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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BG.2024.21 vom 24.07.2024

Hier finden Sie das Urteil BG.2024.21 vom 24.07.2024 - Strafkammer

Sachverhalt des Entscheids BG.2024.21

Der Bundesstrafgericht des Kantons Thurgau hat ein Urteil vom 24. Juli 2024 in einem Verfahren gegen A. verhängt, bei dem die Strafkammer den Gesuchsteller wegen verschiedener Delikte zu einer bedingten Freiheitsstrafe und einer Busse verurteilt hat. Die Einzelrichterin erkennt das Gesuch der Bundesanwaltschaft an und verpflichtet A. zur Rückzahlungspflicht für die Kosten seiner amtlichen Verteidigung im Verfahren SK.2013.33 in Höhe von Fr. 12'400.--. Es werden keine Kosten erhoben, da dies ein Rechtsmittel ist. Der Gerichtsschreiber hat eine vollständige schriftliche Ausfertigung der Entscheidung zugestellt und die Berufung kann innert 10 Tagen seit Eröffnung des Urteils bei der Strafkammer des Bundesstrafgerichts mündlich oder schriftlich angemeldet werden.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Strafkammer

Fallnummer:

BG.2024.21

Datum:

24.07.2024

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Urteil; Urteils; Kammer; Apos;; Bundesanwaltschaft; Berufung; Urteilsvollzug; Verteidigung; Entscheid; Schuld; Bundesstrafgerichts; Verfahren; Verhältnisse; Person; Einzelrichterin; Vollzug; Gesuch; Bedürftigkeit; Kommentar; Forderung; Ruckstuhl; Behörde; Tribunal; Rückzahlungspflicht; Dispositiv; Eidgenossenschaft; Rechtskraft; Formular; Vollzugsbehörde

Rechtskraft:

Kein Weiterzug, rechtskräftig

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 13 OR ;Art. 13 StPO ;Art. 135 OR ;Art. 135 StPO ;Art. 137 OR ;Art. 363 StPO ;Art. 398 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 44 StPO ;Art. 442 StPO ;Art. 80 StPO ;Art. 91 StPO ;

Referenz BGE:

134 II 591; 135 I 91; ;

Entscheid des Bundesstrafgerichts

SK.2024.23

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: SK.2024.23

Urteil vom 24. Juli 2024 Strafkammer

Besetzung

Bundesstrafrichterin Joséphine Contu Albrizio, Einzelrichterin

Gerichtsschreiber Tornike Keshelava

Parteien

Bundesanwaltschaft, Urteilsvollzug,

Gesuchstellerin

gegen

A.,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Feststellung der Rückzahlungspflicht für die Kosten der amtlichen Verteidigung

Die Einzelrichterin erwägt, dass:

–        die Strafkammer des Bundesstrafgerichts mit Urteil SK.2013.33 vom 17. Dezem—ber 2013 A. wegen verschiedener Delikte zu einer bedingten Freiheitsstrafe sowie einer Busse verurteilte (Dispositiv Ziff. I.1 und I.2) und ihm die Verfahrenskosten auferlegte (Dispositiv Ziff. I.11);

–        die Strafkammer zudem im genannten Urteil dem amtlichen Verteidiger von A. eine von der Eidgenossenschaft auszurichtende Entschädigung von Fr. 12'400.-- (inkl. MWST) zusprach und A. verpflichtete, der Eidgenossenschaft hierfür in vollem Umfang Ersatz zu leisten, sobald er dazu in der Lage ist (Dispositiv Ziff. I.10);

–        das Urteil per 17. Dezember 2013 in Rechtskraft erwuchs (Art. 437 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 StPO);

–        die Strafkammer am 7. Januar 2014 die Entscheidmeldung zum Vollzug erliess;

–        die Bundesanwaltschaft, Urteilsvollzug, mit Schreiben vom 3. April 2024 die Strafkammer darum ersuchte, die Rückzahlungspflicht von A. für die Kosten seiner amtlichen Verteidigung i.S.v. Art. 135 Abs. 4 StPO im Umfang von Fr. 12'400.-- festzustellen (SK pag. 1.100.1 ff.);

–        die Strafkammer mit Schreiben vom 23. April 2024 A. einlud, Stellung zum Gesuch der Bundesanwaltschaft zu nehmen und das Formular über seine persönlichen und finanziellen Verhältnisse ausgefüllt einzureichen (SK pag. 1.231.4.1);

–        die Strafkammer im Weiteren die aktuellen Steuerunterlagen sowie einen Betreibungsregisterauszug betreffend A. einholte (SK pag. 1.231.2.1 ff., 1.231.2.1 f.);

–        A. sich weder zur Sache vernehmen liess noch das Formular über seine persönlichen und finanziellen Verhältnisse einreichte;

–        A. bereits das ihm von der Bundesanwaltschaft, Urteilsvollzug, am 9. August 2023 zugestellte Formular «Persönliche und finanzielle Situation» nicht ausfüllte bzw. retournierte (SK pag. 1.100.41 f.);

–        über die Frage der Rückerstattung der Kosten für die amtliche Verteidigung nach Wegfall der Bedürftigkeit nach der Urteilsfällung in einem selbständigen nachträglichen Entscheid des Gerichts gemäss Art. 363 ff. StPO zu befinden ist (TPF 2013 136 E. 6.3);

–        ein solcher Entscheid einen entsprechenden Antrag der Vollzugsbehörde voraussetzt (TPF 2013 136 E. 6.4);

–        der Entscheid gestützt auf die Akten schriftlich in Form eines Urteils ergeht (Art. 365 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 80 Abs. 1 StPO);

–        der Rückforderungsanspruch des Staates für die Kosten der amtlichen Verteidigung in 10 Jahren seit Eintritt der Rechtskraft des Entscheids im Hauptverfahren verjährt (Art. 135 Abs. 5 StPO; Lieber, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2020, Art. 135 StPO N. 24);

–        die Verjährung – analog – nach den üblichen Regeln gemäss Art. 135 ff. OR unterbrochen wird (Cavallo, Zürcher Kommentar, a.a.O., Art. 442 StPO N. 9; Perrin/ Roten, Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2. Aufl., 2019, Art. 442 N. 20);

–        gemäss Art. 135 Ziff. 1 OR die Verjährung durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- oder Bürgschaftsbestellung, unterbrochen wird;

–        die Anerkennung der Forderung keiner Formvorschrift unterliegt, sich auf die Bejahung der grundsätzlichen Schuldpflicht beschränken kann und sich nicht auf einen bestimmten Betrag beziehen muss; unter die Anerkennung mit Unterbrechungswirkung jedes Verhalten des Schuldners fällt, das vom Gläubiger nach Treu und Glauben im Verkehr als Bestätigung seiner rechtlichen Verpflichtung aufgefasst werden darf; es im Allgemeinen genügt, dass der handlungsfähige Schuldner ausdrücklich oder durch konkludente Handlungen seiner Meinung Ausdruck gibt, die Schuld bestehe noch (BGE 134 II 591 E. 5.2.1; Urteil des Bundesgerichts 5C.98/2004 vom 6. Oktober 2004 E. 4.4.1; Däppen, Basler Kommentar, 7. Aufl. 2020, Art. 135 OR N. 2);

–        A. mit Schreiben vom 6. Juni 2023 an die Bundesanwaltschaft, Urteilsvollzug, erklärte, sich der noch offenen Forderung aus dem Verfahren gegen ihn bewusst zu sein, und darum ersuchte, diese im Juni 2024 komplett tilgen zu dürfen (SK pag. 1.100.40);

–        das betreffende Schreiben als (ausdrückliche) Forderungsanerkennung i.S.v. Art. 135 Ziff. 1 OR zu qualifizieren ist, womit die Verjährung unterbrochen wurde und mit dem Datum der Schuldanerkennung von neuem zu laufen begann (Art. 137 Abs. 1 OR);

–        die Zuständigkeit der Strafkammer in der vorliegenden Sache gegeben und auf den Antrag der Bundesanwaltschaft, Urteilsvollzug, vom 3. April 2024 folglich einzutreten ist;

–        vom Staat gestützt auf die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ausbezahlte Beträge nach Abschluss des Verfahrens zurückverlangt werden können, wenn sich die wirtschaftliche Situation des Begünstigten ausreichend verbessert hat und die Bedürftigkeit nicht mehr gegeben ist (BGE 135 I 91 E. 2.4.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_413/2009 vom 13. Au—gust 2009 E. 1.2.2 m.w.H.);

–        sich die prozessuale Bedürftigkeit nach der gesamten wirtschaftlichen Situation der betroffenen Person beurteilt;

–        massgebend ist, dass die Deckung des Grundbedarfs für die betroffene Person und ihre Familie gewährleistet sein muss, wobei es nicht um eine schematische, auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum beschränkte Beurteilung geht (BGE 135 I 91 E. 2.4.3; Ruckstuhl, Basler Kommentar, 3. Aufl. 2023, Art. 132 StPO N. 23; Lieber, a.a.O., Art. 132 StPO N. 11);

–        es der betroffenen Person möglich sein muss, die Anwaltskosten aus dem Einkommen oder dem vorhandenen liquiden Vermögen innert absehbarer Zeit zu bezahlen (Ruckstuhl, a.a.O., Art. 132 StPO N. 24; Lieber, a.a.O., Art. 132 StPO N. 11);

–        bei Ehegatten auf die finanziellen Verhältnisse beider Ehegatten abzustellen ist (Ruckstuhl, a.a.O., Art. 132 StPO N. 23a; Lieber, a.a.O., Art. 132 StPO N. 11a);

–        wie bei der Anordnung der amtlichen Verteidigung, die verurteilte Person im Rahmen der nachträglichen Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse die prozessuale Obliegenheit trifft, ihre (andauernde) Bedürftigkeit glaubhaft zu machen und soweit möglich zu belegen; die Mitwirkungsverweigerung führt, soweit sich die Mittellosigkeit nicht zur Genüge aus den Akten ergibt, zur Rückzahlungspflicht gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO (Ruckstuhl, a.a.O., Art. 132 StPO N. 30 f.; Lieber, a.a.O., Art. 132 StPO N. 12, je mit Hinweisen auf die Rechtsprechung);

–        A., wie gezeigt, seine Mitwirkungsobliegenheit, die aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen, verletzt hat;

–        sich in den Akten, wie nachstehend dargelegt wird, keine Hinweise auf eine Mittellosigkeit finden;

–        gemäss der Steuererklärung 2022 von A. und seiner Ehefrau zu Handen der Steuerverwaltung des Kantons Thurgau die beiden Ehegatten im betreffenden Jahr über gemeinsame steuerbare Einkünfte von Fr. 205'824.-- (bestehend aus Fr. 106'552.-- Nettoeinkommen von A. aus der Erwerbstätigkeit, Fr. 57'574.-- und Fr. 962.-- Nettoeinkommen der Ehefrau aus der Haupt- und Nebenerwerbstätigkeit, Fr. 20'936.-- Wertschriften- und Zinserträge und Fr. 19'800.-- erhaltene Unterhaltsbeiträge für die aus einer früheren Beziehung stammenden zwei Kinder der Ehefrau) sowie über ein – vornehmlich aus Wertschriften und Guthaben bestehendes – steuerbares Vermögen von Fr. 354'789.-- verfügten (SK pag. 1.231.3 ff.);

–        gemäss Betreibungsregisterauszug vom 25. Juni 2024 keine Verlustscheine, indes drei offene Betreibungen in der Höhe von Fr. 2'313.30, Fr. 2'826.10 und Fr. 15'681.75 im Zusammenhang mit Steuerschulden registriert sind (SK pag. 1.231.3.3);

–        allfällige weitere Schulden gegenüber Privaten für die Berechnung des Notbedarfs von vornherein nicht zu berücksichtigen sind, da die unentgeltliche Rechtspflege nicht dazu dienen soll, auf Kosten des Gemeinwesens Gläubiger zu befriedigen, die nicht oder nicht mehr zum Lebensunterhalt beitragen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 8C_470/2016 vom 16. Dezember 2016 E. 5.4 m.w.H.);

–        angesichts der aktenkundigen komfortablen finanziellen Verhältnisse von A. ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass er in der Lage ist, die Kosten seiner amtlichen Verteidigung im Verfahren SK.2013.33 in der Höhe von Fr. 12'400.-- innert absehbarer Zeit aus seinem Einkommen und dem liquiden Vermögen zu begleichen, ohne sich und seine Familie in eine Notlage zu bringen;

–        über die Gewährung von Zahlungserleichterungen oder die allfällige Einleitung der Zwangsvollstreckung die Vollzugsbehörde zu befinden hat (Art. 442 Abs. 1 StPO);

–        das Gesuch der Bundesanwaltschaft, Urteilsvollzug, vom 3. April 2024 demnach gutzuheissen ist;

–        für diesen Entscheid keine Kosten zu erheben sind.

Die Einzelrichterin erkennt:

1. Das Gesuch der Bundesanwaltschaft, Urteilsvollzug, vom 3. April 2024 wird gutgeheissen.

2. A. wird verpflichtet, der Eidgenossenschaft die Entschädigung von Fr. 12'400.-- für die Kosten seiner amtlichen Verteidigung im Verfahren SK.2013.33 zurückzuzahlen.

3. Es werden keine Kosten erhoben.

4. Dieser Entscheid wird den Parteien schriftlich eröffnet.

Im Namen der Strafkammer

des Bundesstrafgerichts

Die Einzelrichterin                                                                  Der Gerichtsschreiber

Eine vollständige schriftliche Ausfertigung wird zugestellt an

- Bundesanwaltschaft, Urteilsvollzug

- A.

Nach Eintritt der Rechtskraft mitzuteilen an

- Bundesanwaltschaft als Vollzugsbehörde (vollständig)

Rechtsmittelbelehrung

Berufung an die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts

Gegen Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichts, die das Verfahren ganz oder teilweise abschliessen, kann innert 10 Tagen seit Eröffnung des Urteils bei der Strafkammer des Bundesstrafgerichts mündlich oder schriftlich Berufung angemeldet werden (Art. 399 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 1 StPO; Art. 38a StBOG).

Mit der Berufung kann das Urteil in allen Punkten umfassend angefochten werden. Mit der Berufung können gerügt werden: Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhaltes sowie Unangemessenheit (Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO).

Die Berufung erhebende Partei hat innert 20 Tagen nach Zustellung des begründeten Urteils der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts eine schriftliche Berufungserklärung einzureichen. Sie hat darin anzugeben, ob sie das Urteil vollumfänglich oder nur in Teilen anficht, welche Abänderungen des erstinstanzlichen Urteils sie verlangt und welche Beweisanträge sie stellt. Werden nur Teile des Urteils angefochten, ist verbindlich anzugeben, auf welche sich die Berufung beschränkt (Art. 399 Abs. 3 und 4 StPO).

Einhaltung der Fristen

Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist bei der Strafbehörde abgegeben oder zu deren Handen der Schweizerischen Post, einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung oder, im Falle von inhaftierten Personen, der Anstaltsleitung übergeben werden (Art. 91 Abs. 2 StPO).

Versand: 24. Juli 2024

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