeordneter Stellung » ist damit gegeben.

      4. Letztes Kriterium für die Arbeitnehmereigenschaft bildet die Entgeltlichkeit der Arbeitsleistung beziehungsweise die Erwerbsabsicht des Arbeitnehmers. Die Beschwerdeführerin geht in ihren Ausführungen davon aus, dass zwischen dem Versicherten und der C. AG kein Arbeitsverhältnis im vertragsrechtlichen Sinn bestanden habe. Dementsprechend sei auch kein Lohn geflossen; die ausgerichtete Entschädigung sei nicht Lohnverwendung, sondern Auslagenersatz.

Vorab ist anzumerken, dass die Bezahlung eines Lohns keine strenge Voraussetzung für die Arbeitnehmerschaft im unfallversicherungsrechtlichen Sinn bildet. Dies ergibt sich aus der Formulierung von Art. 1 Abs. 1 UVG in der Fassung vom 20. März 1981 (AS 1982 1676; seit dem 1. Januar 2003: Art. 1a Abs. 1 UVG), wonach ausdrücklich auch Volontäre als Arbeitnehmer gelten, obwohl Volontärtätigkeiten üblicherweise nicht entschädigt werden.

Gemäss Schreiben der C. AG vom 10. April 2004 ( ) hatte der Versicherte einen Probeeinsatz von ca. 4,25 bis 4,75 Stunden geleistet und war dafür mit einer Spesenauszahlung entschädigt worden; einen Vertrag hatte er nie erhalten oder unterschrieben. Auf Nachfrage der Beschwerdeführerin gab die C. AG an, der Betrag von Fr. 85.50 sei dem Versicherten für « Aufwand Vorstellen » sowie für « Spesen Fahrten » ausbezahlt worden ( ). Die Formulierung « Aufwand Vorstellen » legt nahe, die ausgerichteten Spesen von Fr. 85.50 zumindest nach Abzug der Fahrkosten als Entgelt für geleistete Arbeit zu betrachten. Die Geringfügigkeit des Entgelts spielt für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses im sozialversicherungsrechtlichen Sinn keine Rolle (vgl. BGE 115 V 55

E. 3c). Nach der Lehre ist der Begriff des massgebenden Lohns im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG weit auszulegen (UELI KIESER, Altersund Hinterlassenenversicherung, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2005, Rz. 92 ff. zu Art. 5 AHVG). Insbesondere spielt es keine Rolle, ob das Entgelt geschuldet ist oder auf freiwilliger Basis entrichtet wird (PIERRE-YVES GREBER/JEAN-LOUIS DUC/GUSTAVO SCARTAZZINI, Commentaire des ar-

ticles 1 à 16 de la loi fédérale sur l'assurance-vieillesse et survivants [LAVS], Basel 1997, Rz. 19 zu Art. 5 AHVG).

Für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft in der Unfallversicherung steht die Ausrichtung eines Entgelts nicht im Vordergrund, da wie in E. 5.2 dargelegt die Gesamtheit der wirtschaftlichen Umstände zu berücksichtigen ist. Die Frage, ob der geleistete Testeinsatz als entgeltliche Tätigkeit gelten kann, ist weniger anhand der ausgerichteten Spesenentschädigung von Fr. 85.50 als vielmehr im Zusammenhang mit der Erwerbsabsicht des Versicherten zu beurteilen. Das Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob es nicht - Erwerbsabsicht und unselbständiger Charakter der Arbeit vorausgesetzt - genüge, wenn die Arbeit üblicherweise entlöhnt sei, hat dann aber die Frage offengelassen (vgl. BGE 133 V 161 E. 5.2.2). Im vorliegenden Fall wurde als Teil einer Stellenbewerbung ein Testeinsatz im Hinblick auf eine Anstellung durchgeführt. Dabei verrichtete der Versicherte auf Anordnung der C. AG eine bezahlte Tätigkeit, um seine Eignung für diese Arbeit unter Beweis zu stellen. Wesentliches Merkmal einer Erwerbstätigkeit ist nach der Rechtsprechung die planmässige Verwirklichung einer Erwerbsabsicht in Form einer Arbeitsleistung (BGE 125 V 383 E. 2a). Durch den Einsatz von Arbeit mit dem Ziel, eine Anstellung zu erhalten, ist dieses Merkmal erfüllt. Der Versicherte hatte somit - wenn auch nicht bezogen auf den Zeitraum des Testeinsatzes selbst, so doch bezogen auf die zukünftige Tätigkeit auf der Kartbahn - eindeutig eine Erwerbsabsicht. Der erwerbliche Charakter des Testeinsatzes ist daher im Zusammenhang mit der in Aussicht genommenen Anstellung zu sehen, unabhängig davon, ob eine solche erfolgt ist oder nicht. Diese Auffassung vertritt auch das Bundesgericht, welches in der Tatsache, dass eine arbeitslose Person auf eigene Initiative einen Einsatz in einer Unternehmung leistete, um Leistungsbereitschaft, Eignung und Arbeitsfähigkeit im Hinblick auf eine Festanstellung unter Beweis zu stellen, ein Erwerbsmotiv erblickte und die Leistungspflicht des Unfallversicherers der Unternehmung bejahte, obwohl kein Lohn vereinbart worden war (vgl. BGE 133 V 161 E. 5.2.1 und E. 5.2.2). Im Einklang mit dieser Rechtsprechung ist daher die Erwerbsabsicht des Versicherten im vorliegenden Fall zu bejahen.

5.3 Für die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin spricht zudem die Tatsache, dass sich mit der infolge der Betätigung der Go-Karts eingetretenen Schulterluxation ein betriebsspezifisches Risiko verwirklicht hat. Dass der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht prädisponiert war, ändert nichts daran, dass sich der Unfall bei der Arbeit mit betriebseigenen Geräten ereignete. Dies ist zudem typisch für den Berufsunfall gemäss Art. 7 Abs. 1 Bst. a UVG, dessen Tatbestandsmerkmale für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft des Versicherten in Bezug auf den Testeinsatz vom 17. August 2002 erfüllt sein müssen. Auch nach der Rechtsprechung spricht in einer vergleichbaren Konstellation die Art des Unfalls, bei dem sich ein betriebsspezifisches Risiko verwirklicht hat, für die Annahme eines Berufsunfalls und damit für die Leistungspflicht des Versicherers der Unternehmung, in deren Betrieb sich der Unfall ereignet hat (vgl. BGE 133 V 161 E. 5.2.3).
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