Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung III |
Dossiernummer: | BVGE 2009/14 |
Datum: | 10.10.2008 |
Leitsatz/Stichwort: | Betäubungsmittel |
Schlagwörter : | äubungs; Betäubungsmittel; BetmG; Bewilligung; Betäubungsmitteln; Organisation; Umgang; Organisationen; Dignitas; Auslegung; Recht; Suizid; Kreuz; Bundes; Schweiz; Abgabe; Medizin; Sterbehilfe; Über; Verschreibung; Medizinalperson; Verein; Schweizerische; Rezept; Medizinalpersonen; Patient; Roten |
Rechtsnorm: | Art. 10 BV ;Art. 13 BV ;Art. 14 BetmG;Art. 14a BetmG;Art. 14a OR ;Art. 19 BV ;Art. 19 BetmG; |
Referenz BGE: | 127 l 6; 133 l 58 |
Kommentar: | - |
Auszug aus dem Urteil der Abteilung lll
i. S. Verein « Dignitas - Menschenwürdig leben - Menschenwürdig sterben » gegen Schweizerisches Heilmittelinstitut, Swissmedic
C-178/2008 vom 10. Oktober 2008
Betäubungsmittel. Bewilligung zum Umgang mit Betäubungsmitteln für nationale oder internationale Organisationen. Bewilligungsvoraussetzungen. Keine Verletzung des Rechts auf individuelle Selbstbestimmung.
Art. 14a BetmG. Art. 2 Abs. 1 Bst. b HMG. Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 BV. Art. 8 Ziff. 1 EMRK.
Die Auslegung von Art. 14a BetmG ergibt, dass eine Bewilligung zum Umgang mit Betäubungsmitteln nationalen und internationalen Organisationen nur erteilt wird, wenn dies für ihre Hilfstätigkeit im humanitären Bereich - insbesondere für die Überlebenshilfe - erforderlich ist und diese Organisationen zudem über Fachpersonen verfügen, welche zur Abgabe von Betäubungsmitteln befugt sind und damit den korrekten und verantwortungsbewussten Umgang mit den Betäubungsmitteln gewährleisten (E. 4.1-4.2.6).
Die Bewilligungsbehörde kann im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums konkretisieren, welche Voraussetzungen von den Organisationen, die um eine Bewilligung nach Art. 14a BetmG ersuchen, zu erfüllen sind (E. 4.3).
Das Recht zur Beendigung des eigenen Lebens als Bestandteil des grundrechtlichen Schutzes der individuellen Selbstbestimmung wird durch den Entscheid der Vorinstanz, dem Beschwerdeführer die Bewilligung zum Umgang mit Betäubungsmitteln zu verwehren, nicht in unzulässiger Weise eingeschränkt (E. 5.1-5.6).
Stupefiants. Autorisation portant sur l'utilisation de stupefiants par des organisations nationales ou internationales. Conditions d'autorisation. Absence de violation du droit a l'autodetermination individuelle.
Art. 14a LStup. Art. 2 al. 1 let. b LPTh. Art. 10 al. 2 et art. 13 al. 1 Cst. Art. 8 § 1 CEDH.
Il decoule de l'interpretation de l'art. 14a LStup que l'autorisation portant sur l'utilisation de stupefiants n'est accordee a des organisations nationales ou internationales que si elle est necessaire a leurs activites dans le domaine de l'aide humanitaire - en particulier pour l'aide a la survie - et si ces organisations disposent, en outre, d'un personnel forme et autorise a dispenser des stupefiants, garantissant ainsi un usage correct et raisonnable de ces substances (consid. 4.1-4.2.6).
Dans le cadre de son pouvoir d'appreciation, l'autorite competente pour delivrer l'autorisation peut preciser les conditions a remplir par les organisations qui demandent une autorisation au titre de l'art. 14a LStup (consid. 4.3).
Le droit de mettre fin a sa propre vie, qui fait partie du droit fondamental a l'autodetermination individuelle, n'est pas restreint de maniere inadmissible par la decision de l'autorite inferieure de refuser au recourant l'autorisation demandee au titre de l'art. 14a LStup (consid. 5.1-5.6).
Stupefacenti. Autorizzazione relativa agli stupefacenti per organizzazioni nazionali o internazionali. Condizioni per l'autorizzazione. Nessuna violazione del diritto all'autodeterminazione individuale.
Art. 14a LStup. Art. 2 cpv. 1 lett. b LATer. Art. 10 cpv. 2 e art. 13 cpv. 1 Cost. Art. 8 n. 1 CEDU.
Dall'interpretazione dell'art. 14a LStup risulta che l'autorizzazione relativa agli stupefacenti e rilasciata ad organizzazioni nazionali o internazionali solo se cio e necessario per la loro attivita nell'ambito dell'aiuto umanitario - in particolare per l'aiuto alla sopravvivenza - e se dette organizzazioni dispongono inoltre di persone specializzate, che sono autorizzate alla consegna degli stupefacenti e che dunque garantiscono un uso corretto e responsabile di questi ultimi (consid. 4.1-4.2.6).
L'autorita competente per rilasciare l'autorizzazione puo precisare, nell'ambito del suo potere d'apprezzamento, le condizioni che devono adempiere le organizzazioni che richiedono un'autorizzazione ai sensi dell'art. 14a LStup (consid. 4.3).
Il diritto di porre fine ai propri giorni, quale componente del diritto fondamentale all'autodeterminazione individuale, non e limitato in modo inammissibile dalla decisione dell'autorita inferiore di negare al ricorrente l'autorizzazione relativa agli stupefacenti (consid. 5.1-5.6).
Am 7. August 2007 stellte der Verein « Dignitas - Menschenwürdig leben
- Menschenwürdig sterben » (nachfolgend: Dignitas) dem Bundesrat (BR)
das Gesuch, es sei ihm als nationale Organisation eine befristete Bewilli-
gung gemäss Art. 14a des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Oktober 1951
(BetmG, SR 812.121) zum Umgang mit dem Betäubungsmittel Natrium-
Pentobarbital (im Folgenden: NAP) zu erteilen. Das Gesuch wurde zustän-
digkeitshalber an das Schweizerische Heilmittelinstitut, Swissmedic
(nachfolgend: lnstitut) weitergeleitet.
Mit Verfügung vom 21. November 2007 wies das lnstitut das Gesuch ab mit der Begründung, Bewilligungen gemäss Art. 14a BetmG könnten nur an Organisationen des schweizerischen Rechts oder des Völkerrechts wie das Rote Kreuz, die Organisationen der Vereinten Nationen (UNO) oder ihre Spezialorganisationen erteilt werden. Diesen Organisationen sei gemeinsam, dass sie ihre Tätigkeiten bei notfallmässigen Einsätzen, zugunsten breiter Bevölkerungsschichten und als Überlebenshilfe bei Katastrophen natürlichen oder menschlichen Ursprungs ausübten. Die Tätigkeit von Sterbehilfeorganisationen wie der Dignitas erfülle indes keines dieser drei Kriterien.
Diese Verfügung focht Dignitas am 7. Januar 2008 beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) an und beantragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und das lnstitut sei anzuweisen, die Bewilligung zu erteilen - unter Kostenund Entschädigungsfolgen.
Die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde wird vom Bundesgericht (BGer) - soweit es darauf eintritt - abgewiesen (vgl. Urteil des BGer 2C_839/2008 vom 1. April 2009).
Aus den Erwägungen:
lm Folgenden ist vorab die geltende Rechtslage im Zusammenhang mit der Verwendung von NAP im Rahmen des begleiteten Suizids kurz darzustellen.
NAP ist ein abhängigkeitserzeugender psychotroper Stoff vom Wirkungstyp der Barbiturate. NAP unterliegt somit der Betäubungsmittelgesetzgebung des Bundes (vgl. Art. 1 Abs. 3 Bst. c BetmG). Er ist im Verzeichnis der Betäubungsmittel aufgeführt, das auf der Liste lll des internationalen Übereinkommens vom 21. Februar 1971 über psychotrope Stoffe (SR 0.812.121.02; für die Schweiz in Kraft seit dem 21. Juli 1996; nachfolgend: Übereinkommen) basiert. Nach Art. 5 Ziff. 2 des Übereinkommens ist die Schweiz gehalten, durch geeignete Massnahmen die Herstellung, die Ausfuhr, die Einfuhr, die Verteilung, die Vorratshaltung, die Verwendung und den Besitz derartiger Stoffe sowie den Handel damit auf medizinische und wissenschaftliche Zwecke zu beschränken. Sie dürfen gemäss Art. 9 Ziff. 1 des Übereinkommens zur Verwendung durch Einzelpersonen grundsätzlich nur gegen ärztliches Rezept geliefert oder abgegeben werden (Verschreibungspflicht).
Für den Umgang mit Betäubungsmitteln gilt das Heilmittelgesetz, « soweit sie als Heilmittel verwendet werden » (Art. 2Abs. 1 Bst. b des Heilmittelgesetzes vom 15. Dezember 2000 [HMG, SR 812.21]); wenn dieses keine oder eine weniger weit gehende Regelung trifft, ist das Betäubungsmittelgesetz anwendbar (Art. 2 Abs. 1bis BetmG). Der Verkehr mit Betäubungsmitteln steht nach den Vorschriften der Betäubungsmittelgesetzgebung unter einem Verbot mit Bewilligungsvorbehalt. So sind insbesondere die Herstellung, die Einund Ausfuhr, das Verarbeiten und der Handel mit Betäubungsmitteln bewilligungspflichtig (Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 BetmG). Von dieser Bewilligungspflicht sind einzig die Medizinalpersonen ausgenommen, denen der Umgang mit Betäubungsmitteln nach Massgabe der vorschriftsgemässen Berufsausübung gestattet ist (Art. 9 BetmG). Unter Strafe steht dagegen der unbefugte - insbesondere nicht bewilligte - Umgang mit Betäubungsmitteln, insbesondere auch das unbefugte Aufbewahren (Art. 19 Abs. 1 BetmG, insbes. Alinea 5).
Als verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen Betäubungsmittel in Apotheken - von « begründeten Ausnahmefällen » abgesehen - nur auf ärztliches Rezept hin abgegeben werden (Art. 24 Abs. 1 Bst. a HMG; vgl. zum Begriff des Abgebens Art. 4 Bst. f HMG). Abgabeberechtigt sind zudem weitere Medizinalpersonen im Rahmen der Bestimmungen über die Selbstdispensation sowie entsprechend ausgebildete Fachpersonen unter
der Kontrolle von Medizinalpersonen. Zur Verschreibung (bzw. zum Verordnen) von Betäubungsmitteln sind nur Ärzte und Tierärzte befugt (Art. 10 BetmG). Bei der Verschreibung und der Abgabe von Arzneimitteln müssen die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften beachtet werden (Art. 26 Abs. 1 HMG); insbesondere dürfen Betäubungsmittel nur in dem Umfange verwendet, abgegeben und verordnet werden, als dies nach den anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaften notwendig ist (Art. 11 BetmG). Ein Arzneimittel darf nur verschrieben werden, wenn der Gesundheitszustand des Patienten bekannt ist (Art. 26 Abs. 2 HMG; THOMAS POLEDNA/BRIGITTE BERGER, Öf-
fentliches Gesundheitsrecht, Bern 2002, Rz. 324), wobei bei Betäubungsmitteln die verschreibende Medizinalperson den Patienten selbst untersucht haben muss (Art. 43 Abs. 1 der Betäubungsmittelverordnung vom 29. Mai 1996 [BetmV, SR 812.121.1]). Soweit Betäubungsmittel als Arzneimittel zu qualifizieren sind, also als Produkte chemischen oder biologischen Ursprungs zur medizinischen Einwirkung auf den menschlichen Organismus bestimmt sind, dürfen sie - sofern verwendungsfertig - nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie vom lnstitut zugelassen sind (Art. 9 Abs. 1 HMG, vgl. Art. 4 Abs. 1 Bst. a HMG). lm Rahmen ihrer Therapiefreiheit können Ärzte allerdings auch nicht zugelassene Arzneimittel (und Betäubungsmittel) verschreiben und abgeben (vgl. etwa Art. 9 Abs. 2Bst. a HMG).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nach der einschlägigen betäubungsund heilmittelrechtlichen Gesetzgebung der Umgang mit NAP bewilligungspflichtig und seine Abgabe nur aufgrund eines ärztlichen Rezeptes zulässig ist (vgl. auch FRANK TH. PETERMANN, Rechtliche Überlegungen zur Problematik der Rezeptierung und Verfügbarkeit von NatriumPentobarbital, in Aktuelle Juristische Praxis 2006 S. 439 ff., dort S. 443).
(Ausführungen zum strafrechtlichen Hintergrund) (...)
Eine wesentliche Problematik besteht in der Praxis darin, dass einerseits die Beihilfe zum Suizid nicht Teil der ordentlichen ärztlichen Tätigkeit ist, weil sie den Zielen der Medizin widerspricht, dass aber andererseits die Achtung des Patientenwillens grundlegend für die Arzt-Patienten-Beziehung ist. Falls sich ein Arzt zur Beihilfe zum Suizid entschliesst, trägt er gemäss Ziff. 4.1 der Richtlinien vom 25. November 2004 der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) zur « Betreuung von Patientinnen und Patienten am Lebensende » (vgl. http://www.samw.ch/content/d_Ethik_Richtlinien.php) die Verantwortung für die Prüfung der folgenden Voraussetzungen:
Die Erkrankung des Patienten rechtfertigt die Annahme, dass das Lebensende nahe ist.
Alternative Möglichkeiten der Hilfestellung wurden erörtert und soweit gewünscht auch eingesetzt.
Der Patient ist urteilsfähig, sein Wunsch ist wohlerwogen, ohne äusseren Druck entstanden und dauerhaft. Dies wurde von einer unabhängigen Drittperson überprüft, wobei diese nicht zwingend Arzt sein muss.
Auch wenn die Richtlinien der SAMW grundsätzlich unverbindlich sind, so kommt ihnen in der Praxis doch grosse Bedeutung zu (vgl. Ergänzungsbericht des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartements [EJPD] vom Juli 2007 zum Bericht « Sterbehilfe und Palliativmedizin - Handlungsbedarf für den Bund? » {http://biblio.parlament.ch/e-docs/146687.pdf,
S. 4 f.; im Folgenden: Ergänzungsbericht des EJPD über Sterbehilfe}; BGE 133 l 58 E. 6.3.4).
Unbestritten ist im vorliegenden Verfahren, dass es sich bei NAP um ein Betäubungsmittel handelt, für dessen Lagerung und Verwendung eine Bewilligung erforderlich ist und das nur auf ärztliche Verschreibung hin abgegeben werden darf. Dignitas beantragt daher die Erteilung einer Bewilligung gemäss Art. 14a BetmG, die ihr einen erleichterten Umgang mit NAP - insbesondere die Lagerung und die Verabreichung durch NichtMedizinalpersonen - im Zusammenhang mit dem begleiteten Suizid ermöglichen soll.
Gemäss Art. 14a BetmG kann der BR gewissen Organisationen den Umgang mit Betäubungsmitteln bewilligen. Diese Bewilligungskompetenz hat der BR dem lnstitut übertragen (Art. 2Abs. 2 BetmV).
Umstritten ist, ob Dignitas als Organisation im Sinne von Art. 14a BetmG zu gelten hat. Dignitas stellt sich auf den Standpunkt, die Aufzählung in Art. 14a BetmG sei nicht abschliessend, und durch Auslegung dieser Norm könne auch einer Sterbehilfeorganisation eine Bewilligung für den Umgang mit NAP erteilt werden, zumal dafür im Bereich des assistierten Suizids eine faktische Notwendigkeit bestehe.
Art. 14a Abs. 1 BetmG lautet wie folgt:
« Der Bundesrat kann nationalen oder internationalen Organisationen wie jenen des Roten Kreuzes, der Vereinten Nationen oder ihren Spezialorganisationen bewilligen, Betäubungsmittel im Rahmen ihrer Tätigkeit zu beziehen, einzuführen, aufzubewahren, zu verwenden, zu verordnen, abzugeben oder auszuführen. »
Es ist offensichtlich, dass die Aufzählung der Organisationen, denen eine Bewilligung erteilt werden kann, nicht abschliessend ist. Anhand der anerkannten Auslegungsmethoden und -kriterien ist daher zu ermitteln, welche Organisationen bewilligungsfähig sind.
Ausgangspunkt jeder Auslegung ist die grammatikalische Auslegung, die auf Wortlaut, Wortsinn und Sprachgebrauch abstellt (vgl. dazu ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht,
6. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2005, Rz. 91).
ln Art. 14a BetmG ist die Rede von nationalen oder internationalen Organisationen, wie jenen des Roten Kreuzes, der Vereinten Nationen oder ihren Spezialorganisationen. Den Grundsätzen des Schweizerischen Roten Kreuzes ist zu entnehmen, dass sich die lnternationale Rotkreuzund Rothalbmondbewegung, entstanden aus dem Willen, den Verwundeten der Schlachtfelder unterschiedslos Hilfe zu leisten, bemüht, in ihrer internationalen und nationalen Tätigkeit menschliches Leiden überall und jederzeit zu verhüten und zu lindern. Sie ist bestrebt, Leben und Gesundheit zu schützen und der Würde des Menschen Achtung zu verschaffen. Sie fördert gegenseitiges Verständnis, Freundschaft, Zusammenarbeit und einen dauerhaften Frieden unter allen Völkern (vgl. http://www.redcross.ch/org / portrait/prin/index-de.php). Auch bei UNO, die in Art. 1 der Charta als erstes Ziel den Weltfrieden und die Wahrung der internationalen Sicherheit nennt (vgl. http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/topics/intorg.html), geht es (u. a.) um die Linderung von Not und Armut in der Welt und um die Achtung der Menschenrechte. Von zentraler Bedeutung bei den Organisationen des Roten Kreuzes und der Vereinten Nationen ist zweifellos die humanitäre Hilfe. Darunter ist alles zu verstehen, das unternommen werden muss, um das Leben der in Not geratenen Menschen zu schützen, ihr Leiden zu lindern und ihre Würde zu wahren und zwar unabhängig davon, ob das Leid aufgrund von Konflikten oder Naturkatastrophen entstanden ist. Denkbar ist dabei jede Form von Unterstützung, solange sie den Zielen dient, Leben zu erhalten und Leiden zu verringern (zur Definition der humanitären Hilfe vgl. etwa http://www.youngcaritas.ch/media _ features/pdf/school/HumanitaereHilfe_lnfomappe.pdf).
Auch wenn Dignitas statutengemäss zum Zweck hat, ihren Mitgliedern ein menschenwürdiges Leben wie auch ein menschenwürdiges Sterben zu sichern, und die Wahrung der Menschenwürde und Menschenrechte ihrer Mitglieder im Leben und im Sterben im Mittelpunkt steht (vgl. http://www.dignitas.ch/index.php?option=com_content&task=view&id=80
<emid=121), liegt doch das Haupttätigkeitsgebiet dieser Sterbehilfeorganisation nicht in der Erhaltung des Lebens, sondern in der Beendigung
desselben durch einen begleiteten Suizid, insbesondere mit Hilfe einer letalen Dosis NAP. Ausgehend vom Wortlaut von Art. 14a BetmG ist daher davon auszugehen, dass unter « nationalen und internationalen Organisationen, wie jenen des Roten Kreuzes, der Vereinten Nationen oder ihren Spezialorganisationen » solche mit humanitärem Charakter gemeint sind, die in der Über ebensh le in Konfliktund Katastrophenfällen tätig sind.
Bei der systematischen Auslegung wird der Sinn einer Rechtsnorm bestimmt durch ihr Verhältnis zu anderen Rechtsnormen und durch den systematischen Zusammenhang, in dem sie sich in einem Gesetz präsentiert (vgl. dazu HÄFELIN/HALLER, a. a. O., Rz. 97 ff.).
Aus diesem Blickwinkel ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, den Umgang mit Betäubungsmitteln nur unter äusserst restriktiven Bedingungen und unter engmaschiger staatlicher Kontrolle zuzulassen. Die Herstellung, die Abgabe, der Bezug und die Verwendung von Betäubungsmitteln ist im 2. Kapitel des BetmG geregelt. lm 1. Abschn. (Art. 4-Art. 8a BetmG) wird der Umgang mit Betäubungsmitteln durch Fabrikationsund Handelsfirmen geregelt, im 2. Abschn. (Art. 9-Art. 13 BetmG) der Umgang durch Medizinalpersonen, im 3. Abschn. (Art. 14) der Umgang durch Krankenanstalten und lnstitute und schliesslich im Abschn. 3a der Umgang durch Organisationen (Art. 14a BetmG). Allen ist gemeinsam, dass ein wirksamer Kontrollmechanismus besteht, damit möglicher Missbrauch im Umgang mit den Betäubungsmitteln verhindert und so die öffentliche Gesundheit geschützt werden kann.
Angesichts der Organisation der Sterbehilfe durch Dignitas kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine dem Roten Kreuz oder der UNO entsprechende Sicherstellung eines geordneten Umgangs mit Betäubungsmitteln besteht. Dignitas setzt in der Regel bei der (eigentlichen) Sterbebegleitung kein medizinisches Personal ein, sondern zieht Ärzte nur zur einzelfallweisen Verschreibung von NAP bei. Würde ihr ermöglicht, NAP in grösseren Mengen zu beziehen und zu lagern, wäre die vom Gesetzgeber geforderte enge Kontrolle in Frage gestellt.
Bei der historischen Auslegung wird auf den Sinn abgestellt, den man einer Norm zur Zeit ihrer Entstehung gab: bei der subjektiv-historischen Auslegung ist der subjektive Wille des konkreten historischen Gesetzgebers massgebliches Element, während bei der objektiv-historischen Auslegung die Bedeutung, die einer Norm durch die allgemeine Betrachtung zur Zeit ihrer Entstehung gegeben wird, massgeblich ist (vgl. dazu HÄFELIN/HALLER, a. a. O., Rz. 101 ff.).
Wie der Botschaft vom 20. März 1968 des Bundesrat an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Änderung des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel (BBl 1968 l 737) zu entnehmen ist, war es aus « dringenden sachlichen Gründen » nötig, « sowohl das lnternationale Komitee vom Roten Kreuz [Bundesratsbeschluss vom 30. Dezember 1953, AS 1953 1309] als auch das Schweizerische Rote Kreuz [Bundesratsbeschluss vom 5. Juli 1963, AS 1963 599] zu ermächtigen, Betäubungsmittel im Rahmen ihrer Hilfstätigkeit zu beziehen, aufzubewahren und auszuführen, [...] ». Der Gesetzgeber war zweifellos davon überzeugt, dass ein Betäubungsmitteleinsatz nur im Rahmen der Hilfstätigkeit, bei dringenden humanitären Einsätzen der entsprechenden Organisation erfolgen wird (vgl. BBl 1968 l 742). ln Bezug auf die Vereinten Nationen und ihre Spezialorganisationen ist er davon ausgegangen, dass sie zu Untersuchungszwecken Betäubungsmittel benötigten. Für solche Fälle sollte mit Art. 14a BetmG (Art. 14bis des Entwurfes) die gesetzliche Grundlage geschaffen werden (vgl. BBl 1968 l 742). Was das Tätigkeitsgebiet dieser Organisationen angeht, kann auf die vorangehenden Ausführungen verwiesen werden (E. 4.2.1).
Wird abgestellt auf das Normverständnis und die Verhältnisse, wie sie gegenwärtig, d. h. zur Zeit der Rechtsanwendung bestehen (sog. zeitgemässe Auslegung, vgl. dazu HÄFELIN/HALLER, a. a. O., Rz. 114 ff.), kommt man zu keinem anderen Ergebnis.
So wurde etwa im Ergänzungsbericht des EJPD über Sterbehilfe festgehalten, dass von einer direkten Abgabe von NAP an Suizidhilfeorganisationen abzusehen sei, da sonst keine Gewähr bestehe, dass die rein privatrechtlich organisierten und keiner öffentlichen Kontrolle unterstehenden Suizidhilfeorganisationen die ihnen zugedachten Funktionen korrekt wahrnähmen. Auch die Erteilung einer Bewilligung nach Art. 14a BetmG falle nicht in Betracht, da dies Sinn und Zweck von Art. 14a BetmG widerspreche, und damit die Verschreibungspflicht durch die Ärzteschaft, welche der Verhinderung von Straftaten bzw. der Bekämpfung damit verbundener Missbrauchsgefahren diene, wegfallen würde. Zusammenfassend wurde im Bericht zu Handen des BR schliesslich festgehalten, dass die bestehenden Vorschriften zur Verschreibung und Abgabe von NAP in letaler Dosis im Betäubungsmittelrecht als ausreichend zu bewerten seien.
Die teleologische Auslegung schliesslich stellt ab auf die Zweckvorstellung, die mit einer Rechtsnorm verbunden ist. Der Wortlaut von Art. 14a BetmG soll demnach nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit den Zielvorstellungen des Gesetzgebers betrachtet werden. Dabei kann sich die teleologische Auslegung allerdings sowohl mit der historischen
wie auch mit der zeitgemässen Auslegung verbinden (vgl. dazu HÄFELIN/HALLER, a. a. O., Rz. 120 ff.).
ln der Botschaft des BR zur Änderung des BetmG wird wiederholt auf die Suchtgefahr und damit die Missbrauchsgefahr im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln hingewiesen (BBl 1968 l 742), weshalb eine kontrollierte Abgabe nur durch Fachpersonen selbst (vgl. Art. 9 BetmG) oder aber durch lnstitutionen und Organisationen, die über die entsprechenden Fachpersonen verfügen, erfolgen sollte (vgl. Art. 14 Abs. 1 BetmG, wonach Krankenanstalten eine Bewilligung erhalten, sofern für die Lagerung und die Verwendung der Betäubungsmittel eine der in Art. 9 BetmG genannten Personen verantwortlich ist; vgl. auch Art. 4 BetmG, wo in Bezug auf Fabrikationsund Handelsfirmen eine Bewilligung des lnstituts nötig ist, die
u. a. auch das Vorhandensein einer fachtechnisch verantwortlichen Person erfordert). Dadurch soll ein verantwortungsbewusster Umgang mit Betäubungsmitteln gewährleistet werden. So hat der BR in seinem Beschluss vom 5. Juli 1963 im Zusammenhang mit der Bewilligung nach Art. 14a BetmG für das Schweizerische Rote Kreuz ausdrücklich festgehalten, dass der Umgang mit Betäubungsmitteln nur im Rahmen der Hilfstätigkeit im Ausland möglich sein soll, und zudem der Armeeapotheker als « Fachexperte für Pharmazeutika » für den Verkehr mit Betäubungsmitteln beim Schweizerischen Roten Kreuz verantwortlich sein soll (vgl. AS 1963 599). Auch schon im Beschluss vom 30. Dezember 1953 für das lnternationale Komitee vom Roten Kreuz war die Rede davon, dass der Umgang mit
Betäubungsmitteln nur im Rahmen der Ausübung der Hilfstätigkeit und unter dem Vorbehalt, dass die zuständigen Organe einen eidgenössisch diplomierten Apotheker als für den Verkehr mit Betäubungsmittel verantwortlich bezeichnen, erlaubt wird (vgl. AS 1953 1309).
Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass sämtliche Auslegungsmethoden bzw. -kriterien zum Schluss führen, dass der Umgang mit Betäubungsmitteln wegen der vorhandenen Missbrauchsgefahr nur bestimmten Medizinalpersonen mit den nötigen Fachkenntnissen sowie lnstitutionen, welche über entsprechend ausgebildetes Fachpersonal verfügen, ermöglicht werden soll. Nationalen und internationalen Organisationen nach Art. 14a BetmG wird eine Bewilligung für den Umgang mit Betäubungsmitteln nur erteilt, wenn dies für ihre Hilfstätigkeit im humanitären Bereich - insbesondere für die Überlebenshilfe - erforderlich ist und diese Organisationen zudem über entsprechende Fachpersonen verfügen, welche den korrekten und verantwortungsbewussten Umgang mit den Betäubungsmitteln auch gewährleisten.
Nach Art. 14a BetmG kann der BR resp. das lnstitut (vgl. Art. 2 Abs. 2BetmV) nationalen oder internationalen Organisationen eine Bewilligung für den Bezug, die Einführung, die Aufbewahrung, die Verwendung, die Verordnung, die Abgabe oder die Ausführung von Betäubungsmitteln erteilen (Abs. 1), und - sofern besondere Umstände es erfordern - auch wieder entziehen (Abs. 2). Demnach steht dem lnstitut bei der Erteilung resp. dem Entzug der Bewilligung ein relativ weites Ermessen zu, welches pflichtgemäss, d. h. verfassungsund gesetzeskonform auszuüben ist. Die Ermessensausübung hat willkürfrei, in Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes sowie verhältnismässig zu erfolgen und hat sich nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung zu richten (vgl. PIERRE TSCHANNEN/ULRICH ZIMMERLI, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2005, § 26 Rz. 11).
Bei der Bewilligung nach Art. 14a BetmG handelt es sich um eine Polizeibewilligung, welche nur erteilt wird, wenn die gesuchstellende Person die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt. Grundsätzlich besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Bewilligung, wenn die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Werden indes die Voraussetzungen für die Polizeibewilligung durch unbestimmte Rechtsbegriffe umschrieben, so verfügt die Bewilligungsbehörde über einen gewissen Beurteilungsspielraum (vgl. ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2006, Rz. 2531 ff.). lm vorliegenden Fall ist die Liste der nationalen oder internationalen Organisationen in Art. 14a BetmG nicht abschliessend, vielmehr werden das Rote Kreuz, die Vereinten Nationen oder ihre Spezialorganisationen nur beispielhaft erwähnt, so dass der Vorinstanz insofern ein Beurteilungsspielraum zusteht, als sie die Kriterien bestimmen kann, welche von den Organisationen zu erfüllen sind, die um eine Bewilligung nachsuchen.
Nach den vom lnstitut aufgestellten Kriterien wird eine Bewilligung nach Art. 14a BetmG nur an Organisationen erteilt, die notfallmässige Einsätze leisten, breite Bevölkerungsschichten erreichen müssen und Überlebenshilfe bei Katastrophen natürlichen oder menschlichen Ursprungs leisten. Diese Kriterien entsprechen dem Sinn der Norm und dem Willen des Gesetzgebers (vgl. E. 4.2.1-4.2.6), tragen dem Gleichbehandlungsgebot hinreichend Rechnung und sind verhältnismässig (vgl. auch E. 5.4).
Dignitas erfüllt diese Kriterien ganz offensichtlich nicht, leistet sie doch nicht Überlebens-, sondern vielmehr Sterbehilfe, erfolgen ihre Einsätze nicht notfallmässig und kommen sie nicht einer Vielzahl von Hilfsbedürftigen in Katastrophenfällen, sondern nur Einzelpersonen zu Gute, welche die Unterstützung individuell verlangen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz die massgebliche Gesetzesbestimmung richtig ausgelegt und auch das ihr zustehende Ermessen korrekt ausgeübt hat.
Dignitas macht allerdings geltend, durch die geltende Regelung und ihre Anwendung werde Art. 8 Ziff. 1 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) tangiert, welcher das Selbstbestimmungsrecht des Menschen und damit auch das Grundrecht auf Suizid garantiere.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird die persönliche Freiheit bzw. der Schutz des Privatlebens in Art. 10 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) garantiert und umfasst alle Aspekte, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung bilden. Allerdings liegt darin keine allgemeine Handlungsfreiheit, auf die sich der Einzelne gegenüber jedem staatlichen Akt, der sich auf seine persönliche Freiheit auswirkt, berufen kann; die persönliche Freiheit schützt nicht vor jeglichem physischen oder psychischen Missbehagen (BGE 133 l 58 E. 6.1, BGE 127 l 6 E. 5a).
Einen ähnlichen Schutz gewährt Art. 8 EMRK, in dessen Geltungsbereich sich die Garantien der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und der Privatsphäre (Art. 13 Abs. 1 BV) überschneiden. So sichert Art. 8 Ziff. 1 EMRK dem lndividuum einen Freiraum zu, in dem es seine Persönlichkeit entwickeln und verwirklichen kann; es soll unter Ausschluss des Staates im Rahmen der privaten Sphäre über die eigene Person und die Gestaltung des Lebens verfügen können. Zum Selbstbestimmungsrecht im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK gehört auch das Recht, über Art und Zeitpunkt der Beendigung des eigenen Lebens zu entscheiden. Diese auch durch Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 BV geschützte Entscheidungsfreiheit setzt allerdings voraus, dass die betroffene Person in der Lage ist, ihren Willen frei zu bilden und danach zu handeln (vgl. zum Ganzen JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 59 f.; MARKUS SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, Ergänzungsband, Bern 2005, S. 45 f.; BGE 133 l 58 E. 6.1).
Zu prüfen ist im Folgenden, ob der grundrechtliche Schutz der individuellen Selbstbestimmung durch den Entscheid der Vorinstanz, Dignitas die Bewilligung für den Umgang mit Betäubungsmitteln zu verwehren, in unzulässiger Weise eingeschränkt wird (vgl. Art. 36 BV).
Gesetzliche Grundlage für den Entscheid der Vorinstanz bildet Art. 14a BetmG, der zwar verfassungskonform auszulegen, für das BVGer aber massgebend ist (Art. 190 BV, in der am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Fassung).
Da Dignitas keine Ausnahmebewilligung nach Art. 14a BetmG erteilt wurde, besteht für die Abgabe von NAP im Rahmen der begleiteten Sterbehilfe eine ärztliche Rezeptpflicht (vgl. oben E. 3.1). Die Verschreibungspflicht dient generell dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung sowie - im Zusammenhang mit der Sterbehilfe - der Verhinderung von Straftaten resp. der Bekämpfung damit verbundener Missbrauchsgefahren (BGE 133 l 58 E. 6.3.2). Für eine restriktive Anwendung von Art. 14a BetmG besteht somit zweifellos ein gewichtiges öffentliches lnteresse.
Ein Stoff, dessen Einnahme zum Tod führen soll, darf durch den Apotheker oder einen Handelsbetrieb nicht auf Vorrat hin, in Unkenntnis der Umstände des Einzelfalls zur Lagerhaltung an Nicht-Medizinalpersonen abgegeben werden. Vielmehr bedarf die Aushändigung von NAP im lnteresse des Patienten einer vorgängigen, individuellen ärztlichen Untersuchung und Verschreibung. Die Medikation setzt eine den ärztlichen Berufsund Sorgfaltspflichten entsprechend vorgenommene Diagnose, lndikationsstellung und ein Aufklärungsgespräch voraus. Die Prüfung der Urteilsfähigkeit, der medizinischen Unterlagen und der Beurteilung, ob alle möglichen Behandlungsmassnahmen getroffen wurden, obliegt dem behandelnden Arzt. Da Dignitas nicht über die entsprechenden Fachpersonen verfügt, ist das Festhalten an der Rezeptpflicht für die Abgabe von NAP und somit die Verweigerung der Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach Art. 14a BetmG geeignet, allfällige Missbräuche zu verhindern. Da kein milderes Mittel ersichtlich ist, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Massnahme auch erforderlich.
Die Rezeptpflicht und auch das Verbot der Lagerhaltung dienen dem Schutz vor unüberlegten, voreiligen Entschlüssen und garantieren eine medizinische Rechtfertigung der Sterbebegleitung in jedem Einzelfall. Bei einer Abgabe von NAP aus einem Lager durch Nicht-Medizinalpersonen - wie von Dignitas vorgesehen - fiele dieser Kontrollmechanismus weg. Angesichts der Missbrauchsrisiken im Zusammenhang mit der (unter Umständen) fraglichen Tatherrschaft und Eigenverantwortlichkeit des Suizidwilligen, mit seiner allenfalls nur schwer erstellund nachweisbaren Urteilsfähigkeit (etwa in Abhängigkeitssituationen oder bei Beeinflussungen durch Dritte) sowie mit der weder staatlich noch durch Medizinalpersonen überwachten Lauterkeit der Beweggründe der Suizidhelfer ist es
gerechtfertigt, an der ärztlichen Verschreibungspflicht von NAP für Suizidwillige und dem Verbot der Lagerhaltung festzuhalten. Es ist mit den Grundgedanken des Betäubungsmittelrechts und seinem bedeutenden gesundheitspolizeilichen Zweck nicht vereinbar, die entsprechenden Verantwortlichkeiten weitestgehend in die Hände privater Suizidhilfeorganisationen zu legen. Der Entscheid der Vorinstanz erweist sich somit auch als zumutbar, wird doch dem Sterbewilligen nach einer eingehenden, sorgfältigen medizinischen Untersuchung und Diagnosestellung bzw. im Hinblick auf die Beständigkeit seines Todeswunsches ein entsprechendes ärztliches Rezept für eine letale Dosis NAP ausgestellt. Der Entscheid der Vorinstanz, Dignitas keine Bewilligung nach Art. 14a BetmG für den Bezug von NAP zu erteilen, um die generelle Rezeptpflicht und das Verbot der Lagerhaltung weiterhin durchsetzen zu können, erweist sich damit als verhältnismässig.
Eine Verletzung des Kerngehalts des Rechts auf individuelle Selbstbestimmung ist nicht auszumachen, da es mit der derzeitigen Lösung dem Einzelnen keineswegs so sehr erschwert oder gar verunmöglicht wird, sein Recht, über die Beendigung des eigenen Lebens entscheiden zu können, in Anspruch zu nehmen, dass es illusorisch würde. Ebenso wenig trifft es zu, dass der Einzelne sein Recht nicht ohne eine schwere Beeinträchtigung seiner Befindlichkeit oder seiner Würde in Anspruch nehmen könnte (zur Problematik vgl. PETERMANN, a. a. O., S. 457).
Damit steht fest, dass es auch aus grundrechtlicher Sicht nicht angezeigt und erforderlich ist, Art. 14a BetmG in dem Sinne auszulegen und anzuwenden, dass Sterbehilfeorganisationen eine Bewilligung zu erteilen wäre. Es kann damit offen bleiben, ob sich Dignitas überhaupt auf die grundrechtlichen Schutzansprüche der von ihr begleiteten Suizidwilligen berufen kann.
Gestützt auf diese Erwägungen kommt das BVGer zum Schluss, dass die Vorinstanz Dignitas die Bewilligung nach Art. 14a BetmG zu Recht verweigert hat. Die Beschwerde ist demnach vollumfänglich abzuweisen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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