Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Strafverfahren |
Fallnummer: | RR.2024.50 |
Datum: | 30.07.2024 |
Leitsatz/Stichwort: | |
Schlagwörter | Kanton; Verfahren; Gericht; Kantons; Gesuch; Gerichtsstand; Verfahrens; Verfahrensakten; Diebstahl; Gerichtsstands; Basel-Landschaft; Reiter; Verfolgung; Akten; Gesuchs; Beschwerdekammer; Behörde; Neuenburg; Behörden; Verfolgungshandlungen; Bundesstrafgerichts; Staatsanwaltschaft; Zuständigkeit; Taten; Neuchâtel; Diebstahls |
Rechtskraft: | Kein Rechtsmittel gegeben |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 115 AIG ;Art. 13 StGB ;Art. 14 StPO ;Art. 22 StGB ;Art. 237 StGB ;Art. 3 StPO ;Art. 31 StPO ;Art. 33 StPO ;Art. 34 StPO ;Art. 39 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 40 StPO ;Art. 5 EMRK ;Art. 5 StPO ;Art. 92 SVG ; |
Referenz BGE: | 118 IV 91; 135 IV 158; 86 IV 222; ; |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
BG.2024.37
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: BG.2024.37 |
Beschluss vom 30. Juli 2024 Beschwerdekammer | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Roy Garré, Vorsitz, Miriam Forni und Felix Ulrich, Gerichtsschreiber Stephan Ebneter | |
Parteien | Kanton Basel-Landschaft, Staatsanwaltschaft, Gesuchsteller | |
gegen | ||
1. Kanton Bern, Generalstaatsanwaltschaft, 2. Canton de Neuchâtel, Ministère public, Gesuchsgegner
| ||
Gegenstand | Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO) |
Sachverhalt:
A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft (nachfolgend «StA BL») führt das Strafverfahren MU1 24 2053 etc. gegen A. und B. u.a. wegen Verdachts des Diebstahls (Art. 139 StGB) etc., begangen am 15. Mai 2024 zwischen 14.30 Uhr und 15.00 Uhr in einem Einfamilienhaus in Z./BL bzw. in zwei davor geparkten Autos (act. 1 und Verfahrensakten StA BL).
B. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern (nachfolgend «StA BE») führt das Strafverfahren BM 24 16942 gegen A., C. und D. Die drei Beschuldigten werden u.a. verdächtigt, am 7. und 8. Dezember 2023 an verschiedenen Orten im Kanton Bern, mehrere (Einbruch-)Diebstähle begangen zu haben (act. 4 und Verfahrensakten StA BE).
C. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Neuenburg (nachfolgend «StA NE») führt das Strafverfahren MP.2024.487 gegen D. u.a. wegen Verdachts des (mehrfachen) Diebstahls (Art. 139 StGB), begangen zwischen dem 1. und 5. Dezember 2023 in Neuchâtel und – nachdem sie am 20. Mai 2024 ein vom Kanton Bern geführtes Verfahren gegen D. u.a. wegen Verdachts des Diebstahls übernommen hat – begangen im Kanton Bern (act. 3).
D. Am 22. Mai 2024 ersuchte die StA BL die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern (nachfolgend «GStA BE») um Übernahme ihres Verfahrens gestützt auf Art. 31 Abs. 2 und Art. 33 Abs. 2 StPO (Verfahrensakten StA BL, Reiter 9, nicht paginiert), was die GStA BE am 23. Mai 2024 ablehnte (Verfahrensakten StA BL, Reiter 9, nicht paginiert). Die GStA brachte im Wesentlichen vor, gegen einen Mittäter von A. sei ein Verfahren im Kanton Neuenburg hängig, weshalb der Kanton Bern eine Gerichtsstandanfrage an den Kanton Neuenburg stellen werde.
E. Mit Schreiben vom 24. Mai 2024 ersuchte die StA BL die GStA BE erneut um Übernahme ihres Verfahrens (Verfahrensakten StA BL, Reiter 9, nicht paginiert), was die GStA BE am 31. Mai 2024 definitiv ablehnte und darauf hinwies, dass der Meinungsaustausch mit allen in Frage kommenden Kantonen geführt werden müsse (Verfahrensakten StA BL, Reiter 9, nicht paginiert).
F. Am 4. Juni 2024 gelangte die StA BL an die StA NE und ersuchte diese um Stellungnahme (Verfahrensakten StA BL, Reiter 9, nicht paginiert). Die StA NE liess der StA BL ein Schreiben vom 12. Juni 2024 der StA NE an die GStA BE in Kopie zukommen, womit die StA NE der StA BE mitteilte, deren Gerichtsstandsanfrage vom 6. Juni 2024 in Sachen D., C. und A. abzulehnen (Verfahrensakten StA BL, Reiter 9, nicht paginiert). Die StA NE brachte im Wesentlichen vor, der Sachverhalt sei nicht hinreichend geklärt, um den Gerichtsstand zu bestimmen.
G. Mit Schreiben vom 17. Juni 2024 gelangte die StA BL an die GStA BE und die StA NE und ersuchte diese um eine abschliessende Stellungnahme, bevor die Beschwerdekammer angerufen werde (Verfahrensakten StA BL, Reiter 9, nicht paginiert). Die GStA BE lehnte ihre Zuständigkeit mit Schreiben vom 20. Juni 2024 ab (Verfahrensakten StA BL, Reiter 9, nicht paginiert). Nachdem die StA BL mit E‑Mail vom 5. Juli 2024 die StA NE an die ausstehende Stellungahme erinnerte, vertrat diese in ihrer E-Mail vom gleichen Tag den Standpunkt, sie verfolge die D. zur Last gelegten Straftaten, begangen in Neuchâtel und Bern, aber weigere sich, die Verfolgung einer ganzen Serie weiterer Diebstähle zu übernehmen, die A. und C. vorgeworfen würden (Verfahrensakten StA BL, Reiter 9, nicht paginiert).
H. Mit Gesuch vom 8. Juli 2024 gelangt die StA BL an die Beschwerdekammer und beantragt, es seien die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Bern, eventualiter jene des Kantons Neuenburg, zur Durchführung des Strafverfahrens gegen A. und B. für zuständig zu erklären (act. 1).
I. Die StA NE beantragt mit Gesuchsantwort vom 16. Juli 2024, die StA BE sei für zuständig zu erklären, das basel-landschaftliche Verfahren gegen A. und B. zu übernehmen (act. 3). Die GStA BE beantragt mit Gesuchsantwort vom 16. Juli 2024, es seien die Behörden des Kantons Neuenburg zur Verfolgung und Beurteilung der Beschuldigten bezüglich der diesen vorgeworfenen Taten für berechtigt und verpflichtet zu erklären (act. 4). Die Gesuchsantworten wurden den Parteien mit Schreiben vom 17. Juli 2024 gegenseitig zur Kenntnis gebracht (act. 5).
Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter (Art. 39 Abs. 1 StPO). Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung (Art. 39 Abs. 2 StPO). Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid (Art. 40 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG). Hinsichtlich der Frist, innerhalb welcher die ersuchende Behörde ihr Gesuch einzureichen hat, ist im Normalfall die Frist von zehn Tagen gemäss Art. 396 Abs. 1 StPO analog anzuwenden (vgl. hierzu TPF 2019 62 E. 1; TPF 2011 94 E. 2.2 S. 96). Die Behörden, welche berechtigt sind, ihren Kanton im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten, bestimmen sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht (Art. 14 Abs. 4 StPO).
1.2 Die Erste Staatsanwältin der StA BL ist berechtigt, den Gesuchsteller bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten vor der Beschwerdekammer zu vertreten (§ 7 Abs. 2 lit. b des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung des Kantons Basel-Landschaft vom 12. März 2009 [EG StPO/BL; SGS 250]; vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2019.29 vom 19. Juni 2019 E. 2.2). Auf Seiten der Gesuchsgegner steht diese Befugnis der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern (Art. 24 lit. b des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung des Kantons Bern vom 11. Juni 2009 [EG ZSJ/BE; BSG 271.1]) bzw. dem Ministère public zu (Art. 40 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 52 Abs. 1 der Loi d'organisation judiciaire neuchâteloise vom 27. Januar 2010 [OJN/NE; RSN 161.1]; vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2022.26 vom 26. Juli 2022 E. 1.2) zu.
1.3
1.3.1 Bezüglich Form und Substantiierung eines Gesuchs im Sinne von Art. 40 Abs. 2 StPO gilt, dass dieses vollständig zu dokumentieren ist, sodass ohne weitere Beweismassnahmen darüber entschieden werden kann. Die ersuchende Behörde hat das Gesuch so zu verfassen, dass ihm ohne Durchsicht der kantonalen Akten die für die Bestimmung des Gerichtsstandes erforderlichen und wesentlichen Tatsachen entnommen werden können, weshalb dieses in kurzer, aber vollständiger Übersicht darzulegen hat, welche strafbaren Handlungen dem Beschuldigten vorgeworfen werden, wann und wo diese ausgeführt wurden und wo allenfalls der Erfolg eingetreten ist, wie die aufgrund der Aktenlage in Frage kommenden strafbaren Handlungen rechtlich zu würdigen sind sowie welche konkreten Verfolgungshandlungen von welchen Behörden wann vorgenommen wurden. Zudem sind die für die Gerichtsstandsbestimmung wesentlichen Akten zweckmässig paginiert, mit Verzeichnis versehen und geordnet in einem separaten Dossier beizulegen, wobei der blosse Hinweis auf die vollständig beigelegten kantonalen Akten unzulässig ist und die Erläuterungen daher stets mit der Angabe der entsprechenden Aktenstelle zu versehen sind (vgl. zuletzt u.a. Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2022.35 vom 19. Dezember 2022 E. 3.2.2; BG.2022.7 vom 23. Februar 2022 E. 1.2.2; vgl. auch Baumgartner, Die Zuständigkeit im Strafverfahren, 2014, S. 498; Guidon/Bänziger, Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesstrafgerichts zum interkantonalen Gerichtsstand in Strafsachen, Jusletter vom 21. Mai 2007, N. 20; Schweri/Bänziger, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl. 2004, N. 629 ff.).
Die Vernehmlassung muss wie das Gesuch selbst so abgefasst sein, dass ihr ohne Durchsicht der Akten alle gerichtsstandsrelevanten Tatsachen entnommen werden können. Die Beschwerdekammer selbst trifft keine Erhebungen, sondern entscheidet ausschliesslich aufgrund der Akten (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 638). Es ist nicht Aufgabe der Beschwerdekammer, die zur Bestimmung des Gerichtsstands nötigen Unterlagen beizubringen (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 631).
1.3.2
1.3.2.1 Dem Gesuch (act. 1) lässt sich entnehmen, dass in dem von der StA BL geführten Verfahren A. und B. vorgeworfen wird, (zusammen mit dem jugendlichen Mittäter E., welches Verfahren von der Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft übernommen wurde) am 15. Mai 2024 zwischen 14:30 Uhr und 15:00 Uhr in Z./BL zum Nachteil von F. einen Hausfriedensbruch sowie einen Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 und 186 StGB) und zum Nachteil von G. einen Diebstahlversuch (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) begangen zu haben. B. soll zudem gleichentags im Hauenstein-Tunnel den öffentlichen Verkehr gestört (Art. 237 Abs. 1 StGB) und sich in jener Zeit illegal in der Schweiz aufgehalten (Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG) haben. Angaben dazu, welche Verfolgungshandlungen von welchen Behörden vorgenommen worden sind und wann (vgl. Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 630), fehlen in der Gesuchsschrift. Betreffend die weiteren Straftaten, die A. und weiteren beschuldigten Personen in anderen Kantonen vorgeworfen werden und wie die verschiedenen Sachverhalte rechtlich (insbesondere in Bezug auf allfällige bestehende oder fehlende Qualifikationsmerkmale der Bandenmässigkeit oder Gewerbsmässigkeit) zu würdigen sind, spricht sich das Gesuch nicht aus. Insofern weist die Begründungsdichte des Gesuchs Mängel auf.
1.3.2.2 Aus der Gesuchsantwort der StA NE (act. 3) geht hervor, dass gegen D. wegen zwei zwischen dem 1. und dem 5. Dezember 2023 in Neuchâtel begangenen (Einbruch-)Diebstählen ein Rapport erstellt wurde, welcher am 15. Januar 2024 bei der StA NE eingegangen sei. Die StA NE gibt weiter an, nach Gutheissung der an sie gerichteten Gerichtsstandsanfragen der StA BE vom 2. und 8. Mai 2024 sei folgendes „hinzugekommen“: ein Diebstahl, zwei Entwendungen zum Gebrauch, Sachbeschädigungen, ein Hausfriedensbruch und Delikte gegen das Strassenverkehrsgesetz gemäss Art. 90 Ziff. 1 und 2, Art. 91a Abs. 1 sowie Art. 92 Abs. 1 und 2 SVG. Ein weiteres mit Schreiben vom 6. Juni 2024 an sie gerichtetes Gerichtsstandsgesuch der StA BE betreffend D., A. und C. habe sie in Bezug auf A. und C. abgelehnt. Zusammengefasst beanstandet sie die Mangelhaftigkeit der Gerichtsstandsanfragen der GStA BE. Angaben dazu, welche Sachverhalte (betreffend D.) die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Neuenburg verfolgen, wie sie z.B. Mittäterschaftshandlungen rechtlich würdigen oder wann erste Verfolgungshandlungen erfolgt sind, macht die StA NE in ihrer Gesuchsantwort nicht. Auf die Einreichung von Akten verzichtete die StA NE gänzlich. Die Vernehmlassung ist somit nicht hinreichend begründet.
1.3.2.3 Der Gesuchsantwort der GStA BE (act. 4) lässt sich entnehmen, dass D., A. und C. im bernischen Verfahren vorgeworfen wird, in der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 2023 zusammen unterwegs gewesen zu sein und dabei diverse Einbruchdiebstähle begangen und einen Verkehrsunfall verursacht zu haben. Konkrete Angaben dazu fehlen. Die Vernehmlassung ist somit nicht hinreichend begründet.
1.4 Fehlen die zur Bestimmung des Gerichtsstands nötigen Angaben (s. oben E. 1.3.1) so tritt das Gericht auf das Gesuch nicht ein (vgl. Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 631). In Ausnahmefällen und zur Vermeidung weitere Verzögerungen kann die Beschwerdekammer jedoch auf ein nicht formgerechtes Gesuch eintreten und den Gerichtsstand festlegen, wenn sich eine beschuldigte Person in Haft befindet und daher das Beschleunigungsgebot in besonderem Masse zu beachten ist (vgl. Art. 5 Abs. 2 StPO; Art. 5 Abs. 3 EMRK).
1.5 Das Gesuch des Kantons Basel-Landschaft bezieht sich auf das gegen A. und B. im Kanton Basel-Landschaft geführte Verfahren. Wie sich aus den folgenden Erwägungen zeigen wird, würde eine abschliessende Gerichtsstandsbestimmung auch die – ausschliesslich den Kanton Bern und den Kanton Neuenburg betreffende – Zuständigkeit in Bezug auf D. umfassen. Diese lässt sich aufgrund der fehlenden, vagen oder unklaren Angaben der Gesuchsgegner lediglich vermuten. Eine Verzögerung oder Vereitelung der Gerichtsstandsbestimmung durch unvollständige Vernehmlassungen widerspricht Treu und Glauben. Der Kanton Basel-Landschaft hat gegen A. und B. die Untersuchungshaft verhängt (Verfahrensakten BL, Reiter 3), wobei – wie ebenfalls aus den nachfolgenden Erwägungen zu entnehmen sein wird – die gesetzliche Zuständigkeit für sämtliche A. vorgeworfenen Straftaten in casu offensichtlich nicht bei der StA BL liegt. Aufgrund dieser Umstände rechtfertigt es sich vorliegend, das Gesuch des Kantons Basel-Landschaft materiell zu behandeln.
1.6 Nach dem Gesagten tritt die Beschwerdekammer auf das vorliegende Gesuch ein.
2.
2.1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig (Art. 31 Abs. 1 StPO). Der Ausführungsort befindet sich dort, wo der Täter gehandelt hat (BGE 86 IV 222 E. 1).
2.2 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Straftat werden von den gleichen Behörden verfolgt und beurteilt wie die Täterin oder der Täter (Art. 33 Abs. 1 StPO) Ist eine Straftat von mehreren Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 33 Abs. 2 StPO).
2.3 Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO).
2.4 Begehen mehrere Beschuldigte zusammen in verschiedenen Kantonen mehrere Delikte, so sind Art. 33 und Art. 34 Abs. 1 StPO so miteinander zu kombinieren, dass in der Regel alle Mitwirkenden an dem Orte verfolgt werden, wo von einem Mittäter die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt worden ist. Bei gleich schweren Strafdrohungen bestimmt sich der Gerichtsstand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo die Verfolgungshandlungen zuerst vorgenommen worden sind (TPF 2022 146 E. 2.1).
2.4.1 Bei der rechtlichen Handlungseinheit werden mehrere, an sich selbständig strafbare Handlungen im Sinne einer natürlichen Handlungsmehrheit durch ihre gesetzliche Umschreibung im Tatbestand (gewerbsmässiges oder bandenmässiges Delikt oder Dauerdelikt) zu einer rechtlichen oder juristischen Handlungseinheit verschmolzen, die gelegentlich auch als 'Kollektivdelikt' bezeichnet wird, wobei diese Bezeichnung bei einem gewerbsmässig handelnden Einzeltäter irreführend ist (zum Begriff 'Kollektivdelikt' vgl. Godenzi, Strafbare Beteiligung am kriminellen Kollektiv, 2015, S. 7 ff.). Diese rechtliche Einheit besteht objektiv in gleich gelagerten Handlungen, die gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet sind, an verschiedenen Orten begangen werden können, in einem zeitlichen Zusammenhang stehen und subjektiv auf einem alle Handlungen umfassenden Entschluss bzw. einem Gesamtvorsatz beruhen (BGE 118 IV 91 E. 4c; 77 IV 7 E. 3; vgl. auch Entscheide des Bundesstrafgerichts BG.2010.14 vom 20. September 2010 E. 2.2; BG.2008.1 vom 28. Januar 2008 E. 4.4; BG.2007.3 vom 15. Februar 2007 E. 2.1; SCHWERI/BÄNZIGER, a.a.O., N. 83). Alle dem Täter unter dem Titel des gewerbsmässigen (bzw. bandenmässigen) Delikts zur Last gelegten Verfehlungen sind gleich zu behandeln und haben als mit der gleichen Strafe bedroht zu gelten. Keine Handlungseinheit, sondern blosse Handlungsmehrheit liegt dann vor, wenn ein Einzelakt mit den übrigen gewerbs- oder bandenmässig begangenen Delikten keinen Zusammenhang hat bzw. wenn hinsichtlich des Einzelaktes die für dessen Qualifikation notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (Beschlüsse des Bundes—strafgerichts BG.2019.20 vom 24. April 2019 E. 3.2; BG.2014.17 vom 10. Juli 2014 E. 2.3; BG.2012.7 vom 16. März 2012 E. 3.2; BG.2010.14 vom 20. September 2010 E. 2.2; BG.2008.1 vom 28. Januar 2008 E. 4.4; Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 83 bis 85, 295).
2.4.2 Bei mehreren, an sich selbständigen Handlungen, die zu einer juristischen Handlungseinheit zusammengefasst werden – zum Beispiel bei Gewerbs—mässigkeit –, bestimmt sich die Zuständigkeit in Anwendung von Art. 31 StPO (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2019.14 vom 28. Mai 2019 E. 2.1 i.f.; BG.2016.1 vom 29. April 2016 E. 3.3; s.a. Bartetzko, Basler Kommentar, 3. Aufl. 2023, Art. 31 StPO N. 11; Fingerhuth/Lieber, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2020, Art. 31 StPO N. 25; MOSER/ Schlapbach, Basler Kommentar, 3. Aufl. 2023, Art. 34 StPO N. 3 f.).
2.5 Die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage richtet sich nach der aktuellen Verdachtslage. Massgeblich ist nicht, was der beschuldigten Person letztlich nachgewiesen werden kann, sondern der Tatbestand, der Gegenstand der Untersuchung bildet, es sei denn, dieser erweise sich von vornherein als haltlos oder sei sicher ausgeschlossen. Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore, wonach im Zweifelsfall auf den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das schwerere Delikt anzunehmen ist (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.10 vom 10. Juni 2014 E. 2.1).
3. Wie bereits ausgeführt (s. oben E. 1.3.2) sind die Angaben der Parteien unvollständig. Obschon für die Bestimmung des Gerichtsstands massgebend (s. oben E. 2), fehlen Angaben zu Tatorten, Tatzeiten, ersten Ermittlungshandlungen oder zu den Beteiligungsformen teilweise gänzlich und Auseinandersetzungen mit den rechtlichen Qualifikationen erfolgten kaum.
3.1 Da das vom Kanton Basel-Landschaft geführte Strafverfahren im Wesentlichen einen zeitlich begrenzten Vorfall betrifft, an dem weitgehend alle dort beschuldigten Personen beteiligt gewesen sein sollen, lässt sich aus den eingereichten Verfahrensakten der StA BL der massgebende Sachverhalt (Eindringen in Diebstahlsabsicht in ein Einfamilienhaus sowie in zwei davor geparkte Autos am Nachmittag des 15. Mai 2024 in Z./BL, Flucht der drei Beschuldigten und Betreten [B.] eines nahegelegenen SBB-Tunnels) ohne grösseren Aufwand feststellen.
3.2 Welche konkreten Sachverhalte der Kanton Neuenburg untersucht, ist unklar. Zu den Handlungen, die D. zwischen dem 1. und dem 5. Dezember 2023 in Neuchâtel begangen haben soll, ob er verdächtigt wird, diese Taten alleine oder mit anderen Personen verübt zu haben, wann die ersten Verfolgungshandlungen vorgenommen wurden und welche, äussert sich die StA NE nicht. Wann und wie die Straftaten (Diebstahl, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Entwendungen zum Gebrauch und weitere Delikte gegen das Strassenverkehrsgesetz), deren Untersuchung sie aufgrund der Annahme des Gerichtsstandgesuches des Kantons Bern übernommen hat, erfolgt sein sollen, umschreibt sie nicht. Auch gibt sie nicht an, ob die entsprechenden Vorwürfe ausschliesslich D. betreffen, oder ob D. mit anderen Personen gehandelt haben soll. Akten reicht sie nicht ein.
3.3 Die Angaben des Kantons Bern erschliessen sich teilweise nicht. Beispielweise befinden sich in den eingereichten Akten des von der StA BE geführten Verfahrens nicht nur Polizeirapporte zu Taten, die am 7. und 8. Dezember 2023 begangen wurden, sondern auch zu weiteren, wobei insbeson—dere auf einen Rapport der Kantonspolizei Bern vom 16. Februar 2024 (Vorgang 202312005238) betreffend Diebstahl (Versuch) und Sachbeschädigung begangen zwischen dem 4. und dem 9. Dezember 2023 in Y./BE hingewiesen werden kann, welcher einen Zusammenhang zu einem am 8. Dezember 2023 zum Nachteil des Vereins H. erfolgten Diebstahls aufweist (Verfahrensakten StA BE, Reiter 10). Aus den durch den Kanton Bern eingereichten Unterlagen geht hervor, dass die StA BE das Verfahren BM 24 16942 gegen D., A. und C. führt. Die Gerichtsstandsakten im Zusammenhang mit den Gerichtstandsanfragen an den Kanton Neuenburg hat der Kanton Bern nicht eingereicht. Es erschliesst sich nicht, welche vormals von der StA BE gegen D. geführten Verfahren am 20. Juni 2024 von der StA NE übernommen wurden und gestützt auf welcher Grundlage. Sollte die Übernahme durch die StA NE, bzw. die entsprechende an sie gerichtete Anfrage des Kantons Bern, jene Verfahren gegen D. betroffen haben, die aus den vorliegend eingereichten bernischen Verfahrensakten entnommen werden können, würde wohl eine Diskrepanz zu Art. 33 Abs. 2 StPO vorliegen oder – z.B., weil die D. vorgeworfenen Taten Bestandteil einer rechtlichen Handlungseinheit (s. oben E. 2.4.1) sein könnten (dazu unten E. 3.4.2) – eine Diskrepanz zu Art. 34 Abs. 1 StPO. Dem Gericht nicht bekannt ist sodann, ob der von der StA BE am 2. Februar 2024 wegen Diebstahls vom 7. Dezember 2023 gegen A. erlassene Strafbefehl (s. Strafregisterauszug A. Urteil 1) etwas mit dem Vorwurf gegen A., D. und C. zu tun hat, wonach die drei Männer am 7. Dezember 2023 einen Diebstahlversuch zum Nachteil des Einkaufsladens I. in Bern begangen haben sollen (s. Ermittlungsbericht der Kantonspolizei Bern vom 24. Mai 2024 S. 4 f.).
3.4
3.4.1 Die erwähnten fehlenden oder unklaren Angaben hängen mit den im Kanton Neuenburg und im Kanton Bern gegen D. geführten Verfahren zusammen. Auf die blosse Beurteilung der Zuständigkeit des Kantons Basel-Landschaft wirken sie sich nicht aus. Für das vorliegende auf A. und B. bezogene Gesuch ist massgebend, dass am 15. Mai 2024 um 14:56 Uhr bei der Notrufzentrale der Polizei Basel-Landschaft ein gleichentags erfolgter und schliesslich A., B. und E. vorgeworfener Diebstahl (bzw. Diebstahlversuch) angezeigt wurde (Verfahrensakten StA BL, Reiter 7 und 8). Somit wurden im Kanton Basel-Landschaft die ersten Verfolgungshandlungen gegen A. und B. am 15. Mai 2024 getätigt. Im Kanton Bern erfolgten die ersten Verfolgungshandlungen gegen A., D. und C. hingegen am 7. Dezember 2023, mit der Alarmierung der Kantonspolizei Bern durch die Filialleiterin des Einkaufsladens I. in Bern, welche einen durch A., D. und C. erfolgten Diebstahlversuch anzeigte (vgl. Verfahrensakten StA BE, vor Reiter 1, Ermittlungsbericht der Kantonspolizei Bern vom 24. Mai 2024 S. 5). Auch wenn aufgrund des im Strafregister eingetragenen Strafbefehls der StA BE vom 2. Februar 2024 gegen A. unklar ist, ob damit A. für diese Tat bereits verurteilt wurde, kann den eingereichten Verfahrensakten entnommen werden, dass für weitere A., D. und C. vorgeworfene, am 8. Dezember 2023 im Kanton Bern begangene (Einbruch-)Diebstähle die Kantonspolizei Bern am 8. Dezember 2023 um 01:23 Uhr alarmiert wurde (Einbruchdiebstahl zum Nachteil der Tankstelle J.; Alarm durch Augenzeugin) bzw. um 02:31 Uhr (Diebstahl [Versuche] zum Nachteil mehrerer sich im Einkaufs—center W./BE befindende Betriebe, automatischer Einbruchsalarm eines geschädigten Betriebs), um 02:26 Uhr (Restaurant K., Augenzeugin) oder um 07:43 Uhr (Supermarkt L. in X./BE, Geschäftsführer; vgl. Verfahrensakten StA BE, Reiter 3-7). Den Diebstahl in Y./BE zum Nachteil des Vereins H. entdeckte die Kantonspolizei Bern kurz nachdem am 8. Dezember 2023 um 00:54 Uhr ein Verkehrsunfall gemeldet wurde (Verfahrensakten StA BE, Reiter 2). Somit steht fest, dass in Bezug auf A. der Kanton Bern am 8. Dezember 2023 und daher vor dem Kanton Basel-Landschaft (15. Mai 2024) Verfolgungshandlungen vorgenommen hat, weshalb in Anwendung von Art. 31 und 33 StPO für die Verfolgung und Beurteilung von A. und dessen Mittäter der Kanton Bern zuständig ist.
3.4.2 Gemäss eingereichten Akten werden A., D. und C. verdächtigt, am 7.und 8. Dezember 2023 gemeinsam und zum Nachteil von ca. acht Geschädigten Diebstähle begangen oder solche versucht zu haben. Nach der Rechtsprechung ist Bandenmässigkeit anzunehmen, wenn zwei oder mehr Täter sich mit dem ausdrücklich oder konkludent geäusserten Willen zusammenfinden, inskünftig zur Verübung mehrerer selbständiger, im Einzelnen noch unbestimmter Straftaten zusammenzuwirken. Eine Bande kann schon beim Zusammenschluss von zwei Tätern gegeben sein, wenn nur gewisse, über die blosse Mittäterschaft hinausgehende Mindestansätze einer Organisation (etwa einer Rollen- oder Arbeitsteilung) vorliegen oder die Intensität des Zusammenwirkens ein derartiges Ausmass erreicht, dass von einem bis zu einem gewissen Grade fest verbundenen und stabilen Team gesprochen werden kann, auch wenn dieses allenfalls nur kurzlebig war (BGE 135 IV 158 E. 2 und E. 3.4; 124 IV 86 E. 2b; Urteile des Bundesgerichts 6B_1145/2016 vom 7. April 2017 e. 1.3 und 6B_960/2019 vom 4. Februar 2020 E. 5.1 m.w.H.). Ist demgegenüber schon die Zusammenarbeit derart locker, dass von Anfang an nur ein sehr loser und damit völlig unbeständiger Zusammenhalt besteht, liegt keine Bande vor (BGE 135 IV 158 E. 2 m.H.). Mit dieser Frage haben sich die Parteien nicht auseinandergesetzt. Indessen besteht aufgrund des Verdachts, dass die drei Beschuldigten innerhalb einer kurzen Zeitspanne gemeinsam eine Diebstahlserie durchgeführt (oder dies versucht) haben, auch der Verdacht der Bandenmässigkeit. Dass D. für die in Neuchâtel ausgeführten Diebstähle bandenmässiges Handeln vorzuwerfen wäre, macht keine Partei geltend und es liegen dafür in den eingereichten Akten keine Hinweise vor. Insofern ergibt sich die Zuständigkeit des Kantons Bern auch gemäss Art. 34 Abs. 1 StPO.
4. Nach dem Gesagten ist das Gesuch gutzuheissen und sind die Strafbehörden des Kantons Bern für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die A. und B. im Verfahren der StA BL zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.
5. Praxisgemäss ist bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten keine Gerichtsgebühr zu erheben (TPF 2023 130 E. 5.1).
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Die Strafbehörden des Kantons Bern sind berechtigt und verpflichtet, die A. und B. im Verfahren der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.
2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
Bellinzona, 30. Juli 2024
Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zustellung an
- Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft (unter separater Rücksendung der eingereichten Akten)
- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern (unter separater Rücksendung der eingereichten Akten)
- Ministère public du Canton de Neuchâtel
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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