Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-3593/2008 |
Datum: | 03.11.2008 |
Leitsatz/Stichwort: | Asylgesuch aus dem Ausland und Einreisebewilligung |
Schlagwörter : | ürkische; Türkei; Beschwerdeführers; Recht; Schweiz; Behörden; Quot;; Schutz; Nordirak; Bundesverwaltungsgericht; Staat; Einreise; Person; Rechtsvertreter; Sachverhalt; Asylgesuch; Entscheid; Aufenthalt; Mitglieder; Verfügung; Sinne; Verfahren; Gefährdung; Möglichkeit |
Rechtsnorm: | Art. 221 StGB ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 VwVG ; Art. 65 VwVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-3593/200 8
{T 0/2}
Besetzung
Parteien
Gegenstand
Richterin Christa Luterbacher (Vorsitz),
Richter Kurt Gysi, Richterin Jenny de Coulon, Gerichtsschreiberin Muriel Beck Kadima.
._______, geboren (...), Türkei,
vertreten durch lic. iur. Ismet Bardakci, Fürsprecher, (Adresse)
Beschwerdeführer, gegen
Einreisebewilligung und Asyl (Auslandgesuch); Verfügung des BFM vom 2. Mai 2008 / N ______.
Der Beschwerdeführer - ein türkischer Staatsangehöriger, der sich derzeit in Nordirak aufhält - stellte mit an das BFM gerichtetem Schreiben seines Rechtsvertreters vom 2. September 2006 - Eingang beim BFM am 4. September 2006 - ein Asylgesuch und ersuchte dabei gleichzeitig um die Einreisebewilligung in die Schweiz zwecks Abklärung des Sachverhalts beziehungsweise im Hinblick auf die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung von Asyl. Mit diesem schriftlichen Gesuch wurden zudem die folgenden Dokumente eingereicht: Familienregister-Auszüge vom 26. Juni 2006 und 7. Juli 2006, ausgestellt auf den Namen des Beschwerdeführers beziehungsweise seines Vaters; ein türkischsprachiges Telefaxschreiben des Beschwerdeführers vom 8. Juli 2006, das am 12. September 2006 in einer deutschen Übersetzung nachgereicht wurde; Ausweiskopien diverser in der Schweiz lebender Verwandter (Onkel, Cousins und Cousinen) des Beschwerdeführers.
Mit Verfügung vom 17. November 2006 verweigerte das BFM dem Beschwerdeführer in Anwendung von Art. 20 Abs. 2 und Art. 52 Abs. 2 AslyG die Einreise in die Schweiz und lehnte dessen Asylgesuch ab.
Mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 27. November 2006 liess der Beschwerdeführer diesen Entscheid anfechten. Als weitere Beweismittel wurden mit der Rechtsmitteleingabe zwei vom
24. November 2006 datierende, türkischsprachige Schreiben der Eltern des Beschwerdeführers beziehungsweise dessen Bruders B._______ in Kopie zu den Akten gereicht (Telefax-Kopien vom 25. November 2006). Am 20. Dezember 2006 wurden deren Originale samt Übersetzungen, sowie drei den Beschwerdeführer abbildende Fotografien und die Kopie eines seinen Bruder B._______ betreffenden Urteils des Staatssicherheitsgerichts C._______ vom (...) 1992 samt deutscher Übersetzung nachgereicht. Mit einer weiteren Eingabe vom 17. April 2007 reichte der Rechtsvertreter einen Artikel der türkischen Zeitung "Milliyet" vom 17. April 2007 sowie einen Bericht der Online-Ausgabe der deutschen Zeitschrift "Spiegel" vom
12. April 2007 zu den Akten, die belegen sollten, dass ehemalige PKKMitglieder von den nordirakischen Behörden an die Türkei ausgeliefert würden, beziehungsweise dass die Anzeichen für einen möglichen
Einmarsch der türkischen Armee in den Nordirak in letzter Zeit zugenommen hätten.
Mit Urteil vom 8. Mai 2007 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 27. November 2007 gut, hob die Verfügung des BFM vom 17. November 2007 auf und wies dieses an, in der Sache neu zu entscheiden. Dieser Entscheid wurde mit der Verletzung der behördlichen Untersuchungspflicht und des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör begründet.
Gestützt auf dieses Urteil stellte das BFM dem Beschwerdeführer zur Vervollständigung der Sachverhaltsermittlung am 21. Juni 2007 einen Fragekatalog zu (vgl. A15), welcher vom Beschwerdeführer mit Telefax-Schreiben vom 10. Juli 2007 an seinen Rechtsvertreter beantwortet wurde; mit Eingabe des Rechtsvertreters vom 23. Juli 2007 wurde dieses samt deutscher Übersetzung und Korrekturen sowie weiteren Beweismitteln (Schreiben der türkischen Rechtsanwälte D. _____ und E._______, Unzuständigkeitserklärung der Generalstaatsanwaltschaft der Republik F. ___ vom 25. Dezember 2006, Quittung für konfiszierte Gegenstände des Vorbereitungsbüros der Generalstaatsanwaltschaft der Republik F. _____ vom (...) 2006, alle im Original und mit deutscher Übersetzung sowie Zustellcouvert) dem BFM zugeschickt. Mit am 9. August 2007 dem BFM zugestellten Telefax-Schreiben des Beschwerdeführers vom 8. August 2007 und Eingabe vom 14. April 2008 ergänzte der Rechtsvertreter die Aussagen des Beschwerdeführers und reichte weitere Beweismittel zu den Akten (Internet-Artikel der NZZ, besucht am 8. August 2007, der Hürriyet, besucht am 8. August 2007, und der Milliyet Online, besucht am 30. März 2008).
Den Telefaxschreiben des Beschwerdeführers vom 8. Juli 2006 und
10. Juli 2007, sowie den Schreiben seines Rechtsvertreters vom
2. September 2006, 23. Juli 2007, 9. August 2007 und 14. April 2008 lassen sich hinsichtlich seiner Person und der Gründe für sein Asylgesuch im Wesentlichen folgende Angaben entnehmen:
Er stamme aus F. ____, im Südosten der Türkei, und sei kurdischer Volkszugehörigkeit. Aufgrund der Repressalien der türkischen Sicherheitsbehörden gegen seine Familie und die kurdische Bevölkerung habe er sich Mitte 1998 der PKK (Partiya Karkeren Kurdistan; Arbeiterpartei Kurdistans) angeschlossen, für die er "politische Aktivitäten"
ausgeübt beziehungsweise "Propagandaaufgaben" wahrgenommen habe und als „Erzieher“ tätig gewesen sei. Zuvor habe er sich als
„Halbprofessioneller“ bei der HADEP (Partei der Demokratie des Volkes) „innerhalb der Massenarbeit“ betätigt. Ende 1998 sei er von der PKK illegal nach G._______(im Ausland) eingeschleust worden, wo er während etwa einem Jahr auf einem Bauernhof ausgebildet worden sei. Nach der Ausrufung eines einseitigen Waffenstillstandes durch die PKK habe er sich Ende 1999 mit der Partei "in die Berge", insbesondere in Nordirak, zurückgezogen, "um einen Beitrag zu einer demokratischen Lösung und zum Frieden zu leisten". Zuletzt sei er innerhalb der PÇDK (Partei für eine demokratische Lösung), der sich im nordirakischen Kandil-Gebiet befindenden politischen Abteilung der PKK, tätig gewesen. Als die PKK im Jahre 2005 beschlossen habe, ihren einseitigen Waffenstillstand aufzukündigen und den bewaffneten Kampf wiederaufzunehmen, habe er die PKK verlassen und sich im Nordirak bei verschiedenen Bekannten versteckt. Ferner seien bei einer Hausdurchsuchung zu Hause in der Türkei am (...) 2006 verbotene Schriften seines Bruders B._______ konfisziert worden. B._______ sei im Übrigen bereits im Jahr 1992 zu einer Gefängnisstrafe von zehn Jahren wegen Mitgliedschaft bei der TDKPKK (Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei) verurteilt worden und sei neueneinhalb Jahr in Haft gewesen, wo er auch gefoltert worden sei. Während dieser Zeit sei die Familie des Beschwerdeführers immer wieder Behelligungen seitens Privater und des Staates ausgesetzt gewesen.
Im Nordirak, wo er sich weiterhin versteckt halte, sei sein Leben gefährdet, weil er zum einen Rachehandlungen der PKK fürchten müsse, für die er nach seinem Parteiaustritt als Verräter gelte und welche ihn deshalb auch bereits festgenommen und Untersuchungen gegen ihn eingeleitet habe. Zum anderen sei er von einer Auslieferung an die türkischen Behörden bedroht, die ihn als PKK-Angehörigen und Separatisten suchen und im Falle einer Auslieferung foltern und zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilen würden. Diese Gefahr sei erheblich, da der Irak und die Türkei am 8. August 2007 eine Vereinbarung unterzeichnet hätten, welche die Auslieferung von PKK-Angehörigen durch den Irak vorsehe. Überdies sei der türkische Geheimdienst MIT auch im Nordirak tätig. Nach dem türkischen Einmarsch in den Nordirak im Februar 2008 habe sich die Situation der türkischen PKKAngehörigen im Nordirak verschlimmert. Etwa im März 2008 sei der Beschwerdeführer bei einer Operation der regionalen Polizeikräfte der
Autonomiebehörden im Nordirak festgenommen worden. Eine Auslieferung in die Türkei habe nur dank Zahlung einer Geldsumme durch seine Verwandten in der Türkei an den zuständigen Kommandanten verhindert werden können. Der Beschwerdeführer sei zwölf Tage in Haft gesessen. Seither lebe er in der Kleinstadt H._______ in der Nähe von Kirkuk versteckt. Für ihn sei es aber "inakzeptabel", vom türkischen Staat bestraft zu werden, obwohl er selbst bei keiner bewaffneten Aktion teilgenommen habe. Ausserdem müsse er damit rechnen, vom türkischen Staat zur Zusammenarbeit mit der "Kontra-Guerilla" und zu "Tätigkeiten gegen das Volk" gezwungen zu werden. Ein dauernder Aufenthalt im Irak komme auch angesichts der Besorgnis erregenden Sicherheitslage in diesem Land nicht in Frage. Zur Schweiz bestehe insofern eine enge Beziehung, als hier viele seiner Verwandten leben würden. Schliesslich gibt der Beschwerdeführer an, seine Situation in einem „Dialog“ besser und genauer beschreiben zu können.
Mit Verfügung vom 2. Mai 2008 verweigerte das BFM dem Beschwerdeführer die Einreise und lehnte das Asylgesuch ab. Auf die Begründung des vorinstanzlichen Entscheids wird, soweit entscheidrelevant, in den nachfolgenden Erwägungen näher eingegangen.
Diese Verfügung wurde vom Beschwerdeführer mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 2. Juni 2008 beim Bundesverwaltungsgericht angefochten. Er beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Bewilligung der Einreise in die Schweiz im Hinblick auf die Sachverhaltsabklärung und die Asylgewährung. Eventuell sei dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und die Bestellung eines unentgeltlichen Anwalts in der Person seines Rechtsvertreters. Auf die Begründung der Beschwerde ist im Einzelnen in den Erwägungen einzugehen.
Mit Zwischenverfügung vom 11. Juni 2008 hiess das Bundesverwaltungsgericht das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gut und verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Im Weiteren wurde dem Beschwerdeführer in Gutheissung des entsprechenden Gesuchs sein Rechtsvertreter als unentgeltlicher Anwalt beigeordnet.
Am 12. August 2008 reichte der Rechtsbeistand des Beschwerdeführers gemäss Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts seine Kostennote für das Beschwerdeverfahren ein.
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Das Bundesamt für Migration (BFM) gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet in diesem Bereich endgültig (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
Die Beschwerde ist formund fristgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Verfügung berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Der Beschwerdeführer ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 und 50 ff. VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG verzichtete das Bundesverwaltungsgericht vorliegend auf einen Schriftenwechsel.
Das BFM kann einer Person, die sich im Ausland befindet, das Asyl verweigern, wenn keine Hinweise auf eine aktuelle Gefährdung
im Sinne von Art. 3 AsylG vorliegen oder ihr die Aufnahme in einem Drittstaat zugemutet werden kann (vgl. Art. 52 Abs. 2 AsylG).
Ist dagegen eine Gefährdung im Sinne von Art. 3 AsylG nicht auszuschliessen oder kann der asylsuchenden Person der Verbleib am Aufenthaltsort für die Dauer der Sachverhaltsabklärung nicht zugemutet werden, ist die Einreise in die Schweiz zu bewilligen, sei dies im Hinblick auf die Anerkennung als Flüchtling und Asylgewährung, sei dies zur näheren Abklärung des Sachverhalts (vgl. Art. 20 Abs. 2 und 3 AsylG).
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Einreisebewilligung sind grundsätzlich restriktiv umschrieben. Den Asylbehörden kommt dabei ein weiter Ermessensspielraum zu. Neben den erforderlichen Hinweisen auf eine Gefährdung im Sinne von Art. 3 AsylG sind namentlich die Beziehungsnähe zur Schweiz und zu anderen Staaten, die Möglichkeit der Schutzgewährung durch einen anderen Staat, die praktische Möglichkeit und objektive Zumutbarkeit einer anderweitigen Schutzsuche sowie die voraussichtlichen Eingliederungsund Assimilationsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Ausschlaggebend ist mit anderen Worten die Schutzbedürftigkeit der betreffenden Person, das heisst die Beantwortung der Fragen, ob eine Gefährdung im Sinne von Art. 3 AsylG nicht auszuschliessen ist und der Verbleib am Aufenthaltsort für die Dauer der Sachverhaltsabklärung zugemutet werden kann, beziehungsweise ob der betreffenden Person - ohne nähere Prüfung einer allfälligen Gefährdung im Sinne von Art. 3 AsylG - zuzumuten ist, sich in einem anderen Staat um Aufnahme zu bemühen (vgl. zum Ganzen die in diesem Zusammenhang nach wie vor massgeblichen Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1997 Nr. 15 E. 2f S. 131 f., 2004 Nr. 20 E. S. 130
f. und Nr. 21 E. 2 S. 136 f., 2005 Nr. 19 E. 4 S. 174 ff.).
Hält sich die asylsuchende Person - wie vorliegend - in einem Drittstaat auf, bedeutet dies noch nicht zwingend, dass es ihr auch zuzumuten ist, sich dort um Aufnahme zu bemühen. Vielmehr sind auch dann die Kriterien zu prüfen, welche die Zufluchtnahme in diesem (oder auch in einem andern) Land als zumutbar erscheinen lassen, und diese mit einer allfälligen Beziehungsnähe zur Schweiz abzuwägen (vgl. EMARK 2004 Nr. 21 E. 4S. 138 ff.).
In formalrechtlicher Hinsicht weist der Beschwerdeführer in seiner Rechtsmitteleingabe zunächst darauf hin, dass sein Rechtsvertreter in seiner Stellungnahme vom 14. April 2008 mitgeteilte habe, ohne eine persönliche Anhörung des Beschwerdeführers könne der wesentliche Sachverhalt kaum vollständig festgestellt werden, so wie es der Beschwerdeführer selbst am 9. Juli 2007 zum Ausdruck gebracht habe. Vorliegend sei das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers indessen wiederum dadurch verletzt worden, dass er nicht persönlich befragt worden sei, beziehungsweise dass keine der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entsprechenden Gründe eines Verzichts auf die Befragung vorliegen würden. Zudem habe die Vorinstanz mit Schreiben vom 14. März 2008 dem Beschwerdeführer zwar Gelegenheit gegeben, sich ergänzend zu äussern, aber nicht erwähnt, dass sie gedenke, einen negativen Entscheid zu fällen, was indessen gemäss Rechtsprechung erforderlich gewesen wäre, damit der Beschwerdeführer wirkungsvoll von seinem Anspruch auf rechtliches Gehör hätte Gebrauch machen können.
In seinem Entscheid vom 2. Mai 2008 ging das BFM davon aus, dass es aufgrund der Aktenlage das Asylund Einreisegesuch des Beschwerdeführers, auch ohne eine Anhörung durch das Schweizer Verbindungsbüro in Bagdad, zumal der Beschwerdeführer ein Reise dorthin als gefährlich erachtet habe, abschliessend habe beurteilen können. Dazu stellte es fest, dass der Beschwerdeführer mit der fachgerechten Unterstützung seines Rechtsvertreters wiederholt Gelegenheit gehabt habe, seine Vorbringen ausführlich und abschliessend zu begründen. Ferner habe das BFM dem Beschwerdeführer einen Fragekatalog zustellen lassen, um die aus der Sicht der Behörden entscheidrelevanten Fragen zu klären.
Gemäss Praxis zu Art. 20 AsylG und Art. 10 der Asylverordnung 1
vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (AsylV 1, SR 142.311) ist im Auslandverfahren die asylsuchende Person in der Regel zu befragen. Davon kann nur abgewichen werden, wenn eine Befragung faktisch oder aus organisatorischen oder kapazitätsmässigen Gründen unmöglich ist. Falls die Befragung nicht durchgeführt werden kann, muss die gesuchstellende Person - soweit möglich und notwendig - mittels eines individualisierten und konkretisierten Schreibens aufgefordert werden, ihre Gründe für das Asylgesuch schriftlich einzureichen. Dabei ist sie auf die allfällige Konsequenz eines negativen Entscheids infolge Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht aufmerksam zu machen. Ist der Sachverhalt schon aufgrund des eingereichten Asylgesuchs entscheidreif erstellt, kann sich eine persönliche Befragung ebenfalls erübrigen; zeichnet sich ein negativer Entscheid ab, ist der asylsuchenden Person diesbezüglich das rechtliche Gehör zu gewähren. Das Bundesamt ist gehalten, den Verzicht auf eine Befragung im Ausland in der Verfügung zu begründen (vgl. BVGE 2007/30 E. 5.8). Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, muss die Beschwerde gutgeheissen, die vorinstanzliche Verfügung aufgehoben und das BFM aufgefordert werden, das Verfahren in Berücksichtigung der formalen Erfordernisse wieder aufzunehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass Gehörsverletzungen dank der umfassenden Kognition der Beschwerdeinstanz in bestimmten Schranken geheilt werden können; dies insbesondere unter den Voraussetzungen, dass die unterbliebene Handlung nachgeholt wird und der Beschwerdeführer sich dazu hat äussern können. Eine sachgerechte Lösung im Sinne einer Heilung oder Kassation wird sich entscheidend an der Schwere der Verletzung einer Verfahrensvorschrift, aber auch daran zu orientieren haben, ob die Verletzung auf einem Versehen beruht oder das Resultat einer gehäuften unsorgfältigen Verfahrensführung ist (vgl. EMARK 2004 Nr. 38 E. 7.1. S. 265, EMARK 1998 Nr. 34 E. 10d S. 292 ff., je mit weiteren Hinweisen). Vorliegend kann diese Frage jedoch offen bleiben, da die Vorbringen des Beschwerdeführers - wie im Folgenden aufgezeigt werden soll - ohnehin einreiserelevant erscheinen und damit die Grundlage zur Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides gegeben ist. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht das BFM bereits mit Entscheid vom 8. Mai 2007 auf Verfahrensmängel aufmerksam gemacht hat, verzichtet es vorliegend auch aus prozessökonomischen Gründen auf eine eingehende Prüfung, ob die gerügten Verfahrensmängel zwischenzeitlich behoben worden sind, zumal eine erneute Kassation des vorinstanzlichen Entscheids den unsicheren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Drittstaat Irak nochmals verlängern würde.
Da es sich vorliegend um eine Person handelt, die sich zur Zeit in einem Drittstaat - nämlich im Irak - aufhält, ist das Asylgesuch des Beschwerdeführers zunächst im Licht von Art. 52 Abs. 2 AsylG zu prüfen. Nach dieser Norm kann ein im Ausland gestelltes Asylgesuch abgelehnt werden, wenn der gesuchstellenden Person die Aufnahme in einem Drittstaat zugemutet werden kann. Dabei ist in einem ersten
Schritt zu prüfen, ob eine Gefährdung im Sinne von Art. 3 AsylG nicht auszuschliessen ist (vgl. E. 5.4 unten; EMARK 2005 Nr. 19 E. 4.3 f.
S. 175 f.). Sodann ist in einer Gesamtschau zu prüfen, ob der Beschwerdeführer aufgrund der ganzen Umstände im Drittstaat verbleiben kann, in welchem er sich zur Zeit aufhält, oder ob ihm zugemutet werden kann, sich in einem andern Staat um Aufnahme zu bemühen, beziehungsweise ob es geboten erscheint, dass es gerade die Schweiz ist, die den erforderlichen Schutz gewähren soll (vgl. EMARK 1997 Nr. 15 E. 2f S. 132).
Hinsichtlich der Frage der asylrelevanten Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatstaat begründete die Vorinstanz ihren ablehnenden Entscheid vom 2. Mai 2008 im Wesentlichen wie folgt: Es gebe keine konkreten Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer vor seinem Anschluss an die PKK jemals von den türkischen Behörden festgenommen oder verurteilt worden sei; er habe lediglich angegeben, nach der Festnahme und Verurteilung seines Bruders B._______ immer wieder von den Sicherheitskräften behelligt und bedroht worden zu sein, was indessen keine ausreichend intensive Verfolgung darstelle, um die Flüchtlingseigenschaft zu begründen. Da er sich der PKK in der Phase des Waffenstillstandes angeschlossen habe, stehe ihm überdies die Möglichkeit offen, von der türkischen Strafgesetzesbestimmung der „tätigen Reue“ (Art. 221 türkisches StGB) Gebrauch zu machen. Auch allein durch seinen Aufenthalt im Irak mache sich der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr in die Türkei nicht verdächtig, da sich viele türkische Staatsangehörige - beispielsweise als Gastarbeiter - im Nordirak aufhalten würden. Das BFM hat die Frage der Schutzbedürftigkeit des Beschwerdeführers gegenüber der Türkei schliesslich offen gelassen, da es davon ausging, dass der Beschwerdeführer in seinem aktuellen Aufenthaltsstaat Schutz erlangen könne.
In der Beschwerdeschrift seines Rechtsvertreters vom 2. Juni 2008 stellte der Beschwerdeführer demgegenüber Folgendes fest: Obschon ihm vom BFM keine konkrete Frage über seine politischen Aktivitäten in der Türkei beziehungsweise über die in der Türkei erlittenen Verfolgungsmassnahmen vor seinem Beitritt zur PKK gestellt worden seien, habe er - namentlich in seinem Telefaxschreiben vom 9. Juli 2007 - deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er der PKK wegen Repressalien des türkischen Staates gegen ihn und seine Familie beigetreten sei. Auch den Schreiben der Eltern und des Bruders B._______
des Beschwerdeführers vom 24. November 2006 sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in der Türkei ständig durch die Polizei schikaniert und mit dem Tode bedroht worden sei, sowie dass diese Razzien zu Hause durchgeführt und den Beschwerdeführer auf den Polizeiposten vorgeladen habe. In der Türkei werde der Beschwerdeführer überdies wegen Mitgliedschaft in einer
„terroristischen Vereinigung“ gesucht und würden seine Familienangehörige deshalb von den Behörden schikaniert. Aus Angst vor einem sogenannten „Verschwindenlassen“ hätten die Eltern des Beschwerdeführers gar zwei Anwälte zu Hilfe gebeten. Der Beschwerdeführer weist den Vorschlag des BFM, von der türkischen Strafgesetzesbestimmung der „tätigen Reue“ (Art. 221 türkisches StGB) Gebrauch zu machen, mit der Begründung zurück, er bereue nicht, sich für die Freiheit des kurdischen Volkes eingesetzt zu haben. Im Weiteren könne er als ehemaliger PKK-Aktivist nicht mit einem fairen Verfahren rechnen und würden die türkischen Sicherheitskräfte die reumütig Geständigen im Kampf gegen die PKK missbrauchen. Auch sei eine allfällige Einreise in die Türkei mit Risiken behaftet, da der Beschwerdeführer den türkischen Behörden als ehemaliges PKKMitglied bekannt sei und er nicht im Besitze von türkischen Reiseoder Identitätspapieren sei. Deshalb würde er an der stark bewachten Grenze umgehend festgenommen und befragt werden. Aus all diesen Gründen habe der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr in die Türkei begründete Furcht vor künftiger Verfolgung durch den türkischen Staat, zumal bekannt sei, dass die türkischen Sicherheitskräfte weiterhin mit grosser Härte gegen Mitglieder der kurdischen Parteien und Organisationen, bzw. gegen Personen, die der Zugehörigkeit zu solchen Parteien verdächtigt würden, vorgehen würden.
Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers und der vorliegenden Beweismittel liegen hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Angehörigen der PKK handeln könnte. Im Weiteren scheint er aus einer politisch aktiven Familie zu stammen. Zwar wurden die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Schilderungen und eingereichten Dokumente noch keiner näheren Prüfung unterzogen (namentlich das in Kopie eingereichte Urteil des Staatssicherheitsgerichts C. _____ vom (...) 1992, welchem zu entnehmen ist, dass der Bruder des Beschwerdeführers B._______ wegen Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation und Tätigkeit in dieser Organisation [die Revolutionäre Kommunistische Partei der Türkei/TDKP] zu einer Gefängnisstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt wurde, sowie eine im Original eingereichte Unzuständigkeitserklärung der Generalstaatsanwaltschaft der Republik F. ___ vom (...) 2006 und eine - ebenfalls im Original eingereichte - Quittung für konfiszierte Gegenstände des Vorbereitungsbüros der Generalstaatsanwaltschaft der Republik F. ____ vom (...) 2006 den Bruder B._______ des Beschwerdeführers betreffend). Aufgrund dieses Sachverhalts ist bereits mit grosser Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von den türkischen Behörden als möglicher Terrorist betrachtet werden könnte und er deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei mit behördlicher Verfolgung rechnen müsste.
Zwar sind in der Türkei seit 2001 eine Reihe von Reformen durchgeführt worden, die dem Ziel dienen sollen, die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Europäische Union (EU) zu erfüllen. Insgesamt stellen die eingeleiteten umfassenden Rechtsreformen in rechtsstaatlicher Hinsicht einen Fortschritt dar und führten zumindest vorübergehend zu einer Beruhigung der Lage. Entscheidend ist jedoch, dass im heutigen Zeitpunkt nach wie vor nicht absehbar ist, inwiefern diese Verbesserung der Rechtslage auch einen massgeblichen Einfluss auf die Praxis der das Recht anwendenden Behörden haben wird. Auf einen allgemein noch nicht stattgefundenen behördlichen Bewusstseinswandel lässt jedoch vor allem auch die Tatsache schliessen, dass die türkischen Sicherheitskräfte weiterhin mit grosser Härte gegen Mitglieder kurdischer Parteien und Organisationen respektive linksextreme Gruppierungen vorgehen, die wie die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen als staatsgefährdend eingestuft werden. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass Funktionäre und aktive Mitglieder entsprechender Organisationen nach wie vor in besonderer Weise gefährdet sind, in das Blickfeld der Sicherheitskräfte zu geraten und in deren Gewahrsam misshandelt und gefoltert zu werden, wenn sie sich für die Belange der kurdischen Bevölkerung respektive ihrer Organisationen einsetzen. Folter ist weiterhin so verbreitet, dass von einer eigentlichen behördlichen Praxis gesprochen werden muss, wobei sich die Berichte darüber mehren, dass zunehmend ausserhalb von Polizeiposten gefoltert wird und verstärkt Foltermethoden angewandt werden, die keine körperlichen Spuren hinterlassen (vgl. dazu EMARK 2005 Nr. 21 E. 10.2.1. f. S. 195 ff.). Seither wurden sodann die Anti-Terrorismus-Gesetze wieder verschärft und Verfahren gegen kurdische Politiker wegen angeblicher Unterstützung der PKK häufen sich. Ausserdem haben auch die militärischen Operationen im Osten wie auch Terrorakte und Attentate wieder zugenommen. Insgesamt stellt sich gemäss aktuellen Berichten verschiedener internationaler Organisationen und Presseberichten die Lage in der Türkei trotz rechtlicher Verbesserungen in der Praxis weiterhin problematisch dar. So werden die Bemühungen der türkischen Regierung zur Umsetzung der Reformen durch reformfeindliche Kräfte innerhalb der Legislative, der Polizei und der Armee behindert (vgl. zum Ganzen HELMUT OBERDIEK, Türkei, zur aktuellen Situation - Oktober 2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe [SFH] Bern, Oktober 2007, S. 6 f und S. 14 ff.; Amnesty International Report 2008; Freedom House: Turkey in Transit - Democratization in Turkey, 2008; US Department of State: Turkey Country reports on Human Rights Practices 2007, März 2008).
Hinsichtlich des Hinweises des BFM, der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit, von den Bestimmungen des Art. 221 des türkischen StGB zur „Tätigen Reue“ zu profitieren ist zu sagen, dass der Beschwerdeführer nicht zu Unrecht befürchtet, die türkischen Sicherheitskräfte könnten die reumütig Geständigen im Kampf gegen die PKK missbrauchen. Nach Absatz 2 dieser Gesetzesbestimmung gehen Mitglieder einer kriminell organisierten Gruppe (zu welchen die türkischen Behörden auch die PKK zählen) straffrei aus, wenn sie an keiner Aktion beteiligt waren, sich freiwillig von der Organisation lösen und sich stellen. Sollten solche Mitglieder sich nicht stellen, sondern gefasst werden - was bei einer illegal ins Land reisenden Person eher der Fall sein dürfte -, gehen sie nach Abs. 3 straffrei aus, wenn sie
„taugliche Informationen“ liefern, die „zur Zerschlagung der Organisation“ oder Festnahme von Mitgliedern führen.
Vor diesem Hintergrund sind nachvollziehbare Hinweise auf eine flüchtlingsrechtlich relevante Gefährdung vorhanden. Sollte sich der vom Beschwerdeführer dargelegte Sachverhalt bestätigen, ist davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in die Türkei eine besondere Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden auf sich ziehen würde. Ob die Vorbringen des Beschwerdeführers den Anforderungen an Art. 3 AsylG genügen, lässt sich aufgrund der derzeitigen Aktenlage indessen nach wie vor nicht abschliessend beurteilen. In dieser Hinsicht bedarf es weiterer Abklärungen.
Für die Frage der Anwendbarkeit von Art. 52 Abs. 2 AsylG bleibt nach vorstehenden Erwägungen zu prüfen, ob es andere Staaten gibt, in welchen es dem Beschwerdeführer - prioritär vor der Schweiz - zu-
gemutet werden kann, sich um Schutzgewährung beziehungsweise um Asyl zu bemühen.
Da sich der Beschwerdeführer zurzeit im Nordirak (angeblich zuerst in I._______/kurdisches Autonomiegebiet, sodann seit März 2008 in einer Kleinstadt in der Provinz Kirkuk) versteckt hält, liegt es nach dem Gesagten grundsätzlich auf der Hand, dass er sich vorab dort um eine Schutzgewährung bemüht.
Bei einem Asylgesuch aus einem Drittstaat ist (vermutungsweise) davon auszugehen, die betreffende Person habe dort bereits anderweitig Schutz gefunden, was dann auch in der Regel zur Ablehnung des Asylgesuchs und zur Verweigerung der Einreisebewilligung führen wird (vgl. ALBERTO ACHERMANN / CHRISTINA HAUSAMMANN, Handbuch des Asylrechts, 2. Aufl., Bern/Stuttgart 1991, S. 158 f; MARIO GATTIKER, Das Asylund Wegweisungsverfahren, Bern 1999, S. 23). Diese Regelvermutung kann indessen widerlegt werden, wie sich aus Art. 52 Abs. 2 AsylG erschliesst. Diese Norm trifft bezeichnenderweise keine Unterscheidung zwischen Asylgesuchen aus dem Herkunftsland der asylsuchenden Person und solchen, die aus einem Drittstaat gestellt werden. Demnach ist es zwar sachgerecht, bei einem Gesuch aus einem Drittstaat in bestimmter Hinsicht höhere Anforderungen in Bezug auf die Zumutbarkeit der Zufluchtnahme in einem anderen Staat als der Schweiz zu stellen. Andererseits wird aus Art. 52 Abs. 2 AsylG auch deutlich, dass die zuständigen Asylbehörden auch bei Asylgesuchen aus einem solchen Drittstaat eine Abwägung der Zumutbarkeit der Zufluchtnahme in eben diesem (oder auch einem anderen) Land vorzunehmen haben. Dabei gilt die generelle Feststellung, es lasse sich nicht allgemein festlegen, unter welchen Voraussetzungen die Zumutbarkeit der Bemühung um Aufnahme in einem anderen Staat zu verneinen ist (vgl. EMARK 1997 Nr. 15 E. 2f S. 131).
Die Vorinstanz begründete ihren ablehnenden Entscheid vom
2. Mai 2008 im Wesentlichen wie folgt: Die Frage der Schutzbedürftigkeit des Beschwerdeführers gegenüber den türkischen Behörden könne offen bleiben, da der Beschwerdeführer einen gefestigten Aufenthalt im Nordirak - wo er sich aufhalte - erlangen könne, weshalb er keine Abschiebung durch die irakischen Behörden in die Türkei befürchten müsse. Es stünde auch ehemaligen PKK-Mitgliedern türkischer Staatsangehörigkeit und kurdischer Ethnie die Möglichkeit offen, einen gefestigten Aufenthalt im Nordirak zu erlangen.
Gemäss jüngsten Erkenntnissen des BFM über die Lage der PKK im Nordirak gebe es sodann keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass in letzter Zeit PKK-Mitglieder gegen ihren Willen aus dem Irak in die Türkei abgeschoben worden seien. Zudem habe der Beschwerdeführer nicht das Profil eines eventuell gefährdeten PKK-Mitglieds, namentlich eines ranghohen Kommandanten, der von der Abschiebung bedroht sein könnte. Aus diesem Grund sei zu bezweifeln, dass der Beschwerdeführer durch Sicherheitskräfte des Nordiraks festgenommen und mit der Abschiebung bedroht worden sei, beziehungsweise dass ihm eine solche drohen könnte. Aus demselben Grund sei auch zu bezweifeln, dass der Beschwerdeführer durch die PKK behelligt worden sei beziehungsweise Behelligungen zu befürchten habe. Zwar bestehe für gewisse ehemalige PKK-Mitglieder - je höher sie in der PKK-Hierarchie gewesen seien und je mehr Insider-Wissen sie erlangt hätten - ein Risiko, nach einer - einseitigen - Trennung von der Partei von dieser verfolgt oder sogar getötet zu werden. Der Beschwerdeführer besitze hingegen nicht dieses Gefährdungsprofil.
Der Beschwerdeführer erwiderte in seiner Beschwerdeschrift vom
2. Juni 2008, er halte sich im Nordirak weiterhin versteckt. Als ehemaliger PKK-Angehöriger sei er dort der Gefahr einer Auslieferung durch die irakischen an die türkischen Behörden ausgesetzt, wie zahlreiche Berichte belegen würden. Auch treffe es nicht zu, dass Irak PKK-Mitgliedern aus der Türkei auf Gesuch hin gefestigte Aufenthaltsmöglichkeiten bieten würde. Die Türkei würde einem solchen Vorgehen der irakischen Behörden nie tatenlos zu sehen.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt zum Schluss, dass aufgrund der gesamten Aktenlage vorliegend nicht davon auszugehen ist, dem Beschwerdeführer sei es zuzumuten oder möglich, sich im Irak um ständige Zufluchtnahme zu bemühen.
Nach gesicherter Kenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes haben sich viele PKK-Abtrünnige im Nordirak der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) oder der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) angeschlossen, welche sich im kurdischen Autonomiegebiet die Macht teilen. Teilweise sind sie eingehend befragt worden und nach einer gewissen Zeit Hausarrest haben sie die Möglichkeit erhalten, sich den Peschmergas der KDP anzuschliessen. Indessen sind PKK-Abtrünnige
auch inhaftiert und PKK-Unterstützer von der KDP massiv verfolgt worden; die KDP wie auch die PUK haben immer wechselnde Phasen, die (je nach Eigeninteressen) von einer Zusammenarbeit mit der PKK beziehungsweise mit der Türkei bis zu einer Feindschaft reichen. Die nicht näher begründete Erwägung des BFM, wonach türkische Kurden und PKK-Angehörige von den nordirakischen Behörden nicht in die Türkei abgeschoben werden, ist indessen als blosse Mutmassung zu bezeichnen.
Bei dieser Sachlage erscheint die Befürchtung des Beschwerdeführers, er werde aufgrund seiner PKK-Vergangenheit an die Türkei ausgeliefert, - vorausgesetzt es handelt sich bei ihm wirklich um einen Angehörigen der PKK - als durchaus plausibel. Es kann demnach nicht davon ausgegangen werden, die nordirakischen Behörden seien gewillt, dem Beschwerdeführer dauerhaften und effektiven Schutz zu bieten.
Im Weiteren erscheint die Schutzsuche im Allgemeinen im Irak insbesondere auch aufgrund des Umstandes, dass der Irak das Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) nicht ratifiziert hat, als unzumutbar: Eine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass der Beschwerdeführer im Irak ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen könnte, besteht demnach nicht einmal ansatzweise. Ferner sind keinerlei Hinweise ersichtlich, die den Schluss zulassen würden, das "non refoulement"-Prinzip sei im geltenden irakischen Recht anderswie verankert. Da demnach eine allfällige Abschiebung in die Türkei nicht ausgeschlossen werden kann, erscheint die Befürchtung des Beschwerdeführers, es drohe ihm eine Rückschiebung in den Heimatstaat, dadurch noch bestärkt.
Nach dem Gesagten erscheint die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer zur Zeit dauernden Schutz vor Verfolgung in Form einer Bewilligung für einen dauernden Aufenthalt im Irak erlangen könnte, nicht gegeben.
Es ist davon auszugehen, dass Mitglieder der PKK (ob ehemalige oder aktuelle) keine offizielle Aufenthaltsbewilligung der irakischen Behörden erhalten. Es ist anzunehmen, dass die irakischen Behörden die zwischenstaatlichen Beziehungen mit der Türkei nicht mit einem derartigen Vorgehen belasten würden. Auch gewisse westliche Regierungen dürften dies kaum billigen. Die von türkischen Behörden gesuchten (Ex-)Mitglieder der PKK reisen meist illegal in den (Nord-)Irak ein und
halten sich dort illegal auf. Auch wenn sie dort von der kurdischen Bevölkerung toleriert und allenfalls gar unterstützt werden, entspricht dies keiner Aufnahme - mit gesichertem Aufenthalt - im Sinne von Art. 52 Abs. 2 AsylG.
Vor dem Hintergrund der neusten Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend den Nordirak ist im Übrigen eine allfällige innerkurdische Fluchtalternative (bereits für irakische Kurden) nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Mit Blick auf das nach wie vor hohe Gewaltpotenzial im Zentralund Südirak und die nur unzureichende Fähigkeit zur Schutzgewährung der dortigen Behörden dürfte eine Fluchtalternative im Zentralund Südirak ebenfalls verneint werden. Auch bezüglich der Effektivität der Schutzgewährung durch die kurdische Regionalregierung für von privater Seite Verfolgte bestehen Vorbehalte (vgl. BVGE 2008/4 E. 6.6 und 6.7). Ob der Beschwerdeführer vorliegend vor Racheakten seitens der PKK im Irak Schutz finden könnte, kann indessen offen bleiben, da er ohnehin - wie weiter unten festgehalten - nicht im Irak bleiben muss. Indessen ist dem BFM beizupflichten, dass in der Regel insbesondere Abtrünnige der PKK, die eine hohe Funktion inne hatten oder Geheimnisträger waren, mit Konsequenzen durch die PKK rechnen müssen (vgl. auch MICHAEL KIRSCHNER, Türkei/Irak: Aktivitäten der Nachfolgeorganisationen der Kurdischen Arbeiterpartei PKK zwischen 2003 und 2004, Auskunft der SFH-Länderanalyse, Bern, März 2005, S. 7f., wonach die PKK im Nordirak Abtrünnige mit Wissen über geheime PKK-Informationen verfolge oder zur Rückkehr zwinge).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer nicht zuzumuten ist, sich im Irak um Aufnahme zu bemühen.
Es liegen in den Akten auch keine Hinweise für etwaige verwandtschaftliche oder andere Beziehungen des Beschwerdeführers zu einem weiteren Drittland vor, in welchem er sich um Aufnahme bemühen könnte. Art. 52 Abs. 2 AsylG kann demnach keine Anwendung finden.
Nach dem Gesagten ist zusammenfassend festzuhalten, dass zumindest aufgrund der derzeitigen Aktenlage von einer (weiterhin) aktuellen Schutzbedürftigkeit des Beschwerdeführers auszugehen ist. Ferner kann nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer habe vorrangig vor der Schweiz zu irgendeinem anderen Staat eine besondere Beziehung respektive er verfüge tatsächlich - im Sinne einer effektiven Alternative - über die Möglichkeit, in einem anderen Staat um Schutz zu ersuchen. Demnach hat das BFM die Ausschlussklausel von Art. 52 Abs. 2 AsylG zu Unrecht angewandt.
Folglich ist die angefochtene Verfügung aufzuheben und das BFM anzuweisen, dem Beschwerdeführer die Einreise in die Schweiz zu bewilligen. Da die derzeitige Aktenlage für eine abschliessende Beurteilung des Asylgesuchs nicht abschliessend erstellt erscheint, ist dem Beschwerdeführer die Einreise im Sinne von Art. 20 Abs. 2 AsylG zwecks weiterer Sachverhaltsabklärung zu bewilligen.
Bei diesem Ausgang des Beschwerdeverfahrens sind keine Verfahrenskosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 VwVG).
Der vollumfänglich oder teilweise obsiegenden Partei, der ein unentgeltlicher Rechtsbeistand im Sinne von Art. 65 Abs. 2 VwVG beigeordnet worden ist, ist bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine Parteientschädigung im Umfang des Obsiegens zu entrichten
(Art. 7 ff. des Reglementes über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 21. Februar 2008 [VGKE, SR 173.320.2]). Angesichts des Aufwandes erscheint die Kostennote des Rechtsbeistands vom 12. August 2008 - worin er einen zeitlichen Aufwand von 9,2 Stunden zu einem Stundenansatz von Fr. 230.-- beziffert
- als angemessen. Die zu entschädigenden Kosten der Partei sind alsdann auf der Basis des geltend gemachten Stundenansatzes sowie unter Berücksichtigung der ausgewiesenen Auslagen von Fr. 16.- und der Mehrwertsteuer von Fr. 162.-- auf Fr. 2'294.-- festzusetzen (Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 VGKE). Dieser Betrag ist vom BFM als Entschädigung für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht an den Beschwerdeführer zu entrichten (Art. 64 Abs. 2 VwVG). Der Anspruch auf das amtliche Honorar wird im Umfang der Parteientschädigung gegenstandslos.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
Die Verfügung des BFM vom 2. Mai 2008 wird aufgehoben.
Das BFM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer zum Zweck der Durchführung des Asylverfahrens die Einreise in die Schweiz zu bewilligen.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Das BFM hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'294.-- zu entrichten.
Dieses Urteil geht an:
den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (Einschreiben)
das BFM, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, unter Hinweis auf Dispositiv-Ziffn. 2 und 3, mit den Akten Ref.-Nr. N _______ (per Kurier; in Kopie)
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Christa Luterbacher Muriel Beck Kadima
Versand:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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