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Entscheid des Bundesstrafgerichts: CA.2024.15 vom 18.03.2024

Hier finden Sie das Urteil CA.2024.15 vom 18.03.2024 - Beschwerdekammer: Rechtshilfe

Sachverhalt des Entscheids CA.2024.15

Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, wurde wegen räuberischen Diebstahls von drei Flaschen Alkohol im Wert von EUR 62.97 in Deutschland verhaftet und später wegen Auslieferungshaft angeklagt. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls sowie seine unverzügliche Freilassung. Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts hob den Auslieferungshaftbefehl ab, da es sich bei der Tat handelte, einem geringfügigen Vermögensdelikt und nicht um eine schwerwiegende Straftat. Der Beschwerdeführer beantragte auch die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und die Einsetzung seines unentgeltlichen Rechtsvertreter. Die Beschwerdekammer bestätigte jedoch, dass die Anforderungen für die unentgeltliche Rechtspflege erfüllt sind. Der Beschwerdeführer erhob auch Einwendungen gegen die doppelte Strafbarkeit seiner Tat und beantragte um unentgeltliche Rechtspflege. Die Beschwerdekammer bestätigte jedoch, dass der Beschwerdeführer seine finanziellen Möglichkeiten nicht in Betracht ziehe. Der Beschwerdeführer erhielt schliesslich eine Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.- und die Beschwerdekammer hob den Auslieferungshaftbefehl ab, bestätigte jedoch die Anforderungen für die unentgeltliche Rechtspflege. Die Beschwerde wurde daher abgewiesen.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Rechtshilfe

Fallnummer:

CA.2024.15

Datum:

18.03.2024

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Auslieferung; Recht; Schweiz; Verfahren; Entscheid; Auslieferungshaft; Bundesstrafgerichts; Gericht; Flucht; Auslieferungshaftbefehl; Rechtspflege; Flasche; Replik; Frist; Fluchtgefahr; Beschwerdekammer; Rechtshilfe; Verfolgte; Beschwerdeführers; Mitrea; Deutschland; Flaschen; Aufhebung; Schengen; Rechtsprechung; Arbeitsvertrag; Tribunal; Justiz; Absicht

Rechtskraft:

Kein Weiterzug, rechtskräftig

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 140 StGB ;Art. 172 StGB ;Art. 21 VwVG ;Art. 29 BV ;Art. 379 StPO ;Art. 48 BGG ;Art. 6 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 84 BGG ;Art. 92 BGG ;Art. 93 BGG ;

Referenz BGE:

111 IV 108; 130 II 306; 136 IV 20; 142 III 138; 145 IV 294; 147 II 432; ;

Entscheid des Bundesstrafgerichts

RH.2024.3, RP.2024.2

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: RH.2024.3

Nebenverfahren: RP.2024.2

Entscheid vom 18. März 2024 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Patrick Robert-Nicoud, Vorsitz,

Miriam Forni und Nathalie Zufferey,

Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja

Parteien

A., c/o Regionalgefängnis, vertreten durch Rechtsanwältin Monica Mitrea,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung,

Beschwerdegegner

Gegenstand

Auslieferung an Deutschland

Auslieferungshaftbefehl (Art. 48 Abs. 2 IRSG); unentgeltliche Rechtspflege (Art. 65 VwVG)

Sachverhalt:

A.      Das Justizministerium Niedersachsen ersuchte mit Schreiben vom 8. Januar 2024 das Bundesamt für Justiz (nachfolgend «BJ») um Inhaftierung des rumänischen Staatsangehörigen A. zwecks späterer Auslieferung (act. 3.1). Die Auslieferung wird gestützt auf den Haftbefehl des Landgerichts Stade vom 6. Oktober 2023 unter anderem wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls verlangt. A. wird vorgeworfen, am 29. November 2022 in Z./Deutschland in einem Lebensmittelgeschäft drei Jack-Daniels-Flaschen im Wert von EUR 62.97 eingesteckt zu haben, in der Absicht, sie ohne zu bezahlen, mitzunehmen. Nach einem Gerangel mit dem Ladendetektiv soll A. zwei Flaschen verloren haben und mit der noch bei ihm verbliebenen Flasche in der Hand dem Ladendetektiv mit einer Geste gedroht haben, ihm die Flasche auf den Kopf schlagen zu wollen (act. 3.1).

B.      Gestützt auf eine Haftanordnung des BJ vom 7. Februar 2024 wurde A. am 15. Februar 2024 durch die Kantonspolizei Bern verhaftet und in provisorische Auslieferungshaft versetzt (act. 3.3 und act. 3.4).

C.      Im Rahmen seiner Einvernahme vom 19. Februar 2024 durch die Kantonspolizei Bern widersetzte sich A. der vereinfachten Auslieferung (act. 3.5, S. 4, Rz. 7 ff.). Noch gleichentags erliess das BJ einen Auslieferungshaftbefehl gegen A. (act. 3.6).

D.      Mit Eingabe vom 1. März 2024 liess A. durch Rechtsanwältin Monica Mitrea (nachfolgend «RAin Mitrea») bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde gegen den Auslieferungshaftbefehl vom 19. Februar 2024 erheben. Er beantragt die Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls sowie seine unverzügliche Freilassung. Eventualiter sei der Auslieferungshaftbefehl aufzuheben und A. unverzüglich freizulassen unter Auflage folgender Ersatzmassnahmen: Hinterlegung des Passes beim BJ während der Dauer des Auslieferungsverfahrens sowie wöchentliche persönliche Meldung bei der Kantonspolizei Bern (act. 1, S. 8). In prozessualer Hinsicht beantragt A. die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und die Einsetzung von RAin Mitrea als seine unentgeltliche Rechtsvertreterin (RP.2024.2, act. 1, S. 8).

E.      Mit Beschwerdeantwort vom 8. März 2024 beantragt das BJ die Abweisung der Beschwerde (act. 3). A. hält in seiner Replik vom 14. März 2024 sinngemäss an den in seiner Beschwerde gestellten Anträgen fest und ersucht gleichzeitig um eine kurze Verlängerung der Frist, um das Formular betreffend unentgeltliche Rechtspflege mitsamt Beilagen einzureichen (act. 5).

F.      Die Replik wird dem BJ mit dem heutigen Entscheid zur Kenntnis gebracht.

          Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1     Für den Auslieferungsverkehr zwischen der Schweiz und Deutschland sind primär das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1), die hierzu ergangenen Zusatzprotokolle vom 17. März 1978 (ZPII EAUe; SR 0.353.12) und vom 10. November 2010 (ZPIII EAUe; SR 0.353.13), welchen beide Staaten beigetreten sind, sowie der Vertrag vom 13. November 1969 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des EAUe und die Erleichterung seiner Anwendung (SR 0.353.913.61) massgebend.

          Überdies anwendbar sind das Übereinkommen vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 (Schengener Durchführungsübereinkommen [SDÜ]; CELEX-Nr. 42000A0922(02); Abl. L 239 vom 22. September 2000, S. 19–62; Text nicht publiziert in der SR, jedoch abrufbar auf der Website der Schweizerischen Eidgenossenschaft unter «Rechtssammlung zu den sektoriellen Abkommen mit der EU», 8.1 Anhang A; https://www.admin.ch/opc/de/european-union/international-agreements/008.html) i.V.m. der Verordnung (EU) 2018/1862 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS) im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses 2007/533/JI des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und des Beschlusses 2010/261/EU der Kommission, namentlich Art. 26–31 (CELEX-Nr. 32018R1862; Abl. L 312 vom 7. Dezember 2018, S. 56–106; abrufbar unter «Rechtssammlung zu den sektoriellen Abkommen mit der EU», 8.4 Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands), sowie diejenigen Bestimmungen des Übereinkommens vom 27. September 1996 über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EUAuslieferungsübereinkommen; CELEX-Nr. 41996A1023(02); Abl. C 313 vom 23. Oktober 1996, S. 12–23), welche gemäss dem Beschluss des Rates 2003/169/JI vom 27. Februar 2003 (CELEX-Nr. 32003D0169; Abl. L 67 vom 12. März 2003, S. 25 f.; abrufbar unter «Rechtssammlung zu den sektoriellen Abkommen mit der EU», 8.2 Anhang B) eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands darstellen. Die zwischen den Vertragsparteien geltenden weitergehenden Bestimmungen aufgrund bilateraler oder multilateraler Abkommen bleiben unberührt (Art. 59 Abs. 2 SDÜ; Art. 1 Abs. 2 EU-Auslieferungsübereinkommen).

1.2     Soweit diese Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln, finden das Bundesgesetz vom 20. März 1981 (Rechtshilfegesetz, IRSG; SR 351.1) und die Verordnung vom 24. Februar 1982 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfeverordnung, IRSV; SR 351.11) Anwendung (Art. 1 Abs. 1 lit. a IRSG). Das innerstaatliche Recht gelangt nach dem Günstigkeitsprinzip auch dann zur Anwendung, wenn es geringere Anforderungen an die Rechtshilfe stellt (BGE 147 II 432 E. 3.1; 145 IV 294 E. 2.1; 142 IV 250 E. 3; jeweils m.w.H.). Vorbehalten bleibt die Wahrung der Menschenrechte (BGE 145 IV 294 E. 2.1; 123 II 595 E. 7c; TPF 2020 64 E. 1.1).

1.3     Für das Beschwerdeverfahren gelten zudem die Art. 379-397 StPO sinngemäss (Art. 48 Abs. 1 i.V.m. Art. 47 IRSG) sowie die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021; Art. 39 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 StBOG), wenn das IRSG nichts anderes bestimmt (siehe Art. 12 Abs. 1 IRSG).

2.      

2.1     Gegen den Auslieferungshaftbefehl des BJ kann der Verfolgte innert zehn Tagen ab der schriftlichen Eröffnung bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde erheben (Art. 48 Abs. 2 IRSG). Die Frist ist gewahrt, wenn spätestens am letzten Tage der Frist die Beschwerde der Behörde eingereicht oder zu deren Handen der schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben wird (Art. 21 Abs. 1 VwVG). Wann der Auslieferungshaftbefehl vom 19. Februar 2024 dem Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertreterin übergeben wurde, ergibt sich nicht aus den Akten. Es darf jedoch ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass dies frühestens am Tag darauf per Post an die Rechtsvertreterin geschehen ist. Die am 1. März 2024 erhobene Beschwerde erweist sich daher als fristgerecht. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben keinen Anlass zu Bemerkungen. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.2     Was hingegen die Rechtzeitigkeit der Replik anbelangt, so ist zunächst festzuhalten, dass das Gericht dem Beschwerdeführer eine Frist bis zum 14. März 2024 angesetzt hat, um die Replik einzureichen (act. 2). Diese ist am 18. März 2024 beim Gericht eingegangen. Aus dem Track&Trace-Auszug der Schweizerischen Post geht nicht hervor, wann die Aufgabe bei der Post erfolgt ist (vgl. act. 6). Jedoch trägt der Briefumschlag den Poststempel vom 15. März 2024 (act. 6.1), was darauf hindeutet, dass der Beschwerdeführer die Replik dem Gericht zu spät eingereicht hat. Wie es sich jedoch mit der Rechtzeitigkeit der Replik genau verhält, braucht nicht weiter überprüft zu werden, da die Beschwerde auch unter Berücksichtigung der in der Replik vorgebrachten Einwände abzuweisen ist.

3.       Die Verhaftung des Verfolgten während des ganzen Auslieferungsverfahrens bildet die Regel (BGE 136 IV 20 E. 2.2; 130 II 306 E. 2.2). Die Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls und die Haftentlassung rechtfertigen sich nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen, wenn der Verfolgte sich voraussichtlich der Auslieferung nicht entzieht und die Strafuntersuchung nicht gefährdet (Art. 47 Abs. 1 lit. a IRSG), wenn er den sogenannten Alibibeweis erbringen und ohne Verzug nachweisen kann, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war (Art. 47 Abs. 1 lit. b IRSG), wenn er nicht hafterstehungsfähig ist oder andere Gründe vorliegen, welche eine weniger einschneidende Massnahme rechtfertigen (Art. 47 Abs. 2 IRSG), oder wenn sich die Auslieferung als offensichtlich unzulässig erweist (Art. 51 Abs. 1 IRSG). Diese Aufzählung ist nicht abschliessend (BGE 130 II 306 E. 2.1; 117 IV 359 E. 2a; vgl. zum Ganzen u.a. den Entscheid des Bundesstrafgerichts RH.2018.3 vom 20. Februar 2018 E. 3.2).

          Offensichtlich unzulässig kann ein Auslieferungsersuchen sein, wenn ohne jeden Zweifel und ohne weitere Abklärungen ein Ausschlussgrund vorliegt (vgl. BGE 111 IV 108 E. 3a). Im Übrigen sind Vorbringen gegen die Auslieferung als solche oder gegen die Begründetheit des Auslieferungsbegehrens nicht im vorliegenden Beschwerdeverfahren, sondern im eigentlichen Auslieferungsverfahren zu prüfen (vgl. Moreillon/Dupuis/Mazou, La pratique judiciaire du Tribunal pénal fédéral, in Journal des Tribunaux 2009 IV 111 Nr. 190 und 2008 IV 66 Nr. 322 je m.w.H. auf die Rechtsprechung).

          Die ausnahmsweise zu gewährende Haftentlassung ist an strengere Voraussetzungen gebunden als der Verzicht auf die gewöhnliche Untersuchungshaft in einem Strafverfahren oder die Entlassung aus einer solchen. Dies soll es nach der Rechtsprechung der Schweiz ermöglichen, ihren staatsvertraglichen Auslieferungspflichten nachzukommen (vgl. BGE 130 II 306 E. 2.2 und 2.3; 111 IV 108 E. 2; Entscheid des Bundesstrafgerichts RH.2015.14 vom 9. Juli 2015 E. 4.1).

4.

4.1     Der Beschwerdeführer bestreitet in einem ersten Punkt das Vorliegen von Fluchtgefahr. Er habe sich im August 2023 im Kanton Bern niedergelassen und lebe hier mit seiner Freundin, B., und den beiden Mädchen, C., 10-jährig, und D., einjährig. C. besuche im Moment die 4. Klasse in Y. Der Beschwerdeführer habe eine Wohnung für sich und seine Familie gemietet. In beruflicher Hinsicht verfüge der Beschwerdeführer seit seiner Ankunft über einen Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen E. AG. Seit Anfang 2024 habe er zudem einen Arbeitsvertrag mit der F. GmbH. Dies belege, dass der Beschwerdeführer die Absicht habe, sich dauerhaft in der Schweiz niederzulassen, dieses Land weder verlassen noch untertauchen zu wollen. Mit Blick auf seine familiäre Situation sei es offensichtlich, dass der Beschwerdeführer keine Absicht habe, zu flüchten und seine Familie in der Schweiz zurückzulassen. Der Beschwerdeführer sei sich absolut bewusst, dass es nicht in seinem Interesse sei, die Schweiz zu verlassen, um sich der Auslieferung zu entziehen, zumal ein entsprechendes Ersuchen auch in einem anderen Land gestellt werden könne. Es müsse auch in Betracht gezogen werden, dass die Inhaftierung des Beschwerdeführers dessen berufliche Situation gefährde. Unter diesen Umständen bestehe keine Fluchtgefahr, und der Beschwerdeführer sei bereit, den Anordnungen der schweizerischen Behörden Folge zu leisten. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer nie irgendeine Vorladung erhalten habe und nie die Absicht gehabt habe, sich irgendwelchen Anordnungen zu entziehen. Im Gegenteil: er habe in Deutschland einen Anwalt, der ihn vertrete, nämlich Rechtsanwalt G. (act. 1, S. 5 f.).

4.2     Die bundesgerichtliche Rechtsprechung ist hinsichtlich der Verneinung von Fluchtgefahr überaus restriktiv und misst der Erfüllung dieser staatsvertraglichen Auslieferungspflichten im Vergleich zu den Interessen des Verfolgten ausserordentlich grosses Gewicht bei (vgl. BGE 130 II 306 E. 2 S. 310 ff. m.w.H.; Entscheid des Bundesstrafgerichts RH.2015.4 vom 23. Februar 2015 E. 5.2). So wurde beispielsweise die Möglichkeit einer Verurteilung zu einer langen Freiheitsstrafe zur Verweigerung der Haftentlassung als ausreichend betrachtet, obwohl der Verfolgte über eine Niederlassungsbewilligung verfügte, seit 18 Jahren in der Schweiz lebte, mit einer Schweizerin verheiratet und Vater zweier Kinder im Alter von drei und acht Jahren war und die beiden Kinder die schweizerische Nationalität besassen (Urteil des Bundesgerichts 8G.45/2001 vom 15. August 2001 E. 3a). Ebenso wurde Fluchtgefahr bei einem Verfolgten bejaht, der seit seinem 17. Lebensjahr seit zehn Jahren ununterbrochen in der Schweiz lebte und seine Freundin wie auch den Freundeskreis hier hatte (Entscheid des Bundesstrafgerichts BH.2006.4 vom 21. März 2006 E. 2.2.1). Zunächst ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Auslieferung eine Haftstrafe von bis zu 5 bzw. 15 Jahren droht (act. 3.1, Anhang Haftbefehl, S. 2), weshalb das Bestehen von Fluchtgefahr ohne Weiteres zu bejahen ist. Der Beschwerdeführer lebt sodann mit seiner rumänischen Freundin und den Kindern erst seit August 2023 in der Schweiz. Eine Verbundenheit mit der Schweiz, welche die Fluchtgefahr bannen würde, liegt nicht vor. Daran ändert weder der Umstand, dass die grössere Tochter in der Schweiz seit August 2023 die Schule besucht noch die bestehenden Arbeitsverhältnisse des Beschwerdeführers mit zwei Arbeitgebern etwas. Beim Arbeitsvertrag mit der F. GmbH handelt es sich zudem um einen Arbeitsvertrag auf Abruf, und auch im Arbeitsvertrag mit der E. AG wird darauf hingewiesen, den Mitarbeitenden keine Arbeitsstunden zu garantieren.

4.3     Mildere Ersatzmassnahmen, die geeignet wären, der erheblichen Fluchtgefahr ausreichend zu begegnen, sind vorliegend keine ersichtlich. Nach konstanter Rechtsprechung werden Abgabe der Reisedokumente, Schriftensperre, Meldepflicht und Electronic Monitoring ohnehin nur in Kombination mit einer sehr substantiellen Sicherheitsleistung als überhaupt geeignet erachtet, Fluchtgefahr ausreichend zu bannen (vgl. Entscheide des Bundesstrafgerichts RH.2020.9 vom 11. September 2020 E. 5.2; RH.2017.17 vom 2. Oktober 2017 E. 5.4.4; RH.2015.20 vom 1. September 2015 E. 5.3.2; RH.2015.10 vom 10. Juni 2015 E. 5.3; RH.2015.4 vom 23. Februar 2015 E. 5.2). Der Beschwerdeführer äussert sich jedoch nicht zur Höhe einer allfälligen Sicherheitsleistung. Er macht gegenteils geltend, bedürftig zu sein und weder über Vermögen noch Einkommen zu verfügen (vgl. act. 1, S. 7).

5.

5.1     Schliesslich erhebt der Beschwerdeführer Einwendungen gegen die doppelte Strafbarkeit. Das Auslieferungsersuchen ziele auf die Verfolgung und Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Diebstahls von drei Flaschen Alkohol im Wert von EUR 62.97 ab. Nach schweizerischem Recht gelte der Diebstahl als Übertretung, die nur mit einer Geldstrafe geahndet werde, wenn der Wert der Beute unter CHF 300 liege, was vorliegend der Fall sei. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer das Geschäft nicht verlassen habe, ohne die Kassen zu passieren. Er sei vielmehr mit seiner Frau in aller Ruhe am Einkaufen gewesen, als er vom Sicherheitspersonal angehalten worden sei, weil er die Flaschen in seine Tasche gesteckt habe. Das Sicherheitspersonal sei davon ausgegangen, dass er die Flaschen habe stehlen wollen. Auch wenn im Auslieferungsverfahren der ersuchende Staat keine Beweise für die vorgeworfene Tat vorzulegen habe, so bestreite der Beschwerdeführer kategorisch die von den deutschen Behörden geschilderte Handlung. Als er von den Sicherheitsleuten vor der Kasse angesprochen sei, sei er in Panik geraten und habe die Flucht ergriffen. Drei Personen seien ihm gefolgt und hätten seinen Kopf gegen eine Mauer gedrückt. Als er keine Luft mehr gekriegt habe, habe er geschrien und um sich geschlagen. Er habe nie jemanden mit einer Flasche bedroht. Schliesslich sei festzuhalten, dass die dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegende Tat ein Bagatellfall sei, der die Gewährung der Rechtshilfe durch die Schweiz offensichtlich unzulässig mache. In diesem Zusammenhang sei die Auslieferungshaft unverhältnismässig (act. 1, S. 6 f.; act. 5, S. 1 f.).

5.2     Die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen gegen die doppelte Strafbarkeit beziehen sich auf die betreffenden Auslieferungsvoraussetzungen, die grundsätzlich nicht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegen die angeordnete Haft zu prüfen sind, sondern gegebenenfalls im Rahmen eines Auslieferungsentscheides (vgl. u.a. Entscheide des Bundessstrafgerichts RH.2023.4 vom 3. März 2023 E. 5.2; RH.2020.5 vom 12. August 2020 E. 5.1 und 5.2). Gestützt auf die Sachverhaltsausführungen im Haftbefehl des Landgerichts Stade vom 6. Oktober 2023 ist der Sachverhalt prima vista unter den Tatbestand des räuberischen Diebstahls im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zu subsumieren, weshalb im Hinblick auf die Strafandrohung von sechs Monaten bis zehn Jahren Freiheitsstrafe ein geringfügiges Vermögensdelikt nicht vorliegt und die Anwendung von Art. 172ter Abs. 1 StGB ausgeschlossen ist (vgl. Art. 172ter Abs. 2 StGB). Der Beschwerdeführer zeigt mit seiner Kritik keine Gründe auf, welche seine Auslieferung ohne jeden Zweifel und ohne weitere Abklärungen als offensichtlich unzulässig erscheinen lassen. Jedenfalls sind derzeit keine Anhaltspunkte ersichtlich, die darauf deuten würden, dass die Auslieferung des Beschwerdeführers deswegen als offensichtlich unzulässig i.S.v. Art. 51 Abs. 1 IRSG zu qualifizieren und die Haft daher nicht fortzusetzen wäre.

5.3     Die Beschwerde erweist sich daher auch in diesem Punkt als unbegründet.

6.       Andere Gründe, welche eine Auslieferung offensichtlich auszuschliessen oder sonst zu einer Aufhebung der Auslieferungshaft zu führen vermöchten, werden weder geltend gemacht noch sind solche ersichtlich. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als offensichtlich unbegründet.

7.

7.1     Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege (RP.2024.2, act. 1).

7.2     Die Beschwerdekammer befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Verfahrenskosten, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 65 Abs. 1 VwVG), und bestellt dieser einen Anwalt, wenn das zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist (Art. 65 Abs. 2 VwVG). Diese Regelung ist Ausfluss von Art. 29 Abs. 3 BV. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind als aussichtslos Begehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese (BGE 142 III 138 E. 5.1; 140 V 521 E. 9.1).

7.3     Vorliegend erweist sich die Beschwerde als offensichtlich aussichtslos im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG. Demzufolge ist das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ohne Überprüfung seiner finanziellen Situation abzuweisen. Vor diesem Hintergrund ist das im Rahmen der Replikeingabe gestellte Gesuch um Erstreckung der Frist zur Einreichung des Formulars betreffend unentgeltliche Rechtspflege mitsamt Beilagen ohne Weiteres abzuweisen, soweit es überhaupt rechtzeitig gestellt worden ist (vgl. oben lit. E und E. 2.2). Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr kann der womöglich schwierigen finanziellen Situation des Beschwerdeführers Rechnung getragen werden.

8.       Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die reduzierte Gerichtsgebühr ist auf Fr. 1'000.-- festzusetzen (vgl. Art. 63 Abs. 5 VwVG und Art. 73 StBOG sowie Art. 5 und Art. 8 Abs. 3 lit. a des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. Das Gesuch um Erstreckung der Frist zur Einreichung des Formulars betreffend unentgeltliche Rechtspflege mitsamt Beilagen wird abgewiesen.

4. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 18. März 2024

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Vizepräsident:                                                     Die Gerichtsschreiberin:

Zustellung an

- Rechtsanwältin Monica Mitrea

- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung

Rechtsmittelbelehrung

Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig (Art. 92 Abs. 1 BGG). Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden (Art. 92 Abs. 2 BGG).

Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sind andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar. Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können, oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Entscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (vgl. Art. 93 Abs. 1 und 2 BGG). Ist die Beschwerde gegen einen Vor- oder Zwischenentscheid gemäss Art. 93 Abs. 1 und 2 BGG nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken (Art. 93 Abs. 3 BGG).

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (vgl. Art. 84 Abs. 1 BGG). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG).

Die Beschwerde ist innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen (vgl. Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG). Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Im Falle der elektronischen Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind (Art. 48 Abs. 2 BGG).

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