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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-6106/2006

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-6106/2006
Datum:03.07.2007
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung (Beschwerden gegen Wiedererwägungsentscheid)
Schlagwörter : Bundes; Verfügung; Kinder; Wegweisung; Beschwerdeführers; Familie; Wiedererwägung; Ehefrau; Schweiz; EMARK; Vollzug; Kindern; Bundesverwaltungsgericht; Praxis; Bundesamt; Vorinstanz; Akten; Grundsatz; Ausländer; Aufenthalt; Urteil; Wiedererwägungsgesuch; Wegweisungsvollzugs; äftig
Rechtsnorm: Art. 179 ZGB ; Art. 29 BV ; Art. 296 ZGB ;
Referenz BGE:109 Ib 251; 126 II 377
Kommentar:
-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abtei lung V E- 6106/2006

gyk/swn

{T 0/2}

Urteil vom 3. Juli 2007

Mitwirkung: Richter Gysi, Galliker, König Gerichtsschreiber Swain

X_______, Mauretanien,

_______,

vertreten durch Y_______,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz

betreffend

Verfügung vom 29. September 2006 i.S. Vollzug der Wegweisung (Wiedererwägung) / N _______
Sachverhalt:
  1. Mit Verfügung vom 1. März 1999 wies das damals zuständige Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) das Asylgesuch des Beschwerdeführers sowie seiner Ehefrau B_______ und der Kinder C_______, D_______ und E_______ vom 25. Juni 1997 ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie deren Vollzug an. Diese Verfügung erwuchs am 20. April 1999 unangefochten in Rechtskraft.

  2. Am 13. Juni 1999 wurde der Sohn F_______ und am 1. Juni 2001 die Tochter G_______ des Beschwerdeführers geboren.

  3. Mit Entscheid des Gerichtskreises H_______ vom 17. Januar 2006 wurde ein Eheschutzgesuch der Ehefrau des Beschwerdeführers gutgeheissen. Es wurde festgestellt, dass der gemeinsame Haushalt der Parteien aufgehoben sei und die eheliche Wohnung der Ehefrau und den Kindern zur alleinigen Nutzung zugewiesen werde. Ferner wurden die Kinder unter die Obhut der Mutter gestellt.

  4. In der Folge wurde ein von der Ehefrau des Beschwerdeführers gestelltes Wiedererwägungsgesuch vom 15. September 2006 vom Bundesamt für Migration (BFM) gutgeheissen und ihr sowie den gemeinsamen Kindern mit Verfügung vom

    28. September 2006 die vorläufige Aufnahme wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs gewährt.

  5. Mit eigenhändiger ans BFM gerichteter Eingabe vom 18. September 2006 ersuchte der Beschwerdeführer ebenfalls sinngemäss um Gewährung der vorläufigen Aufnahme. Zur Begründung führte er aus, dass er sich seit neun Jahren in der Schweiz aufhalte und sich in dieser Zeit um die soziale und berufliche Integration von sich und seinen Kinder bemüht habe. Zudem wäre eine Rückkehr in sein Heimatland mit grossen Schwierigkeiten verbunden, weil er dort über keinen sozialen Rückhalt verfüge. Seine Ehefrau sei wegen der fehlenden Sicherheit nicht bereit, mit ihm nach Mauretanien auszureisen.

  6. Mit Verfügung vom 29. September 2006 wies das Bundesamt für Migration das Wiedererwägungsgesuch des Beschwerdeführers ab und erklärte die Verfügung vom 1. März 1999 für rechtskräftig und vollstreckbar. Zur Begründung führte die Vorinstanz aus, dass eine vorläufige Aufnahme gestützt auf Art. 44 Abs. 3 AsylG nicht in Frage komme, da das Asylgesuch des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden sei und es sich beim vorliegenden Gesuch nicht um ein qualifiziertes Wiedererwägungsgesuch handle, welches die Rechtskraft der ursprünglichen fehlerfreien Verfügung berühren würde. Ferner sei festzustellen, dass die Ehe des Beschwerdeführers getrennt und die Kinder unter die Obhut ihrer Mutter gestellt worden seien. Aus den Akten würden sich keine Anhaltspunkte für ein trotz der Trennung intaktes Familienleben ergeben, aus welchem der Beschwerdeführer

    ein Anwesenheitsrecht ableiten könnte.

  7. Mit Beschwerdeeingabe seiner Rechtsvertreterin vom 1. November 2006 ersuchte der Beschwerdeführer um wiedererwägungsweise Feststellung der Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs und Gewährung der vorläufigen Aufnahme. In formeller Hinsicht ersuchte er um Aussetzung des Vollzugs der Wegweisung. Zur Begründung wies er darauf hin, dass er sich in erster Linie um seine Kinder kümmere. Er habe nach wie vor einen engen Kontakt mit seiner Ehefrau und den Kindern und führe mit diesen ein mehr oder weniger intaktes Familienleben. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er seinen Lebensmittelpunkt seit über neun Jahren in der Schweiz habe. Unter diesen Umständen würde die Trennung von seiner Familie durch die Wegweisung nach Mauretanien einen Verstoss gegen Art. 8 EMRK darstellen.

  8. Mit Zwischenverfügung vom 7. November 2006 hiess der zuständige Instruktionsrichter das Gesuch um Aussetzung des Wegweisungsvollzugs gut und verzichtete aufgrund der Aktenlage auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.

  9. In ihrer Vernehmlassung vom 10. November 2006 hielt die Vorinstanz an ihrer Verfügung fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

  10. Mit Eingabe vom 29. November 2006 reichte der Beschwerdeführer ein Schreiben von Frau E.H. von der Asylsuchende in der Region I_______ betreuenden Organisation "Asyl I_______ und Region" (...) vom 23. November 2006 ein, in welchem das Verhältnis des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau und den Kindern beschrieben wird.

  11. Auf telefonische Aufforderung hin reichte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers mit Telefax-Eingabe vom 27. Juni 2007 eine Kostennote zu den Akten.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in Art. 33 und 34 VGG genannten Behörden. Dazu gehören Verfügungen des BFM gestützt auf das Asylgesetz vom

      26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31); das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in diesem Bereich endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).

    2. Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt, sofern es zuständig ist, am 1. Januar 2007 die Beurteilung der bei der ehemaligen ARK hängigen Rechtsmittel. Das neue Verfahrensrecht ist anwendbar (vgl. Art. 53 Abs. 2 VGG).

    3. Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

2. Die Beschwerde ist formund fristgerecht eingereicht; der Beschwerdeführer ist legitimiert (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 und 50 ff. VwVG). Auf die Beschwerde ist mithin einzutreten.

3.

    1. Die Wiedererwägung wird im Gegensatz zur Revision im VwVG nicht explizit geregelt. Gemäss herrschender Lehre und ständiger Praxis des Bundesgerichts wird jedoch gestützt auf Art. 29 Abs. 1 der Bundesverfassung (BV; SR 101) ein Anspruch auf Wiedererwägung anerkannt, wenn sich der rechtserhebliche Sachverhalt nach einem rechtskräftigen Verwaltungsoder Verwaltungsgerichtsentscheid in entscheidwesentlicher Art und Weise verändert hat (BGE 109 Ib 251 f.; Ursina Beerli-Bonorand, Die ausserordentlichen Rechtsmittel des Bundes und der Kantone, Zürich 1985, S. 178). Nach ständiger, vom Bundesverwaltungsgericht weitergeführter Praxis der ARK (Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1995 Nr. 21 S. 202 f.) wird der Begriff der Wiedererwägung in mehrdeutigem Sinn verwendet, wobei im Wesentlichen drei Konstellationen erfasst werden.

      1. In seiner ersten Bedeutung stellt sich ein Wiedererwägungsgesuch als blosser Rechtsbehelf dar, auf dessen Behandlung durch die verfügende Behörde kein Anspruch besteht.

      2. In der zweiten Bedeutung meint der Begriff der Wiedererwägung den Widerruf einer unangefochten gebliebenen, formell rechtskräftigen Verfügung, die sich als ursprünglich fehlerhaft erweist (vgl. Praxis der ARK in EMARK 2003 Nr. 17 E. 2a S 103 f.). Analog zur gesetzlichen Regelung von Art. 66 VwVG leitet die Praxis dabei unmittelbar aus Art. 29 Abs. 1 BV einen Anspruch auf Wiedererwägung ab, sofern Revisionsgründe geltend gemacht werden können.

      3. In seiner letzten und vorliegend interessierenden Bedeutung schliesslich bezeichnet der Begriff der Wiedererwägung die Anpassung einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung an nachträglich eingetretene Veränderungen der Sachlage, demnach die Neuregelung eines Rechtsverhältnisses, welche der neu eingetretenen Sachlage Rechnung trägt (vgl. Praxis der ARK in EMARK 2003 Nr. 7 E. 1 S. 42 f.). Dabei ist unbedeutend, ob die ursprüngliche Verfügung unangefochten geblieben oder in einem ordentlichen Rechtsmittelverfahren angefochten worden ist.

      4. Eine Wiedererwägung fällt jedoch dann nicht in Betracht, wenn lediglich eine neue Würdigung der beim früheren Entscheid bereits bekannten Tatsachen herbeige-

führt werden soll oder Gründe angeführt werden, die bereits in einem ordentlichen Beschwerdeverfahren gegen die frühere Verfügung hätten geltend gemacht werden können (vgl. EMARK 2003 Nr. 17 E. 2b S. 104).

4. Da der Beschwerdeführer sowohl in seinem Wiedererwägungsgesuch als auch in der Beschwerde einzig betreffend die Frage des Vollzugs der Wegweisung eine Neubeurteilung verlangt hat, beschränkt sich vorliegend die Prüfung auf das Vorhandensein allfälliger Vollzugshindernisse.

5.

    1. Bei der Anordnung des Wegweisungsvollzuges ist der Grundsatz der Einheit der Familie zu berücksichtigen (Art. 44 Abs. 1 AsylG). Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so regelt das BFM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG). Der Vollzug der Wegweisung ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise des Ausländers in seinen Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 14a Abs. 3 ANAG); insbesondere darf niemand in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem sein Leib, sein Leben oder seine Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet sind oder in dem die Gefahr besteht, dass er zur Ausreise in ein solches Land gezwungen wird (Art. 5 Abs. 1 AsylG); weiter darf gemäss Art. 3 EMRK niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt werden. Der Vollzug der Wegweisung kann insbesondere nicht zumutbar sein, wenn er für den Ausländer eine konkrete Gefährdung darstellt (Art. 14a Abs. 4 ANAG). Schliesslich ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, wenn der Ausländer weder in seinen Herkunftsoder Heimatstaat noch in einen Drittstaat verbracht werden kann (Art. 14a Abs. 2 ANAG).

    2. Es wurde rechtskräftig festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt. Die Verfügung des BFF vom 1. März 1999 ist diesbezüglich unangefochten geblieben und in Rechtskraft erwachsen (vgl. oben, Bst. A). Eine Rückkehr ins Heimatland würde daher das in Art. 5 AsylG und Art. 33 FK verankerte Refoulement-Verbot nicht verletzen, setzen diese Bestimmungen doch voraus, dass die in Art. 3 AsylG und Art. 1 Abschnitt A FK umschriebene Flüchtlingseigenschaft erfüllt ist (vgl. WALTER KÄLIN, Das Prinzip des non-refoulement; Das Verbot der Zurückweisung, Ausweisung und Auslieferung von Flüchtlingen in den Verfolgerstaat im Völkerrecht und im schweizerischen Landesrecht, Bern/Frankfurt

      a.M. 1982, S. 270 ff.). Aus den Akten gehen auch keine Anhaltspunkte dafür hervor, dass der Beschwerdeführer für den Fall einer Ausschaffung nach Mauretanien dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt würde.

      Im Weiteren kann der Beschwerdeführer vorliegend kein Aufenthaltsrecht aus Art. 8 EMRK ableiten; denn gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung wird für einen aus dieser Bestimmung abgeleiteten Rechtsanspruch von Ausländern auf Bewilligung des Aufenthalts in der Schweiz vorausgesetzt, dass nahe Verwandte

      über ein gefestigtes Aufenthaltsrecht in der Schweiz - nämlich das Schweizer Bürgerrecht, eine Niederlassungsbewilligung oder eine Aufenthaltsbewilligung, die ihrerseits auf einem festen Rechtsanspruch beruht - verfügen (vgl. EMARK 2001 Nr. 21 E. 8c S. 174; BGE 126 II 377 E. 2b; 125 II 633 E. 2c, mit weiteren Hinweisen). Diese Voraussetzung ist jedoch im Falle des Beschwerdeführers, dessen Ehefrau und Kinder in der Schweiz lediglich über eine vorläufige Aufnahme verfügen, nicht erfüllt.

    3. Nachdem der Ehefrau und den Kindern des Beschwerdeführers von der Vorinstanz mit Verfügung vom 28. September 2006 die vorläufige Aufnahme gewährt wurde, ist ferner zu prüfen, ob er aus dem Grundsatz der Einheit der Familie etwas zu sei - nen Gunsten ableiten kann. Die Bestimmung von Art. 44 Abs. 1 AsylG geht über die Tragweite von Art. 8 EMRK hinaus und beinhaltet, dass die vorläufige Aufnahme des einen Familienmitglieds in der Regel auch zur vorläufigen Aufnahme von dessen Familie führt (vgl. Praxis der ARK in EMARK 2004 Nr. 12 E. 7b S. 77, 1995 Nr. 24). Wenn Art. 44 Abs. 1 AsylG statuiert, bei der Anordnung der Wegweisung und des Wegweisungsvollzuges sei der Grundsatz der Einheit der Familie zu berücksichtigen, so liegt dieser Norm derselbe Familienbegriff zu Grunde, wie ihn das Asylgesetz in Art. 51 AsylG verwendet. Dass das Asylgesetz betreffend die Familieneinheit bei der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft einerseits und bei der Anordnung der Wegweisung und des Wegweisungsvollzugs andererseits in personeller Hinsicht einen einheitlichen Familienbegriff verwendet, hat die ARK (bezogen auf die Bestimmungen von Art. 3 Abs. 3 und Art. 7 beziehungweise Art. 17 Abs. 1 altAsylG) in ihrem Grundsatzentscheid vom 6. November 1995 festgehalten (vgl. EMARK 1995 Nr. 24 S. 225 ff. insbes. S. 227 f.). Die seither erfolgten Revisionen des Asylgesetzes haben diesbezüglich keine inhaltlichen Änderungen der Rechtslage mit sich gebracht; die bisherige Praxis der Kommission kann mithin weiterhin Geltung beanspruchen. Gemäss Art. 51 AsylG erfasst der Familienbegriff des Asylgesetzes im Regelfall den Ehepartner und die minderjährigen Kinder (vgl. Art. 51 Abs. 1 AsylG).

    4. Ein Abweichen vom Grundsatz der Einheit der Familie ist jedoch in gewissen Fällen denkbar, beispielsweise wenn das betreffende Familienmitglied wegen Delinquenz die Voraussetzungen von Art. 14a Abs. 6 ANAG erfüllt oder wenn die Berufung auf Art. 44 Abs. 1 AsylG missbräuchlich erscheint (EMARK 2004 Nr. 12 E. 7c S. 77 f.).

      Vorliegend ergibt sich aus den Akten, dass auf Antrag der Ehefrau des Beschwerdeführers mit Urteil des Gerichtspräsidenten des Gerichtskreises H_______ vom

      17. Januar 2006 gestützt auf Art. 175 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom

      10. Dezember 1907 (ZGB, SR 210) der gemeinsame Haushalt des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau mit den Kindern aufgehoben wurde und die Kinder in der Obhut der Mutter leben. Zwar wurde diese Massnahme ohne zeitliche Befristung angeordnet. Die Eheschutzmassnahme ist aber nicht definitiver Natur und kann, falls der Grund weggefallen ist, jederzeit wieder aufgehoben werden (Art. 179 Abs. 1 ZGB); im Falle der Wiederaufnahme des Zusammenlebens der Ehegatten fällt sie gar ohne weiteres dahin (Art. 179 Abs. 2 ZGB). Nachdem im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass weitergehende Schritte zur Auflösung ihrer Ehe (Ehescheidung oder gerichtliche Trennung) beabsichtigt sind, ist zu schliessen, dass keine dauerhafte Trennung der ehelichen Gemeinschaft des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau gegeben ist. Für diese Einschätzung spricht auch, dass zwar die Obhut über die Kinder der Mutter zugesprochen wurde, aber die elterliche Sorge (Art. 296 ff. ZGB) nach wie vor beiden Eltern obliegt. Diesbezüglich ist dem Schreiben des Vereins „Asyl I_______ und Region“ (ABR) vom 23. November 2006 zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer sich um die Betreuung der Kinder kümmere und eine wichtige Ansprechperson für die Schule und die Behörden sei, da seine Ehegattin alleine mit diesen Aufgaben überfordert wäre. Zudem sei es wieder zu einer Annäherung zwischen den beiden Ehegatten gekommen. Zwar stehen diese Aussagen im Gegensatz zu den Erwägungen im Urteil des Gerichtskreises H_______ vom 17. Januar 2006, in welchem ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer habe keinen Kontakt zu seinen Kindern und kümmere sich nicht um diese. Es ist jedoch festzustellen, dass diese damaligen Angaben alleine auf den Aussagen der Ehefrau des Beschwerdeführers beruhten und offensichtlich - wenn überhaupt glaubhaft - zeitlich überholt sind. Die Ausführungen im Schreiben der ABR vom 23. November 2006 machen dies deutlich. Diese Organisation, die beide Parteien betreut und die familiäre Situation aus nächster Nähe und neutral beurteilen kann, muss als verlässlich beurteilt werden. In Anbetracht dieser Umstände kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im heutigen Zeitpunkt trotz des getrennten Wohnsitzes zu seinen Kindern engen Kontakt hat und sich um das Fortbestehen des Familienlebens bemüht. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von der Konstellation in dem von der ARK publizierten Urteil EMARK 2004 Nr. 12, in welchem der Einbezug in die vorläufige Aufnahme abgelehnt wurde, nachdem das Ehescheidungsverfahren (definitive Auflösung der Ehe) eingeleitet worden war und der den Einbezug begehrende Ehegatte zwischenzeitlich für rund drei Jahre in sein Heimatland zurückgekehrt war.

      Zusammenfassend ist festzustellen, dass vorliegend aufgrund des weiterhin bestehenden Familienzusammenhalts keine Ausnahme vom Grundsatz der Einheit der Familie gerechtfertigt erscheint und der Beschwerdeführer daher in die seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern gewährte vorläufige Aufnahme gemäss Art. 44 Abs. 1 AsylG einzubeziehen ist.

    5. Schliesslich bleibt noch das Vorliegen von Ausschlussgründen im Sinne von Art. 14a Abs. 6 ANAG zu prüfen. Diese Bestimmung, welche voraussetzt, dass "der wegoder ausgewiesene Ausländer die öffentliche Sicherheit und Ordnung verletzt hat oder in schwerwiegender Weise gefährdet", ist nach der Praxis der ARK mit Zurückhaltung und insbesondere unter Beachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips anzuwenden (vgl. EMARK 2003 Nr. 3 E. 3a S. 26 f., 2004 Nr. 39

E. 5.3. S. 271). Der Beschwerdeführer wurde mit Strafmandaten des Untersuchungsrichteramtes J_______ vom 30. Mai 2002, 18. März 2003 und 16. Januar 2004 wegen Reisens ohne gültigen Fahrausweis jeweils zu einer Busse von Fr. 60.-, Fr. 180.- respektive Fr. 200.- verurteilt. Angesichts der Tatsache, dass es sich dabei nur um geringfügige Vergehen handelt und das Verhalten des Beschwerdeführers seither zu keinen Klagen mehr Anlass gegeben hat, rechtfertigt sich im vorliegenden Fall die Anwendung der Ausschlussklausel von 14a Abs. 6 ANAG nicht, denn es kann in den erwähnten Verfehlungen keine im Sinne

dieser Bestimmung schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Schweiz erblickt werden.

  1. In Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ist somit nach dem Gesagten vorliegend wiedererwägungsweise auf die Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs aufgrund einer wesentlich veränderten Sachlage seit der Rechtskraft der Verfügung des BFF vom 1. März 1999 zu schliessen.

  2. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt (vgl. Art. 106 Abs. 1 Bst. a AsylG). Die Beschwerde ist daher gutzuheissen, die Verfügung des Bundesamtes vom 29. September 2006 aufzuheben und dieses anzuweisen, den Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Schweiz nach den Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme zu regeln.

  3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Verfahrenskosten zu erheben (vgl.

    Art. 63 VwVG).

  4. Dem Beschwerdeführer ist in Anwendung von Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 11. Dezember 2006 (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihm notwendigerweise entstandenen Parteikosten zuzusprechen. Diese wird unter Berücksichtigung der als angemessen zu erachtenden Kostennote seiner Rechtsvertreterin vom 27. Juni 2007 auf Fr. 300.-- (inklusive Auslagen und Mehrwertsteueranteil) festgesetzt.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
  1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Bundesamts vom 29.

    September 2006 wird aufgehoben.

  2. Das BFM wird angewiesen, den Beschwerdeführer - in teilweiser Wiedererwägung der Verfügung vom 1. März 1999 - vorläufig aufzunehmen.

  3. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

  4. Das BFM hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 300.-- (inkl. MWSt) zu entrichten.

  5. Dieses Urteil geht an:

    • die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers, 2 Expl. (eingeschrieben)

    • die Vorinstanz, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, mit den Akten (Ref.-Nr. N _______)

- M_______ des Kantons X_______

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Gysi Swain

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