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Entscheid des Bundesstrafgerichts: SK.2023.3 vom 09.04.2024

Hier finden Sie das Urteil SK.2023.3 vom 09.04.2024 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids SK.2023.3

Der Bundesstrafgerichtshof hat den Fall BB.2024.1 abgewiesen, in dem eine Beschwerde gegen einen Entschädigungsentscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen eingebracht wurde. Die Beschwerdeführerin beantragte, ihr Honorar für das kantonale Beschwerdeverfahren von 33,6 Stunden zu kürzen auf 18 Stunden, was der obergerichtlichen Begründung zuzüglich Auslagen und MwSt. nicht entsprochen wurde. Der Einzelrichter hat die Beschwerde gutgeheissen und die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin Rechtsanwältin A. im Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 13. Dezember 2023 aufgehoben. Die Entschädigung für das kantonale Beschwerdeverfahren beträgt Fr. 5'207,20 und die Gerichtsgebühr von Fr. 500,00. Der Obergericht hat die Beschwerdeführerin eine reduzierte Prozessentschädigung von Fr. 500,00 aufgehoben, da sie Anspruch auf eine halbe Prozessentschädigung hat.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

SK.2023.3

Datum:

09.04.2024

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Honorar; Obergericht; Beschwerde; Recht; Entschädigung; Entscheid; Bundes; Stunden; Stellung; Stellungnahme; Aufwand; Verteidiger; Replik; Verfahren; Verfahren; Verteidigung; Staatsanwaltschaft; Kanton; Apos;; Verteidigerin; Kantons; Schaffhausen; Akten; Gericht; Bundesstrafgericht; Beschwerdeantwort; Bundesstrafgerichts; Honorarnote; Ermessen

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 104 StPO ;Art. 135 StPO ;Art. 283 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 31 ZPO ;Art. 393 StPO ;Art. 395 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 7 BGG ;

Referenz BGE:

139 IV 179; 140 IV 213; 141 I 124; 141 I 70; 141 IV 187; 143 IV 40; 144 III 368; ;

Entscheid des Bundesstrafgerichts

BB.2024.1

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2024.1

Verfügung vom 9. April 2024 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Daniel Kipfer Fasciati, als Einzelrichter,

Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

Rechtsanwältin A.,

Beschwerdeführerin

gegen

Obergericht des Kantons Schaffhausen,

Beschwerdegegner

Gegenstand

Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Art. 135 Abs. 3 StPO)

Sachverhalt:

A. Die Staatsanwaltschaft Schaffhausen (nachfolgend «StA») führt gegen B., C. und gegen D., letzterer vertreten durch Rechtsanwältin A. (nachfolgend: «RA A.»), eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf Menschenhandel, Förderung der Prostitution und Pornographie.

B. Mit Verfügung vom 25. Februar 2022 genehmigte das Kantonsgericht Schaffhausen (nachfolgend «Kantonsgericht») die Verwendung von Zufallsfunden im Verfahren gegen C. oder weitere Personen; und mit Verfügung vom 16. März 2022 die Überwachung eines Telefonanschlusses, der auf die Mutter von C. lautete (vgl. nicht paginierte kantonale Akten, insb. Beschwer—de an das Obergericht vom 30. März 2023, S. 3). Mit Schreiben vom 16. März 2023 informierte die StA RA A. im Sinne von Art. 279 Abs. 1 und Art. 283 Abs. 1 StPO über den Zufallsfund und über die Observation (vgl. kantonale Akten).

C. Mit Eingabe vom 30. März 2023 erhob RA A. für ihren Klienten Beschwerde beim Obergericht des Kantons Schaffhausen (nachfolgend: «Obergericht») und beantragte, dass die als Zufallsfund bzw. durch geheime Überwachungsmassnahmen erlangten Beweise gemäss Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 16. März 2023 im Verfahren gegen C. nicht verwendet werden dürften und nach Abschluss des Verfahrens zu vernichten seien (10 Seiten).

D. Am 27. April 2023 reichte die Staatsanwaltschaft im kantonalen Beschwerdeverfahren die Beschwerdeantwort ein (kantonale Akten, 11 Seiten, dicht beschrieben). In der Folge tauschten sich die Parteien und das Gericht über eine Videodatei aus, auf welche sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdeantwort wesentlich abgestützt hatte, die aber in den Akten nicht vorhanden gewesen war und die RA A. deshalb nicht gekannt hatte, als sie die Beschwerde verfasste. Nach Erhalt und Kenntnisnahme dieser Videodatei reichte RA A. am 26. Juni 2023 ihre Replik ein (Stellungnahme zur Beschwerdeantwort, 25 Seiten). Die Replik der Staatsanwaltschaft dazu (kant. Akten, Stellungnahme zur Eingabe vom 26. Juni 2023, 6 Seiten) datiert vom 21. Juli 2023. Das Obergericht teilte darauf mit, es erachte den Schriftenwechsel als abgeschlossen; für allfällige zusätzliche Bemerkungen setzte es RA A. eine (erstreckte) Frist bis zum 4. September 2023. Deren fakultative Stellungnahme zur zweiten Antwort der Staatsanwaltschaft datiert vom 4. September 2023 (kant. Akten, 10 Seiten). RA A. stellte für das gesamte Beschwerdeverfahren 33.6 Arbeitsstunden zu Fr. 185.-- in Rechnung (zuzüglich Auslagen und MwSt), total Fr. 6'721.20. Die Staatsanwaltschaft verzichtete am 11. September 2023 auf eine weitere Stellungnahme. Sie teilte zugleich mit, dass ihren Rechtshilfeersuchen in dieser Sache an die USA zwischenzeitlich in zwei Teillieferungen entsprochen worden sei, wozu RA A. sich am 19. September 2023 kurz äusserte (1 Seite).

E. Mit Entscheid vom 19. Dezember 2023 wies das Obergericht die Beschwerde kostenpflichtig ab und entschädigte RA A. als amtliche Verteidigerin für einen anerkannten, von 33.6 um 15.6 Stunden auf 18 Stunden reduzierten Aufwand mit Fr. 3'620.– inkl. Auslagen und MwSt.

F. Mit Eingabe vom 31. Dezember 2023 erhob RA A. Beschwerde gegen den Entschädigungsentscheid. Sie beantragt dessen Aufhebung und die Zusprechung eines Honorars von Fr. 6'721.20 bzw. eventuell die Rückweisung an die Vorinstanz. In prozessualer Hinsicht seien diverse Verfahrensakten beizuziehen (act. 1).

G. Das Obergericht liess sich am 12. Januar 2024 vernehmen. Es beantragt mit begründeter Stellungnahme die Abweisung der Beschwerde. Die Replik der Beschwerdeführerin datiert vom 29. Januar 2024 (act. 3).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Der Einzelrichter zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gegen den Entschädigungsentscheid einer kantonalen Berufungs- oder Beschwerdeinstanz kann die amtliche Verteidigung bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde nach den Vorschriften der Art. 393 ff. StPO erheben (Art. 135 Abs. 3 lit. b StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG; BGE 141 IV 187 E. 1.2; 140 IV 213 E. 1.7). Die amtliche Verteidigung zählt nicht zu den Verfahrensparteien (Art. 104 Abs. 1 StPO). Ihre Rechtsmittellegitimation ergibt sich aus Art. 135 Abs. 3 StPO. Sie muss deshalb in eigenem Namen Beschwerde führen (BGE 140 IV 213 E. 1.4; 139 IV 199 E. 5.6 S. 204). Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO). Die Frist für die Beschwerde beginnt mit der Eröffnung des schriftlich begründeten Entscheids (BGE 143 IV 40 E. 3.4.4).

1.2 Die Beschwerdeführerin erhielt als amtliche Verteidigerin von der Beschwerdegegnerin eine tiefere Entschädigung zugesprochen, als sie beantragt hatte. Sie ist zur vorliegenden Beschwerde legitimiert. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

1.3 Ist die Beschwerdeinstanz ein Kollegialgericht, so beurteilt deren Verfahrensleitung die Beschwerde allein, wenn diese die wirtschaftlichen Nebenfolgen eines Entscheides bei einem strittigen Betrag von nicht mehr als Fr. 5'000.– zum Gegenstand hat (Art. 395 lit. b StPO). Zu den wirtschaftlichen Nebenfolgen im Sinne dieser Bestimmung gehört auch die Entschädigung der amtlichen Verteidigung (Urteil des Bundesgerichts 6B_477/2018 vom 2. November 2018 E. 1.1 mit Hinweis).

Nachdem der Streitwert vorliegend die gesetzliche Grenze von Fr. 5'000.-- nicht erreicht, ist die Beschwerde durch den Einzelrichter zu beurteilen (vgl. auch die Verfügungen des Bundesstrafgerichts BB.2022.59 vom 9. Mai 2022; BB.2021.49 vom 13. Oktober 2021 E. 1.2; BB.2020.90 vom 15. Oktober 2020 E. 2.2; BB.2022.42 E. 1.4).

2. Die Beschwerdeführerin beantragt, es seien die Verfahrensakten der Mitbeschuldigten ihres Mandanten beizuziehen und insbesondere die Honorarnoten und Entschädigungen ihrer amtlichen Verteidiger. Dies werde zeigen, dass es für die Kürzungen bei ihrem Honorar keine sachlichen Gründe gegeben habe. Der Antrag ist abzuweisen, da die Entschädigungen der amtlichen Verteidiger für ihre jeweiligen Mandate und Aufwände begründet und festgesetzt werden. Der Beizug von Akten anderer Mandate ist für den vorliegenden Entscheid daher nicht erforderlich.

3.

3.1 Die amtliche Verteidigung wird nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde (Art. 135 Abs. 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft oder das urteilende Gericht legen die Entschädigung am Ende des Verfahrens fest (Art. 135 Abs. 2 StPO). Für den Kanton Schaffhausen gilt diesbezüglich die Verordnung des Obergerichts über das Honorar für unentgeltliche Vertretung und amtliche Verteidigung vom 10. Dezember 2010 (Honorarverordnung, HonV, SR 173.811). Demnach wird dem Rechtsanwalt oder der Rechtsanwältin für den berechtigten, für die Prozessführung erforderlichen Aufwand der amtlichen Verteidigung ein Honorar von Fr. 185.-- pro Stunde bezahlt, zuzüglich notwendiger Barauslagen und Mehrwertsteuer (§ 3 Abs. 2 HonV).

3.2 Nach der verfassungsrechtlichen Minimalgarantie von Art. 29 Abs. 3 BV umfasst der Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand nicht alles, was für die Wahrnehmung der Interessen des Mandanten von Bedeutung ist. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch besteht gemäss Art. 29 Abs. 3 BV vielmehr einzig, soweit es zur Wahrung der Rechte notwendig ist. Der Begriff der Notwendigkeit bestimmt nicht nur den qualitativen Anspruch (die Bestellung eines Rechtsbeistands), sondern auch den quantitativen (sprich den Umfang der Vergütung). Entschädigungspflichtig sind jene Aufwendungen, die in einem kausalen Zusammenhang mit der Wahrung der Rechte im Verfahren stehen und notwendig und verhältnismässig sind. Nur in diesem Umfang lässt es sich rechtfertigen, die Kosten der Staatskasse und qua Rückzahlungsverpflichtung der beschuldigten Person aufzuerlegen. Allerdings muss das Honorar so festgesetzt werden, dass der unentgeltlichen Rechtsvertretung ein Handlungsspielraum verbleibt und das Mandat wirksam ausgeübt werden kann (vgl. BGE 141 I 124 E. 3.1; Urteile des Bundesgerichts 1B_96/2011 vom 6. Juni 2011 E. 2.2; 6B_856/2009 vom 9. November 2009 E. 4.1; 6B_130/2007 vom 11. Oktober 2007 E. 3.2.5; vgl. z.B. auch Verfügung des Bundesstrafgerichts BB.2022.42 vom 2. Februar 2023 E. 2.4).

3.3 Den Kantonen steht bei der Bemessung des Honorars des amtlichen Verteidigers ein weiter Ermessensspielraum zu. Es ist Sache der kantonalen Behörde, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen. Das Bundesgericht (und nicht anders das Bundesstrafgericht) greift nur ein, wenn sie ihr Ermessen klarerweise überschritten oder missbraucht hat oder wenn die Festsetzung des Honorars ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom Anwalt geleisteten Diensten steht und in krasser Weise gegen das Gerechtigkeitsgefühl verstösst (BGE 141 I 124 E. 3.2; Urteile des Bundesgerichts 6B_1278/2020 vom 27. August 2021 E. 6.3.2; 6B_950/2020 vom 25. November 2020 E. 2.3.2; 6B_1115/2019 vom 3. Dezember 2019 E. 4.3).

Ermessensmissbrauch liegt vor, wenn das Ermessen nach unsachlichen, dem Zweck der massgebenden Vorschriften fremden Gesichtspunkten betätigt wird oder allgemeine Rechtsprinzipien verletzt werden (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2020, N. 434). Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft; dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht; zudem ist erforderlich, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 144 III 368 E. 3.1; 142 V 513 E. 4.2; 140 III 167 E. 2.1).

4.

4.1 Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Honorarnote den erbrachten und nach ihrer eigenen Auffassung notwendigen Aufwand im Einzelnen aufgeschlüsselt, so insbesondere den Zeitbedarf für das Verfassen der Beschwerde, der Replik und der Stellungnahme zur Duplik sowie Aufwendungen für weitere Verfahrensschritte.

4.2 Im Wesentlichen bringt die Beschwerdeführerin in der Beschwerde und in ihrer Replik vor, das Obergericht habe ihr Honorar in willkürlicher Weise und in Verletzung des ihm zustehenden Ermessens massiv gekürzt, es habe sie im Vergleich zum Verteidiger im vergleichbaren Parallelverfahren ungleich behandelt und das Obergericht habe seine Kürzung nur pauschal und so kurz begründet, dass die Gründe für die Kürzung nicht klar würden. Es stelle einfach fest, dass 18 Stunden angemessen seien. Sie sei damit auch in ihrem rechtlichen Gehört verletzt. In ihrem Gehörsanspruch sei sie ausserdem deshalb verletzt, weil das Obergericht ihr vor seinem Entscheid über die Honorarkürzung nicht Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt habe.

4.3 Das Obergericht hat sich spezifisch in Erwägung 9.3 des angefochtenen Entscheids zur Honorarforderung der Beschwerdeführerin geäussert und hält fest, das Verfahren beschränke sich im Wesentlichen auf die Thematik, wonach die Polizei den Betreiber der Plattform Snapchat bei einer amtlichen Anfrage getäuscht haben soll. Der geltend gemachte Aufwand sei übersetzt, namentlich der Aufwand von 17 Stunden für das Verfassen der Replik und 5.67 Stunden für die erneute, unaufgefordert eingereichte Stellungnahme zur zweiten Stellungnahme der Staatsanwaltschaft. Die Rügen würden sich im Wesentlichen auf den Inhalt einer Videodatei und die damit zusammenhängende Anfrage bei Snapchat beschränken, weshalb ein Aufwand von 18 Stunden für das ganze Beschwerdeverfahren als angemessen erscheine.

In der Beschwerdeantwort (act. 3), präzisiert das Obergericht seinen Honorarentscheid: Dass es die Honorarnote in den meisten Positionen nicht in Frage stelle, jedoch der Aufwand für die Replik und die weitere Stellungnahme zu hoch ausgefallen sei und dass aus dem Entscheid hervorgehe, dass das Obergericht für diese beiden Positionen 7 Stunden für angemessen erachte, was sich aus der beschränkten Thematik ergebe. Zudem sei eine gewisse Pauschalisierung zulässig. Schliesslich sei die Beschwerdeführerin auch nicht in ihrem rechtlichen Gehör verletzt, weil sie zur Honorarkürzung nicht vor dem Entscheid durch das Obergericht habe angehört werden müssen.

5.

5.1 Ein Entscheid muss, um dem verfassungsmässigen Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV) Genüge zu tun, dergestalt abgefasst sein, dass sich der Betroffene über seine Tragweite Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Tatsache an die höhere Instanz weiterziehen kann (zum Ganzen BGE 139 IV 179 E. 2.2 S. 183; 138 I 232 E. 5.1 S. 237). Gegenteiliges, das heisst ein Rechtsmittelverfahren ohne Kenntnis der Entscheidgründe, ist den Parteien und der Rechtsmittelinstanz grundsätzlich nicht zuzumuten (vgl. zur Berufung im Zivilprozess Reetz/Theiler, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], , 3. Aufl. 2016, N. 16 zu Art. 311 ZPO; zum Ganzen BGE 143 IV 40 E. 3.4.3). Eine Begründungspflicht besteht, wenn der unentgeltliche Rechtsbeistand eine Kostennote einreicht und das Gericht die Entschädigung abweichend davon auf einen bestimmten, nicht der Praxis entsprechenden Betrag festsetzt (Urteil des Bundesgerichts 8C_465/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 2.1 und 5.1.1). Akzeptiert das Gericht einzelne Posten aus der Kostennote, setzt es aber andere herab, hat es zu jeder Reduktion zumindest kurz auszuführen, aus welchem konkreten Grund die Aufwendungen oder Auslagen als unnötig betrachtet werden (SVR 2013 IV Nr. 26 S. 75; Urteile des Bundesgerichts 6B_121/2010 vom 22. Februar 2011 E. 3.1.4; 8C_54/2013 vom 8. Mai 2013 E. 4.1; zum Ganzen BGE 141 I 70 E. 5.2; vgl. auch Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2020.1 vom 5. Februar 2020).

5.2 Gemäss ständiger Rechtsprechung hat die amtliche Verteidigung keinen aus Art. 29 Abs. 2 BV fliessenden Anspruch darauf, vor der Zusprechung eines gegenüber ihrer Honorarnote gekürzten Honorars angehört zu werden (BGE 141 I 70 E. 5.2; Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2020.79 vom 28. Juni 2022 E. 2.4/3.2; letztmals vgl. Verfügung des Bundesstrafgerichts BB.2022.42 vom 2. Februar 2023 E. 4). Vielmehr ist dem Anspruch Genüge getan, wenn die amtliche Verteidigung ihre Honorarnote dem Gericht zur Genehmigung einreichen konnte und eingereicht hat. Die Beschwerde ist insoweit unbegründet.

5.3 Die obergerichtliche Honorarfestsetzung wahrt auch das Recht der Beschwerdeführerin auf eine Begründung. Sie nimmt Bezug auf die Honorarnote der amtlichen Verteidigerin und beanstandet konkrete Punkte, namentlich den Aufwand von 17.01 Stunden für die Replik und von 5.67 Stunden für die erneute Stellungnahme vom 4. September 2023. Sie begründete kurz in einem Satz, wieso die entsprechenden Aufwände nicht angemessen seien. Sie kürzt den Aufwand von den geltend gemachten 33.6 Stunden um 15.6 auf noch 18 Stunden. Die beiden genannten Eingaben sind damit zusammen mit 7 Stunden Aufwand entschädigt. Die obergerichtliche Begründung hat sich mit der Honorarnote auseinandergesetzt, beanstandet konkrete Punkte und weist einen ähnlichen Detaillierungsgrad wie diese auf. So beschreibt die Honorarnote nicht, welche inhaltlichen Fragen in den ausgewiesenen Zeitblöcken erarbeitet wurden, sondern weist z.B. nur «Weiterbearbeitung Stellungnahme» aus. Die obergerichtliche Begründung ist praxisgemäss kurz, enthält aber die wesentlichen Punkte. Das Obergericht hat zudem die Entschädigung im Honorarbeschwerdeverfahren weiter erklärt, wozu die Beschwerdeführerin Stellung nehmen konnte. Damit liegt formell eine zureichende Begründung vor. Ob sie auch inhaltlich überzeugt, ist eine Frage, die im Folgenden zu prüfen ist.

6.

6.1 Soweit die Beschwerdeführerin inhaltlich die Kürzung ihres Honorars beanstandet, ist Folgendes festzuhalten. Das Obergericht gibt im Wesentlichen an, die für die Beschwerdeantwort und die unaufgefordert eingereichte Duplik aufgewendete Arbeitszeit von 23.6 Stunden sei übersetzt, zumal sich der diesbezügliche Aufwand in der Hauptsache auf eine einzige spezifische Fragestellung beziehe, 7 Stunden seien dafür angemessen. Grundsätzlich liegt es im zulässigen weiten Ermessen des kantonalen Gerichts, einen klar übersetzten Honoraranspruch auf das für Verteidigung des Beschuldigten Notwendige und Angemessene zu kürzen, auch wenn es sich um eine, wie vorliegend, empfindliche Kürzung handelt: mit Bezug auf die beanstandeten Positionen eine Kürzung um mehr als zwei Drittel, in Bezug auf die gesamte Honorarrechnung um fast die Hälfte. Richtig ist, dass die beiden Eingaben in der Hauptsache auf eine einzige Frage fokussieren und, zumal als Replik und als Duplik, ungewöhnlich umfangreich sind und sehr ins Detail gehen; sie entbehren nicht einer gewissen Redundanz. Insoweit gibt es eine sachliche Veranlassung, das diesbezügliche Honorar gegenüber der Rechnung kritisch zu prüfen.

6.2 Indessen berücksichtigt das Obergericht die konkreten Umstände nicht, unter welchen insbesondere die umfangreiche Replik der Beschwerdeführerin entstand. Es war erst die ihrerseits sehr umfangreiche und ins Detail gehende Beschwerdeantwort der Staatsanwaltschaft, welche der Beschwerdeführerin als amtlicher Verteidigerin Anlass und auch erst die Möglichkeit gab, sich in der Replik mit neuen und – auch für das Obergericht in seinem Entscheid vom 19. Dezember 2023 – wesentlichen Argumenten und einem zentralen Beweismittel auseinanderzusetzen: Die Staatsanwaltschaft hatte – erstmals – in ihrer Beschwerdeantwort in substanzieller Weise auf eine Videodatei abgestellt, welche bis dahin nicht in den Akten abgelegt und welche der Beschwerdeführerin zur Zeit der Beschwerdeerhebung nicht bekannt gewesen war, weshalb sie sich damit nicht früher hatte auseinandersetzen können. Erst die Beschwerdeantwort gab ihr Anlass dazu; und für die Verteidigung ihres Klienten war es aus ihrer Sicht geboten, sich damit im Detail auseinanderzusetzen. Gewisse Details waren dabei objektiv von Belang, so lag für die Polizei doch ein starkes Würgen über eine längere Zeit vor, für die Staatsanwaltschaft eine Halsweichteilkompression (kantonale Beschwerdeantwort vom 27. April 2023, S. 7 lit. g) resp. ein Hals mit der Hand umfassen (Stellungnahme vom 21. Juli 2023 S. 2 lit. b), für die Verteidigerin ein Halten am Hals ohne Rötungen (kantonale Beschwerdereplik vom 26. Juni 2023, S. 9 Ziff. 8), für das Obergericht ein mit einer Hand am Hals fixieren (Entscheid vom 19. Dezember 2023 S. 10 E. 4.4.1). Das erklärt mit, weshalb die Replik sehr viel ausführlicher geworden ist, als dies üblicherweise an dieser Stelle eines Beschwerdeverfahrens der Fall ist, ausführlicher als die Beschwerde selbst. Die Vorinstanz bezieht diesen Ablauf bei der Festsetzung des Honorars nicht mit ein, jedenfalls nicht ausdrücklich. Er hat indes wesentlichen Einfluss auf die Angemessenheit des Aufwands der amtlichen Verteidigerin, namentlich bei der Replik. Die Vorinstanz übt ihr Ermessen insoweit nicht korrekt aus (vgl. obige Erwägung 3.3).

Die Rügen hätten sich sodann gemäss obergerichtlicher Begründung «im Wesentlichen auf den Videoinhalt und die damit zusammenhängende Anfrage» beschränkt (Entscheid vom 19. Dezember 2023, S. 16 E. 9.3). Dies ist jedoch gerade die zentrale Frage des obergerichtlichen Entscheids, weshalb dieses Argument eher für als gegen die Angemessenheit des anwaltlichen Aufwandes spricht, zumal auch für das Obergericht Details massgebend waren. Die Honorarkürzung ist damit auch widersprüchlich begründet.

6.3 Mit dieser mehrfach fehlerhaften Kurzbegründung reduziert die Vorinstanz das Honorar der amtlichen Verteidigerin stark und zwar in den zentralen Eingaben (insbesondere der Replik), wobei die strittige Frage offenkundig stark von Details im Sachverhalt (Video) abhängt (vgl. vorstehende Erwägung 6.2). Das zeigt sich im Übrigen auch darin, dass das Obergericht selbst einen 18-seitigen Entscheid verfassen musste, um die Einwendungen der amtlichen Verteidigung in der fokussierten Fragestellung zu widerlegen. Die Höhe der so begründeten Entschädigung ist offensichtlich unhaltbar und die Beschwerde ist insoweit gutzuheissen.

6.4 Ist das Verfahren spruchreif und ist keine Rückweisung angezeigt, so legt der Einzelrichter die Entschädigung fest. Eine Honorarkürzung an sich ist vorliegend zulässig: Die Eingaben der Beschwerdeführerin legen die springenden Punkte nicht immer in der gebotenen Prägnanz dar. Es ist ihr dabei zugute zu halten, ihre Stellungnahmen nach den Ziffern der Gegenpartei zu gliedern und in diesem Rahmen zu argumentieren. Ein solches Vorgehen kann der juristischen Gerichtskanzlei zugutekommen und ist fraglos zulässig, hilft aber wenig, ausufernde Argumentation und Wiederholungen zu vermeiden. Umso mehr in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem zentrale Argumente erst als Reaktion auf die staatsanwaltschaftliche Be—schwer—de—ant—wort vorgebracht werden konnten. Eine eigene Gliederung nach überzeugenden Argumenten reduziert auch den Aufwand folgender Stellungnahmen.

Ermessenweise ist die grundsätzlich zulässige Honorarkürzung auf 7.6 Stunden, statt wie vom Obergericht vorgenommen auf 15.6 Stunden, festzusetzen. Die Beschwerdeführerin ist mithin für einen Aufwand 26 Stunden zu entschädigen (statt 33.6h). Beim kantonalen Ansatz von Fr. 185.-- ergibt dies eine Entschädigung von Fr. 4'810.--, inkl. Auslagen von Fr. 24.86 eine solche von Fr. 4'834.86. Mit der Mehrwertsteuer von 7.7% und kaufmännisch gerundet ergibt dies eine Gesamtentschädigung von Fr. 5'207--. Angesichts der obergerichtlichen Entschädigung (Fr. 3'620.--) und der von der Beschwerdeführerin beantragten «mindestens Fr. 6'721.--» obsiegt sie damit rund zur Hälfte.

7.

7.1 Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens der Parteien festzulegen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Beschwerdeführerin obsiegt im Beschwerdeverfahren rund zur Hälfte. Damit ist der Beschwerdeführerin eine reduzierte Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- aufzuerlegen (vgl. Art. 73 StBOG und Art. 5 und 8 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).

7.2 Die teilweise obsiegende amtliche Verteidigerin hat Anspruch auf eine reduzierte, in casu halbe Prozessentschädigung (vgl. Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO). Die Verteidigerin reichte keine Honorarnote ein. Vorliegend erscheint eine Entschädigung mit pauschal Fr. 500.-- angemessen. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen ist somit zu verpflichten, Rechtsanwältin A. eine Prozessentschädigung von Fr. 500.-- zu bezahlen (vgl. Art. 10 und 12 Abs. 1 und 2 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren; BStKR, SR 173.713.162).

Demnach verfügt der Einzelrichter:

1. Der Antrag auf Beizug von Akten anderer Verfahren wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin Rechtsanwältin A. im Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 13. Dezember 2023 wird aufgehoben.

3. Die Entschädigung der amtlichen Verteidigerin für das kantonale Beschwerdeverfahren 51/2023/21 gemäss Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 13. Dezember 2023 wird auf Fr. 5'207--. festgesetzt.

4. Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

5. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin für das Honorarbeschwerdeverfahren BB.2024.1 eine Prozessentschädigung von Fr. 500.-- zu bezahlen.

Bellinzona, 9. April 2024

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Einzelrichter:                                                       Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Rechtsanwältin A.

- Obergericht des Kantons Schaffhausen

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben (Art. 79 BGG; SR 173.110). 

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