Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung III |
Dossiernummer: | C-7738/2009 |
Datum: | 01.05.2012 |
Leitsatz/Stichwort: | Personen des Asylrechts |
Schlagwörter : | Aufenthalt; Aufenthalts; Schweiz; Härtefall; Recht; Bundesverwaltungsgericht; Person; Arbeit; Beschwerde; Verfügung; Aufenthaltsbewilligung; Urteil; Integration; Akten; Kanton; Beschwerdeführe; Vorinstanz; Beschwerdeführers; Deutsch; Beziehung; Zustimmung; Anwesenheit; Heimat; Verfahren; Asylgesetz |
Rechtsnorm: | Art. 13 BV ;Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 62 VwVG ;Art. 63 VwVG ; |
Referenz BGE: | 123 II 125; 124 II 110; 130 II 39 |
Kommentar: | - |
Abteilung III C-7738/2009
Besetzung Richterin Marianne Teuscher (Vorsitz), Richterin Ruth Beutler,
Richter Blaise Vuille, Gerichtsschreiberin Giulia Santangelo.
Parteien F. ,
vertreten durch lic. iur. Patricia Müller, Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende Solothurn Rebaso, Rossmarktplatz 2, Postfach 652, 4500 Solothurn,
Beschwerdeführer,
gegen
Gegenstand Zustimmung zur Aufenthaltsregelung gemäss Art. 14 Abs. 2 AsylG.
Der Beschwerdeführer (geb 1982), irakischer Staatsangehöriger aus H. , gelangte am 23. Juni 2003 in die Schweiz und ersuchte um Asyl. Mit Verfügung vom 11. November 2005 verneinte das Bundesamt für Migration die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers, lehnte das Asylgesuch ab und wies ihn aus der Schweiz weg. Wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges, wurde die vorläufige Aufnahme angeordnet. Mit dagegen erhobener Beschwerde vom 14. Dezember 2005 beantragte der Beschwerdeführer die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung von Asyl. Mit Urteil vom 28. November 2006 der damals zuständigen Asylrekurskommission (ARK) wurde die Beschwerde abgewiesen und ein als gefälscht erkannter irakischer Haftbefehl eingezogen.
Am 3. Oktober 2007 teilte das BFM dem Beschwerdeführer mit, dass die Aufhebung der vorläufigen Aufnahme erwogen werde und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Eingabe vom 26. Oktober 2007 liess er sich dazu vernehmen. In seiner Verfügung vom 30. Juni 2008 erachtete das BFM den Wegweisungsvollzug des Beschwerdeführers als zulässig, zumutbar und möglich und hob die vorläufige Aufnahme auf. Dagegen erhob der Beschwerdeführer beim neu zuständigen Bundesverwaltungsgericht Beschwerde. Auf diese wurde infolge Nichtleistens des Kostenvorschusses mit Urteil vom 28. August 2008 nicht eingetreten. Darauf setzte das BFM dem Beschwerdeführer am 2. September 2008 eine neue Frist zum Verlassen der Schweiz bis zum 16. September 2008. Dieser Verpflichtung kam der Beschwerdeführer indessen nicht nach.
Am 26. November 2008 beantragte der Kanton K. beim BFM die Prüfung eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalls gemäss Art. 14 Abs. 2 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31). Der Beschwerdeführer spreche und verstehe gut Deutsch. Er sei seit Juli 2007 arbeitstätig und sein Arbeitgeber habe ihm im Oktober 2008 ein gutes Arbeitszeugnis ausgestellt. Während seines Aufenthalts in der Schweiz habe er sich eine Existenz aufgebaut und sich integrieren können.
Hierauf teilte das BFM dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30. Juni 2009 mit, dass erwogen werde, die Zustimmung zur Aufenthaltsregelung nach Art. 14 Abs. 2 AsylG zu verweigern und gewährte ihm im Rahmen des rechtlichen Gehörs Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Eingabe vom 13. Juli 2009 führte er dazu im Wesentlichen aus, er befinde sich seit über sechs Jahren in der Schweiz, sein Aufenthalt sei den Behörden immer bekannt gewesen und wegen der fortgeschrittenen Integration liege ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vor. Er habe viele Freunde,
eine deutsche Freundin in L.
und die westliche Denkart ange-
nommen. Vor einer Rückkehr habe er Angst, da sein Vater verschollen und vier Onkel umgebracht worden seien.
Mit Verfügung vom 9. November 2009 verweigerte die Vorinstanz die Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 14 Abs. 2 AsylG. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe sich in den über sechs Jahren seiner Anwesenheit offenbar in sozialer und, seit seiner Arbeitsaufnahme im Juli 2007, auch in wirtschaftlicher Hinsicht gut in die schweizerische Gesellschaft integriert. Dies allein vermöge jedoch keinen Härtefall zu begründen. Die Aufenthaltsdauer sei als nicht besonders lange einzuschätzen, den grössten und wichtigsten Teil seines Lebens habe er in seiner Heimat verbracht. Unter diesem Aspekt erscheine eine Rückkehr nicht mit besonderen Schwierigkeiten verbunden zu sein.
Mit Rechtsmitteleingabe vom 14. November 2009 beim Bundesverwaltungsgericht beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung der vorgenannten Verfügung und die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aufgrund eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalls erfüllt seien, sowie die Anweisung an die Vorinstanz, dem Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung zuzustimmen. Hierzu lässt er insgesamt ausführen, er habe sich immer an die Rechtsordnung gehalten, sei schuldenfrei und wirtschaftlich unabhängig. Er habe sich der westlichen Geisteshaltung angepasst, habe in der Schweiz alle seine Freunde und eine Freundin, welche er später heiraten wolle. Von seinem Arbeitgeber werde er geschätzt. Sein Gesundheitszustand, die ständigen Magenprobleme, würden eine Reintegration zusätzlich erschweren.
In ihrer Vernehmlassung vom 18. Februar 2010 spricht sich die Vorinstanz unter Erläuterung der bisher genannten Gründe für die Abweisung der Beschwerde aus und betont, bei der Beziehung zur deutschen
Freundin habe es sich zum Zeitpunkt des Entscheids nicht um ein gefestigtes Konkubinat gehandelt. Für die Annahme eines Härtefalles genüge es nicht, wenn die während des Aufenthalts in der Schweiz geknüpften Beziehungen aufgegeben werden müssten. Zudem seien die geltend gemachten Magenprobleme nicht von derart komplexer Art, dass sie eine Behandlung in der Schweiz bedingten.
Mit Replik vom 22. März 2010 hält der Beschwerdeführer am eingereichten Rechtsmittel sowie den Begehren fest, wobei er betont, er lebe in einer gefestigten Konkubinatsbeziehung und sei verlobt. Er sei sozial sehr gut integriert und habe in der Schweiz ein Beziehungsnetz aufgebaut.
Zwecks Aktualisierung und Ergänzung des Sachverhalts ersuchte das Bundesverwaltungsgericht am 6. Januar 2012 den Beschwerdeführer um eine weitere Stellungnahme.
Der Beschwerdeführer machte hierzu am 9. Februar 2012 unter Einreichung eines Arbeitszeugnisses vom 16. Januar 2012 sowie diverser Lohnabrechnungen abschliessende Bemerkungen.
Mit Eingabe vom 24. Februar 2012 reichte der Beschwerdeführer drei Referenzschreiben zu den Akten.
Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom
20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in Art. 33 VGG genannten Behörden. Darunter fallen u.a. Verfügungen des BFM betreffend Verweigerung der Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 14 Abs. 2 AsylG. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in diesem Bereich endgültig (vgl. Art. 1 Abs. 2 VGG i.V.m. Art. 83 Bst. c Ziff. 2 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110], siehe in Bezug auf Art. 14 Abs. 2 AsylG auch Urteil des Bundesgerichts 2C_692/2010 vom 13. September 2010 E. 3).
Das Verfahren richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz, dem Verwaltungsgerichtsgesetz und dem Bundesgerichtsgesetz, soweit das Asylgesetz - sofern anwendbar - nichts anderes bestimmt (Art. 6 AsylG).
Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG zur Beschwerde legitimiert. Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist somit einzutreten (vgl. Art. 50 und 52 VwVG).
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und - sofern nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat - die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Rechtsund Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2011/1 E. 2).
Gemäss Art. 14 Abs. 2 AsylG kann der Kanton mit Zustimmung des BFM einer ihm nach dem Asylgesetz zugewiesenen Person eine Aufenthaltsbewilligung erteilen, wenn die betroffene Person sich seit Einreichung des Asylgesuches mindestens fünf Jahre in der Schweiz aufhält (Bst. a), der Aufenthaltsort der betroffenen Person den Behörden immer bekannt war (Bst. b) und wegen der fortgeschrittenen Integration ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt (Bst. c). Dabei geht es nur um die Frage, ob der Kanton ermächtigt wird, eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen bzw. ein Aufenthaltsverfahren durchzuführen. Anwendbar ist die im Rahmen der Asylgesetzrevision vom 16. Dezember 2005 per
1. Januar 2007 in Kraft getretene Härtefallregelung von Art. 14 Abs. 2 AsylG sowohl auf Personen, die ein Asylverfahren erfolglos durchlaufen haben, als auch auf Personen, die sich noch im Asylverfahren befinden. Sie stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der Ausschliesslichkeit des Asylverfahrens dar (PETER NIDERÖST, Sans-Papiers in der Schweiz, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Auflage Basel 2009, Rz. 9.35; zur Rechtsnatur dieses Verfahrens vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-7265/2007 vom 24. März 2010 E. 3).
Bereits vor der Revision vom 16. Dezember 2005 sah das Asylgesetz in Art. 44 Abs. 3 bis 5 (AS 1999 2273) die Möglichkeit vor, in Fällen einer schwerwiegenden persönlichen Notlage die vorläufige Aufnahme anzuordnen, sofern vier Jahre nach Einreichen des Asylgesuchs noch kein rechtskräftiger Entscheid ergangen war. Rechtskräftig abgewiesene Asylsuchende waren von der Möglichkeit der vorläufigen Aufnahme ausgeschlossen. Die nunmehr geltende Regelung von Art. 14 Abs. 2 AsylG enthält nicht nur eine Ausweitung des Anwendungsbereiches auf rechtskräftig abgewiesene Asylsuchende, sondern bringt der betroffenen Person auch insoweit eine rechtliche Besserstellung, als ihr eine Aufenthaltsbewilligung erteilt und nicht mehr nur die vorläufige Aufnahme gewährt werden kann (zur Entstehung des heutigen Art. 14 Abs. 2 AsylG vgl. BVGE 2009/40 E. 3.1).
Der Beschwerdeführer hält sich seit der Einreichung des Asylgesuches mehr als fünf Jahre in der Schweiz auf, wobei sein Aufenthaltsort den Behörden immer bekannt war. Die in Art. 14 Abs. 2 Bst. a und b AsylG genannten Anforderungen sind damit erfüllt. Zu prüfen bleibt, ob nach Massgabe von Art. 14 Abs. 2 Bst. c AsylG "wegen der fortgeschrittenen Integration ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt". Diese Frage beurteilt sich auf der Grundlage der umfangreichen Rechtsprechung zum Härtefallbegriff gemäss Art. 13 Bst. f der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (Begrenzungsverordnung, BVO, AS 1986 1791; vgl. heute Art. 30 Abs. 1 Bst. b des Ausländergesetzes vom
16. Dezember 2005 [AuG, SR 142.20]). Mit Art. 14 Abs. 2 Bst. c AsylG hat der Gesetzgeber nämlich keinen eigenen Härtefallbegriff schaffen, sondern den bereits im Kontext des Ausländerrechts bestehenden und von der Rechtsprechung konkretisierten Härtefallbegriff auch für das Asylrecht
anwendbar machen wollen (vgl. dazu eingehend BVGE 2009/40 E. 5 mit Hinweisen).
In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichts hat der Verordnungsgeber in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) eine entsprechende Kriterienliste aufgestellt, die sich sowohl auf Art. 14 Abs. 2 AsylG als auch auf den Anwendungsbereich des AuG (Art. 30 Abs. 1 Bst. b, Art. 50 Abs. 1 Bst. b und Art. 84 Abs. 5 AuG) bezieht. Im Einzelnen werden folgende Kriterien genannt: Die Integration (Bst. a), die Respektierung der Rechtsordnung (Bst. b), die Familienverhältnisse (Bst. c), die finanziellen Verhältnisse sowie der Wille zur Teilhabe am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung (Bst. d), die Dauer der Anwesenheit (Bst. e), der Gesundheitszustand (Bst. f) und die Möglichkeit für eine Wiedereingliederung im Herkunftsland (Bst. g).
Im Weiteren statuiert die auf die soeben genannten Härtefallregelungen nach AsylG und AuG anwendbare Bestimmung von Art. 31 Abs. 2 VZAE, dass die gesuchstellende Person ihre Identität offenlegen muss. Dieses Erfordernis steht im Zusammenhang mit Art. 13 und Art. 90 AuG, wonach die gesuchstellende Person im Bewilligungsund Anmeldeverfahren ein gültiges Ausweispapier vorlegen und diesbezüglich zutreffende und vollständige Angaben machen muss. Werden diese zwingenden Vorschriften verletzt, kann dies den Wiederruf einer Bewilligung zur Folge haben (Art. 62 Bst. a und Art. 63 Abs. 1 Bst. a AuG) und zu Zwangsmassnahmen (Art. 76 Abs. 1 Bst. b Ziff. 3 AuG und Art. 77 Abs. 1 Bst. c AuG) oder gar strafrechtlichen Sanktionen (Art. 120 Abs. 1 Bst. e AuG) führen (PETER UEBERSAX, Einreise und Aufenthalt, in Ausländerrecht, a.a.O., Rz. 7.272 ff.). Einen weiterreichenden Regelungsumfang hat die insoweit nur deklaratorische Verordnungsbestimmung von Art. 31 Abs. 2 VZAE (abgesehen von der wohl ungenauen Übersetzung im französischen Text) nicht.
Im Hinblick auf die Rechtsprechung zum Härtefallbegriff von Art. 13 Bst. f BVO und die diesbezüglich in Art. 31 Abs. 1 VZAE aufgestellten Kriterien darf auch im Anwendungsbereich des Asylgesetzes ein schwerwiegender persönlicher Härtefall nicht leichthin angenommen werden. Erforderlich ist, dass sich die ausländische Person in einer persönlichen Notlage befindet, was bedeutet, dass ihre Lebensund Existenzbedingungen, gemessen am durchschnittlichen Schicksal von ausländischen Personen, in gesteigertem Mass in Frage gestellt sind bzw. die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung für sie mit schweren Nachteilen verbunden wäre.
Die Anerkennung als Härtefall setzt allerdings nicht voraus, dass die Anwesenheit in der Schweiz einziges Mittel zur Verhinderung einer persönlichen Notlage darstellt. Demgegenüber genügt auch nicht, wenn sich die ausländische Person während längerer Zeit in der Schweiz aufgehalten, sich in sozialer und beruflicher Hinsicht gut integriert und sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Vielmehr bedarf es einer so engen Beziehung zur Schweiz, dass es ihr nicht zugemutet werden kann, im Ausland, insbesondere in ihrem Heimatland, zu leben (BGE 130 II 39 E. 3; BVGE 2007/16 E. 5.1); die in diesem Kontext anwendbaren Kriterien von Art. 31 Abs. 1 VZAE stellen weder einen abschliessenden Katalog dar noch müssen sie kumulativ erfüllt sein (vgl. BVGE 2009/40 E. 6.2). Immerhin werden bei einem sehr langen Aufenthalt weniger hohe Anforderungen an das Vorliegen besonderer Umstände wie etwa eine überdurchschnittliche Integration oder andere Faktoren gestellt, welche die Rückkehr ins Heimatland als ausgesprochen schwierig erscheinen lassen (BGE 124 II 110 E. 3 S. 112 f.).
Zu beachten gilt es ferner, dass die ausländerrechtliche Zulassung wegen eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalles nicht das Ziel verfolgt, eine ausländische Person gegen die Folgen eines Krieges oder des Missbrauchs staatlicher Gewalt zu schützen. Solche Erwägungen betreffen einerseits die Frage der Asylgewährung, andererseits sind sie für die Beurteilung der Vollziehbarkeit einer verfügten Wegweisung von Bedeutung (vgl. Art. 83 AuG). Im Zusammenhang mit dem schwerwiegenden persönlichen Härtefall sind ausschliesslich humanitäre Gesichtspunkte ausschlaggebend, wobei der Schwerpunkt auf der Verankerung in der Schweiz liegt. Im Rahmen einer Gesamtschau sind jedoch seit jeher auch der Gesundheitszustand einer Person sowie die Möglichkeiten einer Wiedereingliederung im Herkunftsland mitzuberücksichtigen (heute sind diese von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien in Art. 31 Abs. 1 Bst. f und g VZAE positivrechtlich verankert). Diese Prüfung kann nicht losgelöst von den persönlichen, familiären und ökonomischen Schwierigkeiten erfolgen, denen eine ausländische Person in ihrem Heimatland ausgesetzt wäre (vgl. BGE 123 II 125 E. 3 S. 128). Daraus ergibt sich eine gewisse Überschneidung von Gründen, die den Wegweisungsvollzug betreffen, und solchen, die einen Härtefall (mit)begründen können. Das ist nicht
zu vermeiden und in Kauf zu nehmen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-8270/2008 vom 10. Mai 2010 E. 5.3 mit Hinweis).
Der Beschwerdeführer reiste am 23. Juni 2003 als Asylbewerber in die Schweiz ein. Am 11. November 2005 wies das BFM sein Asylgesuch ab und ordnete gleichzeitig die vorläufige Aufnahme an. Mit Verfügung vom 30. Juni 2008 wurde die vorläufige Aufnahme wieder aufgehoben, auf eine dagegen erhobene Beschwerde trat das Bundesverwaltungsgericht am 28. August 2008 nicht ein. Das BFM setzte ihm daraufhin eine Ausreisefrist bis zum 16. September 2008. Ebenfalls an die Gesamtdauer des Aufenthalts angerechnet werden kann die Anwesenheit des Beschwerdeführers im vorliegenden Verfahren, welches am 26. November 2008 durch den Kanton K. eingeleitet wurde, bis zum heutigen Zeitpunkt. Anders verhält es sich mit der Zeitspanne zwischen Ablauf der Ausreisefrist nach Abschluss des Wegweisungsverfahrens und Einleitung des Härtefallverfahrens, war doch der Aufenthalt des Betroffenen in jener Periode nicht mehr geregelt. Diese gut zwei Monate sind allerdings kaum von Belang. Insgesamt ist somit von einer Aufenthaltsdauer von achteinhalb Jahren auszugehen.
Laut einem Urteil des Bundesgerichts ist bei einem Asylsuchenden, der sich seit zehn Jahren in der Schweiz aufhält, in der Regel vom Vorliegen eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalles auszugehen, sofern er finanziell unabhängig, sozial und beruflich gut integriert ist und sich bis dahin klaglos verhalten hat. Im Weiteren darf die Dauer des Aufenthalts nicht absichtlich durch das missbräuchliche Ergreifen von Rechtsmitteln zum Zwecke der Verzögerung verlängert worden sein (vgl. BGE 124 II 110 E. 3 S. 112 f.). Was in casu die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers anbelangt, so ist sie von daher nicht als derart lang einzuschätzen, dass ohne Vorliegen besonderer Umstände auf einen schwerwiegenden persönlichen Härtefall geschlossen werden könnte. Hingegen stellt sich die Frage, ob sich aus den sonstigen Umständen des Aufenthalts und Verhaltens des Beschwerdeführers eine schwerwiegende persönliche Notlage ableiten lässt.
Der Beschwerdeführer hat sich bis auf die Missachtung der Ausreisefrist nach Abschluss des Asylverfahrens klaglos verhalten. Hinsichtlich seiner sozialen Integration hat sich die kantonale Migrationsbehörde lediglich dahingehend geäussert, als sie seine Deutschkenntnisse als gut beurteilte. Die Akten enthalten indessen keinen Hinweis auf Bemühungen
zum Spracherwerb, solche werden vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Eine objektive Einschätzung der Kenntnisse des Beschwerdeführers erweist sich mangels Vorliegens entsprechender Unterlagen als schwierig. Gemäss Verfügung des Amts für Wirtschaft und Arbeit des
Kantons K.
vom 17. September 2010 habe die Regionale Ar-
beitsvermittlung (RAV) an der Volkshochschule seine Deutschkenntnisse überprüfen lassen, wobei sich herausgestellt habe, dass der Beschwerdeführer den Test gut erledigt habe. Dies wird dahingehend konkretisiert, als er eigenständig Sätze schreiben und lesen könne. Der Beschwerdeführer selber gibt an, "nicht so gut" Deutsch zu können (vgl. Aktennotiz Kanton K. vom 28. September 2010). Insgesamt erscheinen seine Deutschkenntnisse daher eher beschränkt. Hinsichtlich seiner sozialen Beziehungen lassen die Akten wenig Schlüsse zu. Zwar ist davon auszugehen, dass in Anbetracht der Dauer seiner Anwesenheit in gewissem Umfang soziale Kontakte bestehen, was die eingereichten Referenzschreiben bestätigen, doch lässt sich aus den Akten nichts entnehmen, was auf den Aufbau oder das Bestehen eines Freundeskreises schliessen lassen könnte. Der in der Beschwerde nicht näher bezeichnete Freundeskreis stellt noch keinen Hinweis auf eine Teilnahme am sozialen Leben dar. Entsprechend belegen die Unterstützungsschreiben auf keine Weise das Bestehen eines sozialen Netzes, sondern stellen lediglich Sympathiebekundungen dar. Aus dem zu Beginn des Verfahrens angeblich bestehenden Verlöbnis des Beschwerdeführers mit einer in der Schweiz niedergelassenen deutschen Staatsangehörigen kann er, aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Trennung nichts mehr ableiten. An dieser Sachlage vermag auch seine derzeitige Freundschaft mit einer Schweizerin nichts zu ändern. Es bestehen daher keine Hinweise auf eine derart aussergewöhnliche soziale Integration, welche über die üblicherweise während des mehrjährigen Aufenthalts geknüpften beruflichen, freundschaftlichen und nachbarschaftlichen Beziehungen hinausgehen würden.
Nicht anders verhält es sich mit der beruflichen Integration. Seit
1. März 2011 geht der Beschwerdeführer erstmals über längere Zeit einer geregelten Erwerbstätigkeit als Küchenhilfe in einem Imbiss-Restaurant nach und ist in der Lage, für seinen Unterhalt ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfe aufzukommen. Allerdings ist seine berufliche Tätigkeit nicht besonders qualifiziert. Positiv ins Gewicht fällt indessen, dass der Beschwerdeführer von seinem Arbeitgeber als aufmerksam, interessiert und verantwortungsbewusst beschrieben wird (vgl. Zeugnis vom 16. Januar 2012). Negativ zu vermerken ist dagegen, dass er erst im August 2007
eine erste Erwerbstätigkeit aufgenommen hat. Zuvor war er, wie auch später immer wieder, auf die Unterstützung durch die öffentliche Hand angewiesen. Dass er sich unter diesen Umständen je um die Teilnahme an einem Beschäftigungsprogramm oder um den Erwerb von Bildung bemüht hätte, wird nicht geltend gemacht und geht aus den Akten nicht hervor. Ein erstes Stellenangebot als Küchenhilfe ab 1. April 2006 lehnte er ohne weitere Begründung ab. Seine erste Anstellung als Gerüsthandlanger vom 23. Juli 2007 wurde per 16. September 2007 bereits wieder beendet. Ab dem 10. Dezember 2007 arbeitete er sodann als "Allrounder" in einem Restaurant. Bereits wenige Monate nach Einleitung des Härtefallverfahrens Ende November 2008 kündigte er auch diese Anstellung und war zunächst wieder arbeitslos. Am 1. August 2010 trat er, nachdem er zuvor erfolgreich eine zweiwöchige Eignungsabklärung bestanden hatte, eine befristete Stelle in einem Restaurant an. Am nächsten Tag blieb er unbegründet von der Arbeit fern und verschuldete auf diese Weise seine erneute Arbeitslosigkeit. Die nachträgliche Begründung, er habe gekündigt, weil er die Bestellzettel aufgrund ungenügender Deutschkenntnisse nicht habe lesen können, erwies sich als vorgeschoben. Vielmehr hatte ihm der Arbeitgeber bezüglich der Bestellschwierigkeiten Lösungsvorschläge gemacht und sogar angeboten, die Kosten für einen Deutschkurs zu übernehmen. Diese negative Arbeitseinstellung bestätigt sich auch in seinen wiederholten Äusserungen, er werde sowieso eine Schweizerin heiraten und hier bleiben (vgl. auch Telefonnotiz Kanton K. vom 30. November 2010, wonach der Beschwerdeführe keine grossen Anstalten gemacht habe, wirklich eine Arbeit zu finden). Der Beschwerdeführer kann trotz der mehrjährigen Anwesenheit in der Schweiz keine konstante Erwerbstätigkeit nachweisen. Seine Motivation, sich beruflich zu integrieren, ist fraglich. Vielmehr scheint diese lediglich auf den Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung gerichtet zu sein. Aus den Aktennotizen des kantonalen Migrationsamtes (vgl. Aktennotiz vom 28. September 2010) geht sodann hervor, dass er regelmässig auf die Folgen seines Widerstandes gegen die Arbeitsaufnahme sowie die fehlende Kooperation aufmerksam gemacht werden musste. Daher erscheinen auch seine wirtschaftlichen Verhältnisse trotz der derzeitigen Vollzeitstelle nicht als derart gesichert, dass das Risiko einer Unterstützung durch die öffentliche Hand als grundsätzlich gebannt zu betrachten wäre.
Zu prüfen gilt es schliesslich, wie es sich mit dem Aspekt der Wiedereingliederung im Herkunftsstaat verhält. Der alleinstehende Beschwerdeführer, der hierzulande keine Familienangehörigen hat, ist im Alter von 21 Jahren aus H. in die Schweiz gelangt. Er hat somit
den grössten Teil seines Lebens, welcher für die Persönlichkeitsbildung und die Sozialisierung wichtige Phasen umfasst, im Irak verbracht. Zudem verfügt er dort über ein familiäres Beziehungsnetz (Mutter, Schwester und zwei Brüder), das ihm in sozialer Hinsicht einen gewissen Rückhalt geben und bei der Wiedereingliederung behilflich sein kann. Dass dem Beschwerdeführer politische Verfolgung, Haft oder gar der Tod drohen könnte, wurde bereits mit Urteil der ARK vom 28. November 2006 verneint. Sodann wurde auch der Wegweisungsvollzug mit rechtskräftiger Verfügung des BFM vom 30. Juni 2008 als zulässig, zumutbar und möglich erachtet. Diese Einschätzung entspricht auch der aktuellen Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-4646/2009 vom
28. Dezember 2011 E. 8.3.2 mit Hinweisen). Auch vor dem Hintergrund seiner stressbedingten Magenbeschwerden, deren Krankheitswert ohnehin fraglich erscheint, kann vom Beschwerdeführer eine Rückkehr in den Heimatstaat verlangt werden.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer die Kriterien eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalles nicht erfüllt (ungenügende berufliche, wirtschaftliche, soziale und sprachliche Integration, Verletzung von Mitwirkungspflichten, Familie in der Heimat). Zu Recht hat die Vorinstanz daher im vorliegenden Fall die Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 14 Abs. 2 AsylG verweigert.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung rechtmässig ist (Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dem Beschwerdeführer die Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).
Dispositiv Seite 13
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem am 2. Februar 2010 geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.
Dieses Urteil geht an:
den Beschwerdeführer (Einschreiben)
die Vorinstanz ( )
das Migrationsamt des Kantons K. ( )
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Marianne Teuscher Giulia Santangelo
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