Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-4728/2007 |
Datum: | 27.09.2007 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Alter; Beschwerdeführer; Beschwerdeführers; Vorinstanz; Person; Anhörung; Gehör; Verfügung; Recht; Minderjährigkeit; Verfahren; Knochenalter; Bundesverwaltungsgericht; Zeitpunkt; Sinne; Identität; Anspruch; Akten; Geburt; Verfahrens; Parteien; Untersuchung; Vernehmlassung; Institut; Universität; Geburtsdatum |
Rechtsnorm: | Art. 12 VwVG ;Art. 17 VwVG ;Art. 18 VwVG ;Art. 26 VwVG ;Art. 29 BV ;Art. 30 VwVG ;Art. 63 VwVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung IV
D-4728/2007/zom/umk
Besetzung
Parteien
Gegenstand
Richter Martin Zoller (Vorsitz), Richter Fulvio Haefeli,
Richter Bendicht Tellenbach, Gerichtsschreiberin Katarina Umegbolu.
vertreten durch Dominik Heinzer, (...), Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 6. Juni 2007 / (...).
Der Beschwerdeführer verliess den Heimatstaat eigenen Angaben zufolge (...) 2004 und gelangte am (...) 2005 in die Schweiz, wo er am darauf folgenden Tag im Empfangszentrum Z._______ um Asyl nachsuchte. Am (...) fand dort die summarische Erstbefragung statt.
Am (...) April 2005 wurde im Auftrag des BFM am Kantonsspital Z._______ in der Radiologieabteilung eine radiologische Untersuchung der linken Hand des Beschwerdeführers zwecks Altersbestimmung durchgeführt. Der ärztliche Bericht ergab, dass das abgebildete Handskelett entsprechend den Tabellen von Greulich und Pyle ein abgeschlossenes Knochenwachstum aufwies. Das Knochenalter betrage damit mindestens 16 Jahre. Am (...) Mai 2005 teilte das BFM dem Beschwerdeführer im Rahmen einer als "rechtliches Gehör" betitelten Anhörung mit, es hege Zweifel an seinen Altersangaben. Der Beschwerdeführer wurde angefragt, ob er mit einer Altersbestimmungsanalyse einverstanden sei. Der Beschwerdeführer bekundete sein Einverständnis. Am (...) Mai 2005 führte das vom BFM beauftragte Institut für Rechtsmedizin der Universität Z._______ eine Altersbestimmung beruhend auf dem Dreisäulenprinizip, das heisst einer Röntgenaufnahme der linken Hand, einer ganzheitlichen körperlichen Untersuchung sowie einer zahnärztlichen Beurteilung durch. Zusammenfassend ergaben die Befunde, dass ein Alter des Beschwerdeführers unter 18 Jahren nicht habe sicher ausgeschlossen werden können. Das aus dem angegebenen Geburtsdatum zur Zeit der Untersuchungen errechnete chronologische Alter von 17 Jahren und 1 Monat habe aufgrund der Untersuchungsergebnisse daher nicht sicher widerlegt werden können.
Am (...) Juni 2005 hörte die zuständige kantonale Behörde den Beschwerdeführer zu seinen Asylgründen und dem Reiseweg an.
Mit Verfügung vom 6. Juni 2007 - eröffnet am 11. Juni 2007 - lehnte das BFM das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab und ordnete gleichzeitig dessen Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an. Zur Begründung führte die Vorinstanz im Wesentlichen aus, die
Vorbringen des Beschwerdeführers hielten den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit nicht stand, weshalb ihre Asylrelevanz nicht geprüft werden müsse; ausserdem sei der Vollzug der Wegweisung zulässig, zumutbar und möglich.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vom 11. Juli 2007 beantragte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei festzustellen, dass die Flüchtlingseigenschaft erfüllt sei und es sei ihm Asyl zu gewähren. Subeventualiter sei wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges die vorläufige Aufnahme auszusprechen. In prozessualer Hinsicht sei auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten und die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren. Auf die Begründung wird, soweit entscheidwesentlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Mit Zwischenverfügung vom 17. Juli 2007 teilte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mit, dass er den Ausgang des Beschwerdeverfahrens in der Schweiz abwarten könne. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wurde auf den Endentscheid verwiesen und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses wurde verzichtet.
Das BFM hielt in seiner Vernehmlassung vom 25. Juli 2007 vollumfänglich an der angefochtenen Verfügung fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Mit Schreiben vom 8. August 2007 übermittelte der Rechtsvertreter die Kostennote für die getätigten Bemühungen im Beschwerdeverfahren.
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom
20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Das Bundesamt für Migration (BFM) gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine Ausnahme, was das Sachgebiet angeht, ist nicht gegeben (Art. 32 VGG). Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet in diesem Bereich endgültig (Art. 105 des Asylgesetzes vom
26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesge-
richtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
Mit Beschwerde können die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Die Beschwerde ist formund fristgerecht eingereicht; der Beschwerdeführer ist legitimiert (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 und 50 ff. VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Vernehmlassung des BFM vom 25. Juli 2007 wurde dem Beschwerdeführer bis anhin nicht zur Stellungnahme unterbreitet. Da der Beschwerde in casu jedoch im Rahmen des Verfahrensgegenstandes entsprochen wird, sieht das Bundesverwaltungsgericht aus Gründen der Prozessökonomie gestützt auf Art. 30 Abs. 2 Bst. c VwVG von einem weiteren Schriftenwechsel in diesem Zusammenhang ab. Die erwähnte Vernehmlassung wird dem Beschwerdeführer zusammen mit dem vorliegenden Urteil zur Kenntnis gebracht.
In seiner Rechtsmitteleingabe rügt der Beschwerdeführer vorab, gemäss den Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) - EMARK 2004 Nr. 31 - habe die Vorinstanz die Resultate einer Knochenaltersbestimmung der asylsuchenden Person im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs offen zu legen. Dies sei im vorliegenden Verfahren indessen nicht erfolgt. Das rechtliche Gehör sei ihm lediglich zur (bereits ohnehin schon zuvor angeordneten) Durchführung einer Altersanalyse am rechtmedizinischen Institut der Universität Z._______ gewährt worden. Auch anlässlich der kantonalen Befragung habe man ihn mit den Befunden der Analyse vom (...) Mai 2005 nicht konfrontiert, was eine klare Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstelle. Er habe folglich nie die Gelegenheit erhalten, das Altersgutachten zu widerlegen, weshalb auch nicht ausgeschlossen werden könne, dass er im Zeitpunkt der kantonalen Anhörung am (...) Juni 2005 noch minderjährig gewesen sei. Sogar die anwesende Hilfswerkvertreterin habe im Anschluss an das kantonale Protokoll schriftlich darauf hingewiesen, dass er, der Beschwerdeführer, gemäss ihrer persönlichen Überzeugung sein richtiges Geburtsdatum angegeben habe und somit noch nicht volljährig sei. Es sei ihm damit zu Unrecht keine Vertrauensperson zugewiesen worden, was eine Verletzung von Art. 17 Abs. 3 AsylG darstelle. Eine Vertrauensperson habe ihm damit bei der kantonalen Anhörung keine beigestanden. Aufgrund der dargelegten Verfahrensfehler sei eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zwecks Neubeurteilung, namentlich der Wiederholung der Anhörung, daher angezeigt.
In ihrer Vernehmlassung hält die Vorinstanz den Ausführungen des Beschwerdeführers im Wesentlichen entgegen, dass dieser sein Geburtsdatum nach wie vor nicht belegt habe. Hinsichtlich der Zweifel an dessen Altersangaben sei dem Beschwerdeführer gemäss Akte (...) das rechtliche Gehör gewährt worden. Das rechtsmedizinische Gutachten habe das vom Beschwerdeführer angegebenen Alter weder bestätigen noch widerlegen können. Indessen lägen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass der Bescherdeführer zum Zeitpunkt der Anhörung "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" minderjährig gewesen sei. Im Sinne der Mitwirkungspflicht sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, seine Identität und sein Alter durch geeignete Papiere zu belegen, was er bis heute nicht getan habe. Ferner ergäben die Vorgeschichte des Beschwerdeführers als auch dessen stringente Aussagen anlässlich der kantonalen Anhörung, dass dieser urteilsfähig gewesen sei. Selbst unter der wenig wahrscheinlichen Annahme, die Altersangaben träfen zu, sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nahe der Volljährigkeit gestanden habe.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 VwVG), welcher auch im Asylverfahren Anwendung findet (Art. 6 AsylG), umfasst im weiten Sinn das Recht einer Person, in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren mit ihren Begehren angehört zu werden, Akteneinsicht zu erhalten und zu den für den Entscheid wesentlichen Punkten Stellung nehmen zu können (vgl. Art. 18 und Art. 26-33 VwVG). Gemäss dem in Art. 26 ff VwVG geregelten Akteneinsichtsrecht ist den Parteien grundsätzlich Einsicht in sämtliche Aktenstücke zu gewähren, welche geeignet sind, in einem konkreten Verfahren als Beweismittel zu dienen. Die vom BFM in Auftrag gegebenen Knochenaltersbestimmungen stellen schriftliche Auskünfte im Sinne von Art. 49 des Bundesgesetzes vom
4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess (BZP, SR 273) i.V.m. Art. 19 VwVG dar und sind grundsätzlich geeignet, als Beweismittel zu dienen. Die Altersanalysen - Gutachten im Sinne von Art. 12 Bst. e VwVG - unterliegen damit, wie alle Dokumente, welche als Beweismittel fungieren, besonderen formellen Anforderungen. So ist den betroffenen Personen beispielsweise das Recht zu gewähren, nachträglich zum Gutachten Stellung zu nehmen sowie dessen Erläuterung oder Ergänzung oder aber eine neue Begutachtung zu beantragen (EMARK 1998 Nr. 34 E. 6 S. 285 f.).
Die Vorinstanz vertritt in ihrer Vernehmlassung die Ansicht, dem Beschwerdeführer sei gemäss Akte (...) das rechtliche Gehör "hinsichtlich der Zweifel an seinem tatsächlichen Alter" gewährt worden. Insofern die Vorinstanz dabei auf die Feststellung des Befragers im Protokoll vom (...) Mai 2005 anspielt, wonach dieser dem Beschwerdeführer mitteilt, es bestünden Zweifel an dessen Alter, trifft die Auffassung der Vorinstanz wohl zu. Mitnichten stellt indessen die Anschlussfrage nach dem Einverständnis des Beschwerdeführers zur Vornahme einer Altersbestimmung die Gewährung rechtlichen Gehörs hinsichtlich der Resultate einer Knochenaltersanalyse dar, zumal die diesbezüglichen Untersuchungen am rechtsmedizinischen Institut der Universität Z._______ erst drei Tage später durchgeführt wurden. Im Weiteren ergibt eine Durchsicht des kantonalen Befragungsprotokolls, dass auch anlässlich der kantonalen Anhörung die Befunde der Altersuntersuchungen dem Beschwerdeführer nie zur Stellungnahme unterbreitet wurden. Es steht somit fest, dass das BFM den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt hat.
Der Anspruch auf rechtliche Gehör ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts formeller Natur. Er besteht unabhängig davon, ob er im konkreten Fall für den Ausgang des materiellen Entscheids von Bedeutung ist oder nicht. Das hat zur Folge, dass die Missachtung des Gehörsanspruchs grundsätzlich zur Aufhebung des deswegen beanstandeten Entscheides führt, selbst wenn dieser bei Gewährung des rechtlichen Gehörs offensichtlich nicht anders ausgefallen wäre. Gemäss Praxis des Bundesgerichts besteht indessen die Möglichkeit, dass die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren geheilt wird, wenn die Rekursinstanz mit gleicher Kognition entscheidet und den Betroffenen die gleichen Mitwirkungsrechte zustehen. Das Vorhandensein einer derartigen reformatorischen Möglichkeit gilt es nachfolgend zu prüfen:
In seiner Rechtmitteleingabe rügt der Beschwerdeführer nicht nur, zu den Resultaten der Knochenaltersbestimmung vom (...) Mai 2005 kein rechtliches Gehör erhalten zu haben, sondern auch, dass die Vorinstanz es versäumt habe, ihm eine rechtskundige Vertrauensperson zu ernennen, dies obwohl seine Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der kantonalen Anhörung nicht habe widerlegt werden können. Auch dieses Vorgehen des BFM stelle einen schweren Verfahrensfehler dar.
Diesbezüglich ist zunächst zu bemerken, dass das BFM in der angefochtenen Verfügung neben einer Auflistung diverser Geburtsdaten im Rubrum bei den Personalienangaben des Beschwerdeführers und der Feststellung im Sachverhalt, eine Knochenaltersbestimmung sei am (...) Mai 2005 vom rechtsmedizinischen Institut der Universität Z._______ durchgeführt worden, sich in keiner ihrer Erwägungen mit der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers auseinandersetzt. Erst in der Vernehmlassung vom 25. Juli 2007 stellt die Vorinstanz fest, zwar habe das Altersgutachten die Altersangabe des Beschwerdeführers weder bestätigen noch widerlegen können, doch sei aufgrund der Vorgeschichte als auch der Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Asylgründen von der Urteilsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen und Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Anhörung minderjährig gewesen sei, seien nicht vorhanden.
Den Ausführungen der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden. Entgegen der vorinstanzlichen Ansicht erscheint die im Zeitpunkt der kantonalen Anhörung behauptete Minderjährigkeit des Beschwerdeführers nicht als unwahrscheinlich. So legte die Schweizerische Asylrekurskommission (ARK) in EMARK 2004 Nr. 30 diesbezüglich Prüfmechanismen fest, welche der Vorinstanz im Hinblick auf den Nachweis der Volljährigkeit einer asylsuchenden Person zur Verfügung stehen. Dabei gilt es zur Präzisierung der Beweislastverteilung zunächst festzuhalten, dass grundsätzlich die asylsuchende Person die Beweislast für die behauptete Minderjährigkeit - welche zumindest glaubhaft erscheinen muss - von Anfang trägt und nicht etwa ab dem Zeitpunkt, in dem allfällige Indizien gegen die geltend gemachte Minderjährigkeit sprechen. Allerdings wirkt sich dieser Grundsatz erst dann zu Ungunsten der betreffenden Person aus, wenn die Behauptung der Minderjährigkeit tatsächlich unbewiesen bleibt, d.h. weder der asylsuchenden Person der Nachweis der Minderjährigkeit noch der Behörde derjenige der Volljährigkeit gelingt. Gestützt auf Art. 12 VwVG i.V.m. Art. 6 AsylG ist im Rahmen des Asylverfahrens der Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen. Die behördliche Untersuchungspflicht findet an der der asylsuchenden Person gemäss Art. 8 AsylG auferlegten Mitwirkungspflicht ihre Grenzen. Der Asylsuchende hat somit seine Identität offen zu legen und Reisepapiere sowie Identitätsausweise abzugeben. Im Hinblick auf die Altersabklärung stehen den beteiligten Parteien die in Art. 12 Bst. a - e VwVG aufgezählten Beweismittel zur Verfügung, welche dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung unterliegen. Für die Beurteilung des Alters einer asylsuchenden Person fallen demzufolge in erster Linie von der Person selbst abgegebene oder von den Behörden auf andere Weise erlangte und für echt befundene Identitätspapiere in Betracht, d.h. Urkunden im Sinne von Art. 12 Bst. a VwVG, denen ein hoher Beweiswert zukommt. Liegen keine schlüssigen Identitätsdokumente vor, stehen dem Bundesamt „wissenschaftliche Methoden“ betreffend die Altersabklärung zur Verfügung, worunter auch die so genannte Knochenaltersanalyse fällt (vgl. dazu ausführlich EMARK 2000 Nr. 19). Allerdings kommt einem dadurch erhaltenen Abklärungsergebnis, sofern es überhaupt als Entscheidungsgrundlage taugt, nur ein äusserst beschränkter Beweiswert zu, vermag eine Knochenaltersanalyse doch gemäss Rechtsprechung der ARK dem Nachweis der Volljährigkeit erst dann zu genügen, wenn zwischen dem festgestellten Knochenalter und dem behaupteten chronologischen Alter eine Abweichung von drei Jahren und mehr besteht (vgl. EMARK 2001 Nr. 23). Ein Resultat in diesem Sinne bedeutet ferner lediglich, dass die betreffende Person über ihr wahres Alter getäuscht hat. Eine wissenschaftlich zuverlässige Aussage hinsichtlich der Frage, ob eine Person das 18. Altersjahr tatsächlich bereits erreicht hat, ist aufgrund
einer Knochenaltersanalyse indessen nicht möglich. Demgegenüber sind gewisse Rückschlüsse auf das Alter einer asylsuchenden Person allenfalls auch aufgrund ihres äusseren Erscheinungsbildes möglich. Allerdings kann mit dieser Methode das Alter nur sehr grob geschätzt werden und eine eindeutige Schlussfolgerung über die Volljährigkeit ist nur dann denkbar, wenn das Alter der betreffenden Person ganz klar ausserhalb des Grenzbereiches liegt. Angesichts des geringen Beweiswertes der beiden zuletzt genannten Beweismittel steht der Vorinstanz schliesslich eine vierte Methode zur Verfügung, welcher in aller Regel entscheidende Bedeutung zukommt. Dabei sind bei der vorfrageweisen Prüfung des Alters einer ihre Minderjährigkeit behauptenden asylsuchenden Person deren Angaben einerseits zu ihrem Alter selbst und andererseits zur unterbliebenen Identitätspapierabgabe zu würdigen. Bei den betreffenden Angaben handelt es sich um Parteiauskünfte im Sinne von Art. 12 Bst. b VwVG, die frei auf ihre Glaubhaftigkeit hin zu würdigen sind.
Es steht aufgrund der Aktenlage fest, dass der Beschwerdeführer bis dato keinerlei Identitätspapiere eingereicht hat. Die Altersbestimmung des Rechtsmedizinischen Instituts der Universität Z._______ ergab ferner, dass eine Minderjährigkeit des Beschwerdeführers gestützt auf den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht ausgeschlossen werden konnte. Das aufgrund des angegebenen Geburtsdatum errechnete, choronologische Alter des Beschwerdeführers von 17 Jahren und 1 Monate habe anhand der Untersuchungsbefunde nicht sicher widerlegt werden können. Das äussere Erscheinungsbild des Beschwerdeführers erwies sich sodann aufgrund seines jugendlichen Aussehens gleichfalls als untauglich, eine zuverlässige Alterseinschätzung zu Gunsten einer allfälligen Volljährigkeit herbeizuführen. Es bleibt damit die Abwägung der Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seines Alters und dem Grund seiner Papierlosigkeit.
Diesfalls geht aus den vorinstanzlichen Protokollen (Akten ... und ...) hervor, dass der Beschwerdeführer sein Geburtsdatum stets gleichlautend auf den (...) (... gemäss afghanischem Kalender) datiert hat. Im Widerspruch dazu steht einzig die Angabe des Beschwerdeführers im Festnahmerapport der Kantonspolizei Z._______ vom (...) (vgl. Akte ...), worin festgehalten wird, der Beschwerdeführer sei am (...) geboren. Der Beschwerdeführer bezeichnet diese Datumsangabe indessen als irrtümlich erfolgt, was
angesichts der Unerfahrenheit mit der hiesigen Zeitrechnung nicht a priori unglaubhaft erscheint. Am (...) April 2005 erfolgte sodann die erste Knochenaltersbestimmung am Kantonsspital Z._______, in deren Folge das BFM das Geburtsdatum des Beschwerdeführers ohne Gewährung des rechtlichen Gehörs auf den (...) zurückdatierte. Ungeachtet dessen hielt der Beschwerdeführer weiterhin an seiner Altersangabe fest. Im Weiteren gab der Beschwerdeführer an, im Jahr (...) (...) mit der Schule aufgehört zu haben, wobei er drei Jahre lang die Grundschule besucht habe. In Afghanistan, würden die Kinder im
6. beziehungsweise 7. Lebenjahr eingeschult (vgl. Akte ...). Eine Rückrechnung der Angaben des Beschwerdeführers schliesst diesfalls dessen Geburt im Jahre (...) nicht aus. Den Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinem Alter lassen sich somit keine Hinweise entnehmen, welche gegen seine Minderjährigkeit sprechen würden. Selbst die anlässlich der kantonalen Anhörung anwesende Hilfwerkvertreterin hielt die Minderjährigkeit des Beschwerdeführer nicht für unwahrscheinlich. Sodann erscheinen auch die Vorbringen des Beschwerdeführers, weshalb er keine Identitätspapiere habe beibringen können, auf den ersten Blick nicht unstimmig (vgl. Akte ...). Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht ist dem Beschwerdeführer somit nicht vorzuwerfen und die Feststellung der Vorinstanz in ihrer Stellungnahme vom 25. Juli 2007, Anhaltspunkte für die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers lägen keine vor, lässt sich nicht stützen. Die vorgenannten Überlegungen führen mithin zur Schlussfolgerung, dass die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der kantonalen Anhörung vom (...) Juni 2005 nicht ausgeschlossen werden konnte.
Gemäss Art. 17. Abs. 3 VwVG ist einer unbegleiteten minderjährigen Person nach Zuweisung an einen Kanton für die Dauer des Verfahren unverzüglich eine Vertrauensperson zuzuweisen, welche die Rechte des Minderjährigen wahrnimmt. Zeichnet sich ab, dass die zuständige Behörde vormundschaftliche Massnahmen gar nicht oder nicht innerhalb vernünftiger Zeit anordnen wird, und hat der unbegleitete Minderjährige selbst keine rechtskundige Person zur Wahrung seiner Interessen beigezogen, ist die mit der Anhörung gemäss Art. 15 AsylG befasste Behörde verpflichtet, gegebenenfalls über das BFM sicherzustellen, dass einem unbegleiteten Minderjährigen von Amtes wegen eine rechtskundige Person beigeordnet wird, bevor die Anhörung zu den Asylgründen durchgeführt wird.
Wie aus den vorliegenden Akten hervorgeht, wurde dem Beschwerdeführer - trotz unwiderlegter Minderjährigkeit - vor der Anhörung zu den Asylgründen von Amtes wegen keine rechtskundige Person beigeordnet. Dadurch hat das BFM den dem Beschwerdeführer zustehenden Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung verletzt (Art. 29 Abs. 3 BV). Die Nichtbeachtung dieses Anspruchs stellt eine Verfahrensverletzung schwerwiegender Natur dar, deren Heilung durch das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen ist (vgl. EMARK 2004 Nr. 31 E. 6.4.5.; 2002 Nr. 15 E. 6a;
1999 Nr. 3 E. 3c).
Zusammenfassend ergibt sich, dass das BFM die rechtlichen Verfahrensgarantien des Beschwerdeführer auf schwerwiegende Weise verletzt hat. Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer weder zu den Ergebnissen der Altersanalyse vom (...) Mai 2005 des rechtsmedizinischen Instituts der Universität Z._______ das rechtliche Gehör gewährt, noch dem im Zeitpunkt der kantonalen Anhörung minderjährigen Beschwerdeführer eine rechtskundige Vertrauensperson beigeordnet, wie dies gemäss Art. 17 Abs. 3 AsylG ihre Pflicht gewesen wäre. Die Aussagen des Beschwerdeführers im kantonalen Protokoll vom (...) Juni 2005 sind folglich nicht verwertbar, weshalb der Beschwerdeführer unter Einhaltung der relevanten gesetzlichen Bestimmungen im Sinne von Art. 29 AsylG erneut anzuhören ist. Die angefochtene Verfügung ist deshalb aufzuheben und im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beschwerde wird mithin gutgeheissen, soweit die Aufhebung der angefochtenen Verfügung beantragt wird.
Bei dieser Sachlage erübrigt sich die Prüfung, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Gutheissung der Anträge gemäss den Ziffern 3 und 4 der Beschwerdeschrift vorliegend erfüllt wären.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Verfahrenskosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG). Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wird somit gegenstandslos.
Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen Kosten (Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 11. Dezember 2006 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer mit seinem Hauptbegehren durchgedrungen. Der in der eingereichten Kostennote vom 8. August 2007 geltend gemachte Arbeitsaufwand von 6 Stunden und 30 Minuten sowie die Auslagen von total Fr. 125.-- erscheinen als angemessen. Somit ist dem Beschwerdeführer von der Vorinstanz in Anwendung der vorgenannten Bestimmung sowie unter Berücksichtigung der in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (vgl. Art. 8 ff. VGKE) bei einem Stundeansatz von Fr. 150.-- eine Parteientschädigung von Fr. 1'100.-- (inkl. MwSt.) auszurichten.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung beantragt wird.
Die Verfügung des BFM vom 6. Juni 2007 wird aufgehoben. Die Akten werden zur Weiterführung des Asylverfahrens an das BFM zurückgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Das BFM hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1'100.-- auszurichten.
Dieses Urteil geht an:
den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (eingeschrieben; Beilage: Vernehmlassung des BFM vom 25. Juli 2007)
die Vorinstanz, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung (Kopie), mit deren Akten (Ref.-Nr. ...)
- (...)
Der Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Martin Zoller Katarina Umegbolu
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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