Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung III |
Dossiernummer: | C-1279/2006 |
Datum: | 04.12.2007 |
Leitsatz/Stichwort: | Bundesbeiträge für den Straf- und Massnahmenvollzug |
Schlagwörter : | Bundes; Anerkennung; Stiftung; Gesuch; Gallen; Verfügung; Abteilung; Betrieb; Voraussetzung; Auflage; Kinder; Quot;; Voraussetzungen; Recht; Vorinstanz; Institution; Finanzierung; Betriebsbeiträge; Kanton; Zweck; Abteilungen; Sinne; Gesuche; Verfahren |
Rechtsnorm: | Art. 33 BGG ;Art. 48 VwVG ;Art. 49 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ; |
Referenz BGE: | 124 II 193; 133 II 263 |
Kommentar: | - |
Abteilung II I C-1279/200 6
Besetzung
Parteien
Gegenstand
Richter Antonio Imoberdorf (Kammerpräsident),
Richterin Ruth Beutler, Richter Blaise Vuille, Gerichtsschreiber Rudolf Grun.
handelnd durch den Präsidenten der Stiftung und den Geschäftsführer des K._______ St. Gallen,
gegen
Heimanerkennung in Bezug auf das S._______ St. Gallen.
Der Kanton St. Gallen übertrug der privatrechtlichen Stiftung O._______ (Beschwerdeführerin) im September 2001 die Aufgabe, ab
1. Januar 2002 das K._______ zu errichten und zu betreiben. Gemäss Portrait ist das K._______ ein eigenständiger Betrieb der vorgenannten Stiftung und besteht aus den Abteilungen Anlaufund Beratungsstelle , S._______ und Bettenstation . Das S._______, das seinen Betrieb im Oktober 2002 aufgenommen hat, bietet Kindern und Jugendlichen von etwa 6 bis 18 Jahren, die in der Familie oder im sozialen Umfeld psychische, physische und sexuelle Gewalt erleben oder einer solchen Bedrohung und/oder Gefährdung ausgesetzt sind, sofortige Hilfe, Schutz und Sicherheit (vgl. Portrait der Abteilung S. _____ vom 1. März 2003).
Mit Verfügung vom 31. Juli 2003 erteilte das Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen Frau B._______ (pädagogische Leiterin des S._______) die Betriebsbewilligung. Die Bewilligung gilt für die Aufnahmekapazität von acht Kindern bzw. Jugendlichen und ist auf die Dauer von fünf Jahren befristet.
Am 29. August 2003 reichte die Verbindungsstelle des Kantons St. Gallen namens der Trägerschaft beim BJ das Gesuch ein, das S._______ als beitragsberechtigte Erziehungseinrichtung im Sinne des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 1984 über die Leistungen des Bundes für den Strafund Massnahmenvollzug (LSMG; SR 341) zu anerkennen. Am 5. Dezember 2003 lehnte das BJ dieses Gesuch nach Überprüfung der eingereichten Unterlagen ab und stellte eine beschwerdefähige Verfügung in Aussicht, was vom Geschäftsführer des K._______ mit Schreiben vom 11. Dezember 2003 denn auch verlangt wurde.
Mit Verfügung vom 19. Dezember 2003 lehnte die Vorinstanz das Gesuch um Anerkennung des S._______ des K._______ St. Gallen als beitragsberechtigte Erziehungseinrichtung im Sinne des LSMG, der dazugehörenden Verordnung vom 29. Oktober 1986 über die Leistungen des Bundes für den Strafund Massnahmenvollzug (LSMV; SR
341.1) sowie der Beitragsrichtlinien des BJ ab.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Stiftungszweck der Stiftung O._______ erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen nicht. Gemäss Art. 3 Abs. 2 Bst. a LSMG müsse der Hauptzweck einer privaten Trägerschaft in der Führung eines Heimes für Kinder und Jugendliche liegen, die strafrechtlich eingewiesen oder in ihrem Sozialverhalten erheblich gestört seien. Der Zweck (Führung eines Kinderschutzzentrums) sei zu weit gefasst (Bettenstation, ambulante Anlaufund Beratungsstelle und das S._______). Das Gesuch um Anerkennung betreffe einzig das S._______. Der erwähnte Stiftungszweck enthalte keinerlei Verpflichtungen zur Führung eines S._______. Diese Abteilung müsste eigenständig im Stiftungszweck aufgeführt sein. Die organisatorische Eingliederung lasse eindeutig auf einen medizinischen Hintergrund des S.______ schliessen. Da das gesamte Kinderschutzzentrum und auch die Abteilung S._______ sehr eng mit dem Kinderspital arbeiteten, werde die konzeptionelle Ausrichtung durch das medizinische Umfeld geprägt. Das S._______ sei ebenfalls in seinem Erscheinungsbild nach aussen hin eindeutig eine Einrichtung der Opferhilfe und des Medizinalbereiches. Ferner sei der pädagogische Auftrag nicht ausgewiesen. Auch würde die stationäre Betreuung und die Beratung bzw. die Fallführung nicht zwingend von derselben Person wahrgenommen. Gemäss Konzept könne die fallführende Person von der Anlaufund Beratungsstelle, dem S._______ oder einer externen Behörde sein. Aus diesem Grund habe das Kind im S._______ keine Bezugsperson, sondern eine Koordinationsperson. Die Heimleiterin verfüge sodann über keine Ausbildung gemäss Art. 5 Bst. a und b LSMV. Die pädagogische Leitung sei der Heimleiterin hierarchisch unterstellt und übernehme somit nicht die Funktion der Heimleitung. Gemäss Mitarbeitendenliste vom August 2003 betrage zudem die Quote an ausgebildetem Personal 65,38%. Damit sei die zwingende Voraussetzung der Zweidrittelsquote gemäss Art. 3 Bst. d LSMV nicht erfüllt. Ausserdem habe die für das BJ relevante kantonale Verbindungsstelle wenig Einblick in die Institution, weil diese dem Gesundheitsdepartement unterstellt sei, welches auch die Bewilligung erteilt habe und für die Aufsicht zuständig sei. Im Übrigen sei die Finanzierung der Ausserkantonalen nicht geregelt, da die Institution nicht auf der Liste der interkantonalen Heimvereinbarung figuriere. Damit bestehe ein Risiko hinsichtlich einer längerfristig, gesicherten Finanzierung. Schliesslich gehe aus den Unterlagen nicht hervor, inwiefern die drei Abteilungen des K._______ finanziell voneinander unabhängig seien. Diese Unabhängigkeit sei für die Subventionierung gemäss
LSMG unabdingbar, da sonst nicht garantiert werden könne, dass die Subventionierung nur für die anerkannte Abteilung erfolge. Der Verweis in Kapitel 8.4 der Botschaft und des Entwurfs der Regierung vom 18. April 2001 zum Grossratsbeschluss über den Staatsbeitrag an das K._______ St. Gallen, wonach die ambulante Anlaufund Beratungsstelle integrierter Bestandteil des S._______ sei, weise darauf hin, dass die organisatorische und finanzielle Unabhängigkeit nicht gegeben sei. Der Grossratsbeschluss (recte: die Botschaft) weise ebenfalls darauf hin, dass im Kostenbereich mögliche Synergien auszuschöpfen seien. Diese Organisationsstrukturen verhinderten die Gewissheit, dass die ambulante Abteilung und die Bettenstation nicht mit subventioniert würden.
Mit Eingabe vom 21. Januar 2004 beantragt die Beschwerdeführerin, handelnd durch den Stiftungspräsidenten und den Geschäftsleiter des K._______ St. Gallen, beim Beschwerdedienst des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartementes die Anerkennung des S. _____ St. Gallen als beitragsberechtigte Erziehungseinrichtung im Sinne des LSMG und der LSMV. Eventualiter sei die ablehnende Verfügung aufzuheben und die Sache an das BJ zwecks Neubeurteilung zurückzuweisen. In diesem Fall sei dem K._______ eine angemessene Frist einzuräumen, um die geforderten Anpassungen vornehmen zu können und allenfalls vom BJ noch einzufordernde Dokumente nachzureichen. In der Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht, die Stiftung O._______ sei ein musterhaftes Beispiel für eine Institution, die eine interkantonale, interdisziplinäre Aufgabe in privatrechtlicher Form durch Leistungsaufträge der beteiligten Gemeinwesen effizient, unbürokratisch und unter Einbezug von Ehrenamtlichkeit und privaten Spenden erfülle, ohne durch die üblichen interdepartementalen Kompetenzkonflikte und Reibungsverluste behindert zu werden. Grundlage für die Aufnahme des K._______ in den Stiftungszweck sei der Beschluss des Grossen Rates des Kantons St. Gallen Nr. 37.01.01 (sGS 325.919) gewesen. Auch wenn der Zweckbestimmungsartikel in der Stiftungsurkunde zu weit gefasst sei, seien doch die Aussagen im GRB und im Konzept des K._______ sehr klar. Das Reglement des K._______ enthalte klar die Verpflichtung zur Führung des S._______. Im Sinne des stufengerechten Aufbaus sei deshalb diese Verpflichtung in der Stiftungsurkunde nicht explizit erwähnt. Das K._______ sei ferner eine eigenständige Institution, die zum Wohle des Kindes den ganzheitlichen Ansatz und die integrale Betrachtungsweise anwende.
Dazu gehöre u.a. auch die medizinische Betrachtung. Obwohl das Kinderspital und das K._______ eng zusammenarbeiten würden, habe die Institution Kinderspital keine Weisungsbefugnis gegenüber dem K._______. Die Aussage des BJ, das S._______ sei in seinem Erscheinungsbild nach aussen eindeutig eine Einrichtung der Opferhilfe und des Medizinalbereichs, entbehre jeder Grundlage. Auch die Behauptung, die Anlaufund Beratungsstelle (ABS) und das S._______ würden ihre Leistungsaufträge gemeinsam umsetzen, sei haltlos. Das S._______ sei eine stationäre Einrichtung, die ABS eine ambulante. Synergien würden wo immer möglich genutzt, was aber keinen Bezug zum Case-Management habe. In jedem Fall habe jedes Kind und jeder Jugendliche im S._______ eine interne Bezugsperson. Dass das S._______ unter dualer Führung (pädagogischer und administrativer) stehe, treffe zu. Diese Konstellation erlaube es, die pädagogische Leiterin weitgehend von administrativen Aufgaben zu entlasten, damit sie sich primär ihren Kernaufgaben widmen könne. Die "unité de doctrine" sei durch die enge Zusammenarbeit der beiden Leitungspersonen gewährleistet. Im Übrigen sei das Argument, wonach die Zweidrittelsquote des erzieherisch tätigen Personals mit einer Ausbildung im Sinne von Art. 5 Bst. a bis c LSMV um 1.3% unterschritten werde, formalistisch. Gemäss Art. 3 Bst. d LSMV könne nämlich in Ausnahmefällen vorübergehend von der Erfüllung der Zweidrittelsquote abgesehen werden. Zudem sei nicht nachvollziehbar, wie das BJ zur Äusserung gelange, die Stellungnahme des kantonalen Amtes für Soziales (AfSo) sei entsprechend unverbindlich bzw. das AfSo habe wenig Einblick in die Institution. Es handle sich dabei um eine willkürliche Mutmassung allein aufgrund der Tatsache, dass AfSo und K._______ zwei verschiedenen Departementen unterstellt seien. Dass das S._______ gegenwärtig nicht auf der interkantonalen Heimvereinbarungsliste figuriere, treffe zu. Die Belegungsstatistik zeige aber, dass die ausserkantonalen Kinder nicht massgeblich zur Finanzierung des S._______ beitragen würden. Über den Grossratsbeschluss sei die langfristige Finanzierung auch ohne die ausserkantonalen Kinder/Jugendlichen gesichert. Letztlich bestehe auch keine Gefahr, dass Bundesbeiträge aus der Anerkennung als Justizheim zu Quersubventionierung anderer Bereiche verwendet würden. Die Abteilungen des K._______ würden aus Sicht Finanzen/Controlling als Profit-Centers absolut getrennt voneinander geführt. Mitarbeitende mit Mandaten in mehreren Abteilungen würden prozentual klar den einzelnen Abteilungen zugewiesen. Buchhaltung
und Controlling seien jederzeit einsehbar und für Kontrollen ohne weiteres zugänglich.
Das BJ beantragt in seiner Vernehmlassung vom 26. Februar 2004 die Abweisung der Beschwerde. Einleitend legt das BJ dar, dass das Bundesgesetz vom 19. Dezember 2003 über das Entlastungsprogramm 2003 (EP03; AS 2004 1633 ff.) in Ziffer I 5 ein Anerkennungsmoratorium für Neuanerkennungen bis ins Jahr 2008 vorsehe (Art. 19a LSMG). Es sei geplant, die erwähnte Bestimmung rückwirkend auf den
1. Januar 2004 in Kraft zu setzen. Aufgrund des bevorstehenden Moratoriums hätten sämtliche hängigen Gesuche per Ende 2003 abschliessend beurteilt werden müssen. Ferner verweist die Vorinstanz nochmals auf die fehlenden objektiven Anerkennungskriterien zum Zeitpunkt der ablehnenden Verfügung (insb. Stiftungszweck, Ausbildung der Heimleitung, Nichterfüllung der Zweidrittelsquote an ausgebildetem Personal, fehlende kantonale Planung, nicht gesicherte Finanzierung).
In der Replik vom 24. März 2004 hält die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen und der Begründung vollumfänglich fest. Ergänzend wird ausgeführt, dass sich das EP03, welches im Übrigen noch nicht in Kraft sei, nicht zu noch laufenden Anerkennungsverfahren für Institutionen, die das Gesuch noch vor dem 1. Januar 2004 eingereicht hätten, äussern würde. In einem ordentlichen Verfahren hätten innert kürzester Zeit Nachbesserungen wie Aufnahme des Zwecks in der Stiftungsurkunde, Umorganisation der Heimleitung und Erfüllung der Zweidrittelsquote erfolgen können. Das BJ sei aber offensichtlich von Anfang an an einer Anerkennung des S._______ nicht interessiert gewesen.
Auf die weitere Begründung wird soweit entscheiderheblich in den Erwägungen eingegangen.
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden
gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in Art. 33 und Art. 34 BGG genannten Behörden. Dazu gehören Verfügungen des Bundesamtes für Justiz (BJ) betreffend Anerkennung der Beitragsberechtigung (Art. 9a LSMV i.V.m. Art. 31 und Art. 33 Bst. d VGG). Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (vgl. Art. 37 VGG).
Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt, sofern es zuständig ist, die bei Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsgesetzes bei Eidgenössischen Rekursoder Schiedskommissionen oder bei Beschwerdediensten der Departemente hängigen Rechtsmittel. Für die Beurteilung gilt das neue Verfahrensrecht (vgl. Art. 53 VGG).
Die Beschwerdeführerin ist legitimiert; auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 48 ff. VwVG).
Der Bund gewährt unter bestimmten Voraussetzungen Betriebsbeiträge an besondere erzieherische Aufwendungen öffentlicher und privater gemeinnütziger Einrichtungen (Art. 5 LSMG). Der Bundesrat bestimmt in sinngemässer Anwendung von Art. 3 LSMG (Voraussetzungen für Beiträge an Neu-, Ausund Umbauten) die Voraussetzungen für Ausrichtung von Betriebsbeiträgen (vgl. Art. 6 Abs. 1 LSMG). In Art. 3 LSMV werden die Voraussetzungen aufgezählt, unter denen der Bund Betriebsbeiträge an Einrichtungen für Kinder und Jugendliche und an Arbeitserziehungsanstalten (Heime) ausrichtet. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Bauund Betriebsbeiträge werden nur an Heime ausgerichtet, die als beitragsberechtigt anerkennt werden (Art. 10 Abs. 1 LSMV).
Das Gesetz (vgl. Art. 6 Abs. 2 LSMG) sieht ausdrücklich vor, dass die Gewährung von Betriebsbeiträgen (und somit die Anerkennung) von weiteren Voraussetzungen (Bedingungen) abhängig gemacht oder mit Auflagen verbunden werden kann. Bei der Auflage handelt es sich um die mit einer Verfügung verbundene zusätzliche Verpflichtung (Nebenbestimmung) zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen. Voraussetzungen für den Erlass von Nebenbestimmungen sind die gesetzliche Grundlage und die Verhältnismässigkeit. Im Unterschied zur Bedingung hängt die Rechtswirksamkeit der Verfügung nicht davon ab, ob die Auflage erfüllt wird oder nicht. Wird der Auflage nicht nachgelebt, kann sie selbständig durchgesetzt werden. In diesem Rahmen kann die Nichterfüllung einer Auflage auch einen Grund für den Widerruf einer Verfügung darstellen (U. HÄFELIN / G. MÜLLER / F. UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich, Basel, Genf 2006, Rz. 913 ff.). Die gesetzliche Grundlage ergibt sich vorliegend nicht nur aus der vorerwähnten Bestimmung sondern sinngemäss auch aus dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck (vgl. insbesondere Art. 3 Abs. 1 Bst. d und f LSMV, wo von "Ausnahmefällen" und von einem "vorübergehenden Absehen" einer Voraussetzung die Rede ist. Zwar handelt es sich bei Art. 6 Abs. 2 LSMG um eine Kann-Vorschrift. Das heisst aber nicht, dass es im Belieben der anwendenden Behörde liegt, ob sie eine Verfügung von Bedingungen abhängig macht oder mit Auflagen verbindet. Sie ist gehalten, ihr Ermessen pflichtgemäss auszuüben bzw. die notwendigen sachlichen Unterscheidungen zu treffen und den besonderen Umständen des konkreten Falles angemessene Rechtsfolgen zuzuordnen. Wo das Gesetz wie hier im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit die Behörde anweist, die dem konkreten Sachverhalt angemessene Regelung zu treffen, darf sie sich davon nicht dispensieren. Entscheidet die Behörde entgegen dem gesetzlichen Auftrag schematisch und sieht davon ab, Ermessen walten zu lassen, liegt eine Ermessensunterschreitung und somit eine Rechtsverletzung vor (vgl. U. HÄFELIN / G. MÜLLER / F. UHLMANN, a.a.O., Rz. 470 f.; FRITZ GYGI, Bundes-
verwaltungsrechtspflege, 2 Aufl., Bern 1983, S. 314).
Gemäss Art. 3 Abs. 1 Bst. a LSMV setzt die Gewährung von Betriebsbeiträgen seitens des Bundes voraus, dass eine kantonale oder interkantonale Planung des Strafund Massnahmenvollzugs oder der Jugendhilfe den Bedarf für das Heim nachweist. Eine solche Planung liegt offensichtlich nicht vor, was vom K._______ auch nicht bestritten wird. Hingegen verweist das K._______ in seiner Replik vom 24. März 2004 auf andere Justizheime im Kanton St. Gallen, die trotz fehlender kantonaler Planung vom BJ anerkannt worden seien. Ob diesbezüglich ein Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot vorliegt, kann jedoch offen gelassen werden. Die entsprechende Planung hätte möglicherweise als Bedingung der Anerkennung nachgefordert werden können.
Auf jeden Fall hätte die Vorinstanz entsprechende Abklärungen treffen müssen.
Nach Art. 3 Abs. 2 Bst. a LSMG liegt bei privaten Einrichtungen (hier die Stiftung O._______) einer ihrer Hauptzwecke im Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Das S._______ als solches ist im Stiftungszweck aber nicht erwähnt. Auf Beschwerdeebene wird diesbezüglich geltend gemacht, der Auftrag des S._______ leite sich auch aus einem Erlass der kantonalen Gesetzesstufe ab (Grossratsbeschluss vom 8. November 2001 über den Staatsbeitrag an das Kinderschutzzentrum St. Gallen; sGS 325.919), wobei die Detaillierung des Zwecks im Reglement des K._______ erwähnt sei. Zu Recht hält das BJ diesbezüglich fest, dass aus Gründen der Dauerhaftigkeit einer Institution der Auftrag zur Führung des S._______ verbindlich im Stiftungszweck aufgeführt werden muss, was in casu nicht der Fall ist. Im besagten Grossratsbeschluss selbst wird im Gegensatz zur Botschaft der Regierung vom 18. April 2001 das S._______ ebenfalls nicht erwähnt. In diesem Punkt sowie bei der Erfüllung der Zweidrittelsquote (Art. 3 Abs. 1 Bst. d LSMV) in Bezug auf die geforderte Ausbildung (Art. 5 Bst. a-b LSMV), bei der Ausbildung der Heimleitung, der gesicherten Finanzierung und der inhaltlichen und organisatorischen Beanstandungen (u.a. Gefahr einer Quersubventionierung der anderen Abteilungen des K._______) hätte die Verfügung betreffend Anerkennung des S._______ mit entsprechenden Auflagen verbunden werden können, zumal das K._______ sowohl in der Beschwerde (Eventualantrag) als auch in der ergänzenden Stellungnahme vom 24. März 2004 Nachbesserungen angeboten und somit die Bereitschaft signalisiert hat, gewisse Auflagen (Aufnahme des Zwecks zur Führung des S._______ in der Stiftungsurkunde, Umorganisation der Heimleitung, Erfüllung der Zweidrittelsquote durch eine Personalmutation) für die Anerkennung des S._______ als beitragsberechtigte Erziehungseinrichtung zu erfüllen.
Im Übrigen ist der Einwand des BJ, das S._______ sei eine Einrichtung, welche auf Opferhilfe ausgerichtet sei, auch nicht nachvollziehbar, zumal selbst dann, wenn die Voraussetzungen gemäss Opferhilfegesetz gegeben sind, die Anwendbarkeit der Gesetzgebung über die Leistungen des Bundes für den Strafund Massnahmenvollzug nicht ausgeschlossen ist (vgl. Art. 9 Abs. 1 LSMV). In seiner Vernehmlassung vom 26. Februar 2004 erklärt sich das BJ denn auch bereit, diesen Sachverhalt im Rahmen eines neuen Gesuchs zu prüfen. Dasselbe sichert die Vorinstanz in Bezug auf die Frage der geforderten Eigenständigkeit des S. _____ innerhalb des K._______ zu. Ausserdem kann die Gefahr einer Quersubventionierung anderer Bereiche durch eine transparente Buchführung, welche die Arbeiten für die einzelnen Abteilungen und die Finanzströme getrennt erfasst, praktisch ausgeschlossen werden. Abgesehen davon führt die interdisziplinäre Zusammenarbeit und somit die Nutzung der Synergien zwischen den einzelnen Abteilungen des K._______ wie auf Beschwerdeebene zu Recht ausgeführt zu einer allseitigen Kostenoptimierung und -reduktion, was sich auch auf die Höhe allfälliger Bundesbeiträge für das S._______ auswirken dürfte.
Das BJ beanstandet ferner, dass die Finanzierung des Betriebes nicht gesichert sei (vgl. Art. 3 Abs. 2 Bst. c LSMG), weil weder eine Defizitgarantie des Kantons vorliege noch die Institution auf der interkantonalen Heimvereinbarungsliste figuriere. Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin geltend, die Finanzierung des S._______ sei im Beschluss des Grossen Rates des Kantons St. Gallen über den Staatsbeitrag an das K._______ St. Gallen geregelt. Die Finanzierung sei über die Gemeinden und den Kanton St. Gallen gesichert und basiere auf Art. 36 ff. des kantonalen Sozialhilfegesetzes (sGS 381.1), wobei das Defizit des S._______ zu gleichen Teilen vom Kanton und von den Gemeinden getragen werde.
Tatsächlich gilt die Regelung des kantonalen Sozialhilfegesetzes nur in Bezug auf die innerkantonalen Heiminsassen. Mit einer entsprechenden Defizitgarantie bezüglich der Ausserkantonalen (als Auflage bei der Anerkennungsverfügung aufzunehmen) kann jedoch insgesamt von einer gesicherten Finanzierung ausgegangen werden.
Wie bereits dargelegt, entspräche in casu eine Anerkennungsverfügung mit Auflagen, die ohne weiteres und innert nützlicher Frist erfüllt werden können, dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Eine derart mit Auflagen verbundene Verfügung ist auch verhältnismässig und geeignet, da es gerade im vorliegenden Verfahren mit diesen zahlreichen, komplexen Voraussetzungen, welche es für eine Anerkennung braucht, auf andere Weise praktisch nicht zu bewerkstelligen wäre, ausser man zögert die Verfügung immer wieder hinaus, bis sämtliche Voraussetzungen zu 100 Prozent erfüllt sind. Gemäss eigenen Angaben hat das BJ einer Gesuch stellenden Institution bisher denn auch unbeschränkte Zeit eingeräumt, die Anerkennungsvoraussetzungen zu erfüllen, wobei in vielen Fällen nach Einreichung eines Gesuches ein
jahrelanger Prozess stattfand, der oft nach Erfüllung aller Kriterien zur Anerkennung der Beitragsberechtigung führte. Indem das BJ nicht einmal prüfte, ob eine Anerkennung unter Bedingungen oder Auflagen in Frage kommt, hat es eine Ermessensunterschreitung begangen.
Das BJ stellt sich überdies auf den Standpunkt, aufgrund des Anerkennungsmoratoriums sei es verpflichtet gewesen, das vorliegende Gesuch per Ende 2003 abschliessend zu beurteilen.
Der gestützt auf das EP03 per 1. Januar 2004 rückwirkend in Kraft gesetzte Art. 19a LSMG besagt, dass für die Dauer vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2007 keine neuen Gesuche zur Gewährung von Betriebsbeiträgen nach Art. 5 LSMG eingereicht werden können. Ausgenommen sind Gesuche für neue Heimtypen, die nach dem Jugendstrafgesetz vom 20. Juni 2003 zu erstellen sind, was für das S._______ nicht zutrifft. Gemäss Art. 16a Abs. 1 LSMV ist das neue Recht für alle im Zeitpunkt seines Inkrafttretens hängigen Gesuche um Anerkennung der Beitragsberechtigung und um noch nicht zugesicherte Baubeiträge im Sinne des Gesetzes anwendbar. Während die Botschaft zum EP03 vom 2. Juli 2003 (vgl. BBl 2003 5647 ff.) und der Titel von Art. 19a LSMG von einem Anerkennungsmoratorium sprechen, ergibt sich aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung, dass das Moratorium in der besagten Zeitspanne lediglich für die Einreichung von neuen Gesuchen gilt.
Gesetze sind in erster Linie aus sich selbst heraus, d.h. nach Wortlaut, systematischer Stellung, Sinn und Zeck und den ihnen zugrunde liegenden Wertungen, aber auch nach der Entstehungsgeschichte auszulegen. Auszugehen ist vom Wortlaut, doch kann der Wortlaut einer Norm nicht allein massgebend sein. Besonders wenn der Text unklar ist oder verschiedene Deutungen zulässt, muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung weiterer Auslegungselemente, wie namentlich der Entstehungsgeschichte der Norm und ihrem Zweck. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen (BGE 133 II 263 E. 7.2 S. 273 mit Hinweisen, BVGE 2007/7 55 E. 4 S.
58 f.) und nur dann allein auf das grammatikalische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei eine sachlich richtige Lösung ergab (BGE 124 II 193 E. 5a S. 199 mit Hinweisen).
Eine systematische Auslegung (Zusammenhang mit anderen Vorschriften) führt zu keinem Ergebnis, weil Art. 19a LSMG wie viele
andere Bestimmungen aus verschiedenen Rechtsgebieten in einem Paket (Bundesgesetz über das Entlastungsprogramm 2003) zusammengefasst wurden. Aus der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) ergeben sich Hinweise dafür, dass ein Moratorium für Neuanerkennungen gemeint war (vgl. BBl 2003 5647 ff. sowie Referat "Justizheime in Bewegung" von Dr. Priska Schürmann, Sektion Strafund Massnahmenvollzug des BJ, anlässlich der GV INTEGRAS vom 7. Mai 2003 in Lausanne). Wenig hilfreich sind in diesem Zusammenhang die parlamentarischen Beratungen zum EP03. Sowohl im Nationalals auch im Ständerat gab Art. 19a LSMG zu keinen Diskussionen Anlass. Bei der Frage nach dem Sinn und Zweck (teleologische Auslegungsmethode) wird auf die Wertungen, die einem Gesetz oder einer einzelnen Bestimmung zugrunde liegen, abgestellt. Sinn und Zweck von Art. 19a LSMG im Zusammenhang mit dem EP03 ist unter Beizug der obgenannten Quellen sicher, dass während vier Jahren keine Betriebsbeiträge an neue Heime entrichtet werden müssen, was wohl am besten mit einem Anerkennungsmoratorium erreicht werden kann. Allerdings ging auch das BJ, welches die Massnahme "Moratorium für Neuanerkennungen" vorgeschlagen hat, davon aus, dass damit im Jahre 2004 noch keine Einsparungen erzielt werden (vgl. BBl 2003 5647 sowie Referat "Justizheime in Bewegung", a.a.O., S. 7). Nach der grammatikalischen Auslegung geht es nicht um ein Verbot der Anerkennung von neuen Heimen sondern darum, dass für die Dauer vom
1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2007 keine neuen Gesuche zur Gewährung von Betriebsbeiträgen eingereicht werden können. Gesuche, die wie im vorliegenden Fall vor dem 1. Januar 2004 eingereicht wurden, sind davon eindeutig nicht betroffen. Diese Auslegung führt wenn auch mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung ebenfalls zu einer Einsparung für eine bestimmte Zeitdauer und kommt daher dem Sinn und Zweck (keine Ausrichtung von Betriebsbeiträgen an neue Heime während vier Jahren) sehr nahe.
Da der Text von Art. 19a LSMG klar ist und keine verschiedenen Deutungen zulässt, ist in casu auf das grammatikalische Element abzustellen, zumal sich daraus auch eine sachlich richtige Lösung ergibt, die dem Sinn und Zweck der Bestimmung weitgehend entspricht. Für die grammatikalische Auslegung bei einer derart unmissverständlichen Formulierung spricht auch, dass von den Adressaten einer solchen Bestimmung nicht verlangt werden kann, in den Gesetzesmaterialen nach einer allfälligen anderen Deutung zu forschen. In einem solchen
Fall muss man sich auf den klaren Wortlaut einer Bestimmung verlassen können.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Vorinstanz mit der Nichtanerkennung des S._______ als beitragsberechtigte Erziehungseinrichtung Bundesrecht verletzt hat (Art. 49 Bst. a VwVG). Die Beschwerde ist daher gutzuheissen, die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache zur weiteren Behandlung des Gesuchs im Sinne der vorstehenden Erwägungen zurückzuweisen.
In Anwendung von Art. 63 Abs. 1 in fine VwVG sind der nur teilweise obsiegenden Beschwerdeführerin keine Verfahrenskosten aufzuerlegen. Gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung sind unterliegende Bundesbehörden von Verfahrenskosten befreit. Eine Parteientschädigung gemäss Art. 64 Abs. 1 VwVG ist der Beschwerdeführerin nicht zuzusprechen, sind ihr doch keine notwendigen und verhältnismässig hohen Kosten erwachsen.
Dispositiv Seite 14
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die angefochtene Verfügung wird aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Behandlung des Gesuchs im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Gerichtsurkunde; Akten Ref-Nr. [...] zurück)
das K._______ St. Gallen (A-Post)
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Der Kammerpräsident: Der Gerichtsschreiber:
Antonio Imoberdorf Rudolf Grun
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42 BGG).
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