Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Strafverfahren |
Fallnummer: | BG.2024.30 |
Datum: | 19.07.2024 |
Leitsatz/Stichwort: | |
Schlagwörter | Gesuch; Verfahren; Kanton; Gesuchs; Verfahrens; Gerichtsstand; Gesuchsteller; Verdacht; Kantons; Täuschung; Verfahrensakten; Verdachts; Betrug; Gerichtsstands; Akten; Aktien; Geldwäscherei; Beschwerdekammer; Oberstaatsanwalt; Behörde; Bundesstrafgericht; Beschuldigte; Täuschungshandlung; Bundesstrafgerichts; Sache; Behörde |
Rechtskraft: | Kein Rechtsmittel gegeben |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 13 StGB ;Art. 14 StPO ;Art. 146 StGB ;Art. 15 StGB ;Art. 305 StGB ;Art. 33 StPO ;Art. 34 StPO ;Art. 39 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 40 StPO ;Art. 423 StPO ;Art. 66 BGG ; |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
BG.2024.26
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: BG.2024.26 |
Beschluss vom 19. Juli 2024 Beschwerdekammer | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Roy Garré, Vorsitz, Miriam Forni und Nathalie Zufferey, Gerichtsschreiber Stefan Graf | |
Parteien | Kanton Zürich, Oberstaatsanwaltschaft, Gesuchsteller | |
gegen | ||
Kanton Zug, Staatsanwaltschaft, Gesuchsgegner | ||
Gegenstand | Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO) |
Sachverhalt:
A. Mit Schreiben vom 9. November 2023 im Fall CaseW-002909 übermittelte die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich (nachfolgend «StA III ZH») gestützt auf Art. 23 Abs. 4 und Art. 9 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 10. Oktober 1997 über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (Geldwäschereigesetz, GwG; SR 955.0) die Verdachtsmeldungen Nr. STR-023102 und Nr. STR-024484 (Verfahrensakten der StA III ZH Aktenzeichen D‑2/2023/10043332 [nachfolgend «Verfahrensakten»], pag. 20101001 ff.). Gestützt darauf eröffnete die StA III ZH am 20. November 2023 unter der Verfahrensnummer D-2/2023/10043332 die Strafuntersuchung gegen A. und gegen B. wegen des Verdachts des gewerbsmässigen Betrugs, evtl. der Veruntreuung oder ungetreuen Geschäftsbesorgung, sowie der Geldwäscherei (Verfahrensakten, pag. 10101001 f.).
B. Mit Schreiben vom 23. November 2023 gelangte die StA III ZH an die II. Abteilung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug (nachfolgend «StA ZG») und ersuchte diese um Übernahme des gegen A. und B. geführten Verfahrens (Verfahrensakten, pag. 10101003 ff.). Die II. Abteilung der StA ZG teilte diesbezüglich am 11. Dezember 2023 mit, sie anerkenne für den Kanton Zug in dieser Sache keinen Gerichtsstand (Verfahrensakten, pag. 10101008 ff.).
C. Daraufhin ersuchte am 25. März 2024 die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich den Leitenden Oberstaatsanwalt der StA ZG um Übernahme des Verfahrens gegen A. und B. (Verfahrensakten, pag. 10101017 ff.). Dieser verneinte am 16. Mai 2024 eine Zuständigkeit des Kantons Zug (Verfahrensakten, pag. 10101026 ff.).
D. Mit Gesuch vom 29. Mai 2024 gelangte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (act. 1). Sie beantragt, es seien die Strafbehörden des Kantons Zug für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die den beschuldigten Personen zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.
In seiner Gesuchsantwort vom 12. Juni 2024 schliesst der Leitende Oberstaatsanwalt der StA ZG auf Abweisung des Gesuchs (act. 4). Diese Eingabe wurde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich am 13. Juni 2024 zur Kenntnisnahme übermittelt (act. 5).
Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter (Art. 39 Abs. 1 StPO). Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung (Art. 39 Abs. 2 StPO). Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid (Art. 40 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG). Hinsichtlich der Frist, innerhalb welcher die ersuchende Behörde ihr Gesuch einzureichen hat, ist im Normalfall die Frist von zehn Tagen gemäss Art. 396 Abs. 1 StPO analog anzuwenden (vgl. hierzu TPF 2019 62 E. 1; TPF 2011 94 E. 2.2 S. 96). Die Behörden, welche berechtigt sind, ihren Kanton im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten, bestimmen sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht (Art. 14 Abs. 4 StPO).
1.2 Gemäss § 107 Abs. 1 lit. b des Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess des Kantons Zürich vom 10. Mai 2010 (GOG/ZH; LS 211.1) vertritt die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich den Gesuchsteller in Gerichtsstandskonflikten vor dem Bundesstrafgericht. Auf Seiten des Gesuchsgegners steht diese Befugnis grundsätzlich dem Leitenden Oberstaatsanwalt zu (§ 46 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über die Organisation der Zivil- und Strafrechtspflege des Kantons Zug vom 26. August 2010 [Gerichtsorganisationsgesetz, GOG/ZG; BGS 161.1]). Die Parteien führten zur Frage der Zuständigkeit hinsichtlich der vorliegenden Strafsache einen Meinungsaustausch, welcher mit dem Schreiben des Gesuchsgegners vom 16. Mai 2024 seinen Abschluss fand (Eingang beim Gesuchsteller am 21. Mai 2024; vgl. Verfahrensakten, pag. 10101026). Die Postaufgabe des Gesuchs erfolgte am 30. Mai 2024 und somit innerhalb der analog anwendbaren zehntägigen Frist von Art. 396 Abs. 1 StPO.
2.
2.1 Die von der MROS an den Gesuchsteller übermittelten Verdachtsmeldungen, welche den Gesuchsteller zur Eröffnung des Strafverfahrens veranlassten, betrafen insbesondere die C. AG bzw. deren Geschäftsbeziehung bei der Bank D. Aus den Verdachtsmeldungen Nr. STR-023102 und Nr. STR-024484 geht zusammengefasst hervor, dass die C. AG im Jahre 2020 gegründet wurde. Deren Verwaltungsrat besteht aus A. und B., welche (direkt oder über die Firma E. AG) die Aktienmehrheit der C. AG halten sollen. Die restlichen 26 % sollen ca. 283 Minderheitsaktionäre halten. Insbesondere aufgrund der Geldflüsse zwischen der C. AG und den auf A. (Luzern) bzw. B. (Zug), F. (Z./ZH), G. GmbH (Y./ZG), H. Family Office (X./ZH), I. oder Firma J. (W./ZH) lautenden Bankkonten sowie in Anbetracht der Aktientransaktionen, Bargeldbezüge oder Bezahlungen von Gütern oder Dienstleistungen bestehe der Verdacht des Investorenbetrugs bzw. die Möglichkeit, dass sich A. und B. des Betrugs, der ungetreuen Geschäftsbesorgung und der Geldwäscherei schuldig gemacht haben könnten. Das H. Family Office und F. könnten ebenfalls im Investorenbetrug involviert sein und bei I. würden Anhaltspunkte auf Veruntreuung oder Geldwäscherei hindeuten (Verfahrensakten, pag. 20101001 ff.). Darüber hinaus sollen bei der Firma J. Anhaltspunkte für einen möglichen Betrug im Zusammenhang mit Covid-19-Krediten vorliegen.
2.2 Im vorliegenden Verfahren führt der Gesuchsteller aus, den beiden Verdachtsmeldungen liege der folgende Gesamtsachverhalt zugrunde (vgl. act. 1, S. 2 f.):
Den Beschuldigten A. und B. wird vorgeworfen, vom Zeitpunkt der Eröffnung der Kontobeziehung bei der Bank D. im November 2022 bis Ende Juli 2023 durch arglistige Täuschung von ca. 283 im In- und Ausland ansässigen Privatanlegern Aktien der C. AG zu einem überteuerten Wert verkauft und die auf diese Weise erwirkten ca. Fr. 15.2 Mio. nicht für Geschäftszwecke der C. AG, sondern für private Auslagen verwendet zu haben. Dabei wurden gemäss der Verdachtsmeldung teilweise die Auffindung und Einziehung der auf diese Weise erlangten Vermögenswerte vereitelt und der Paper Trail unterbrochen.
Für den Verkauf der überteuerten Aktien wurden gemäss Transaktionsanalyse der melde—erstattenden Bank gegen Zahlungen von Provisionen mehrere Vermittler beigezogen (K. AG mit Sitz in Zürich; L. GmbH mit Sitz in Zug; M. mit Wohnsitz in W./ZH). Aus den der MROS-Meldung beigelegten Unterlagen ergibt sich, dass Erlöse aus den Aktienverkäufen direkt auf Bankkonten der C. AG einbezahlt und die Vermittlerprovisionen im deutlich kleineren Teilbetrag des Erlöses dann von diesen Bankkonten aus bezahlt wurden.
Weiter nahmen gemäss MROS-Meldung das H. Family Office in X./ZH sowie F. und I. mit Wohnsitzen in Z./ZH auf ihren Kontobeziehungen Zahlungen aus dem Verkauf von überbewerteten Aktien der C. AG entgegen und leiteten die empfangenen Gelder nach Abzug ihrer Anteile von ca. 25 % auf das Konto der C. AG weiter. Aus den beigelegten Akten der meldeerstattenden Bank ergibt sich, dass diese Personen selbst (überteuerte) Aktien der C. AG gekauft und mit der Vereinbarung, Halter der Aktien zu bleiben, in eigenem Namen an Drittpersonen u.a. aus ihrem Freundes- und Verwandtenkreis weiterverkauft haben.
Die Staatsanwaltschaft III eröffnete gestützt auf diese Ausführungen in der MROS Meldung
- am 20. November 2023 unter der Verfahrensnummer 2023/10043332 gegen A. und B. eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf gewerbsmässigen Betrug (evtl. Veruntreuung oder ungetreuer Geschäftsbesorgung) und Geldwäscherei,
- am 22. November 2023 unter der Verfahrensnummer 2023/10044860 gegen F. und I. eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf Geldwäscherei,
- und ebenfalls am 22. November 2023 unter der Verfahrensnummer 2023/10044862 gegen H. eine weitere Strafuntersuchung wegen Verdachts auf Geldwäscherei.
3.
3.1
3.1.1 Ist eine Straftat von mehreren Mittäterinnen oder Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 33 Abs. 2 StPO). Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO). Begehen mehrere Beschuldigte zusammen in verschiedenen Kantonen mehrere Delikte, so sind Art. 33 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1 StPO so miteinander zu kombinieren, dass in der Regel alle Mitwirkenden an dem Orte verfolgt werden, wo von einem Mittäter die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt worden ist. Bei gleich schweren Strafdrohungen bestimmt sich der Gerichtsstand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (TPF 2022 146 E. 2.1 m.w.H.).
3.1.2 Der Gesuchsteller bezeichnet die beiden Verwaltungsräte der C. AG in seinem Gesuch durchwegs als Haupttäter (vgl. u.a. act. 1, S. 6), wobei implizit wohl von Mittäterschaft ausgegangen wird. Zur Last gelegt werden A. und B. die Delikte des gewerbsmässigen Betrugs (Art. 146 Abs. 2 StGB), eventuell der Veruntreuung (Art. 138 StGB) oder der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB), sowie der Geldwäscherei (Art. 305bis StGB). Unter diesen Straf—taten ist der gewerbsmässige Betrug die mit der schwersten Strafe bedrohte («Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren» gemäss der am 1. Juli 2023 in Kraft getretenen Fassung). Für die vorliegende Gerichtsstandsfrage in erster Linie entscheidend ist damit, an welchem Ort bzw. an welchen Orten die Beschuldigten gewerbsmässigen Betrug verübt haben sollen.
3.2
3.2.1 Geht in einem Kanton eine Strafanzeige bzw. ein Strafantrag ein, so hat die betroffene Strafverfolgungsbehörde von Amtes wegen zu prüfen, ob nach den Gerichtsstandsbestimmungen die örtliche Zuständigkeit ihres Kantons gegeben ist. Damit diese Prüfung zuverlässig erfolgen kann, muss die fragliche Behörde alle für die Festlegung des Gerichtsstandes wesentlichen Tatsachen erforschen und alle dazu notwendigen Erhebungen durchführen (TPF 2019 62 E. 4.1 S. 64). Dazu gehört insbesondere die Ermittlung des Ausführungsortes (vgl. die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2022.35 vom 19. Dezember 2022 E. 3.2.1; BG.2020.37 vom 30. September 2020 E. 3.3; Schweri/Bänziger, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl. 2004, N. 443). Wurden nicht alle für die Festlegung des Gerichtsstands wesentlichen Tatsachen erforscht und alle dazu notwendigen Erhebungen durchgeführt, ist auf das Gesuch grundsätzlich nicht einzutreten (vgl. hierzu den Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2023.44 vom 23. Januar 2024 E. 2.1 in fine m.w.H.).
3.2.2 Bezüglich Form und Substantiierung eines Gesuchs im Sinne von Art. 40 Abs. 2 StPO gilt, dass dieses vollständig zu dokumentieren ist, sodass ohne weitere Beweismassnahmen darüber entschieden werden kann. Die ersuchende Behörde hat das Gesuch so zu verfassen, dass ihm ohne Durchsicht der kantonalen Akten die für die Bestimmung des Gerichtsstandes erforderlichen und wesentlichen Tatsachen entnommen werden können, weshalb dieses in kurzer, aber vollständiger Übersicht darzulegen hat, welche strafbaren Handlungen dem Beschuldigten vorgeworfen werden, wann und wo diese ausgeführt wurden und wo allenfalls der Erfolg eingetreten ist, wie die aufgrund der Aktenlage in Frage kommenden strafbaren Handlungen rechtlich zu würdigen sind sowie welche konkreten Verfolgungshandlungen von welchen Behörden wann vorgenommen wurden. Zudem sind die für die Gerichtsstandsbestimmung wesentlichen Akten zweckmässig paginiert, mit Verzeichnis versehen und geordnet in einem separaten Dossier beizulegen, wobei der blosse Hinweis auf die vollständig beigelegten kantonalen Akten unzulässig ist und die Erläuterungen daher stets mit der Angabe der entsprechenden Aktenstelle zu versehen sind (vgl. u.a. die Beschlüsse des Bundes—strafgerichts BG.2022.35 vom 19. Dezember 2022 E. 3.2.2; BG.2022.7 vom 23. Februar 2022 E. 1.2.2; BG.2021.11 vom 11. März 2021 E. 1.3; vgl. auch Baumgartner, Die Zuständigkeit im Strafverfahren, 2014, S. 498; Guidon/Bänziger, Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesstrafgerichts zum interkantonalen Gerichtsstand in Strafsachen, Jusletter vom 21. Mai 2007, N. 20).
3.2.3 Die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage richtet sich nach der aktuellen Verdachtslage. Massgeblich ist nicht, was dem Beschuldigten letztlich nachgewiesen werden kann, sondern der Tatbestand, der Gegenstand der Untersuchung bildet, es sei denn, dieser erweise sich von vornherein als haltlos oder als sicher ausgeschlossen. Der Gerichtsstand bestimmt sich also nicht nach dem, was der Täter begangen hat, sondern nach dem, was ihm vorgeworfen wird, das heisst, was aufgrund der Aktenlage überhaupt in Frage kommt. Dabei stützt sich die Beschwerdekammer auf Fakten, nicht auf Hypothesen. Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore, wonach im Zweifelsfall auf den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das schwerere Delikt anzunehmen ist (TPF 2021 167 E. 3.2.3; TPF 2019 82 E. 2.4; TPF 2019 52 E. 2.1 S. 55 f.; TPF 2019 28 E. 2.2 S. 31; jeweils m.w.H.).
3.3
3.3.1 Ein Betrug gilt als dort verübt, wo der Täter jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen zu einem Verhalten bestimmt, das den sich Irrenden oder einen Dritten am Vermögen schädigt (Urteil des Bundesgerichts 6B_127/2013 vom 3. September 2013 E. 4.2.2 m.H.). Ausführungshandlung des Betrugs ist jede Tätigkeit, die nicht blosse Vorbereitungshandlung ist, d.h. die nach dem Plan des Betrügers auf dem Weg zum Erfolg den entscheidenden Schritt bildet, von dem es in der Regel kein von äusseren Schwierigkeiten unbeeinflusstes Zurück mehr gibt (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 106; siehe den Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2021.17 vom 16. Juni 2021 E. 2.4.3). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist Betrug ein Erfolgsdelikt mit einem doppelten Erfolg (kupiertes Erfolgs—delikt). Der Erfolg kann sowohl am Ort eintreten, wo die Entreicherung bzw. die beabsichtigte Bereicherung eingetreten ist, wie auch am Ort, wo die Irrtumserregung oder die Vermögensdisposition stattgefunden haben (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2021.17 vom 16. Juni 2021 E. 2.4.4 m.w.H.). In gerichtsstandsrechtlicher Hinsicht ist primär der Handlungsort massgebend, während dem Ort des Erfolgseintritts lediglich subsidiäre Bedeutung zukommt (Baumgartner, a.a.O., S. 60; Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 65 und 95; siehe auch TPF 2022 154 E. 3.2; TPF 2022 140 E. 2.2 S. 142).
3.3.2 In ihrem ersten Ersuchen vom 23. November 2023 um Übernahme des Verfahrens gegen A. und B. führte die zuständige Strafbehörde des Gesuchstellers zum Handlungsort einzig Folgendes aus (vgl. Verfahrensakten, pag. 10101005):
Sämtliche der MROS-Meldung beigelegte Aktienkaufverträge zwischen der C. AG und den Käufern wurden von Seiten der C. AG jeweils in Zug unterzeichnet. Nachdem sich auch der Sitz der C. AG in Zug befindet und der Verwaltungsrat B. in Zug wohnhaft ist, ist davon auszugehen, dass die gemeldete Haupttat im Zuständigkeitsbereich Ihrer Amtsstelle (im Kanton Zug) begangen wurde.
Diesen Ausführungen kann offensichtlich nicht entnommen werden, welcher Beschuldigte wo welche Täuschungshandlung begangen haben soll. Ohne Angaben zum Handlungs- oder Ausführungsort in Bezug auf die Straftat des gewerbsmässigen Betrugs ist die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage jedoch nicht möglich. Zwar nennt Baumgartner (a.a.O., S. 106) als mögliche Täuschungshandlungen neben Gesprächen, Telefonaten, Schreiben und Vertragsverhandlungen auch Vertragsabschlüsse. Inwiefern alleine durch die Vertragsunterzeichnung durch die Verkäuferin eine arglistige Täuschung verübt werden soll, welche die Käuferschaft zu einem Verhalten bestimmt, wodurch diese sich selbst oder einen anderen am Vermögen schädigt, ist jedoch nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Es erscheint wesentlich plausibler, dass der durch die Täuschung herbeigeführte Irrtum auf Seiten der jeweiligen Käuferschaft bereits im Zeitpunkt vorgelegen haben muss, in welchem diese den Vertrag unterzeichnete. Käuferschaft und Verkäuferin tätigten die Vertragsunterzeichnung nicht zwingend am selben Ort bzw. die Käuferschaft leistete ihre Unterschrift nicht zwingend in Zug. Zudem erfordert der Entschluss der Käuferschaft, den Vertrag einzugehen, dass die mutmasslichen Täuschungshandlungen vor Vertragsabschluss erfolgt sein müssen. In gerichtsstandsrechtlicher Hinsicht kommt dem Ort der Vertragsunterzeichnung durch die Verkäuferschaft somit nicht von vornherein entscheidende Bedeutung zu. Primär ist massgebend, wo die mutmass—liche Täterschaft die Täuschungshandlungen vorgenommen hat bzw. wo die Käuferschaft getäuscht wurde. Diese Elemente sind vorliegend nicht ermittelt. Im aktuellen Verfahrensstand sind Annahmen zu den handelnden Personen und deren Rollen sowie zu den massgebenden Handlungsorten lediglich Hypothesen, welche einzig durch weitergehende Ermittlungen weiter geklärt werden können.
3.3.3 Aus der zweiten Anfrage der Strafbehörden des Gesuchstellers vom 25. März 2024 ergeben sich diesbezüglich kaum weitere Aufschlüsse. Darin wird u.a. ausgeführt, aus der Verdachtsmeldung und den beigelegten Unterlagen ergäben sich in Zusammenhang mit Verdachtslage auf Anlagebetrug auch nur Tatbeiträge der Verantwortlichen der C. AG (Verfahrensakten, pag. 10101021; siehe auch act. 1, S. 7). Welchen konkreten Handlungen diese «Tatbeiträge» entsprechen sollen und wo diese vorgenommen wurden, wird jedoch nirgends erläutert. Sofern der Gesuchsteller weiter ausführte, der Handlungsort in Zusammenhang mit den vorliegend in Frage kommenden Betrugshandlungen könne aufgrund der bisherigen Erkenntnisse nur jener Ort sein, wo die Aktien verkauft wurden (vgl. Verfahrensakten, pag. 10101023; siehe auch act. 1, S. 9), argumentiert er an den für die Festlegung des Gerichtsstands massgebenden Kriterien vorbei. Entscheidend sind die Orte, wo mit Blick auf den möglichen Anlagebetrug Täuschungshandlungen verübt wurden.
3.3.4 Diesbezüglich führen auch die Ausführungen im vorliegenden Gesuch selbst nicht weiter. Immerhin lässt sich diesem mit Bezug auf die massgebenden Täuschungshandlungen entnehmen, es bestünden Anhaltspunkte, wonach die von A. und B. bei der Bank D. eingereichte Bewertungsanalyse unwahr und diese auch gegenüber Dritten für den Verkauf von Aktien der C. AG verwendet worden sei (act. 1, S. 4) bzw. «dass falsche Angaben gemacht wurden» (act. 1, S. 5). Wie, gegenüber wem, wo, wann und durch wen entsprechende Täuschungshandlungen erfolgt sein sollen, bleibt unklar. Ebenso, wenn den Beschuldigten A. und B. ohne weitere Konkretisierung «arglistige Täuschung» vorgeworfen wird oder ihnen «in Verdacht stehende Täuschungshandlungen» unterstellt werden (act. 1, S. 5). Nicht weiter hilft zudem die Erwägung des Gesuchstellers, der Beschuldigte A. könnte alternativ von seinem Wohnsitz in Luzern aus gehandelt haben (act. 1, S. 5); auch hierbei handelt es sich lediglich um eine Hypothese.
4. Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass es der Gesuchsteller unterlassen hat, in seinem Gesuch (aber auch im Rahmen des zuvor geführten Meinungsaustauschs) die für die Bestimmung des Gerichtsstandes erforderlichen und wesentlichen Tatsachen darzulegen. Im vorliegenden Verfahren liegt es nicht an der Beschwerdekammer, die kantonalen Akten nach möglichen Handlungsorten der für die Gerichtsstandsbestimmung massgebenden Straftaten abzusuchen. Sollten sich diese aufgrund der vorliegenden Akten nicht bestimmen lassen, so fällt es in die Zuständigkeit der die Strafanzeige bzw. eine Meldung der MROS entgegennehmenden Strafverfolgungsbehörde diese Handlungsorte zu ermitteln (vgl. oben E. 3.2.1). Dabei wird – entgegen den bisherigen Äusserungen des Gesuchstellers (siehe u.a. act. 1, S. 9) – auch den möglichen involvierten Dritten oder den Tatbeiträgen der verschiedenen Vermittler bzw. deren Mitwirkung an möglichen Täuschungshandlungen Beachtung zu schenken sein. Erst wenn die grundlegenden Abklärungen zu den Handlungsorten getätigt worden sind, lässt sich allenfalls auch ein Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit bestimmen (vgl. Art. 38 Abs. 1 und Art. 40 Abs. 3 StPO). Ein solcher bestimmt sich – anders als der Gesuchsteller zu vertreten scheint (vgl. act. 1, S. 9) – nicht abstrakt nach den Domizilen oder Wohnsitzen allenfalls beteiligter Personen. Auf das vorliegende Gesuch ist mangels hinreichender Substantiierung nicht einzutreten.
5. Praxisgemäss ist bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten keine Gerichtsgebühr zu erheben (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 66 Abs. 4 BGG per analogiam; TPF 2023 130 E. 5.1 m.w.H.).
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
Bellinzona, 19. Juli 2024
Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zustellung an
- Oberstaatsanwaltschaft des Kantos Zürich
- Staatsanwaltschaft des Kantons Zug
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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