Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung III |
Dossiernummer: | C-2927/2007 |
Datum: | 23.02.2009 |
Leitsatz/Stichwort: | Unfallversicherung (Übriges) |
Schlagwörter : | Betrieb; Unfall; Versicherung; Allianz; Versicherer; Unfallversicherung; Verfügung; Recht; Vorinstanz; Dachdecker; Verfahren; Vertrag; Urteil; Zuständigkeit; Landwirtschaft; Betriebsteil; Bundesverwaltungsgericht; Sinne; Betriebe; Unterstellung; Kollektiv-Unfallversicherung; Person; Verfahrens; Police; Versicherungsverhältnis; Arbeitgeber |
Rechtsnorm: | Art. 1a UVG ;Art. 48 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 66 UVG ;Art. 78 UVG ;Art. 78a UVG ; |
Referenz BGE: | 113 V 327; 117 V 121; 122 III 249; 125 V 412; 127 V 176; 128 V 124; 131 V 164; 133 V 161; 134 III 27 |
Kommentar: | - |
Abteilung II I
C-2927/200 7 /f rj/fas
Besetzung
Parteien
Gegenstand
Richter Johannes Frölicher (Vorsitz),
Richterin Elena Avenati-Carpani, Richter Francesco Parrino,
Gerichtsschreiberin Susanne Fankhauser.
gegen
Unfallversicherung Vermögensrechtliche Streitigkeiten zwischen Versicherern, Verfügung vom 15. März 2007.
Mit Schreiben vom 27. September 2004 übermittelte die Allianz-Suisse Versicherungs-Gesellschaft (im Folgenden Allianz) der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA), die Unfallmeldung betreffend A._______. Dieser war am 3. September 2004 bei Dachdeckerarbeiten verunfallt und anschliessend gestorben. Die Allianz führte dazu aus, ihr Versicherungsnehmer, Herr B._______, führe einen Landwirtschaftsbetrieb sowie ein Dachdeckerunternehmen. Für eine Mitarbeiterin im Landwirtschaftsbetrieb bestehe ein Vertrag gemäss Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG, SR 832.20). Für die Aushilfen im Landwirtschaftsbetrieb sei eine Kollektiv-Unfallversicherung abgeschlossen worden. Vor der Anstellung des Verstorbenen hätten jeweils selbständige Landwirte im Nebenamt auch Dachdecker-Arbeiten ausgeführt. Das Dachdeckerunternehmen falle gemäss Art. 66 UVG in den Zuständigkeitsbereich der SUVA (Akt. 1/2).
Die SUVA teilte der Allianz mit Schreiben vom 1. November 2004 mit, ihre Abklärungen hätten ergeben, dass es sich beim Betrieb von B._______ um einen gegliederten, gemischten Betrieb handle und der Bereich Dachdeckerund Spenglerarbeiten gemäss Art. 66 Abs. 1 UVG in den Zuständigkeitsbereich der SUVA falle. Dieser Bereich sei daher für die Zukunft bei der SUVA zu versichern. Aufgrund der im Vertrag über die Kollektiv-Unfallversicherung unter dem Titel
„Besondere Bedingungen“ enthaltenen Bestimmung, sei nicht die SUVA, sondern die Allianz im Fall A._______ selig leistungspflichtig.
Im Folgenden konnten sich die Allianz und die SUVA nicht darüber einigen, welche Versicherung leistungspflichtig ist. Die SUVA teilte der Witwe des Verstorbenen am 15. Dezember 2004 mit, sie erbringe vorderhand - unter dem Vorbehalt ihrer Zuständigkeit - die gesetzlichen Versicherungsleistungen (SUVA-Akt. I/18).
Der Rechtsvertreter der Witwe ersuchte die Versicherer mit Schreiben vom 12. September 2005, den negativen Kompetenzkonflikt durch eine Verfügung gemäss Art. 78a UVG klären zu lassen und damit der leistungsberechtigten Hinterbliebenen einen Prozess vor dem kantonalen Sozialversicherungsgericht zu ersparen (SUVA-Akt. I/34).
Mit Eingabe vom 18. Mai 2006 stellte die SUVA beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) einen Antrag auf Erlass einer Verfügung nach Art. 78a UVG und - sinngemäss - es sei die Leistungspflicht der Allianz festzustellen (Akt. 5/11).
Das BAG trat mit Verfügung vom 15. März 2007 auf das Begehren der SUVA nicht ein (Akt. 1/1). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, für den Betriebsteil Dachdeckerei bestehe kein UVG-Versicherungsverhältnis mit der Allianz, sondern lediglich ein Kollektiv-Unfallversicherungsvertrag. Daher liege keine Streitigkeit gemäss Art. 78a UVG zwischen der SUVA und der Allianz vor.
Gegen diese Verfügung erhob die SUVA mit Datum vom 24. April 2007 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte, die Verfügung des BAG sei - unter Kostenund Entschädigungsfolge - aufzuheben und es sei eine Verfügung nach Art. 78a UVG zu erlassen und die Allianz zur Übernahme des Falles anzuhalten (Akt. 1).
Nach Eingang des mit Zwischenverfügung vom 7. Mai 2007 auf Fr. 2'000.- festgesetzten Kostenvorschusses (Akt. 2 und 3), reichte die Vorinstanz am 6. Juli 2007 ihre Vernehmlassung ein und schloss sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde (Akt. 5).
Die Allianz beantragte in ihrer Stellungnahme vom 12. Juli 2007, auf den Antrag auf Erlass einer Verfügung nach Art. 78a UVG sei nicht einzutreten und im Übrigen sei die Beschwerde abzuweisen. Eventualiter sei mittels Verfügung nach Art. 78a UVG die Zuständigkeit der SUVA festzustellen.
Mit Replik vom 14. August 2007 (Akt. 9) bzw. Stellungnahme vom
31. August 2007 (Akt. 11) hielten die SUVA und die Allianz an ihren Anträgen fest. Das BAG verzichtete darauf, eine Duplik einzureichen.
Auf die Vorbringen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit für die Entscheidfindung erforderlich, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in Art. 33 VGG genannten Behörden. Das Bundesamt für Gesundheit ist eine Vorinstanz im Sinne von Art. 33 Bst. d VGG; eine Ausnahme gemäss Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist somit für die Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig.
Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz, soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG, vgl. auch Art. 1 Abs. 2 Bst. c UVG).
Die Beschwerde wurde fristund formgerecht eingereicht (vgl. Art. 50 Abs. 1, Art. 52 VwVG). Die Beschwerdeführerin ist formell beschwert, als Adressatin der Verfügung, mit welcher die Vorinstanz auf ihr Begehren nicht eingetreten ist, besonders berührt und sie hat ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung der von ihr angefochtenen Verfügung (vgl. Art. 48 Abs. 1 VwVG).
Angefochten ist ein Nichteintretensentscheid. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher nur zu beurteilen, ob die Vorinstanz zu Recht nicht auf das Begehren der Beschwerdeführerin eingetreten ist. Soweit die SUVA beantragt, es sei eine Verfügung gemäss Art. 78a UVG zu erlassen, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (vgl. BGE 131 V 164 E. 2.1, BGE 125 V 412 E. 1, BGE 117 V 121 E. 1).
Gemäss Art. 78a UVG erlässt das Bundesamt für Gesundheit bei geldwerten Streitigkeiten zwischen Versicherern eine Verfügung.
Die bundesamtliche Verfügungszuständigkeit nach Art. 78a UVG kommt in all jenen geldwerten Streitigkeiten zum Tragen, in denen ein
Unfallversicherer, der gegenüber dem anderen Unfallversicherer keine Weisungsbefugnis besitzt, das BAG anruft, damit dieses über die streitige Zuständigkeit entscheide (vgl. BGE 127 V 176 E. 4d; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts [BVGer] C-8/2006 vom 23. September 2008 E. 5.4.3). Dieser Rechtsweg steht namentlich dann offen, wenn ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen zwei Versicherern über die Leistungspflicht bezüglich eines Schadenereignisses vorliegt oder wenn ein Versicherer von einem anderen Versicherer Rückerstattung von gegenüber dem Versicherten erbrachten Leistungen verlangt (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG] U 255/01 vom 28. Mai 2003 E. 1.1, BGE 127 V 176 E. 4d). Der negative Kompetenzkonflikt ist grundsätzlich auf dem Rechtsweg nach Art. 78a UVG zu lösen, wenn in Bezug auf ein bestimmtes Schadensereignis die Person des nach UVG leistungspflichtigen Versicherers umstritten ist, nicht hingegen grundsätzlich Bestehen und Umfang der Leistungspflicht (Urteil EVG U 255/01 vom 28. Mai 2003 E. 1.2, Urteil BVGer vom 23. September 2008 C-8/2006 E. 5.4.3 mit Hinweisen).
Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unbestritten, dass die Leistungspflicht eines Unfallversicherers gegenüber der Witwe des verstorbenen Versicherten besteht und dass es sich grundsätzlich um eine geldwerte Streitigkeit im Sinne von Art. 78a UVG handelt. Die Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin vertreten jedoch die Ansicht, es stünden sich nicht zwei UVG-Versicherer sondern ein UVG-Versicherer (die SUVA) und ein Versicherer, welcher eine private Unfallversicherung durchführt, (die Allianz) gegenüber, weshalb das BAG nicht zur Streitregelung angerufen werden könne.
Die Unfallversicherung wird je nach Versichertenkategorien durch die SUVA oder durch andere zugelassene Versicherer und eine von diesen betriebene Ersatzkasse durchgeführt (Art. 58 UVG).
Art. 66 Abs. 1 UVG bestimmt im Rahmen einer abschliessenden und zwingenden Auflistung (Krankenund Unfallversicherung, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis [RKUV] 1987 Nr. U 29 S. 427 E. 2b), welche Betriebe von Gesetzes wegen bei der SUVA versichert sind. Zum Zuständigkeitsbereich der SUVA gehören namentlich die Betriebe des Bauund Installationsgewerbes sowie des Leitungsbaus (Art. 66 Abs. 1 Bst. b UVG). Gemäss Art. 68 UVG werden Personen, für deren Versicherung nicht die SUVA zuständig ist, durch Versicherer, welche sich im Register des BAG eingetragen haben, nach dem UVG gegen
Unfall versichert. Bei gemischten Betrieben fallen diejenigen Betriebseinheiten in den Tätigkeitsbereich der SUVA, welche die Voraussetzungen von Art. 66 Abs. 1 UVG erfüllen. Als gemischter Betrieb gilt eine Mehrzahl von Betriebseinheiten desselben Arbeitgebers, die untereinander in keinem sachlichen Zusammenhang stehen (Art. 88 Abs. 2 der Verordnung über die Unfallversicherung vom 20. Dezember 1982 [UVV, SR 832.202]; BGE 113 V 327 E. 5c und 6a).
Der Betrieb von B. _____ wurde von den Verfahrensbeteiligten im Nachhinein übereinstimmend als gegliederter, gemischter Betrieb qualifiziert - allerdings fehlt im Dossier eine entsprechende Verfügung der SUVA. Einigkeit besteht auch darüber, dass der Betriebsteil „Dachdeckerei“ gemäss Art. 66 Abs. 1 Bst. b UVG in den Zuständigkeitsbereich der SUVA und der Betriebsteil Landwirtschaft in den Kompetenzbereich der registrierten, zum Vollzug der obligatorischen Unfallversicherung zugelassenen Versicherer im Sinne von Art. 68 UVG fällt. Die Frage der Unterstellung unter den Tätigkeitsbereich der SUVA ist hier zwar nicht Gegenstand des Verfahrens und somit auch nicht zu beurteilen. Zu betonen ist jedoch, dass die Frage, ob ein gegliederter Betrieb als Hilfsoder Nebenbetrieb im Sinne von Art. 88 Abs. 1 UVV oder als gemischter Betrieb im Sinne von Art. 88 Abs. 2 UVV zu qualifizieren ist, mit der Folge, dass entweder das Attraktionsprinzip oder das Prinzip der Detraktion gilt (vgl. BGE 113 V 327), oft nicht einfach zu beantworten ist. Weil das UVG vom Grundsatz ausgeht, dass ein gesamter Betrieb einheitlich zu versichern sei (Grundsatz der Einheit der Versicherung), kann ein gemischter Betrieb nur beim Vorliegen besonderer Voraussetzungen angenommen werden (BGE 113 V 327 E. 2c und E. 6).
B._______ hatte für den Betriebsteil Landwirtschaft (bzw. den Haushalt) mit der Berner Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft (Berner, heute Allianz) einen Vertrag betreffend obligatorische Unfallversicherung UVG (Police 11.527'646/2, Akt. 7/3) und einen Vertrag betreffend Kollektiv-Unfallversicherung für die Betriebsart
„Landwirtschaft und Bedachungen“ (Police 10.735'466/02, Akt. 7/17) abgeschlossen. In der Police der Kollektiv-Unfallversicherung werden die versicherten Personen definiert als „alle im Landwirtschaftsund Dachdeckerbetrieb tätigen, nicht UVG-versicherten Aushilfen“. Unter dem Titel „Besondere Bedingungen“ werden unter anderem die Begriffe „Berufsunfälle“ und „Arbeitsstätte“ (im landwirtschaftlichen Bereich) umschrieben. Danach folgt:
„Stellt es sich bei einem Unfall heraus, dass der Versicherte gemäss UVG hätte versichert werden müssen, gewährt die 'Berner' vom Zeitpunkt an, ab welchem auf dem Entgelt AHV-Beiträge erhoben werden, den gesetzlichen Versicherungsschutz. Voraussetzung für die Gewährung dieses Versicherungsschutzes ist, dass der Versicherungsnehmer ab diesem Zeitpunkt bei der 'Berner' einen Versicherungsvertrag gemäss UVG abschliesst und die entsprechende Tarifprämie bezahlt. Die 'Berner' erstattet die ab diesem Zeitpunkt für den vorliegenden Vertrag allenfalls zuviel bezahlte Prämie zurück.“
Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, soll die UVG-Police lediglich für den Betriebsteil Landwirtschaft gelten, nicht aber für den Betriebsteil Dachdeckerei. Richtig ist auch, dass es sich beim Vertrag über die Kollektiv-Unfallversicherung grundsätzlich um einen UVGErgänzungsvertrag handelt, welcher den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG, SR 221.229.1) und nicht des UVG untersteht. Die Vorinstanz hat sich jedoch nicht mit der soeben zitierten Klausel des Kollektiv-Vertrags auseinander gesetzt und insbesondere nicht geprüft, ob im vorliegenden Verfahren ein allenfalls subsidiär haftender UVG-Versicherer - und nicht ein Privatversicherer - am Recht steht.
Der obligatorischen Unfallversicherung unterstehen gemäss Art. 1a Abs. 1 UVG alle in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer, einschliesslich der Heimarbeiter, Lehrlinge, Praktikanten, Volontäre sowie der in Lehroder Invalidenwerkstätten tätigen Personen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann der Bundesrat Ausnahmen von der Versicherungspflicht vorsehen, namentlich für mitarbeitende Familienmitglieder, für unregelmässig Beschäftigte und Arbeitnehmer internationaler Organisationen und ausländischer Staaten (Art. 1a Abs. 2 UVG in der bis 31. Dezember 2007 gültigen Fassung).
Gemäss Art. 2 Abs. 2 UVV (in Kraft vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2007) können Personen, die einen Nebenerwerb oder ein Nebenamt ausüben, auf die Versicherung speziell für diese Tätigkeit verzichten, sofern das Entgelt den in Art. 8bis der Verordnung vom
31. Oktober 1947 über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVV, SR 831.101) erwähnten Betrag nicht übersteigt. Der Verzicht muss beim zuständigen Versicherer im Voraus schriftlich und mit Zustimmung des Arbeitgebers erfolgen.
Die in Art. 2 Abs. 2 UVV vorgesehene Möglichkeit, auf den Unfallversicherungsschutz gemäss UVG zu verzichten, setzt eine
Haupterwerbstätigkeit voraus. Teilzeitbeschäftigte oder Aushilfen, die keinen Haupterwerb (als selbständig oder unselbständig Erwerbstätige) ausüben, unterstanden bis Ende 2007 der obligatorischen Unfallversicherung, unabhängig davon, ob sie die in Art. 8bis AHVV vorgesehene Einkommensgrenze von Fr. 2'000.- erreichten (JEANMAURICE FRÉSARD/MARGIT MOSER-SZELESS, L'assurance-accidents obligatoire, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Basel/Genf/München 2007, S. 842 f. N. 16, vgl. auch ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht,
2. Aufl., Bern 1989 [im Folgenden: Maurer, UVG], S. 119 FN 200).
Aufgrund der gesetzlichen Regelung ergibt sich zunächst, dass A._______ sel. ohne Zweifel obligatorisch gegen Berufsunfall versichert war. Seit Februar 2004 war er arbeitslos und übte bei B._______ ab März 2004 eine Zwischenverdiensttätigkeit im Sinne von Art. 24 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG, SR 837.0) aus (SUVA-Akt. I/23). Erzielt die versicherte Person einen Zwischenverdienst aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, so erbringt bei Berufsunfällen der Versicherer des betreffenden Betriebs die Leistungen (Art. 6 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Januar 1996 über die Unfallversicherung von arbeitslosen Personen [SR 837.171], vgl. auch BGE 133 V 161 E. 2).
Ob der Betriebsinhaber B._______ - wie die Allianz vorbringt (Akt. 7 S. 5 f., Akt. 5/13 S. 5 f. und 8) - immer gewusst hat bzw. vom Aussendienstmitarbeiter der Allianz ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass der Betriebsteil Dachdeckerei der SUVA zu unterstellen gewesen wäre, lässt sich aufgrund der Akten nicht feststellen. Im Übrigen ist diese Frage, wie oben ausgeführt, auch nicht ohne Weiteres klar, hängt sie doch im Wesentlichen davon ab, dass der gegliederte Betrieb als gemischter Betrieb im Sinne von Art. 88 Abs. 2 UVV zu qualifizieren ist. Entscheidend ist dabei nicht nur, wie dies die Allianz darstellt, dass eine bestimmte Tätigkeit (wie das Dachdecken) ausgeübt wird, sondern auch in welchem Ausmass und wie der Betrieb strukturiert ist (vgl. BGE 113 V 327 E. 6 und
E. 10). Seit dem ersten Antrag für die Kollektiv-Unfallversicherung im Jahr 1980 beantwortete der Betriebsinhaber die Frage, ob es sich um einen SUVA-unterstellungspflichtigen Betrieb handle, mit „nein“ und gab zur Begründung „nur Aushilfen“ an (Akt. 7/7, 10, 12, 14, 16). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das UVG am 1. Januar 1984 in
Kraft getreten ist und zuvor nur die Angestellten von SUVA-unterstellten Betrieben obligatorisch gegen Unfall versichert waren, scheint sich die Antwort eher auf die Frage zu beziehen, ob die Aushilfen der obligatorischen Versicherung unterstehen als auf die Unterstellung unter die SUVA (vgl. auch die Ausführungen der Allianz in ihrer Vernehmlassung an das BAG, Akt. 5/13 Ziff. 2.9). Der Kreis der versicherten Personen wurde seit 1992 in der Police jeweils mit „alle im Landwirtschaftsund Dachdeckerbetrieb tätigen, nicht UVG-versicherten Aushilfen“ umschrieben, ohne den Begriff der „Aushilfen“ zu definieren. Ebenfalls seit 1992 enthält die Police unter „Besondere Bedingungen“ die Klausel, mit welcher sich die „Berner“ bzw. die Allianz verpflichtet, bei einem Unfall rückwirkend eine UVG-Police abzuschliessen und die Leistungen gemäss UVG zu erbringen. In der Vernehmlassung an das BAG führte die Allianz dazu aus, in der Praxis sei nicht immer abschätzbar, ob ein Betrieb später Mitarbeiter mit AHV-pflichtigen Löhnen beschäftigen werde. Der administrative Aufwand, um solche Änderungen zu überwachen, wäre unverhältnismässig. Mit dieser Klausel könne die Allianz ihren Kunden Sicherheit vor möglichen Versicherungslücken bieten bzw. den mühsamen Weg über die Ersatzkasse ersparen (Akt. 5/13 Ziff. 2.20). Dass diese „Standardklausel für Kollektiv-Unfallverträge“ nur für den Betriebsteil Landwirtschaft gelten soll, ist aus der Police nicht ersichtlich; den Akten lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Berner bzw. Allianz detaillierte Abklärungen im Betrieb oder bei der gemäss ihrer Ansicht für den Bereich Dachdecker zuständigen SUVA vorgenommen hätte, welche eine derartige Annahme zulassen würde. Vor diesem Hintergrund konnte sich die Vorinstanz nicht auf die Feststellung beschränken, dass betreffend Dachdeckerei kein UVG-Versicherungsverhältnis zwischen der Allianz und dem Betrieb von B._______ vorliege. Vielmehr hätte sie prüfen müssen, ob sich die Allianz dazu verpflichtet hatte, ein solches UVG-Versicherungsverhältnis einzugehen.
Zu prüfen bleibt, ob die gesetzliche Regelung zur Begründung des Versicherungsverhältnisses ausschliesst, dass sich die Allianz überhaupt vertraglich hätte verpflichten können, rückwirkend einen UVGVersicherungsvertrag abzuschliessen, sofern der fragliche Betriebsteil in den Zuständigkeitsbereich der SUVA fällt. Wie die Allianz schien auch die Vorinstanz von dieser Annahme auszugehen.
Gemäss Art. 59 UVG wird das Versicherungsverhältnis bei der SUVA in der obligatorischen Versicherung durch Gesetz, in der freiwilligen Versicherung durch Vereinbarung begründet. Der Arbeitgeber hat der SUVA innert 14 Tagen die Eröffnung oder Einstellung eines Betriebes zu melden, dessen Arbeitnehmer ihr unterstellt sind (Abs. 1). Das Versicherungsverhältnis bei den andern Versicherern wird begründet durch einen Vertrag zwischen dem Arbeitgeber oder dem Selbständigerwerbenden und dem Versicherer oder durch Zugehörigkeit zu einer Kasse aufgrund eines Arbeitsverhältnisses (Abs. 2).
Die Allianz beruft sich auf die Ausführungen von MAURER (UVG,
S. 63 und S. 132), wonach das Versicherungsverhältnis mit der SUVA von Gesetzes wegen entstehe, selbst wenn der Arbeitgeber seiner Meldepflicht nicht nachkomme. Deshalb müsse die SUVA ihre Versicherungsleistungen auch dann entrichten, wenn ein Arbeitgeber ihrer Kontrolle bisher entgangen sei. Es gehe deshalb - entgegen der Ansicht der SUVA - nicht darum, dass ein Betrieb rückwirkend zu unterstellen sei. Bei einer Unterstellung ex lege könne es definitionsgemäss gar keine rückwirkenden Unterstellungen geben (Akt. 5/13 Ziff. 2.12).
Im Urteil EVG U 484/05 vom 9. Juni 2006 (veröffentlicht in RKUV 2006 Nr. U 587 S. 388) hatte das EVG zu entscheiden, welcher Versicherer leistungspflichtig ist, wenn der Arbeitgeber seine Angestellten bei einem Versicherer gemäss Art. 68 UVG versichert hatte, einer seiner Mitarbeiter aber für Bauarbeiten an einen anderen Betrieb ausgeliehen wurde und im Rahmen dieser Tätigkeit tödlich verunfallte. Das EVG hat erwogen, es sei nicht entscheidend, ob der betreffende Betrieb oder zumindest derjenige Teil davon, in welchem der verunfallte Versicherte tätig war, im Unfallzeitpunkt oder schon früher nach Art. 59 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 Bst. b UVG der SUVA hätte unterstellt werden müssen. Es existierten nicht wenige Betriebe, die einer Privatversicherung angeschlossen sind, für welche sich aber die Frage der SUVA-Unterstellung nach einiger Zeit stellen könne. Gleiches gelte auch für die umgekehrte Konstellation. Zudem sei die Unterstellungsfrage nicht immer leicht zu entscheiden. Es sei mithin die Unterstellungspflicht nicht erst anlässlich eines konkreten Unfalls aufzuwerfen. In diesem Sinne habe die SUVA nicht die Funktion einer Ersatzkasse für alle Betriebe, die ihr zu Unrecht nicht unterstellt worden seien. Im Übrigen seien die Privatversicherer nicht von der Prüfung der Frage entbunden, ob die Betriebe, welche sie versichern, nicht unter Art. 66 UVG fallen. Sie könnten nicht darauf vertrauen, die
korrekte Unterstellung eines Betriebes könne später anlässlich eines konkreten Unfalls immer noch überprüft werden. (E. 3.2.1).
Diese Grundsätze müssen auch gelten, wenn sich ein Privatversicherer in einem Vertrag über eine Kollektiv-Unfallversicherung verpflichtete, rückwirkend einen UVG-Vertrag abzuschliessen. Würde man in dieser Konstellation die Rechtsprechung gemäss RKUV 2006 Nr. U 587 nicht analog anwenden, könnten die Privatversicherer mit missverständlich formulierten Klauseln, den Versicherungsnehmern (Arbeitgeber) den Eindruck vermitteln, die Unfallrisiken würden umfassend abgedeckt, im Versicherungsfall aber einwenden, das Versicherungsverhältnis mit der SUVA bestehe (ex lege) ohnehin bereits. Angesichts des Umstandes, dass die Unterstellungsfrage nicht einfach zu beantworten ist, gilt es im Übrigen zu beachten, dass Versicherungsklauseln nicht retrospektiv - aufgrund der heutigen Erkenntnisse - auszulegen sind, sondern danach, was die Vertragsparteien bei Vertragsabschluss darunter verstanden haben bzw. ein Versicherungsnehmer verstehen durfte und ein mit der Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung betrauter Privatversicherer darunter verstehen musste.
Zusammenfassend ergibt sich, dass aufgrund der materiellen Rechtslage nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass die Allianz im Verfahren nach Art. 78a UVG als UVG-Versicherer zu qualifizieren wäre.
Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, ist die Eintretensvoraussetzung von Art. 78a UVG, dass sich zwei (oder mehrere) Versicherer im Sinne des UVG gegenüberstehen müssen, eng mit der materiellen Beurteilung verbunden. Es handelt sich mithin um eine
„doppelrelevante Tatsache“.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei der Beurteilung der Zuständigkeit grundsätzlich auf den von der klagenden Partei eingeklagten Anspruch und dessen Begründung abzustellen. Sofern Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit eine Tatsache darstellt, der auch materiellrechtlich entscheidende Bedeutung zukommt - sogenannte doppelrelevante Tatsache -, ist darüber ausnahmsweise nicht im Rahmen der Eintretensfrage, sondern des Sachentscheides (Begründetheit der Klage) zu befinden (BGE 122 III 249 E. 3b/bb, vgl. auch BGE 134 III 27 E. 6.2.1). Diese Praxis wird im Wesentlichen mit dem Schutz der beklagten Partei begründet, da die klagende Partei im
Falle eines (blossen) Nichteintretensentscheides den Anspruch andernorts wiederum geltend machen könnte (BGE 122 III 249 E. 3b/bb). Nach der Rechtsprechung des EVG finden diese für den Zivilprozess entwickelten Grundsätze auch im Bereich der Sozialversicherung Anwendung - insbesondere bei Klageverfahren, aber auch im Rahmen der nachträglichen Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. Urteil EVG K 185/00 vom 3. Februar 2003 E. 3.2 mit Hinweisen, Urteil EVG K 5/03 vom 15. April 2004, Urteil EVG B 24/00 vom 30. Oktober 2001 E. 3b).
Die Anwendung der Praxis, dass über doppelrelevante Tatsachen nur einmal, und zwar im Rahmen der materiellen Beurteilung, zu befinden ist, rechtfertigt sich auch im Verfügungsverfahren nach Art. 78a UVG. Wesentlich ist, dass es bei diesen Verfahren nicht nur um den Schutz der Gegenpartei geht, sondern auch verhindert werden soll, dass negative Kompetenzkonflikte zwischen Versicherern „auf dem Rücken von Versicherten“ ausgetragen werden (vgl. Urteil BVGer C-8/2006 vom 23. September 2008 E. 5.4.1 mit Hinweisen). Daher hat das BAG auf das Gesuch um Erlass einer Verfügung nach Art. 78a UVG auch dann einzutreten, wenn ein Versicherer seine Parteistellung als UVG-Versicherer bestreitet.
Zu befinden bleibt noch über die Verfahrenskosten und eine allfällige Parteientschädigung.
Das Bundesverwaltungsgericht auferlegt gemäss Art. 63 Abs. 1 VwVG die Verfahrenskosten in der Regel der unterliegenden Partei. Der von der Beschwerdeführerin geleistete Kostenvorschuss ist daher zurück zu erstatten. Den Vorinstanzen werden keine Verfahrenskosten auferlegt (Art. 63 Abs. 2 VwVG). Es wird davon abgesehen, der unterlegenen Beschwerdegegnerin Verfahrenskosten aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 1 Satz 3 VwVG; in BGE 127 V 176 [Urteil U 329/99] nicht publizierte E. 5a).
Der obsiegenden Partei kann von Amtes wegen oder auf Begehren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zugesprochen werden (Art. 64 Abs. 1 VwVG). Die SUVA hat als mit einer öffentlichen Aufgabe betraute Organisation keinen Anspruch auf Parteientschädigung (vgl. Art. 7 Abs. 3 VGKE sowie BGE 128 V 124 E. 5b).
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist.
Die Sache wird an das Bundesamt für Gesundheit zurückgewiesen, damit es den Antrag der SUVA materiell beurteile.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Der Beschwerdeführerin wird der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 2000.- nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils zurückerstattet.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Beschwerdegegnerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Gerichtsurkunde)
zur Kenntnis an den Rechtsvertreter der Witwe
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Johannes Frölicher Susanne Fankhauser
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42 BGG).
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