Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-3602/2006 |
Datum: | 28.07.2008 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | ühre; Istanbul; Schweiz; TIKKO; Beschwerdeführers; Mitglied; Flüchtling; TKP-ML; Verfahren; Polizei; Bundesamt; Verfügung; Person; Recht; Flüchtlingseigenschaft; Mitgliedschaft; Quot;; Vorinstanz; Behörde; Recht; Schwager; Bundesverwaltungsgericht; Akten; Sinne; Türkei; Verfahrens; Verfolgung |
Rechtsnorm: | Art. 10 StGB ; Art. 221 StGB ; Art. 260t StGB ; Art. 63 VwVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-3602/200 6
E-4282/200 6
{T 0/2}
Besetzung
Parteien
Gegenstand
Richter Bruno Huber (Vorsitz),
Richter Daniel Schmid, Richterin Christa Luterbacher,
Gerichtsschreiber Thomas Hardegger.
A_______, geboren _______, E-3602/2006,
und dessen Ehefrau B_______, geboren _______, E-4282/2006, Türkei,
vertreten durch lic. iur. Bernhard Jüsi und lic. iur. Urs Ebnöther, Rechtsanwälte, _______,
Beschwerdeführende, gegen
Asyl; Verfügung des BFF vom 19. Februar 2004 E-3602/2006 / N_______,
Originäre Flüchtlingseigenschaft, Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 24. Februar 2005
2/2006 / N_______.
Der Beschwerdeführer verliess seinen Heimatstaat nach eigenen Angaben am 17. Juni 2003 und gelangte via Italien am 23. Juni 2003 illegal in die Schweiz, wo er gleichentags ein Asylgesuch stellte. Am
Juni 2003 wurde er in der Empfangsstelle Kreuzlingen (heute: Empfangsund Verfahrenszentrum Kreuzlingen) summarisch zu den Ausreisegründen befragt. Für die Dauer des Verfahrens wurde er am
Juni 2003 dem Kanton Aargau zugewiesen. Am 11. Juli 2003 führte die zuständige Behörde des Aufenthaltskantons eine Anhörung zu den Asylgründen durch.
Der Beschwerdeführer reichte beim Bundesamt folgende Dokumente ein: eine Identitätskarte und ein Entscheid der Staatsanwaltschaft (...) über eine sechsmonatige Aussetzung des Strafvollzugs seines Bruders vom (...) 2002 (A); ein Protokoll der Polizei in Istanbul vom (...) 2003 zu Handen der Staatsanwaltschaft des Staatssicherheitsgerichts (Devlet Güvenlik Mahkemeleri, DGM) Istanbul (B); eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft zu Handen des DGM Istanbul vom (...) 2003 (C); ein anwaltliches Schreiben vom (...) 2003 und ein Gerichtsverhandlungsprotokoll der 6. Kammer des DGM Istanbul vom (...) 2003 (D); Wohnsitzbestätigungen der Beschwerdeführerin und des Vaters des Beschwerdeführers; ein Auszug aus dem Familienregister.
Das Urkundenlabor der Kantonspolizei Zürich stellte am 25. Juli 2003 fest, die Identitätskarte des Beschwerdeführers enthalte - soweit beurteilbar - keine objektiven Fälschungsmerkmale. Zum selben Ergebnis gelangte am 6. August 2003 der amtsinterne Sachverständige des BFF in Bezug auf die in Rubrik A.b zitierten Beweismittel A bis D (vgl. A19).
Anlässlich der Anhörungen machte der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger aus (...) (Kreis (...), Istanbul), geltend, er sei aus mehreren Gründen aus der Türkei ausgereist. Er sei für den Menschrechtsverein Insan Haklari Dernegi (IHD), die Zeitung (...), für (...) und das Kulturzentrum (...) tätig gewesen; er habe an der Redaktion von Pressemitteilungen mitgearbeitet und sei an vielen Aktivitäten beteiligt gewesen. Im Jahr 1997 sei er wegen Hochhaltens eines Transparentes an einer bewilligten Pressekonferenz erstmals
festgenommen, vor das Friedensgericht (...) in (...) geführt und dort schliesslich freigesprochen worden. 1999 sei sein Bruder aus politischen Gründen in Polizeihaft genommen und am (...) 2002 von der 6. Kammer des DGM Istanbul zu zwölf Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt worden. Zwischen 1997 und 2002 sei er selber rund zwanzigmal von der Polizei festgenommen worden, meistens anlässlich einer 1. Mai-Feier oder bei Anlässen des Menschenrechtsvereins IHD. Letztmals sei er im (...) 2002 zwei Tage lang in einer Zelle der Antiterror-Sektion in (...) inhaftiert gewesen. Seine Schwester sei seinetwegen von der Polizei sexuell belästigt worden.
Gemäss Protokoll der Polizei von Istanbul vom (...) 2003 sei dem Beschwerdeführer vorgehalten worden, sich zusammen mit anderen Personen an Gewaltaktion der illegalen Partei TKP-ML/TIKKO (Kommunistische Partei der Türkei/Marxisten-Leninisten) beteiligt zu haben. Im Besonderen sei am (...) 2002 eine Zeitbombe in den Garten der Gesundheitsstation (...) in (...) gelegt worden. Gemäss Anklageschrift der Staatsanwaltschaft des DGM Istanbul sei der Beschwerdeführer Fahrer jenes Autos gewesen, welches den Sprengsatz transportiert habe.
Angesichts dieser Vorfälle habe sich der Beschwerdeführer zur Ausreise aus der Türkei entschlossen, zumal ihn die Polizei am (...) 2003 zu Hause gesucht habe. Für den Inhalt der weiteren Einzelheiten wird auf die Protokolle bei den Akten verwiesen und, soweit entscheidwesentlich, auf die nachfolgenden Erwägungen.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2004 teilte das Bundesamt für Polizei (fedpol) dem BFF mit, es schliesse sich der Auffassung der Vorinstanz an, wonach das Asyl zu verweigern und der Beschwerdeführer vorläufig in der Schweiz aufzunehmen sei.
Mit Verfügung vom 19. Februar 2004 - eröffnet am 26. Februar 2004 - lehnte das BFF das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab, stellte jedoch gleichzeitig dessen Flüchtlingseigenschaft fest, verfügte die Wegweisung aus der Schweiz, schob den Vollzug infolge Unzulässigkeit auf und ordnete die vorläufige Aufnahme an.
Das Bundesamt machte geltend, beim Delikt des Beschwerdeführers, mit welchem das DGM Istanbul befasst sei, handle es sich aufgrund der eingereichten Dokumente um ein politisches, da offenbar die Gesinnung (Vorwurf der Mitgliedschaft und Unterstützung der TKP-ML [TIKKO]) im Vordergrund stehe. Somit sei Art. 1F Bst. b des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) nicht anwendbar. Der Beschwerdeführer habe seine Asylgründe überzeugend zu Protokoll gebracht und zentrale Punkte mit authentischen Dokumenten belegt. Er habe damit nachvollziehbar eine begründete Furcht vor künftiger Verfolgung dargetan und erfülle die Flüchtlingseigenschaft aus Gründen seiner eigenen Person (originäre Flüchtlingseigenschaft). Gemäss Praxis des Bundesamtes seien indessen die DEV-Sol und deren Nachfolgeorganisationen sowie die TKP-ML (TIKKO) als terroristische Organisationen zu charakterisieren, weshalb bereits der Umstand einer blossen Mitgliedschaft einen Asylausschlussgrund gemäss Art. 53 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) darstelle. Weiter habe es aufgrund diverser Anhaltspunkte in den Anhörungsprotokollen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers, wonach er nicht Mitglied der TKP-ML (TIKKO) sei und die Anschuldigungen der türkischen Behörden erfunden seien. Zudem stufe das schweizerische Strafrecht die dem Beschwerdeführer vom DGM Istanbul vorgehaltenen Taten als Verbrechenstatbestände ein, weshalb auch aus diesen Gründen kein Asyl gewährt werde. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Verfügung verwiesen.
Mit Schreiben vom 15. März 2004 gewährte das BFF dem Beschwerdeführer Akteneinsicht.
Mit Beschwerde vom 22. März 2004 liess der Beschwerdeführer bei der damals zuständigen Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) unter Kostenund Entschädigungsfolge die Aufhebung der Dispositivziffern 2 (Abweisung Asylgesuch) und 3 (Anordnung der Wegweisung) der BFF-Verfügung vom 19. Februar 2004 und die Gewährung des Asyls beantragen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur ergänzenden Anhörung des Beschwerdeführers und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In formeller Hinsicht wurde die unentgeltliche Prozessführung, einschliesslich des Verzichts auf die Erhebung eines Kostenvorschusses, beantragt. Auf die Begründung wird
soweit entscheidwesentlich - in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Mit Zwischenverfügung vom 22. April 2004 - eröffnet am 23. April 2004 - verzichtete der Instruktionsrichter der ARK auf die Erhebung
eines Kostenvorschusses, gab dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Einreichung der in Aussicht gestellten Beweismittel und verlegte die Behandlung des Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung in den Endentscheid.
Mit Schreiben vom 21. Mai 2004 wurden eine Fürsorgebestätigung des kantonalen Sozialdienstes Aargau vom 23. April 2004, eine Vollmacht vom 21. Mai 2004, ein übersetztes Schreiben des Anwalts (...), Istanbul, vom 14. April 2004 und ein Zustellcouvert im Original nachgereicht.
Mit Telefaxschreiben vom 16. März 2004 liess der Beschwerdeführer die Vorinstanz über die Absicht seiner Ehefrau in Kenntnis setzen, bei der Schweizer Vertretung in der Türkei aus eigenen Beweggründen um Asyl nachzusuchen; das Bundesamt werde um entsprechende Orientierung der Botschaft ersucht.
Mit Schreiben vom 17. März 2004 teilte der Rechtsvertreter mit, er sei im Besitze der Vollmacht der Beschwerdeführerin und stelle in deren Namen ein Asylgesuch. Er beantragte vorsorglich die Bewilligung der Einreise in die Schweiz und im Falle einer geplanten Verweigerung der Einreise vorgängige Akteneinsicht.
Am 28. April 2004 fand in der Schweizer Botschaft in Ankara die Anhörung der Beschwerdeführerin zu ihren Asylgründen statt.
Die Beschwerdeführerin, eine Türkin aus Istanbul, brachte im Wesentlichen vor, den Beschwerdeführer am (...) 2002 geheiratet zu haben. Er sei wegen politischer Aktivitäten von den Behörden gesucht worden. Nach seinem Untertauchen sei ihr geraten worden, sich bei den in Istanbul lebenden Schwiegereltern aufzuhalten. Auf ihrem Weg dorthin sei sie von vier Unbekannten, vermutlich Polizisten, gezwungen worden, in deren Auto einzusteigen. Während der Fahrt sei sie über den Beschwerdeführer ausgefragt worden; dabei sei sie an den Haaren gezerrt, geohrfeigt und massiv bedroht worden; danach habe man sie laufen lassen. Ab Ende Januar/Anfang Februar 2003 habe sie kaum mehr gewagt, das Haus zu verlassen. Polizisten hätten sie auf der Strasse verbal belästigt und mit dem Auto verfolgt. Letztmals sei sie im Sommer 2003 nach ihrem Mann befragt worden. Die Polizei sei unzählige Male zu ihren Schwiegereltern gekommen; sie habe jeweils nach ihrem Schwager gesucht und die Schwiegereltern über ihn befragt. Der Schwager sei wegen politischen Aktivitäten zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Nachdem sich seine Gesundheit wegen eines längeren Hungerstreiks verschlechtert habe, hätten ihn die Behörden provisorisch aus dem Gefängnis entlassen. Ihr Schwager sei dann untergetaucht. Später habe sie den Staatsanwalt ersucht, die Haftverschonung zu verlängern. In der Folge sei der Schwager aber erneut gesucht worden. Das Haus stehe seither unter ständiger Beobachtung. Im Frühjahr 2004 sei gegen ihn ein Haftbefehl ergangen. Im (...) 2004 sei die Polizei dreimal gekommen, und auch Anfang (...) sei sie gekommen. Sie habe mit ihrem Mann an Kundgebungen teilgenommen. Zudem sei sie an einer Veranstaltung des Menschenrechtsvereins IHD gewesen. Wegen der geschilderten Verfolgungsmassnahmen leide sie massiv unter Schlaflosigkeit und könne sich nicht mehr konzentrieren. Sie habe deshalb aufgehört zu arbeiten. Trotzdem wolle sie nicht zu ihren Eltern zurück. Sie wolle diese nicht unglücklich machen; ihre Mutter sei am Herz operiert. Zu Verwandten pflege sie keine Kontakte.
Die Botschaft in Ankara hielt im Übermittlungsschreiben vom
15. Februar 2004 (Eingangsstempel des Bundesamts: 30. April 2004) unter anderem fest, die Beschwerdeführerin habe ein Monat zuvor ein Visumsgesuch gestellt, das abgelehnt worden sei. Daraufhin habe sie verlauten lassen, im Rahmen der Familienvereinigung zu ihrem Ehemann in die Schweiz gelangen zu wollen. Nachdem festgestellt worden sei, dass dessen aktueller Status in der Schweiz kein Recht auf Familiennachzug beinhalte, habe sich der Anwalt des Beschwerdeführers beim BFF gemeldet und geltend gemacht, die Beschwerdeführerin habe eigene Asylgründe. Zu ihrem gesundheitlichen Zustand merkte die Botschaft an, dass sie "psychisch recht angeschlagen" sei, bei der Anhörung oft geweint und Konzentrationsschwächen gezeigt habe. Die Beschwerdeführerin sei aus ihrer Sicht nicht im Stande, über die politischen Aktivitäten des Beschwerdeführers und dessen Familie substanziiert Auskunft zu geben, obwohl sie geltend gemacht habe, selber an mehreren Aktionen (Pressekundgebungen und Veranstaltungen) teilgenommen zu haben. Der Druck und die Schikanen der Behörden auf die Familie der Beschwerdeführerin hätten offenbar insbesondere wegen ihres Schwagers in den letzten Monaten zugenommen. Beweismittel habe die Beschwerdeführerin nicht eingereicht.
Am 10. Dezember 2004 ersuchte der Rechtsvertreter das BFF um einen schnellen Entscheid. Die am 17. März 2004 beantragte Akteneinsicht wurde mit Schreiben vom 20. Dezember 2004 gewährt.
Das Bundesamt prüfte das Asylgesuch unter dem Aspekt von Art. 20 AsylG und das Gesuch um Familienzusammenführung und
-vereinigung unter den Aspekten von Art. 51 AsylG und Art. 39 (zwischenzeitlich aufgehoben) der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (AsylV 1, SR 142.311). Es entschied mit Verfügung vom 29. Dezember 2004, die Einreise der Beschwerdeführerin in die Schweiz werde nicht bewilligt und ihr Asylgesuch abgelehnt.
Das Bundesamt stellte sich auf den Standpunkt, die Beschwerdeführerin habe zuerst ein Gesuch um Visumserteilung, später ein Gesuch um Einreisebewilligung im Rahmen der Familienvereinigung und erst dann ein Einreiseund Asylgesuch gestellt, als ihr Ehemann in der Schweiz als Flüchtling anerkannt und vorläufig aufgenommen worden sei. Es sei nicht plausibel, dass sich die Beschwerdeführerin weiterhin bei den Schwiegereltern aufgehalten habe, obwohl die Polizei dort unzählige Male vorbei gekommen und nach dem Schwager gesucht haben soll. Zudem seien Dauer und Intensität der geltend gemachten polizeilichen Aktivitäten nicht glaubhaft. So habe die Beschwerdeführerin berichtet, dass die Polizei etwa sechs Monate lang vor der Türe ihres Hauses nach ihrem Mann auf der Lauer gelegen und nach dem Beginn der Suche nach ihrem Schwager alle zwei Stunden gekommen und gegangen sei. Dennoch könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin von behördlichen Verfolgungsmassnahmen betroffen sei. Sie werde aber von den Behörden als grundsätzlich unbescholten eingestuft. So spreche die Ausstellung des Reisepasses von (...) 2003 gegen ein landesweites Verfolgungsinteresse an ihrer Person. Im Weiteren müsse aus dem Umstand, dass die Polizei letztmals im Sommer 2003 nach ihrem Mann gefragt habe, geschlossen werden, dass die Suche nach ihm aufgegeben worden sei. Die Beschwerdeführerin habe wohl wegen ihres Aufenthalts bei den Schwiegereltern und der Fahndung nach dem flüchtigen Schwager Probleme bekommen. Diesen hätte sie sich entziehen können, da für sie eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe. Weiter sei anzumerken, dass sich die Menschenrechtssituation in türkischen Grossstädten stark gebessert habe, und die Möglichkeiten für juristisch unbescholtene Bürger, sich rechtlich zur Wehr zu setzen, mittlerweile intakt seien. Das Risiko für die Beschwerdeführerin, in Istanbul im Rahmen einer Personenkontrolle oder Routinebefragung misshandelt zu werden, sei als gering einzustufen. Sie sei somit nicht schutzbedürftig. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfügung verwiesen.
Der Rechtsvertreter teilte mit Schreiben vom 6. Januar 2005 dem BFM mit, seine Mandantin sei mittlerweile in die Schweiz eingereist. Er beantragte die Aufhebung der Verfügung vom 29. Dezember 2004, die Wiederaufnahme ihres Asylverfahrens und ihre Anhörung.
Das BFM hob seine Verfügung am 11. Januar 2005 auf. Die Beschwerdeführerin wurde gleichzeitig angewiesen, sich im Verfahrensund Empfangszentrum Kreuzlingen zu melden.
Aus einer Notiz vom 19. Januar 2005 des zuständigen Sachbearbeiters des Bundesamtes geht hervor, dass der Rechtsvertreter für die Anhörung seiner Mandantin ein Frauenteam wünschte; auf eine Teilnahme bei der Anhörung habe er selber verzichtet.
Die Beschwerdeführerin wurde am 20. Januar 2005 summarisch und am 24. Januar 2005 direkt vom BFM im Verfahrensund Empfangszentrum Kreuzlingen angehört.
Sie wiederholte im Wesentlichen die bei der Schweizer Botschaft in Ankara geltend gemachten Gründe. Sie sei wegen ihres Mannes, der aufgrund politischer Aktivitäten in der Türkei gesucht werde, und wegen ihres Schwagers in der Türkei belästigt worden. Ständige Razzien hätten bei ihr psychische Probleme ausgelöst und sie zur Ausreise bewogen. Am 23. Dezember 2004 sei sie von Istanbul via Ungarn nach Frankreich gelangt, von wo aus sie in die Schweiz eingereist sei. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Protokolle bei den Akten verwiesen.
Am 25. Januar 2005 reichte der Rechtsvertreter die bei ihm deponierten Kopien des von der Beschwerdeführerin bei der Reise verwendeten gefälschten Reisepasses ein, den sie dem Schlepper habe zurückgeben müssen.
Am 31. Januar 2005 wurde sie dem Kanton Aargau als Aufenthaltskanton während des weiteren Asylverfahrens zugeteilt.
Mit Verfügung vom 24. Februar 2005 lehnte das BFM das am
17. Januar 2005 gestellte Asylgesuch der Beschwerdeführerin wegen Unglaubhaftigkeit der Vorbringen ab, stellte jedoch gleichzeitig fest, sie besitze die derivative (abgeleitete) Flüchtlingseigenschaft, verfügte die Wegweisung aus der Schweiz, schob den Vollzug infolge Unzulässigkeit auf und ordnete ihre vorläufige Aufnahme an.
Mit Schreiben vom 5. April 2005 gewährte das BFM der Beschwerdeführerin die am 29. März 2005 beantragte Akteneinsicht.
Mit Beschwerde vom 29. März 2005 liess die Beschwerdeführerin bei der ARK unter Kostenund Entschädigungsfolge die Aufhebung der Dispositivziffern 1 (keine originäre Flüchtlingseigenschaft), 3 (Abweisung Asylgesuch) und 4 (Anordnung der Wegweisung) der Verfügung vom 24. Februar 2005, die Feststellung der Erfüllung der originären Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung des Asyls beantragen. In formeller Hinsicht wurden die unentgeltliche Prozessführung einschliesslich des Verzichts auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und die amtliche Verbeiständung beantragt.
Mit Zwischenverfügung vom 19. April 2005 verzichtete der Instruktionsrichter der ARK auf die Erhebung eines Kostenvorschusses, gab der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Einreichung einer Fürsorgebestätigung, wies das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ab, verlegte die Behandlung des Gesuchs um unentgeltliche Prozessführung in den Endentscheid und setzte eine Nachfrist zur Einreichung einer Beschwerdeergänzung an.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2005 liess die Beschwerdeführerin eine Ergänzung ihrer Beschwerde einreichen. Die Fürsorgebestätigung des kantonalen Sozialdienstes Aargau wurde am 11. Mai 2005 zu den Akten gereicht.
Das BFM hielt in der Vernehmlassung vom 2. Juni 2005 vollumfänglich an den Verfügungen vom 19. Februar 2004 und 24. Februar 2005 fest und beantragte die Abweisung der Beschwerden. Die Vernehmlassung wurde den Beschwerdeführern am 6. Juni 2005 zur Kenntnis ohne Replikrecht gebracht.
Die Kostennote des Rechtsvertreters wurde am 22. Mai 2008 eingereicht.
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Das Bundesamt für Migration (BFM) gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerden und entscheidet in diesem Bereich endgültig (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
Das Bundesverwaltungsgericht übernahm bei gegebener Zuständigkeit am 1. Januar 2007 die am 31. Dezember 2006 bei der ARK hängigen Rechtsmittel. Die Beurteilung erfolgt nach neuem Verfahrensrecht (vgl. Art. 53 Abs. 2 VGG).
Die Beschwerden wurden formund fristgerecht eingereicht. Die Beschwerdeführer haben am Verfahren vor dem Bundesamt teilgenommen, sind durch die angefochtenen Verfügungen besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 108 Abs. 1 AsylG sowie Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 und 50 sowie 52 VwVG). Auf die Beschwerden ist einzutreten.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Das Bundesverwaltungsgericht vereinigt aufgrund des engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs sowie aus prozessökonomischen Gründen die Verfahren des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführerin.
Die Schweiz gewährt Flüchtlingen unter Vorbehalt von Ausschlussgründen auf Gesuch hin grundsätzlich Asyl (vgl. Art. 2 Abs. 1 und Art. 49 AsylG). Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen (Art. 7 Abs. 1 AsylG). Als Flüchtling wird eine ausländische Person anerkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3 AsylG).
Die im Gesetz so definierte Flüchtlingseigenschaft erfüllt eine asylsuchende Person nach Lehre und Rechtsprechung dann, wenn sie Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat beziehungsweise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft begründeterweise befürchten muss, welche ihr gezielt und aufgrund bestimmter Verfolgungsmotive durch Organe des Heimatstaates oder durch nichtstaatliche Akteure zugefügt worden sind beziehungsweise zugefügt zu werden drohen (vgl. dazu Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2006 Nr. 18 E. 7f., EMARK 2005 Nr. 21 E. 7). Aufgrund der Subsidiarität des flüchtlingsrechtlichen Schutzes setzt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausserdem voraus, dass die betroffene Person in ihrem Heimatland keinen ausreichenden Schutz finden kann (vgl. dazu EMARK 2005 Nr. 21 E. 7).
Vorliegend erachtete das Bundesamt als nachvollziehbar, dass sich der Beschwerdeführer im Jahr 1997 vor dem Friedensgericht in
(...) wegen Hochhaltens eines Transparentes habe verantworten müssen, diesbezüglich freigesprochen worden sei, zwischen 1997 und Juni 2002 rund zwanzig polizeiliche Festnahmen erlebt habe und am (...) 2003 vor dem DGM Istanbul wegen Mittäterschaft an einem Verbrechen der TKP/ML (TIKKO) angeklagt worden sei. Die Staatsanwaltschaft verdächtige ihn, in seinem Auto einen Sprengsatz transportiert zu haben, welcher am Anschlagsort (...) indessen nicht detoniert sei. Am (...) 2003 habe vor dem DGM Istanbul eine erste Gerichtsverhandlung stattgefunden. Der Beschwerdeführer sei in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom (...) 2003 als flüchtiger Angeklagter erwähnt. Das BFM gehe aufgrund dieser Indizienkette "unzweifelhaft" davon aus, dass es sich beim vorgenannten Delikt (Mitglied der TKP/ML [TIKKO] beziehungsweise Mittäterschaft bei einem Verbrechen dieser Organisation) um ein politisches handle, weil die politische Gesinnung des Beschwerdeführers im Vordergrund stehe. Es erachte es als wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr verhaftet würde und sich vor dem Staatssicherheitsgericht in Istanbul zu verantworten hätte. Der Beschwerdeführer wurde deshalb vom BFM gestützt auf Art. 3 Abs. 1 und 2 AsylG als Flüchtling anerkannt, in Anwendung von Art. 53 AsylG jedoch von der Asylgewährung ausgeschlossen.
Der Beschwerdeführer gab an, nie Mitglied einer Partei gewesen zu sein. Er habe nichts mit der TKP/ML (TIKKO) zu tun. Er sei zu Unrecht von der Staatsanwaltschaft des DGM Istanbul der Mitgliedschaft bei einer terroristischen Vereinigung und der Mittäterschaft beim Attentatsversuch vom (...) 2002 beschuldigt worden, bei welchem er angeblich in seinem Auto den Sprengsatz transportiert habe. Das Verfahren vor dem Staatssicherheitsgericht gründe hauptsächlich auf der Aussage einer ihm vorher nicht bekannten Person. Das Verfahren vor dem DGM Istanbul nehme den weiteren Verlauf, obwohl diese Person zu Protokoll gegeben habe, die Beschuldigungen gegen den Beschwerdeführer seien haltlos, sie seien unter Folter gemacht worden, er kenne den Angeklagten gar nicht. Zudem sei im Gegensatz zu "anderen" Angeschuldigten des Verfahrens vor dem DGM kein Deckname für den Beschwerdeführer bekannt. Am (...) 2003 habe das Staatssicherheitsgericht Istanbul den Beschwerdeführer zu Hause suchen lassen. Er vermute hinter der Anklage ein Komplott der Polizei. Die Vorinstanz stütze in der angefochtenen Verfügung ihre Argumentation zu Unrecht auf die türkischen Strafverfolgungsbehörden ab und verletze damit den Grundsatz der Unschuldsvermutung. Das Verfahren
gründe auf fragwürdigen Beschuldigungen. Ohnehin sei es angesichts der notorischen Folterungen der türkischen Behörden nicht angebracht, türkischen Polizeiprotokollen ein derartiges Gewicht beizumessen. Leider seien die eigenen Verfahrensprotokolle zurzeit nicht erhältlich, da das Gerichtsverfahren gegen ihn nach wie vor hängig sei. Zudem sei der Hinweis der Vorinstanz aktenwidrig, wonach er der ihn belastenden Person jemals gegenübergestellt worden sei. Weiter sei die Anhörung in der Schweiz nicht optimal verlaufen und es habe Probleme mit der Übersetzerin gegeben. Das Protokoll sei mangelhaft, viel zu wenig ausführlich und eigne sich nicht zur Feststellung der Asylunwürdigkeit. Schliesslich widerspreche sich die Vorinstanz, wenn sie einerseits von einem politischen Charakter der Verfolgungssituation ausgehe, anderseits aber gleichzeitig einen Tatbeitrag gestützt auf die Akten und Praxis der türkischen Strafverfolgungsbehörden zu unterstellen versuche (vgl. Eingabe vom 22. März 2004). Zudem bestätige der türkische Rechtsanwalt (...) im Schreiben vom 14. April 2004 die Angaben des Beschwerdeführers.
Das Bestehen der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers ist nicht mehr zu prüfen. Vielmehr beschränkt sich die Überprüfung der angefochtenen Verfügung in Bezug auf den Beschwerdeführer einzig auf die Frage, ob die Vorinstanz diesem zu Recht die Asylgewährung gestützt auf Art. 53 AsylG verweigert hat.
Flüchtlingen wird kein Asyl gewährt, wenn sie wegen verwerflicher Handlungen dessen unwürdig sind oder wenn sie die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben oder gefährden (Art. 53 AsylG).
In Berücksichtigung der Praxis der ARK (vgl. EMARK 1993 Nr. 8
E. 6.a, EMARK 1996 Nr. 18 E. 5-7 2002 Nr. 9) fallen unter den in Art. 53 AsylG enthaltenen Begriff der "verwerflichen Handlungen" auch Delikte, die nicht ein schweres Verbrechen im Sinne von Art. 1 F Bst. b FK darstellen würden, solange sie dem abstrakten Verbrechensbegriff von alt Art. 9 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB, SR 311.0), in dessen bis zum 31. Dezember 2006 gültigen Fassung, respektive dem Verbrechensbegriff gemäss neu Art. 10 Abs. 2 StGB, in der seit 1. Januar 2007 gültigen Fassung entsprechen, mithin als Verbrechen - einer seinerzeit mit Zuchthaus, neu mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedrohten Straftat zu qualifizieren sind. Diese Ordnung ist vom Gesetzgeber mit der Totalrevision des Asylgesetzes übernommen worden (vgl. Botschaft zur Totalrevision des Asylgesetzes sowie zur Änderung des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 4. Dezember 1995, BBl 1996 II 71 ff.). Dabei ist es irrelevant, ob die verwerflichen Handlungen einen ausschliesslich gemeinrechtlichen Charakter haben oder als politisches Delikt aufzufassen sind (vgl. EMARK 2002 Nr. 9 E. 7b). Hinsichtlich des anzuwendenden Beweismasses ist bei Straftaten, die im Ausland begangen wurden, kein strikter Nachweis erforderlich; vielmehr genügt die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Person einer Straftat im erwähnten Sinn schuldig gemacht hat (vgl. Botschaft, a.a.O. S. 73).
Vorab ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer kategorisch bestreitet, irgendwelche verwerfliche Handlungen im vorstehend erwähnten Sinn begangen zu haben. Er sei weder Mitglied der TKP-ML (TIKKO), noch habe er ein Verbrechen oder eine Tat - auch nicht im Auftrag dieser Partei - begangen. Unter diesen Umständen könne ihm kein konkreter Tatbeitrag, der zur Asylunwürdigkeit führen müsste, vorgeworfen werden, und es sei auch nicht zutreffend, dass er die politischen Ziele dieser Partei je unterstützt habe. Es sei aus seiner Sicht unhaltbar, auf Protokolle der türkischen Strafermittlungsbehörden abzustellen. Dies sei umso stossender, als das Bundesamt aufgrund der eingereichten Beweismittel Kenntnis davon habe, dass die Person, die ihn beschuldigt habe, gefoltert worden und dies aktenkundig (DGM Istanbul) sei. Ein solches Vorgehen des BFM verletze den Grundsatz der Unschuldsvermutung.
Die Vorinstanz erachtet demgegenüber eine Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der TKP-ML (TIKKO) aufgrund der eingereichten Beweismittel als überwiegend wahrscheinlich. Aus dem Polizeiprotokoll (Istanbul) vom (...) 2003 gehe hervor, dass mehrere Mitglieder der TKP-ML (TIKKO) wegen Gewaltdelikten angezeigt worden seien. Im Protokoll sei der Beschwerdeführer als Mitglied beziehungsweise als Angehöriger der Partei aufgeführt, der sich an Aktionen beteiligt habe und auf der Flucht sei. Weiter widerspreche sich der Beschwerdeführer in Bezug auf die Tatsächlichkeit bei einer gerichtlichen Gegenüberstellung mit seinem Beschuldiger; seine diesbezüglichen Rechtfertigungen seien nicht plausibel. Er versuche, seine Mitgliedschaft abzustreiten. Der Beschwerdeführer habe sich im Auftrag der
TKP-ML (TIKKO) eine individuell vorwerfbare Handlung zu Schulden kommen lassen, die einen Verbrechenstatbestand darstelle, der, wäre schweizerisches Strafrecht anwendbar, zur Anwendung von Art. 221, 223 oder 224 StGB führen würde. Sein individueller Tatbeitrag sei nicht näher zu prüfen, weil die TKP-ML (TIKKO) als terroristische Organisation gelte und allein die blosse Mitgliedschaft bei ihr geeignet sei, zur Asylunwürdigkeit zu führen.
Die “Türkische Kommunistische Partei/Marxisten Leninisten“ (TKP/ ML) wurde im Jahr 1972 als Nachfolgeorganisation der “Kommunistischen Partei der Türkei“ (TKP) und der “Revolutionären Arbeiterund Bauernpartei der Türkei“ (TI-IKP) gegründet. Ihr Ziel ist die Beseitigung der türkischen Staatsordnung. 1994 spaltete sich das “Ostanatolische Gebietskommittee“ (DABK) von der TKP/ML ab; 2002/2003 entstand aus dieser Abspaltung die “Maoistische Kommunistische Partei“ (MKP). Der mehrheitliche Flügel der TKP/ML tritt unter der Bezeichnung “Partizan“ auf. Die “Partizan“ führt als so genannte bewaffnete Frontorganisation die “Türkische Arbeiterund Bauernbefreiungsarmee“ (TIKKO). Demgegenüber bezeichnete sich die Guerillagruppe der MKP als “Volksbefreiungsarmee“ (HKo). Als weitere Abspaltung entstand aus der Mutterpartei die "Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei" (MLKP), die wiederum aus einer Vereinigung von vier kommunistischen Parteien entstanden ist. Die MLKP, die die Einheit aller kommunistischen Bewegungen unter ihrer Leitung anzustreben versucht, führte ihre Abspaltung von den anderen kommunistischen Parteien nicht auf prinzipielle Differenzen zurück. Es ist deshalb naheliegend, nachfolgend die angebliche Mitgliedschaft bei der TKP-ML (TIKKO) auch unter dem Gesichtspunkt einer allfälligen Mitgliedschaft bei der MLKP zu prüfen.
Die Vorinstanz qualifizierte die TKP-ML (TIKKO) als terroristische respektive terroristisch operierende Organisation und führte weiter aus, dass bereits die blosse Mitgliedschaft bei dieser Organisation als verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 53 AsylG zu qualifizieren sei und zwingend zur Asylunwürdigkeit führe. Eine einzelfallbezogene Prüfung des Tatbeitrags des Beschwerdeführers sei unter diesen Umständen nicht notwendig.
Was den Begriff "verwerflich" im Sinne von Art. 53 AsylG betrifft, wird auf die Erwägung4.2 verwiesen (s. vorstehend). Die Mitgliedschaft bei einer kriminellen Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB ist
demnach grundsätzlich als Verbrechen gemäss Art. 10 StGB zu beurteilen, ohne dass ein eigener Tatbeitrag zu prüfen wäre. Die frühere Beschwerdeinstanz (vgl. EMARK 2002 Nr. 9) hat sich mit dieser Problematik eingehend befasst und kam zum Schluss, dass man dem Charakter einer Organisation (im konkreten Fall der PKK) nicht gerecht würde, wenn man diese bloss als verwerflich qualifizierte, ohne auch den individuellen Tatbeitrag der betroffenen Person zu berücksichtigen. Diese Einschätzung trifft nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auch auf die TKP-ML (TIKKO) zu (vgl. dazu Rubrik 5.3.). In derselben Weise hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 30. Oktober 2007 zur MLKP geäussert (vgl. D-5568/2006). So wird die MLKP vom Bundesamt für Polizei nicht generell als terroristisch operierende oder als terroristische Organisation betrachtet. Ebenso wenig ist sie in der Schweiz verboten; mithin ist sie wie die TKP-ML (TIKKO) grundsätzlich bei den extremistischen Bewegungen einzuordnen, welche mit den terroristischen Bestrebungen nicht identisch sind. Zu dieser Einschätzung kommt auch Deutschland, wo im Dezember 2007 mutmassliche Mitglieder der TKP-ML verhaftet worden sind. Gegen sie wird wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer allenfalls ausländischen terroristischen Vereinigung ermittelt. Bis dato sind keine entsprechenden Anklagen, geschweige denn Verurteilungen bekannt geworden. Letzte vergleichbare Anklagen in Deutschland datieren von 1999, und sämtliche damalige Verfahren wegen mutmasslicher Mitgliedschaft in einer allfälligen kriminellen Vereinigung sind eingestellt worden (vgl. Bericht des deutschen Bundesministeriums der Justiz vom 4. Februar 2008).
Der Beschwerdeführer bestreitet vehement, beim bewaffneten Flügel der Partizan je tätig gewesen zu sein. Entsprechende Vorwürfe seitens der türkischen Behörden sind weder den eingereichten Dokumenten der Staatsanwaltschaft Instanbul noch jenen des Staatssicherheitsgerichts zu entnehmen. Im Hinblick auf die Einschätzungen der für den schweizerischen (und den deutschen) Staatsschutz zuständigen Behörden sowie unter Berücksichtigung der Abstufung eines allfälligen Engagements erweist sich die pauschale Qualifizierung der TKP-ML (TIKKO) als kriminelle (respektive terroristische oder terroristisch operierende) Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB mangels entsprechender Hinweise nicht als sachgerecht.
Hieraus ist zu schliessen, dass selbst eine allfällige Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der TKP/ML (TIKKO) nicht schon
per se als klar verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 53 AsylG zu betrachten ist und somit nicht ohne die eingehende Prüfung und Einschätzung der persönlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers für die TKP-ML (TIKKO) zum Asylausschluss zu führen vermag.
Auch die Auffassung der Vorinstanz in Bezug auf eine Mitgliedschaft oder einen Tatbeitrag zu Gunsten der TKP-ML (TIKKO) kann nicht geteilt werden.
Massgebend und unverzichtbar für eine Beurteilung, ob der Beschwerdeführer von der Asylgewährung gestützt auf Art. 53 AsylG ausgeschlossen werden muss oder ob ihm Asyl gewährt werden kann, ist die Feststellung und die Bewertung des überwiegend wahrscheinlichen individuellen Tatbeitrages.
Der Beschwerdeführer hat im Verlauf seiner Anhörungen und in den eingereichten Beweismitteln nie aktenkundig gemacht, bei der TKP-ML (TIKKO) respektive einer kommunistischen Nachfolgeorganisation in irgendeiner Form mitgemacht oder diese unterstützt zu haben.
Mit der Vorinstanz ist zwar bei einer ersten Sichtweise übereinzustimmen, dass sich aus den Akten allenfalls Anhaltspunkte ergeben könnten, welche dafür sprechen, dass der Beschwerdeführer sein politisches Engagement für die Partizan respektive für eine deren Guerilla-Gruppen der TKP-ML (TIKKO) nicht offenlegen möchte. So weisen die angegebene hohe Anzahl von rund zwanzig Verhaftungen in den Jahren 1997 bis 2002 und der - auf eine mangelhafte Übersetzung zurückgeführte - nicht wegzudiskutierende Widerspruch in den vorgebrachten Asylgründen zur Konfrontation mit seinem Beschuldiger (vgl. A 10 S. 7 F. 40 und S. 9 f. F. 61 f.) darauf hin, dass sich der Verdacht der türkischen Behörden gegen den Beschwerdeführer, für eine illegale oppositionelle Organisation tätig zu sein, während Jahren gehalten haben könnte. Trotz der von ihm dargelegten Übergriffe und Schikanen (jahrelange Behelligungen und zahlreiche Festnahmen sowie Folter) hat sich der Beschwerdeführer nach jeder Entlassung aus der Untersuchungshaft oder einer Anhaltung weiterhin in seinem Heimatland aufgehalten und somit stets neu der Gefahr ausgesetzt. Ein politisches Engagement in der geltend gemachten zeitlichen Ausdehnung, die wiederholten Behelligungen durch Sicherheitskräfte und der weitere langjährige Verbleib im Heimatland trotz erheblicher Gefahr erneuter
Festnahmen mit ungewissem Ausgang könnten Hinweise auf eine nicht zu unterschätzende kämpferische und politische Motivation oder auf entsprechende Aktivitäten des Beschwerdeführers sein. Auch die mit dem Bruder geführte (...), die vornehmlich von Demokraten besucht worden sei, und die regelmässige Teilnahme an Anlässen des Menschenrechtsvereins (IHD) sowie die Aktivitäten für die Zeitschrift (...), (...) und das Kulturzentrum (...) dürften wohl nicht ohne eine politische (oppositionelle) Einstellung zustande gekommen sein. Gleichzeitig geht aus den Akten der Ehefrau hervor, dass der Bruder des Beschwerdeführers wegen Mitgliedschaft bei der TKP-ML (TIKKO) vom DGM Istanbul zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, die zwischenzeitlich und vorübergehend zu Gunsten einer einmaligen provisorischen Haftverwahrung aufgeschoben worden sei, weil dieser durch einen Hungerstreik die eigene Gesundheit geschädigt habe (vgl. B3 S. 3); der Schwager sei offenbar mittlerweile untergetaucht. Eine in politischer Hinsicht wenig motivierte Person hätte ein solches Durchhaltevermögen wohl nicht. Trotzdem kann daraus und aus weiteren Indizien in den Sachvorträgen der Beschwerdeführer nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf ein Verhalten des Beschwerdeführers geschlossen werden, das den Grad einer verwerflichen Handlung im Sinne von Art. 53 AsylG erreicht.
Das Bundesamt will dem Beschwerdeführer aufgrund der eingereichten Beweismittel und der Protokolle eine tatsächliche Gewaltbereitschaft nachweisen respektive als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, doch überzeugen seine diesbezüglichen Ausführungen nicht. Zwar geht es davon aus, dass die eingereichten Beweismittel der türkischen Ermittlungsbehörden echt sind. Aber das Vorliegen authentischer Akten einer türkischen Staatsanwaltschaft und Gerichtsbehörde, mithin die Beschuldigung der Mitgliedschaft bei der TKP-ML (TIKKO) respektive einer anderen kommunistischen Bewegung oder eines von der türkischen Staatsanwaltschaft vorgehaltenen Tatbeitrags an einer Aktion dieser Parteien kommt allein keiner verwerflichen Handlung nach Art. 53 AsylG gleich (vgl. auch EMARK 2004 Nr. 21
E. 5.b). Sie reicht auch nicht aus, eine Art Sympathisantenschaft zur TKP-ML (TIKKO) als überwiegend wahrscheinlich darzulegen, geschweige denn einen persönlichen Tatbeitrag in Form einer Mittäteroder Gehilfenschaft an einem terroristischen Attentat der vorgenannten Organisation nachzuweisen.
Aus der Übersetzung der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft des DGM Istanbul vom (...) 2003 geht zwar hervor, dass der Beschwerdeführer beim versuchten Anschlag von 2002 einen erheblichen Tatbeitrag geleistet haben soll. So soll er die drei Täter mit dem Sprengsatz im Auto zum Tatort transportiert haben (A 16). Aber gemäss Protokoll der Gerichtsverhandlung vor der 6. Kammer des DGM Istanbul hat die Person, die den Beschwerdeführer schwer belastet hat, seine Aussagen unter Misshandlungen gemacht und sie im Gerichtsverfahren widerrufen (vgl. A 18 und act. 51). Trotz dieser Sachlage setzten Staatsanwaltschaft und DGM Istanbul ihr Verfahren gegen den Beschwerdeführer fort. Somit sind erhebliche Hinweise auf ein zumindest zweifelhaftes Verfahren vor dem DGM aktenkundig, weshalb der Vorwurf, der Beschwerdeführer sei Mitglied der TKP-ML (TIKKO) und Mittäter beim versuchten Anschlag vom (...) 2002 gewesen, mit grösster Zurückhaltung zu qualifizieren ist. Die Auffassung des Beschwerdeführers, er sei - aus politischen Gründen - zu Unrecht angeklagt worden, ist nicht rundweg abwegig. Im Übrigen stellt auch das BFM die politische Komponente des besagten Verfahrens nicht in Abrede. Vorliegend kommt hinzu, dass sich eine anwaltliche Notiz zu den Umständen des hängigen Verfahrens vor dem DGM Istanbul bei den Akten befindet, die überwiegend für die Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschwerdeführers spricht.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt insgesamt zum Schluss, dass vorliegend keine hinreichenden Hinweise auf verwerfliche Handlungen im Sinne von Art. 53 AsylG vorliegen. Der Beschwerdeführer war gemäss nicht zu widerlegenden und in Zweifel zu ziehenden Angaben nie unmittelbar oder mittelbar an gewaltsamen Aktionen beteiligt.
2 bis 7 aufzuheben. Die Vorinstanz ist anzuweisen, dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren.
Zu klären verbleibt, ob die Beschwerdeführerin mit ihren eigenen Asylvorbringen die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft und einer Asylgewährung zu erfüllen vermag (vgl. Art. 5 AsylV).
Begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 AsylG liegt vor, wenn konkreter Anlass zur Annahme besteht, diese hätte sich - aus der Sicht im Zeitpunkt der Ausreise - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zeit verwirklicht beziehungsweise werde sich - auch aus heutiger Sicht - mit eben solcher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft verwirklichen. Dabei genügt es nicht, dass diese Furcht lediglich mit Vorkommnissen oder Umständen, die sich früher oder später möglicherweise ereignen könnten, begründet wird. Ob in einem bestimmten Fall eine solche Wahrscheinlichkeit besteht, ist aufgrund einer objektivierten Betrachtungsweise zu beurteilen. Es müssen damit hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Bedrohung vorhanden sein, die bei jedem Menschen in vergleichbarer Lage Furcht vor Verfolgung und damit den Entschluss zur Flucht hervorrufen würden. Dennoch ist für die Bestimmung der begründeten Furcht nicht allein massgebend, was ein hypothetischer Durchschnittsmensch in derselben Situation empfinden würde. Diese rein objektive Betrachtungsweise ist zusätzlich durch das von der betroffenen Person bereits Erlebte und das Wissen um Konsequenzen in vergleichbaren Fällen zu ergänzen. Wer bereits staatlichen Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt war, hat objektive Gründe für eine ausgeprägtere (subjektive) Furcht. Die subjektive Furcht ist diesfalls bereits dann begründet, wenn sie zwar diejenige eines in der gleichen Situation befindlichen Durchschnittsmenschen übersteigt, aber trotzdem nachvollziehbar bleibt. Die erlittene Verfolgung beziehungsweise die begründete Furcht vor künftiger Verfolgung muss zudem sachlich und zeitlich kausal für die Ausreise aus dem Heimatoder Herkunftsstaat und grundsätzlich auch im Zeitpunkt des Asylentscheids noch aktuell sein. Im Übrigen muss feststehen, dass die von einer Verfolgung bedrohte asylsuchende Person über keine innerstaatliche Fluchtalternative verfügt (vgl. EMARK 2005 Nr. 21 E. 7.1 bis 7.3, mit weiteren Hinweisen).
Das Bundesverwaltungsgericht geht analog der von der ARK entwickelten Praxis davon aus, dass in der Türkei staatliche Repressalien
gegen Familienangehörige von politischen Aktivisten angewandt werden, die als so genannte Reflexverfolgung flüchtlingsrechtlich erheblich im Sinne von Art. 3 AsylG sein können. Die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Reflexverfolgung zu werden, ist nach der erwähnten Praxis vor allem dann gegeben, wenn nach einem flüchtigen Familienmitglied gefahndet wird und die Behörde Anlass zur Vermutung hat, dass jemand mit der gesuchten Person in engem Kontakt steht. Diese Wahrscheinlichkeit erhöht sich, wenn ein nicht unbedeutendes politisches Engagement der reflexverfolgten Person für illegale politische Organisationen hinzukommt beziehungsweise ihr seitens der Behörden unterstellt wird (vgl. EMARK 2005 Nr. 21, EMARK 1994 Nr. 5 E. 3h und Nr. 17 E. 3c; vgl. auch EMARK 1993 Nr. 6).
Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe immer in Istanbul gelebt, wo sie nach ihrem Schulabschluss ein Fernstudium in (...) absolviert und bei ihrer Heirat mit dem Beschwerdeführer als (...) gearbeitet habe. Am (...) 2003 habe das DGM Istanbul ihren Mann zu Hause suchen lassen. Die Gründe hierfür seien aktenkundig. Nach ihren Angaben in den Befragungen sei sie nach der Ausreise ihres Mannes Ziel gezielter physischer und psychischer Gewalt (Festhalten in Polizeifahrzeugen mit Behelligungen und Drohungen, vgl. B3 S. 2) gewesen. Die polizeilichen Übergriffe, denen sie sich in Istanbul bei den Schwiegereltern öfters zu erwehren gehabt habe, hätten nach ihrer Darstellung aus Beschattungen, Beschimpfungen, Demütigungen und anderweitigem psychischen Terror, beispielsweise Telefonterror, bestanden (vgl. B3 S.4). Insbesondere sei sie auch wegen ihres Schwagers behelligt worden. Sie habe wegen der psychischen Belastung ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen können. Der Vorhalt des Bundesamtes bezüglich ihres weiteren Verbleibens in der Türkei - trotz Razzien und Hausdurchsuchungen - sei erklärbar. So sei bereits am
16. März 2004 mit der Schweizer Vertretung ein erster Kontakt geknüpft worden, doch habe der dringliche Entscheid in Sachen beantragte Einreisebewilligung auf sich warten lassen. Als der ständige psychische Druck für sie unerträglich geworden sei, sei sie ohne Erlaubnis in die Schweiz eingereist. Auch nach dem Botschaftsbesuch im März 2004 sei ihr gedroht worden. Man habe sich anonym per Telefon danach erkundigt, was sie auf der Schweizer Vertretung gesucht habe, und gleichzeitig habe man gedroht, "man werde es ihr zeigen". Weiter sei nachgewiesen, dass nach ihrem Ehemann und dem Schwager gefahndet werde. Ein Umzug in einen anderen Landesteil hätte ihre Reflexverfolgungslage kaum mindern können, da landesweit nach den
beiden gesucht worden sei und sie selber bereits in einer Stadt gelebt habe, wo man eigentlich davon hätte ausgehen können, dort unentdeckt leben zu können. Der Asylrelevanz der Reflexverfolgung tue es schliesslich keinen Abbruch, dass ihr Mann wegen gewisser Handlungen erstinstanzlich (noch nicht rechtskräftig) vom Asyl ausgeschlossen worden sei. Sie jedenfalls erfülle aus eigenen Gründen die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft und des Asyls.
Bezüglich der weiteren Protokollangaben, der eingereichten Beweismittel und der ergänzenden Argumentation des Bundesamtes kann auf den vorstehenden Sachverhalt verwiesen werden.
Ohne die Tragweite der geltend gemachten Beschimpfungen, Kontrollen und anderweitigen Demütigungen zu verkennen, sind darin gleichwohl keine Massnahmen zu erblicken, die bei der Beschwerdeführerin objektiv einen unerträglichen psychischen Druck im Sinne von Art. 3 Abs. 2 AsylG erzeugt haben können (vgl. auch dazu EMARK 2005 Nr. 21 E. 10.3.1). Sie mag diese zwar subjektiv so erlebt haben, aber ihre Aussagen enthalten nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts verschiedene Ungereimtheiten beziehungsweise schilderte sie Umstände, die darauf schliessen lassen, dass die Voraussetzungen für Benachteiligungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 und 2 AsylG nicht erfüllt sind.
So hat sie sich offenbar im (...) 2003 persönlich und auf legale Art und Weise einen Reisepass beschaffen können.
Sodann wurde die Beschwerdeführerin nie auf einen Polizeiposten mitgenommen, mit Ausnahme einer einzigen "Mitnahme" und einer Drohung im (...) 2003. Seither ereignete sich offenbar kein Vorkommnis der erwähnten Art mehr, obwohl ihr Aufenthaltsort den Behörden immer bekannt gewesen sei. Im Gegensatz dazu wurde offenbar die Schwester des Beschwerdeführers von der Polizei mitgenommen (vgl. B 3 S. 3).
Auch sind die angebliche Häufigkeit (die Anzahl der Razzien und Durchsuchungen seien für sie nicht mehr zählbar gewesen) sowie Hartnäckigkeit und die geltend gemachten Präsenzzeiten der Polizei vom Personalund Zeitaufwand her unrealistisch. In diesem Kontext machte sie zudem geltend, von den Erlebnissen ihrer engsten Verwandtschaft nichts mitgeteilt zu haben (vgl. B3 S. 5). Dies ist kaum
glaubhaft, da alle Verwandten - namentlich auch ihre Mutter - damit hätten rechnen müssen, ins Kalkül der Polizei bei ihrer Fahndung nach dem Schwager gezogen zu werden, falls auch die Beschwerdeführerin im Zentrum einer Überwachung gestanden wäre.
Weiter ist festzustellen, dass die Angaben der Beschwerdeführerin nicht mit den Feststellungen der Botschaft vereinbar sind. Während die Botschaft festhielt, der Beschwerdeführer sei seit Mitte 2003 nicht mehr gesucht worden (sondern dessen Bruder bis zur Ausreise im Jahr 2004), sagte die Beschwerdeführerin in der Bundesanhörung aus, wegen des Ehemanns hätten am Wohnort immer wieder Razzien stattgefunden.
Aufschlussreich ist auch ihr Verhalten als angeblich Verfolgte. So reagierte sie nach Bekanntwerden des Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Schweiz seit Mitte 2003 (vgl. B 25 S. 5) - nach einem vorgängigen Visumsgesuch - mit der Asylgesuchstellung erst im (...) 2004 und wartete mit der Ausreise bis (...) 2004 zu. Mithin liess sie sich mit der Ausreise rund eineinhalb Jahre Zeit. Dieses Zuwarten ist umso weniger nachvollziehbar, als sich die Suche nach dem Schwager nach Ausstellung des Haftbefehls im (...) 2004 und damit die Razzien bei den Schwiegereltern intensiviert haben sollen.
Ferner liegen keine glaubhaften Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beschwerdeführerin wegen ihres Schwagers bei einer innerstaatlichen Wohnortverlegung - weg vom Wohnort ihrer Schwiegereltern - im heutigen Zeitpunkt bei einer Rückkehr in die Türkei mit einem unerträglichen psychischen Druck (im Sinne von Art. 3 Abs. 2 AsylG) bewirkenden Massnahmen oder gar mit einer Gefährdung ihres Lebens, der körperlichen Integrität oder der Freiheit rechnen müsste. Für das Fehlen eines aktuellen Verfolgungsrisikos spricht insbesondere der Umstand, dass die türkischen Behörden die Beschwerdeführerin ein einziges Mal und nur vorübergehend angehalten haben, nachdem ihr Ehemann die Türkei verlassen hatte.
Die Beschwerdeführerin vermag demnach mit ihren eigenen Asylvorbringen die Kriterien der Flüchtlingseigenschaft nach der Definition von Art. 3 AsylG nicht zu erfüllen. Bei diesem Ausgang der Prüfung kann darauf verzichtet werden, auf die Argumentation des BFM in seiner Verfügung vom 24. Februar 2005 zur angeblichen Unglaubhaftigkeit der Vorbringen näher einzugehen.
Mangels dagegen sprechender Umstände ist der Beschwerdeführerin als Ehefrau des Beschwerdeführers auf der Grundlage von Art. 51 Abs. 1 AsylG die von ihm abgeleitete (derivative) Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und ebenfalls Asyl in der Schweiz zu gewähren, nachdem auch bei ihr keine Ausschlussgründe erkennbar sind.
Bei diesem Ausgang der beiden vereinigten Beschwerdeverfahren sind keine Verfahrenskosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 bis 3 VwVG; Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege respektive Erlass der Verfahrenskosten ist somit gegenstandslos geworden (Dispositivziffern 3 der Zwischenverfügungen vom
22. April 2004 und 19. April 2005).
Die Beschwerdeinstanz kann der ganz oder teilweise obsiegenden Partei von Amtes wegen oder auf Begehren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zusprechen (Art. 16 Abs. 1 Bst. a VGG i.V.m. Art. 7 VGKE). Die Rechtsvertreter haben eine Honorarnote in der Gesamthöhe von Fr. 3776.20.-- (davon Auslagen Fr. 59.90) zuzüglich 7,6% Mehrwertsteuer (MwSt) eingereicht.
Die Beschwerden der Beschwerdeführer datieren vom 22. März 2004 und 29. März 2005. Da nur notwendige und verhältnismässig hohe Aufwände zu entschädigen sind, die unmittelbar mit den beiden Beschwerdeverfahren vor der ARK und dem Bundesverwaltungsgericht zusammenhängen, ist die eingereichte Honorarnote, die noch andere Aufwendungen beinhaltet, von Amtes wegen zu kürzen (vgl. Art. 14 Abs. 2 in fine VGKE). Nicht zu entschädigen sind die Positionen vom 15.3.04, 16.3.04, 17.3.04, 22.3.04, 20.4.04, 21.4.04, 22.4.04 und
26.4.04, mithin im Wesentlichen Ausgaben und Honorare im Zusammenhang mit der Asylgesuchstellung im Ausland (erstinstanzliches Verfahren), was eine Kürzung von Fr. 750.-- (zuzüglich MWST) ausmacht. In Anwendung der vorgenannten Bestimmungen sowie unter Berücksichtigung der massgeblichen Bemessungsfaktoren (vgl. Art. 8 ff. VGKE) ist demnach eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 2759.60 zuzüglich 7,6% MwSt, mithin Fr. 2969.-- (inkl. MwSt und Auslagen) auszurichten.
Die Beschwerden werden gutgeheissen.
Die angefochtenen Verfügungen vom 19. Februar 2004 und 24. Februar 2005 werden aufgehoben und das BFM wird angewiesen, den Beschwerdeführern Asyl zu gewähren, wobei der Beschwerdeführer originär (Art. 3 AsylG) und die Beschwerdeführerin derivativ die Flüchtlingseigenschaft (Art. 51 AsylG) erfüllen.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Das BFM wird angewiesen, den Beschwerdeführern für das vereinigte Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung im Gesamtbetrag von Fr. 2969.-- (inkl. MwSt und Auslagen) zu entrichten.
Dieses Urteil geht an:
die Rechtsvertreter der Beschwerdeführer (Einschreiben)
das BFM, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, mit den Akten Ref.-Nr. N_______ (per Kurier; in Kopie)
das _______ (in Kopie)
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Bruno Huber Thomas Hardegger
Versand:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.