Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung II |
Dossiernummer: | B-7957/2007 |
Datum: | 04.11.2008 |
Leitsatz/Stichwort: | Arbeitslosenversicherung |
Schlagwörter : | Malus; Verfügung; Bundes; Leistung; Vereinbarung; Recht; Kasse; Arbeitslosenkasse; Vorinstanz; Verwaltungskosten; Träger; Jahresrechnung; Kassen; Bonus; Vertrag; Klage; Bundesverwaltungsgericht; Verfahren; Ausgleichsstelle; Leistungsvereinbarung; Feststellung; Parteien; Richter; Arbeitslosenversicherung; Entscheid; Genehmigung; Anspruch; öffentlich-rechtlichen |
Rechtsnorm: | Art. 48 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 79 AVIG;Art. 81 AVIG;Art. 83 AVIG;Art. 92 AVIG; |
Referenz BGE: | 120 II 20; 123 III 414; 131 III 319 |
Kommentar: | - |
Abteilung II B-7957/200 7
Besetzung
Parteien
Gegenstand
Richterin Eva Schneeberger (Vorsitz),
Richter Ronald Flury, Richter Stephan Breitenmoser, Richter Bernard Maitre, Richter Claude Morvant; Gerichtsschreiber Stefan Wyler.
gegen
Verwaltungskostenentschädigung.
Mit Verfügung vom 31. Juli 2007 genehmigte das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die Jahresrechnung 2006 (Bilanzund Betriebsrechnung) sowie die Jahresrechnung für die Verwaltungskosten 2006 der Arbeitslosenkasse X._______ (Arbeitslosenkasse) vorbehaltlos.
Am 10. September 2007 verfügte das SECO (Vorinstanz) gegenüber der Trägerschaft der Arbeitslosenkasse X._______ (Beschwerdeführerin), die Arbeitslosenkasse der Beschwerdeführerin befinde sich mit einem Ergebnis von Fr. 26.29 pro Leistungspunkt für das Jahr 2006 in der Maluszone. Dies entspreche einem Malus von Fr. 108'726.-. Die Arbeitslosenkasse habe diesen Betrag zu verbuchen und das Konto Nr. 144.000 innerhalb des laufenden Jahres auszugleichen.
Gegen diesen Entscheid führt die Beschwerdeführerin am 5. Oktober 2008 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragt die Aufhebung der Verfügung, eventualiter die Reduktion des auferlegten Malus um Fr. 46'000.-. Zur Begründung macht sie geltend, die Vorinstanz habe die Jahresrechnung 2006 und die Jahresrechnung für die Verwaltungskosten für das Jahr 2006 am 31. Juli 2007 vorbehaltlos genehmigt. Nach der Genehmigung darauf zurückzukommen, verstosse gegen Treu und Glauben und laufe der Rechtssicherheit zuwider. Zudem liege dem Malus kein fehlerhaftes Verhalten der Beschwerdeführerin zu Grunde, sondern lasse sich auf von der Vorinstanz veranlasste bzw. bewilligte Massnahmen zurückführen.
Mit Vernehmlassung vom 7. Dezember 2007 beantragt die Vorinstanz sinngemäss die Abweisung der Beschwerde. Sie führt im Wesentlichen aus, zwischen der Beschwerdeführerin und dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement bestehe eine Vereinbarung, welche die Grundlage des zur Anwendung gelangenden Bonus-Malus-Systems bilde. Die Vorinstanz habe im Übrigen stets darauf hingewiesen, dass ein Malus anfallen und die definitive Festsetzung desselben erst nach Prüfung des Jahresabschlusses erfolgen werde.
Der Entscheid der Vorinstanz vom 10. September 2007 ist eine Verfügung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021). Diese Verfügung kann nach Art. 101 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 25. Juni 1982 (AVIG, SR 837.0) und im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen über die Bundesverwaltungsrechtspflege (Art. 31 ff. und Art. 37 ff. des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom
17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]) mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen, ist durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung. Sie ist damit beschwerdeberechtigt (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Die Eingabefrist sowie die Anforderungen an Form und Inhalt der Beschwerdeschrift sind gewahrt (Art. 50 und Art. 52 Abs. 1 VwVG). Der Kostenvorschuss wurde fristgerecht bezahlt (Art. 63 Abs. 4 VwVG). Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten.
Arbeitnehmerund Arbeitgeberorganisationen von gesamtschweizerischer, regionaler oder kantonaler Bedeutung können einzeln oder gemeinsam private Kassen errichten. Sofern sie die Anerkennung der Ausgleichsstelle erhalten, können sie mit der Durchführung der obligatorischen Arbeitslosenversicherung beauftragt werden (vgl. Art. 76 Abs. 1 Bst. a i.V.m. Art. 78 AVIG). Die Träger ordnen in einem Reglement die Organisation ihrer Kasse. Sie müssen das Reglement der Ausgleichsstelle zur Genehmigung vorlegen (Art. 79 Abs. 1 AVIG). Die Kassen legen nach den Weisungen der Ausgleichsstelle periodisch Rechnung ab (Art. 81 Abs. 1 Bst. e AVIG). Die Ausgleichsstelle entscheidet sodann über die Anrechenbarkeit der Verwaltungskosten der Kassen (Art. 83 Abs. 1 Bst. m AVIG).
Der Ausgleichsfonds vergütet den Trägern der Kassen die anrechenbaren Kosten, die ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 81 AVIG entstehen. Der Bundesrat bestimmt auf Vorschlag der Aufsichtskommission die anrechenbaren Kosten. Er berücksichtigt die Bereitschaftskosten zur Überbrückung von Schwankungen des Arbeitsmarktes und das Haftungsrisiko (Art. 82 AVIG) angemessen. Die anrechenbaren Kosten werden in Abhängigkeit zur erbrachten Leistung vergütet. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) kann mit den Trägern Leistungsvereinbarungen abschliessen (Art. 92 Abs. 6 AVIG).
Art. 122b der Arbeitslosenversicherungsverordnung vom 31. August 1983 (AVIV, SR 837.02) präzisiert betreffend Leistungsvereinbarungen:
„1Die Vereinbarung nach Artikel 92 Absatz 6 AVIG regelt die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und dem Träger der Kasse beim Vollzug von Artikel 81 AVIG. Sie gibt dem Träger leistungsorientierte Anreize für einen effizienten Vollzug. Sie regelt insbesondere:
die Umsetzung der Ziele des AVIG-Vollzuges;
die Indikatoren zur Messung der Leistung;
die Rahmenbedingungen für den Betrieb der Arbeitslosenkassen;
die Leistungen der Ausgleichsstelle und der Arbeitslosenkassen;
die Finanzierung;
das Reporting;
die Dauer der Vereinbarung und die Kündigung.
2Das EVD kann die Ausarbeitung der Vereinbarung sowie die Evaluation der erreichten Wirkungen einer durch die Ausgleichsstelle geleiteten Kommission übertragen, in welcher die Kassen vertreten sind.
3Hat ein Träger für ein Kalenderjahr die Vereinbarung nicht unterzeichnet, so wird die Vergütung seiner anrechenbaren Kosten auf Grund der erzielten Leistung festgelegt. Die Bemessung der Leistungsindikatoren erfolgt analog der Leistungsvereinbarung nach Artikel 92 Absatz 6 AVIG, die das EVD mit den anderen Kassenträgern abgeschlossen hat. Befindet sich die Leistung einer Arbeitslosenkasse innerhalb der neutralen Zone oder in der Bonuszone, so werden dem Träger 100 Prozent der anrechenbaren Kosten nach der Verordnung vom 12. Februar 1986 über die Verwaltungskostenentschädigung der Arbeitslosenkassen entschädigt. Befindet sich die Leistung in der Maluszone, so wird die Malusregelung der Leistungsvereinbarung angewendet, die mit den anderen Trägern abgeschlossen wurde.“
Gestützt auf diese Bestimmungen schlossen der Bund, vertreten durch das EVD, und die Beschwerdeführerin am 17. September 2003 eine „Vereinbarung für den Vollzug des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung“ (Vereinbarung) ab. Die Vereinbarung gilt für die Periode vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Oktober 2008 (Ziff. 10 Vereinbarung). Sie sieht un-
ter anderem vor, dass der Beschwerdeführerin als Anreiz ein erhöhter Entschädigungssatz vergütet werde, wenn sie eine überdurchschnittliche Leistung erziele (Bonus) resp. ein Abzug verrechnet werde (Malus), wenn sie lediglich eine unterdurchschnittliche Leistung ausweisen könne (vgl. Ziff. 6 Vereinbarung). Die Bemessungsgrundlage des Bonus fusse auf einem Prozentsatz der Abweichung zum unteren Ende der neutralen Bandbreite, während die Bemessungsgrundlage des Malus auf einem Prozentsatz der Abweichung zum oberen Ende der neutralen Bandbreite basiere. Der Malus entspreche der Überschreitung der vom System vorgegebenen Höchstgrenze der Verwaltungskostenentschädigung und müsse ganz oder teilweise vom Kassenträger übernommen werden (vgl. Ziff. 6 Vereinbarung).
Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe die Jahresrechnung 2006 und die Jahresrechnung für die Verwaltungskosten der Arbeitslosenkasse für das Jahr 2006 am 31. Juli 2007 vorbehaltlos genehmigt. Nach der Genehmigung darauf zurückzukommen, verstosse gegen Treu und Glauben und laufe der Rechtssicherheit zuwider.
Über die Anrechenbarkeit der in der Jahresrechnung 2006 enthaltenen Verwaltungskosten der Arbeitslosenkasse hat das SECO bereits mit Verfügung vom 31. Juli 2007 entschieden und die Jahresrechnung 2006 diesbezüglich vorbehaltlos genehmigt. Diese Verfügung ist in formelle Rechtkraft erwachsen.
Die Frage, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf einen Bonus hat oder einen Malus verbuchen lassen muss, ist nicht Teil der Thematik der Anrechenbarkeit bestimmter Verwaltungskosten oder der Genehmigung der Jahresrechnung für das Jahr 2006. Zwar verlangt das SECO offenbar generell, dass ein allfälliger Bonus oder Malus unter dem Titel „Verwaltungskostenentschädigung“ für das betreffende, an sich bereits abgeschlossene und genehmigte Jahr verbucht wird (Beilage 2 zur Leistungsvereinbarung, Berechnungsbeispiel 4 „Finanzielle Auswirkungen“). Aus der Vereinbarung ergibt sich indessen, dass die nach dem Genehmigungsentscheid als anrechenbar geltenden Verwaltungskosten die Berechnungsgrundlage bilden für den Entscheid darüber, wie effizient die jeweilige Kasse ihre Aufgaben erfüllt hat und ob sie sich daher in der Bonusoder Maluszone befindet.
Daraus ergibt sich, dass ein allfälliger Bonus oder Malus nicht bereits in der zu genehmigenden Jahresrechnung enthalten sein kann, sondern dass zuerst die Jahresrechnungen aller Kassen genehmigt werden müssen, bevor ein allfälliger Bonus oder Malus ermittelt werden kann. Insofern handelt es sich bei der Genehmigung der Jahresrechnung einerseits und der Berechnung und Geltendmachung eines allfälligen Malus andererseits um zwei zwingend nacheinander zu erfolgende Schritte.
Die sinngemässe Rüge der Beschwerdeführerin, das SECO ziehe mit der angefochtenen Verfügung vom 10. September 2007 die bereits rechtskräftige Verfügung vom 31. Juli 2007 zu ihren Ungunsten in Wiedererwägung, erweist sich daher als unbegründet.
Zu untersuchen ist im Folgenden, auf welche Rechtsgrundlage sich die auferlegte Malusbuchung stützt.
Ob bestimmte, konkret angefallene Verwaltungskosten anrechenbar sind oder nicht, entscheidet das SECO gestützt auf die massgeblichen Bestimmungen von Art. 82 AVIG und der Verordnung über die Verwaltungskostenentschädigung der Arbeitslosenkassen vom 12. Februar 1986 (SR 837.12). Für die Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf einen Bonus hat oder einen Malus verbuchen lassen muss, lassen sich dem Arbeitslosenversicherungsgesetz dagegen keine konkreten Anhaltspunkte entnehmen. Dieses enthält lediglich die - etwas vage - Passage, dass die anrechenbaren Kosten "in Abhängigkeit zur erbrachten Leistung" vergütet werden (vgl. Art. 92 Abs. 6 AVIG). Zur Umsetzung dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber keine Konkretisierung auf Verordnungsstufe vorgesehen, sondern bestimmt, dass der Bund mit den Trägern der Kassen Leistungsvereinbarungen abschliessen könne (vgl. Art. 92 Abs. 6 AVIG). Dementsprechend hat der Bundesrat in der Verordnung auch lediglich Vorgaben über den Inhalt allfälliger Vereinbarungen gemacht (vgl. Art. 122b AVIV). Die Konkretisierung, was unter einer leistungsorientierten Kassenverwaltung zu verstehen ist, welche Leistungen wie zu bewerten sind, vor allem aber, dass kein absoluter Masstab, sondern der Vergleich mit den übrigen Kassen massgeblich sein soll und welche Konsequenzen an ein überoder unterdurchschnittliches Ergebnis anknüpfen, werden erst mit der Vereinbarung zwischen dem Bund und dem jeweiligen Träger der Kasse festgelegt (vgl. Art. 92 Abs. 6 Satz 4 und 5 AVIG und Art. 122b Abs. 1 AVIV).
Auch das SECO geht in seiner Verfügung und in seinen Rechtsschriften davon aus, dass die rechtliche Grundlage, um der Beschwerdeführerin gegebenenfalls einen Malus aufzuerlegen bzw. von ihr einzufordern, einzig in der zwischen dem Bund und der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Vereinbarung gefunden werden könnte.
Unter diesen Umständen und entsprechend dem eindeutigen Wortlaut im Gesetz selbst ist davon auszugehen, dass es sich bei dieser Leistungsvereinbarung um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem Bund und der Beschwerdeführerin handelt und dass die Meinungsverschiedenheit über die Frage, ob die Beschwerdeführerin einen Malus verbuchen lassen muss oder nicht, daher eine Streitigkeit über einen Anspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellt.
Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen des Bundes sind grundsätzlich mittels einer direkten Klage geltend zu machen. Die herrschende Lehre erachtet dieses Verfahren für Verträge als das adäquatere, weil Verträge grundsätzlich von der Idee von gleichberechtigten Parteien ausgehen und das verfügungsmässige Handeln als Störung des vom materiellen Recht vorgegebenen Gleichgewichtsverhältnisses angesehen wird (vgl. ISABELLE HÄNER, Die Parteien im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, Zürich 2000, Rz. 434, mit Hinweisen; ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Neuenburg 1984, Bd. I, S. 445 f.; THOMAS MÜLLER-TSCHUMI, Leistungsstörungen bei verwaltungsrechtlichen Verträgen, in: Isabelle Häner/Bernhard Waldmann [Hrsg.], Der verwaltungsrechtliche Vertrag in der Praxis, Zürich/Basel/ Genf 2007, S. 85; MARCEL OGG, Die verwaltungsrechtlichen Sanktionen und ihre Rechtsgrundlagen, Zürich/Basel/Genf 2002, S. 63; PAUL RICHLI, Zum verfahrensund prozessrechtlichen Regelungsdefizit beim verfügungsfreien Staatshandeln, Aktuelle Juristische Praxis [AJP] 2/1992, S. 199 ff.).
Zwar wurde unter dem alten Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943 (OG [BS 3 531]) das direkte Klageverfahren vor dem Bundesgericht stark eingeschränkt, was bei einem Teilen der Lehre zu der Annahme führte, das Gemeinwesen habe Ansprüche aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag auf dem Verfügungsweg geltend zu machen (vgl. PIERRE TSCHANNEN/ULRICH ZIMMERLI, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2005, § 34 Rz. 7; FRANK KLEIN, Die Rechtsfolgen des fehlerhaften verwaltungsrechtlichen Vertrags, Zürich 2003,
S. 147 f.). Mit der Einführung des neuen Verwaltungsgerichtsgesetzes
ist die Rechtslage indessen nun insofern geklärt, als darin ausdrücklich vorgesehen ist, dass das Bundesverwaltungsgericht Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen des Bundes auf Klage hin und als erste Instanz beurteilt (vgl. Art. 35 Bst. a VGG). Eine Verfügungskompetenz des Gemeinwesens, welches als Partei am Vertrag beteiligt ist und einen Anspruch geltend machen will, besteht nur, wo ein Bundesgesetz diese ausdrücklich vorsieht (vgl. Art. 36 VGG; Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001 [BBl 2001 4202, 4392]; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines
Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2006, Rz. 1131b; RICHLI, a.a.O., S. 203).
Im vorliegenden Fall sieht das Gesetz keine derartige Verfügungskompetenz der Ausgleichsstelle vor, weshalb das SECO die geforderte Verbuchung eines Malusbetrags selbst mittels Klage hätte geltend machen müssen. Zwar unterscheidet sich das direkte Klageverfahren von einem Beschwerdeverfahren weder bezüglich der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts noch bezüglich dessen Kognition. Unterschiede bestehen jedoch vor allem insofern, als die Rolle einer Verfügungsadressatin und Beschwerdeführerin arbeitsintensiver und risikobehafteter ist als diejenige einer Beklagten, beispielsweise bezüglich der Beschwerdefrist und der Pflicht zur Leistung eines Kostenvorschusses sowie bezüglich der Substantiierungsund Beweislast. Es erscheint daher grundsätzlich als unzulässig, wenn die Vorinstanz durch den Erlass einer Verfügung die in diesem Sinne bequemere Beklagtenrolle für den möglicherweise nachfolgenden Prozess sich selber zuweist und die Beschwerdeführerin damit in die unbequemere Klägerrolle drängt (ISABELLE HÄNER, Der verwaltungsrechtliche Vertrag - Verfahrensfragen, in: Isabelle Häner/Bernhard Waldmann [Hrsg.], Der verwaltungsrechtliche Vertrag in der Praxis, Zürich/Basel/Genf 2007,
S. 44; GRISEL, a.a.O., S. 454; KLEIN, a.a.O., S. 152; RICHLI, a.a.O., S. 199).
Es ergibt sich somit, dass das SECO nicht zuständig war, um die Frage, ob die Beschwerdeführerin einen Malus verbuchen lassen muss oder nicht, per Verfügung zu regeln. Die angefochtene Verfügung ist daher mangels Zuständigkeit der Vorinstanz aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin beantragt in ihren Rechtsbegehren nicht nur die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, sondern - sinngemäss auch ein reformatorisches Urteil mit dem Inhalt, dass sie keinen Malus zu verbuchen habe.
Zu prüfen ist daher, ob es bei richtiger Auslegung der Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin oder aus prozessökonomischen Gründen allenfalls angezeigt ist, die Beschwerde als negative Feststellungsklage an die Hand zu nehmen und - über die reine Aufhebung der angefochtenen Verfügung hinaus - die Frage, ob die Beschwerdeführerin einen Malus zu verbuchen hat oder nicht, materiell zu entscheiden.
Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses kann geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an sofortiger Feststellung hat (Art. 25 des Bundesgesetzes über den Bundeszivilprozess vom 4. Dezember 1947, SR 273,
i.V.m. Art. 44 VGG). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung braucht dieses Interesse jedoch kein rechtliches zu sein, sondern kann auch bloss tatsächlicher Natur sein. Diese Voraussetzung ist namentlich gegeben, wenn die Rechtsbeziehungen der Parteien ungewiss sind und die Ungewissheit durch die richterliche Feststellung behoben werden kann. Dabei genügt nicht jede Ungewissheit; erforderlich ist vielmehr, dass ihre Fortdauer dem Kläger nicht mehr zugemutet werden darf, weil sie ihn in seiner Bewegungsfreiheit behindert (BGE 131 III 319 E. 3.5; BGE 120 II 20 E. 3a; BGE 123 III 414 E. 7b, je mit
Hinweisen). Namentlich bei negativen Feststellungsklagen ist zudem auch auf die Interessen des Beklagten Rücksicht zu nehmen. Wer auf Feststellung klagt, dass eine Forderung nicht besteht, zwingt damit den beklagten Gläubiger zu vorzeitiger Prozessführung. Damit wird die Regel durchbrochen, dass grundsätzlich der Gläubiger und nicht der Schuldner den Zeitpunkt für die Geltendmachung eines Anspruchs bestimmt. Der vorzeitige Prozess kann den Gläubiger benachteiligen, wenn er zur Beweisführung gezwungen wird, bevor er dazu bereit und in der Lage ist (BGE 131 III 319 E. 3.5; BGE 120 II 20 E. 3a).
Mit der Aufhebung der angefochtenen Verfügung wegen der fehlenden Verfügungszuständigkeit der Vorinstanz ist die Beschwerdeführerin nicht mehr beschwert. Inwiefern sie darüber hinaus ein Interesse daran haben sollte, dass über die Begründetheit der Malus-Forderung materiell zum gegenwärtigen Zeitpunkt, und nicht erst in einem vom SECO initiierten Klageverfahren, entschieden wird, ist nicht ersichtlich.
Im vorliegenden Fall ist daher davon abzusehen, die Beschwerde als negative Feststellungsklage aufzufassen und in diesem Sinn dar-
auf einzutreten. Die angefochtene Verfügung des SECO ist deshalb lediglich aufzuheben und das SECO für die Geltendmachung allfälliger Ansprüche aus der Vereinbarung zwischen dem Bund und der Beschwerdeführerin auf den Klageweg zu verweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang ist die Beschwerdeführerin als im Wesentlichen obsiegende Partei aufzufassen, weshalb ihr dementsprechend keine Verfahrenskosten aufzuerlegen sind. Vorinstanzen haben keine Verfahrenskosten zu bezahlen, auch wenn sie unterliegen (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG).
Die Beschwerdeführerin liess sich weder anwaltlich vertreten noch kann sie allfällige weitere notwendige Auslagen im Sinn von Art. 13 des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 21. Februar 2008 (VGKE, SR 173.320.2) geltend machen. Sie hat daher keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 8 VGKE).
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen, soweit darauf eingetreten wird. Die Verfügung des SECO vom
10. September 2007 wird aufgehoben und der Bund wird zur Geltendmachung allfälliger Ansprüche aus der Vereinbarung mit der Trägerschaft der Arbeitslosenkasse X._______ auf den Klageweg verwiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1'500.- wird der Beschwerdeführerin nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils aus der Gerichtskasse zurückerstattet.
Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde; Beilage: Rückerstattungsformular)
die Vorinstanz (Ref-Nr. 2007-07-06/35; Gerichtsurkunde)
Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (Gerichtsurkunde)
Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Eva Schneeberger Stefan Wyler
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42 BGG).
Versand: 6. November 2008
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