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Entscheid des Bundesstrafgerichts: RR.2024.79, RP.2024.21 vom 27.08.2024

Hier finden Sie das Urteil RR.2024.79, RP.2024.21 vom 27.08.2024 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids RR.2024.79, RP.2024.21

Der Bundesstrafgerichtshof hat einen Gerichtsstandskonflikt zwischen der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl und der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Waadt (MPC VD) bezüglich des Strafverfahrens G-9/2023/10045803 gegen A. und C., sowie des Strafverfahrens STR/2023/20012517 gegen B. über die Zuständigkeit der Strafbehörden des Kantons Waadt zur Verfolgung und Beurteilung von mehreren Personen zur Last gelegten Straftaten. Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtshofs hat den Gesuchsteller (A.) berechtigt und verpflichtet, die C., D. und E. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen. Die Beschwerdekammer hat festgestellt, dass der Gesuchsgegner 1 (MPC VD) seine Zuständigkeit zur Verfolgung und Beurteilung von A., C. und D. zur Last gelegten Straftaten anerkannt hat, aber die C., D. und E. zur Last gelegten Straftaten vom 3. September 2023 in Z./ZH und X./AG bekannt gewesen sein müssen. Der Gesuchsgegner 1 ist berechtigt und verpflichtet, die C., D. und E. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. Die Beschwerdekammer hat den Gesuchsteller (A.) berechtigt und verpflichtet, die C., D. und E. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

RR.2024.79, RP.2024.21

Datum:

27.08.2024

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Kanton; Verfahren; Gesuch; Kantons; Mittäter; Gesuchsgegner; Verfahrens; Gerichtsstand; Behörde; Taten; Verfolgung; Behörden; Behörden; Beurteilung; Beschwerdekammer; Waadt; Zuständigkeit; Bundesstrafgerichts; Beschuldigte; Oberstaatsanwaltschaft; Übernahme; Täterschaft; Verfahren; Grundsatz; Gerichtsstands; Delikt

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 101 StPO ;Art. 14 StPO ;Art. 2 StGB ;Art. 2 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 29 StPO ;Art. 3 StPO ;Art. 33 StPO ;Art. 34 StPO ;Art. 39 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 40 StPO ;Art. 423 StPO ;Art. 6 EMRK ;Art. 66 BGG ;

Referenz BGE:

138 IV 214; 138 IV 29; ;

Entscheid des Bundesstrafgerichts

BG.2024.35

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2024.35

Beschluss vom 27. August 2024 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Daniel Kipfer Fasciati und Miriam Forni,

Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

Kanton Zürich, Oberstaatsanwaltschaft,

Gesuchsteller

gegen

1.    Canton de Vaud, Ministère public central,

2.    Kanton Aargau, Oberstaatsanwaltschaft,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO)

Sachverhalt:

A. Mit Schreiben vom 8. Januar 2024 ersuchte die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl das Ministère public central des Kantons Waadt (nachfolgend «MPC VD») um Übernahme des von ihr geführten Strafverfahrens Nr. G‑9/2023/10045803 gegen A., den (angeblich) minderjährigen B. sowie unbekannte Täterschaft (act. 1.1). Im Laufe der weiteren Untersuchung sollte sich herausstellen, dass es sich beim erwähnten B. in Wahrheit um den bereits volljährigen C. handelt (vgl. act. 1.3). Gegenstand des Strafverfahrens Nr. G-9/2023/10045803 bilden in erster Linie ein A., C. und einem unbekannten Mittäter zur Last gelegter Raub in Z./ZH vom 1. Oktober 2023, ein A., C. und einem unbekannten Mittäter zur Last gelegter Diebstahl in einem Zug auf der Strecke Zürich HB–Basel vom 25. November 2023 sowie ein A., C. und zwei weiteren unbekannten Mittätern zur Last gelegter Diebstahl in Z./ZH vom 3. Dezember 2023 (vgl. act. 1, Ziff. B.1 i.V.m. C.1). Begründet wurde das Ersuchen um Verfahrensübernahme mit dem Hinweis auf das vom MPC VD seit dem 24. September 2023 gegen A. geführte Strafverfahren wegen des Verdachts des (mit zwei unbekannten Mittätern verübten; vgl. act. 1.5, S. 1) Raubs (vgl. act. 1.1, S. 2).

B. Mit Schreiben vom 15. Januar 2024 erklärte sich das MPC VD gestützt auf das forum praeventionis im Sinne von Art. 34 Abs. 1 Satz 2 StPO bereit, die bisher durch den Kanton Zürich gegen A. geführte Untersuchung zu übernehmen (act. 1.2). Ebenfalls am 15. Januar 2024 ersuchte die Jugendanwaltschaft Zürich-Stadt das MPC VD um Übernahme des bis dahin durch sie gegen den vorerst für minderjährig gehaltenen B. alias C. geführten Verfahrens Nr. STR/2023/20012517 (act. 1.3). Unter Bezugnahme auf die beiden Ersuchen um Verfahrensübernahme der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl bzw. der Jugendanwaltschaft Zürich-Stadt erklärte sich das MPC VD gegenüber der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (nachfolgend «OStA ZH») am 8. Februar 2024 bereit, die A. zur Last gelegten Straftaten gestützt auf Art. 34 Abs. 1 StPO zu verfolgen, lehnte aber gleichzeitig die Übernahme der Verfahren bezüglich der C. und unbekannter Täterschaft zur Last gelegten Straftaten ab. Im Gegenzug ersuchte es die OStA ZH um Übernahme des bisher von ihm gegen C. geführten Verfahrens betreffend einen Diebstahl in Y./VD vom 30. Oktober 2023 (act. 1.4).

C. In der Folge kam es zu einem Meinungsaustausch zwischen den Strafbehörden des Kantons Zürich und Waadt sowie in einem weiteren Schritt mit denjenigen des Kantons Aargau zur Frage der Zuständigkeit zur Verfolgung und Beurteilung von insgesamt zwölf (bzw. dreizehn) C. (teilweise in Mittäterschaft mit verschiedenen bekannten und unbekannten Personen) zur Last gelegten Straftaten (vgl. die Übersicht in act. 1, Ziff. C.1 sowie den Hinweis auf ein dort fehlendes Delikt in act. 5, S. 2). Dabei gelang es den beteiligten Strafbehörden nicht, sich über den Gerichtsstand zu einigen (zum weiteren Meinungsaustausch siehe act. 1.7–1.18).

D. Mit Gesuch vom 20. Juni 2024 gelangte die OStA ZH an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Sie beantragt, es seien die Strafbehörden des Kantons Waadt, eventualiter die Strafbehörden des Kantons Aargau für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die den beschuldigten Personen (gemeint sind nebst C. auch D. und E.) zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen (act. 1).

Das MPC VD schliesst in seiner Gesuchsantwort vom 2. Juli 2024 auf die Zuständigkeit des Kantons Aargau, eventualiter des Kantons Zürich zur Verfolgung von C., D., E. und der unbekannten Mittäter (act. 5). Mit Gesuchsantwort vom 9. Juli 2024 beantragt die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau (nachfolgend «OStA AG»), es seien die Behörden des Kantons Zürich, eventualiter die Behörden des Kantons Waadt zur Verfolgung und Beurteilung der Beschuldigten C., D., E. und der unbekannten Täterschaft bezüglich der ihnen vorgeworfenen Taten für berechtigt und verpflichtet zu erklären (act. 6). Die Gesuchsantworten wurden den Parteien am 11. Juli 2024 wechselseitig zur Kenntnis gebracht (act. 7).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter (Art. 39 Abs. 1 StPO). Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung (Art. 39 Abs. 2 StPO). Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid (Art. 40 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG). Hinsichtlich der Frist, innerhalb welcher die ersuchende Behörde ihr Gesuch einzureichen hat, ist im Normalfall die Frist von zehn Tagen gemäss Art. 396 Abs. 1 StPO analog anzuwenden (vgl. hierzu TPF 2019 62 E. 1; TPF 2011 94 E. 2.2 S. 96). Die Behörden, welche berechtigt sind, ihren Kanton im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten, bestimmen sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht (Art. 14 Abs. 4 StPO).

1.2 Die OStA ZH ist berechtigt, den Gesuchsteller bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten vor der Beschwerdekammer zu vertreten (§ 107 Abs. 1 lit. b des Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess des Kantons Zürich vom 10. Mai 2010 [GOG/ZH; LS 211.1]). Auf Seiten der Gesuchsgegner steht diese Befugnis dem MPC VD (Art. 25 Abs. 2 Loi sur le Ministère public des Kantons Waadt vom 19. Mai 2009 [LMPu/VD; BLV 173.21]) und der OStA AG zu (§ 20 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung des Kantons Aargau vom 16. März 2010 [EG StPO/AG; SAR 251.200]). Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass, weshalb auf das Gesuch einzutreten ist.

2. Die lediglich teilweise Übernahme der eingangs erwähnten Strafverfahren durch den Gesuchsgegner 1 (siehe im Einzelnen Sachverhalt lit. A und B) führte de facto zu einer Trennung verschiedener Strafverfahren ratione personae. Der Gesuchsteller bezeichnet das damit verbundene Abweichen vom Grundsatz der Verfahrenseinheit als nicht statthaft (siehe namentlich act. 1, lit. D.1.f–h).

3.

3.1 Ist eine Straftat von mehreren Mittäterinnen oder Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 33 Abs. 2 StPO). Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO). Begehen mehrere Beschuldigte zusammen in verschiedenen Kantonen mehrere Delikte, so sind Art. 33 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1 StPO so miteinander zu kombinieren, dass in der Regel alle Mitwirkenden an dem Orte verfolgt werden, wo von einem Mittäter die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt worden ist. Bei gleich schweren Strafdrohungen bestimmt sich der Gerichtsstand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (TPF 2022 146 E. 2.1 m.w.H.).

3.2

3.2.1 Art. 29 StPO regelt den Grundsatz der Verfahrenseinheit. Danach werden Straftaten unter anderem gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt (Abs. 1 lit. b). Nebst der Mittäterschaft werden von dieser Bestimmung ebenso die mittelbare Täterschaft und die Nebentäterschaft erfasst. Unter den Begriff der Teilnahme fallen die Anstiftung gemäss Art. 24 StGB und die Gehilfenschaft gemäss Art. 25 StGB. Der Grundsatz der Verfahrenseinheit bezweckt die Verhinderung sich widersprechender Urteile, sei dies bei der Sachverhaltsfeststellung, der rechtlichen Würdigung oder der Strafzumessung. Er gewährleistet insofern das Gleichbehandlungs- und Fairnessgebot (Art. 8 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO). Überdies dient er der Prozessökonomie (vgl. BGE 138 IV 29 E. 3.2 S. 31 m.w.H.). Eine Verfahrenstrennung ist gemäss Art. 30 StPO nur bei Vorliegen sachlicher Gründe zulässig und muss die Ausnahme bleiben. Die sachlichen Gründe müssen objektiv sein. Getrennte Verfahren sollen vor allem der Verfahrensbeschleunigung dienen bzw. eine unnötige Verzögerung vermeiden helfen. Als sachlicher Trennungsgrund gilt etwa die länger dauernde Unerreichbarkeit einzelner Mitbeschuldigter oder die bevorstehende Verjährung einzelner Straftaten (vgl. BGE 138 IV 214 E. 3.2). Art. 33 StPO soll als gerichtsstandmässige Entsprechung zu Art. 29 StPO sicherstellen, dass die an einer Straftat Beteiligten durch dieselbe Behörde in einem Verfahren verfolgt und beurteilt werden können (BGE 138 IV 29 E. 3.2 S. 31 f.; siehe u.a. auch die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2022.42 vom 27. März 2023 E. 3.2; BG.2019.25 vom 17. Juni 2019 E. 3.1). Die Abtrennung des Verfahrens ist unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Abs. 1 EMRK) namentlich bei mutmasslichen Mittätern und Teilnehmern besonders problematisch, wenn der Umfang und die Art der Beteiligung wechselseitig bestritten ist und somit die Gefahr besteht, dass der eine Mitbeschuldigte die Verantwortung dem andern zuweisen will. Belasten sich die Mittäter und Teilnehmer gegenseitig und ist unklar, welcher Beschuldigte welchen Tatbeitrag geleistet hat, besteht bei getrennten Verfahren die Gefahr sich widersprechender Entscheide, sei es in Bezug auf die Sachverhaltsfeststellung, die rechtliche Würdigung oder die Strafzumessung. Auch wirft die Verfahrenstrennung aus weiteren Gründen Fragen auf. Da gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bei Einvernahmen in separat geführten Verfahren kein Anspruch auf Teilnahme besteht, geht die getrennte Verfahrensführung mit einer massiven Beschränkung der Teilnahmerechte einher. Der separat Beschuldigte hat in den abgetrennten Verfahren zudem nicht denselben Anspruch auf Akteneinsicht wie eine Partei (Art. 101 Abs. 1 StPO; Urteil des Bundesgerichts 7B_9/2021 vom 11. September 2023 E. 10.3 m.w.H.).

3.2.2 Wird vom gesetzlichen Gerichtsstand abgewichen, kann entweder ein einziger Gerichtsstand geschaffen werden, der sich mit dem gesetzlich vorgesehenen nicht deckt, oder das Verfahren kann getrennt und es können entgegen dem Grundsatz der Einheit des Gerichtsstandes verschiedene Gerichtsstände begründet werden. Die Trennung kann entweder nach den Beschuldigten (ratione personae) oder nach den Delikten (ratione delicti) erfolgen. Aus Zweckmässigkeitsgründen kann ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand auch gerechtfertigt sein, wenn mehrere Tätergruppen zu beurteilen sind. Eine Aufteilung des Verfahrens nach verschiedenen Tätergruppen soll in der Regel nur vorgenommen werden, wenn zwei oder mehrere Tätergruppen zur Hauptsache unabhängig voneinander gehandelt haben und nur wenige Querverbindungen zwischen ihnen bestanden, sodass sich eine geteilte Verfolgung und Beurteilung ohne zu grosse Schwierigkeiten durchführen lässt und sich auch unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie aufdrängt (vgl. hierzu nebst anderen die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2022.8 vom 1. April 2022 E. 3.4.1; BG.2021.51 vom 3. Januar 2022 E. 4.2; BG.2019.45 vom 16. Oktober 2019 E. 3.3).

4. Eine (ausdrückliche oder konkludente) Anerkennung des Gerichtsstands durch einen Kanton begründet grundsätzlich unwiderruflich dessen Zuständigkeit (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2024.11 vom 22. April 2024 E. 4.1.3; BG.2022.15 vom 7. Juni 2022 E. 4.2; BG.2022.2 vom 14. April 2022 E. 4.3). Unabhängig vom gesetzlichen Gerichtsstand ist damit festzuhalten, dass der Gesuchsgegner 1 mit der Anerkennung seiner Zuständigkeit zur Verfolgung und Beurteilung von A. gestützt auf Art. 29 bzw. 33 Abs. 2 StPO grundsätzlich auch zur Verfolgung der Mitbeschuldigten C., D. und E. zuständig ist. Das wird im Grundsatz auch vom Gesuchsgegner 1 anerkannt (vgl. act. 5, S. 3). Ein Abweichen von diesem Grundsatz ist – wie oben ausgeführt – nur statthaft, wenn triftige Gründe vorliegen. Solche bringt der Gesuchsgegner 1 jedoch nicht vor. Angesichts der lediglich dreizehn vorliegend zur Diskussion stehenden, C. zur Last gelegten Delikte kann namentlich keine Rede davon sein, dass sich die vom Gesuchsgegner 1 gewünschte Trennung der Verfahren aufdränge, um einen schwierig zu handhabenden Grossprozess zu vermeiden (vgl. hierzu u.a. die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2023.11 vom 27. April 2023 E. 4; BG.2022.15 vom 7. Juni 2022 E. 4.2; der vom Gesuchsgegner 1 angeführte Beschluss BG.2023.5 vom 5. April 2023 betraf offenbar eine ungleich höhere zur Diskussion stehende Zahl an Straftaten, Verfahren und Beschuldigten). Im Gegenteil: Gestützt auf den Umstand, dass der Gesuchsgegner 1 seine Zuständigkeit zur Verfolgung und Beurteilung sowohl von A. als auch der Mitbeschuldigten F., G. und H. (siehe act. 5, S. 4) anerkannt, sind seine Behörden ohnehin dazu verpflichtet, bezüglich sieben der erwähnten dreizehn Delikte Sachverhaltsabklärungen vorzunehmen. Dass diese sieben Straftaten – reduziert auf die mutmassliche Beteiligung von C. – nebenher auch noch durch die Behörden eines anderen Kantons untersucht werden sollen, ist kaum sinnvoll. Eine vom Gesuchsgegner 1 angeführte Vereinfachung des Verfahrens (vgl. act. 5, S. 4) durch die von ihm vorgeschlagenen Vorgehensweise ist nicht erkennbar. Sofern der Gesuchsgegner 1 befürchtet, die vorliegend zur Diskussion stehende Übernahme von Strafverfahren könne künftig allenfalls weitere Verzweigungen nach sich ziehen (vgl. act. 5, S. 4), ist er nicht zu hören. Die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage richtet sich nach der aktuellen Verdachtslage (TPF 2021 167 E. 3.2.3; TPF 2019 82 E. 2.4) und nicht nach solch spekulativen Erwägungen. Es ist schliesslich der für die Strafsache insgesamt zuständigen kantonalen Behörde anheimgestellt, bei Vorliegen von sachlichen Gründen im Sinne von Art. 30 StPO die Beurteilung einzelner inhaftierter Beschuldigter gegebenenfalls vorzuziehen und die diese betreffenden Verfahren von den anderen abzutrennen. Eine Beurteilung verschiedener Mittäter durch verschiedene Kantone lässt sich dadurch jedoch nicht rechtfertigen.

5. Nur am Rand festzuhalten ist, dass den Behörden des Gesuchsgegners 1 spätestens im Zeitpunkt von dessen Bestätigung der Anerkennung seiner Zuständigkeit bezüglich der A. zur Last gelegten Straftaten am 8. Februar 2024 auch die C. (in Mittäterschaft mit I.) zur Last gelegten Straftaten vom 3. September 2023 in Z./ZH und X./AG bekannt gewesen sein müssen, finden diese doch in den von den Behörden des Gesuchsgegners 1 selbst erstellten Akten ausdrückliche Erwähnung (siehe schon nur das Schreiben des MPC VD vom 25. Januar 2024 [act. 1.6, S. 2] sowie insbesondere den Untersuchungsbericht der Waadtländer Kantonspolizei vom 28. November 2023 [act. 1.22, S. 5]). Sollte der Gesuchsgegner 1 diesbezüglich geltend machen, es lägen neue Tatsachen vor, die zu einer Neubeurteilung der Gerichtsstandsfrage führen könnten (vgl. act. 5, S. 3 unten), ist er ebenfalls nicht zu hören.

6. Nach dem Gesagten ist das Gesuch gutzuheissen und es sind die Strafbehörden des Kantons Waadt für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die C., D. und E. (sowie der teilweise ebenfalls beteiligten unbekannten Täterschaft) zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

7. Praxisgemäss ist bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten keine Gerichtsgebühr zu erheben (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 66 Abs. 4 BGG per analogiam; TPF 2023 130 E. 5.1 m.w.H.).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Strafbehörden des Kantons Waadt sind berechtigt und verpflichtet, die C., D. und E. (sowie der teilweise ebenfalls beteiligten unbekannten Täterschaft) zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

Bellinzona, 28. August 2024

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                            Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

- Ministère public central du Canton de Vaud

- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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