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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BB.2024.7 vom 29.07.2024

Hier finden Sie das Urteil BB.2024.7 vom 29.07.2024 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids BB.2024.7


Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

BB.2024.7

Datum:

29.07.2024

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Kanton; Kantons; Verfahren; Verfahrens; Gerichtsstand; Täter; Verfahrensakten; Täters; Karte; Täterschaft; Kantonspolizei; Karten; Sachverhalt; Delikt; Gerichtsstands; Apos;; Daten; Gesuch; Anzeige; Person; Zuständigkeit; Basel; Basel-Stadt; Thurgau; Kantone; Vermögens; Verfolgung; Gesuchs

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 14 StGB ;Art. 146 StGB ;Art. 15 StGB ;Art. 156 StGB ;Art. 179 StGB ;Art. 25 StGB ;Art. 31 StPO ;Art. 34 StPO ;Art. 40 StPO ;Art. 423 StPO ;Art. 66 BGG ;

Referenz BGE:

112 IV 61; 127 IV 68; 129 IV 22; 129 IV 315; 147 IV 73; 87 IV 145; ;

Entscheid des Bundesstrafgerichts

BG.2024.2

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2024.2

Beschluss vom 29. Juli 2024 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Patrick Robert-Nicoud und Felix Ulrich,

Gerichtsschreiber Stephan Ebneter

Parteien

Kanton Basel-Stadt, Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt,

Gesuchsteller

gegen

1.    Kanton Zürich, Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,

2.    Kanton Bern, Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern,

3.    Kanton Aargau, Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,

4.    Kanton Thurgau, Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO)

Sachverhalt:

A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (nachfolgend «StA BS») führt ein Verfahren gegen A. und Unbekannt (Aktenzeichen VT.2020.2877/UT.2020.1278). Das Verfahren stützt sich auf sechs Anzeigen bzw. Berichte der Polizei der Kantone Thurgau, Zürich, Aargau, Bern und Basel-Stadt wegen Verdachts der unbefugten Datenbeschaffung (Art. 143 StGB), des Betrugs (Art. 146 StGB), des betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage (Art. 147 StGB), des Missbrauchs einer Fernmeldeanlage (Art. 179septies StGB), der Urkundenfälschung (Art. 251 StGB), der Erschleichung einer falschen Beurkundung (Art. 253 StGB) und unrichtiger Namensangaben gegenüber Behörden (Art. 15 des Gesetzes über das kantonale Strafrecht des Kantons Bern vom 9. April 2009 [KStrG/BE; BSG 311.1]).

B. Bei der Kantonspolizei Thurgau erstattete am 3. September 2019 B. Strafanzeige. Eine unbekannte Täterschaft habe die Limite seiner Kreditkarte bei der Bank C. von Fr. 5'000.– auf Fr. 12'000.– erhöht, die hinterlegte Mobiltelefonnummer für die Zusendung des Codes für die Bestätigung von Zahlungen verändert und in der Folge mit den Daten der Kreditkarte neun Transaktionen von insgesamt Fr. 8'518.12 getätigt (Verfahrensakten StA BS, pag. 331 ff.).

C. Bei der Kantonspolizei Zürich erstattete mit Schreiben vom 21. Oktober 2019 die Bank C. Strafanzeige. Ein Mann mit österreichischem oder eventuell bayrischem Dialekt habe beim Contact Center respektive der E‑Banking Hotline angerufen und die Änderungen der Kartenlimite und der hinterlegten Mobiltelefonnummer veranlasst. In der Folge seien missbräuchliche online-Transaktionen durchgeführt worden. Neben dem Kreditkartenkonto von B. sei auch ein Kreditkartenkonto von D. betroffen. Die Bank C. führte weiter aus, sie sei auf dieselbe Täterschaft bereits im Jahre 2015 aufmerksam geworden. Im Juli 2016 habe die nächste Welle mit dem gleichen Vorgehen eingesetzt, worauf die Bank C. am 12. August 2016 eine erste Strafanzeige bei der Kantonspolizei Zürich eingereicht habe (Verfahrensakten StA BS, pag. 359 ff.).

D. Bei der Kantonspolizei Aargau meldete am 3. Oktober 2019 E. am Schalter, dass sie kein Geld mehr abheben könne und sie von der Bank informiert worden sei, dass jemand versucht habe, alle ihre Bankkarten neu zu bestellen. Ebenfalls bei der Kantonspolizei Aargau erstattete mit Schreiben vom 24. Januar 2020 die Bank F. Strafanzeige. Die Kantonspolizei Aargau rapportierte unter anderem, eine männliche Person mit österreichischem Dialekt habe sich am 23. September 2019 bei der Bank. C. beim Kundendienst als G. ausgegeben und eine neue Adresse an der Z.-Strasse in Y./ZH mitgeteilt. In der Folge habe die unbekannte Täterschaft am 27. und 30. September sowie 2. Oktober 2019 versucht, alle Bank- sowie Kreditkarten neu zu bestellen. Am 22. Oktober 2019 habe die Bank F. einen Kartenantrag für Kreditkarten auf den Namen von G. erhalten. Die ausgelieferten Karten seien für insgesamt Fr. 8'989.45 benutzt worden (Verfahrensakten StA BS, pag. 409 ff.).

E. Bei der Kantonspolizei Bern erstattete am 16. Dezember 2019 die Gemeinde X./BE Strafanzeige. Eine unbekannte Täterschaft habe sich als H. ausgegeben und eine Wohnsitzbescheinigung sowie Kontoabrechnungen beantragt und erhalten. Mit diesen Dokumenten und einem gefälschten Reisepass habe die unbekannte Täterschaft bei verschiedenen Firmen Kreditkarten bestellt und diese auch verwendet. Zudem habe die unbekannte Täterschaft bei der Bank C. eine neue Kontokarte und den dazugehörigen PIN bestellt und damit mehrere Transaktionen getätigt, bis das betroffene Konto von H. leer gewesen sei. Die Kantonspolizei Bern rapportierte unter anderem, die Bank C. habe ihr Ton- und Bildaufnahmen des angeblichen H. übergeben. Auf den Videobildern sei eine männliche Person mit rotem Baseballcap und schwarzer Daunenjacke zu sehen. Bei den Audio‑Aufnahmen der Telefongespräche sei zu hören, dass die mutmassliche Täterschaft deutsch spreche, eventuell mit österreichischem oder süddeutschem Akzent (Verfahrensakten StA BS, pag. 453 ff.).

F. Bei der StA BS erstattete am 3. Februar 2020 die Bank C. Strafanzeige. Die unbekannte Täterschaft habe sich am Telefon gegenüber der Bank C. als G. ausgegeben. Sie habe eine Adressänderung an die W.-Allee in V./BS veranlasst (Verfahrensakten StA BS, pag. 556 ff.).

Am 4. Februar 2020 hielt die Kantonspolizei Basel-Stadt A. an, nachdem er zwei Briefumschläge aus dem Briefkasten an der W.-Allee in V./BS genommen hatte, wovon der eine an G. und der andere an I. adressiert war. A. trug bei seiner Anhaltung ein rotes Baseballcap und eine schwarzer Daunenjacke. Während der Anhaltung von A. ging auf der Polizeiwache ein Anruf einer männlichen Person ein, die sich als J1. bzw. J. ausgab und sich nach A. erkundigte (Verfahrensakten StA BS, pag. 30 ff.).

Anlässlich einer Einvernahme vom 5. Februar 2020 erklärte A. gegenüber der StA BS, er habe im Auftrag eines ihm flüchtig bekannten K. gehandelt. K. habe ihn beauftragt, die Namen von G. und I. am Briefkasten an der W.-Allee in V./BS anzubringen und diesen anschliessend zu leeren. Auf Vorhalt der Bilder Überwachungskamera der Bank C., welche diese im Fall H. an die Berner Kantonspolizei weitergegeben hatte, gab A. an, der abgebildete Mann sehe ihm sehr ähnlich. A. führte weiter aus, die Stimme von K. wiederzuerkennen, als ihm die Audio-Aufnahme der Gespräche zwischen der Bank C. und einer Person, welche sich als H. ausgab, vorgespielt wurde (Verfahrensakten StA BS, pag. 179 ff., 186, 212). Ein Mitarbeiter der Kantonspolizei Basel-Stadt konnte die Stimme des mit österreichisch klingendem Akzent sprechenden Anrufers zudem auch als jene des angeblichen J. identifizieren (Verfahrensakten StA BS, pag. 220).

Des Weiteren erstattete bei der StA BS mit Schreiben vom 5. Februar 2020 die L. AG Strafanzeige. Sie brachte vor, eine unbekannte Täterschaft habe telefonisch eine Adressänderung ihres Bankkunden I. an die W.-Allee in V./BS gemeldet. In der Folge habe die unbekannte Täterschaft eine neue Debitkarte und einen neuen PIN-Code für diese Karte sowie Kontoauszüge an die vorerwähnte Adresse bestellt (Verfahrensakten StA BS, pag. 528 ff.).

G. Mit Gerichtsstandsanfrage vom 12. Februar 2020 gelangte die StA BS an die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern (nachfolgend «GStA BE») und ersuchte um Übernahme ihres Verfahrens (Verfahrensakten, pag. 297 ff.). Die GStA BE lehnte die Übernahme am 18. Februar 2020 ab (Verfahrensakten, pag. 300 ff.).

H. Mit Gerichtsstandsanfrage vom 15. März 2020 gelangte die StA BS an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (nachfolgend «OStA ZH») und ersuchte um Übernahme ihres Verfahrens (Verfahrensakten StA BS, pag. 304 ff.). Die OStA ZH lehnte die Übernahme am 21. Mai 2020 ab (Verfahrensakten StA BS, pag. 308 ff.).

I. Mit Gerichtsstandsanfrage vom 7. September 2022 gelangte die StA BS erneut an die OStA ZH und ersuchte um Übernahme ihres Verfahrens (Verfahrensakten StA BS, pag. 324 ff.). Die OStA ZH lehnte die Übernahme am 27. September 2022 ab (Verfahrensakten StA BS, pag. 329 ff.).

J. Auf das Gesuch der StA BS vom 11. Oktober 2022, es seien gestützt auf Art. 31 Abs. 1 und Art. 34 Abs. 1 StPO die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich zur Strafverfolgung von A. für zuständig zu erklären, trat die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit Beschluss BG.2022.37 vom 22. Mai 2023 nicht ein, da kein abschliessender Meinungsaustausch mit sämtlichen ernstlich in Frage kommenden Kantonen stattgefunden habe.

K. Mit Gerichtsstandsanfrage vom 29. August 2023 betreffend «Abschliessender Meinungsaustausch» gelangte die StA BS an die GStA BE und ersuchte um Prüfung der Zuständigkeit (Verfahrensakten StA BS, nicht paginiert). Am 13. September 2023 teilte die GStA BE der StA BS mit, dass eine Zuständigkeit des Kantons Bern vorliegend ausser Betracht falle (Verfahrensakten StA BS, nicht paginiert).

L. Mit Gerichtsstandsanfrage vom 19. September 2023 betreffend «Abschliessender Meinungsaustausch» gelangte die StA BS an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau (nachfolgend «OStA AG») und ersuchte um Prüfung der Zuständigkeit (Verfahrensakten StA BS, nicht paginiert). Am 25. September 2023 teilte die OStA AG der StA BS mit, dass die Zuständigkeit des Kantons Aargau ausser Betracht falle (Verfahrensakten StA BS, nicht paginiert).

M. Nach einer ersten Gerichtsanfrage vom 27. September 2023 betreffend «Abschliessender Meinungsaustausch», auf welche die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (nachfolgend «GStA TG») am 3. Oktober 2023 mangels Begründung des Gesuchs sinngemäss nicht eintrat, gelangte die StA BS mit Gerichtsstandsanfrage vom 27. Oktober 2023 an die Staatsanwaltschaft Frauenfeld und ersuchte um Prüfung der Zuständigkeit (Verfahrensakten StA BS, nicht paginiert). Am 14. November 2023 teilte die Staatsanwaltschaft Frauenfeld der StA BS mit, dass das Gerichtsstandsersuchen vom 27. Oktober 2023 abgelehnt werde (Verfahrensakten StA BS, nicht paginiert).

N. Mit Gerichtsstandsanfrage vom 23. November 2023 gelangte die StA BS an die GStA TG und ersuchte um Prüfung der Zuständigkeit (Verfahrensakten StA BS, nicht paginiert). Am 18. Januar 2024 teilte die GStA TG der StA BS mit, dass sie die Übernahme des Verfahrens ablehne (Verfahrensakten StA BS, nicht paginiert).

O. Mit Gesuch vom 26. Januar 2024 gelangt die StA BS an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt, es seien gestützt auf Art. 31 Abs. 1 und Art. 34 Abs. 1 StPO die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich zur Strafverfolgung von A. und der bislang unbekannten Täterschaft für zuständig zu erklären (act. 1).

P. Mit Gesuchsantwort vom 1. Februar 2024 verzichtete die GStA BE unter Verweisung auf die Ausführungen in der bisherigen Gerichtsstandskorrespondenz auf eine Stellungnahme (act. 3).

Q. Die OStA AG verzichtete mit Gesuchsantwort vom 1. Februar 2024 (Posteingang: 5. Februar 2024) unter Hinweis auf die Ausführungen vom 25. September 2023 an die StA BS auf eine Stellungnahme (act. 4).

R. Mit Gesuchsantwort vom 6. Februar 2024 (Posteingang: 12. Februar 2024) beantragt die OStA ZH, es sei das Gesuch des Kantons Basel-Stadt, wonach die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich zur Strafverfolgung gegen A. sowie gegen die unbekannte Täterschaft als zuständig zu erklären seien, abzuweisen (act. 5).

S. Mit Gesuchsantwort vom 12. Februar 2024 beantragt die GStA TG, es seien die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die dem Beschuldigten A. zur Last gelegten Delikte zu verfolgen und zu beurteilen (act. 6).

T. Mit Schreiben vom 19. Februar 2024 wurden den Parteien die Gesuchsantworten zur Kenntnis gebracht (act. 7).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Die Eintretensvoraussetzungen (durchgeführter Meinungsaustausch zwischen den involvierten Kantonen und zuständigen Behörden, Frist und Form) sind vorliegend erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf das Gesuch ist einzutreten.

2.

2.1 Der Kanton Basel-Stadt bringt unter anderem vor, der Ablehnung des Kantons Zürich liege die Annahme zugrunde, dass A. und Unbekannt wegen Betrugs im Sinne von Art. 146 StGB (als schwerstes Delikt) verfolgt würden. Dieser Auffassung könne nicht gefolgt werden. Die verfolgten Sachverhalte seien unter den Straftatbestand des betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage im Sinne von Art. 147 StGB (als schwerstes Delikt) zu subsumieren (act. 1 S. 4 f.). Der Argumentation des Kantons Zürich folgend, wonach aufgrund des im Hintergrund agierenden «J.»/«K.» ein Deliktskonnex zwischen allen Delikten im Sinne der Mittäterschaft mit A. in sämtlichen Kantonen gegeben sei und deshalb das zuerst beanzeigte, vollendete (und damit schwerste) Delikt im Kanton Thurgau zur Gerichtsstandsklärung beizuziehen wären, müsste dem Umstand Rechnung getragen werden, dass betreffend die Täterschaft bereits am 12. August 2016 eine erste Strafanzeige bei der Kantonspolizei Zürich eingereicht worden sei (act. 1 S. 6). Der Annahme einer konkludenten Anerkennung der Verfahrensführung könne schliesslich nicht gefolgt werden, da effektiv zielführende Ermittlungshandlungen, neben der ursprünglich angestrebten Auswertung der Mobiltelefone, nicht ersichtlich gewesen seien und weiterhin auch nicht ersichtlich seien. Der Abbruch der Auswertung der Mobiltelefone sei im Sinne der Verfahrensökonomie und des Beschleunigungsgebots erfolgt (act. 1 S. 7).

2.2 Der Kanton Bern bringt (in seiner Ablehnung vom 13. September 2023) vor, A. und dem bislang nicht identifizierten «J.»/«K.» würden in mehreren Kantonen mehrere gleichartige Delikte vorgeworfen. Im Kanton Bern seien weder die ersten Verfolgungshandlungen vorgenommen worden noch sei im Kanton Bern ein mit schwererer Strafe bedrohtes Delikt begangen worden als in den anderen beteiligten Kantonen. Darüber hinaus sei festzustellen, dass im Kanton Bern auch kein Tatort bestehe. Handlungen einer Strafverfolgungsbehörde eines örtlich nicht zuständigen Kantons entfalteten bei der Bestimmung des forum praeventionis keine Wirkung. Damit falle die Zuständigkeit des Kantons Bern vorliegend ausser Betracht (act. 3; Verfahrensakten StA BS, nicht paginiert).

2.3 Der Kanton Aargau bringt (in seiner Ablehnung der Zuständigkeit vom 25. September 2023) vor, es sei davon auszugehen, dass im Kanton Aargau weder die ersten Verfolgungshandlungen vorgenommen noch das schwerste Delikt begangen worden seien. Entgegen den Ausführungen in der Strafanzeige vom 15. Februar 2020 sei die angeblich in U./AG vorgenommene Postumleitung vom 5. September 2019 tatsächlich mittels eines Nachsendeauftrags am 5. September 2019 am Schalter einer Post-filiale in Basel erteilt und vor Ort sogleich auch bezahlt worden. Auch die übrigen Tathandlungen seien – soweit bekannt – nicht im Kanton Aargau ausgeführt worden. Insoweit bestehe auch kein Tatort im Kanton Aargau (act. 4; Verfahrensakten StA BS, nicht paginiert).

2.4 Der Kanton Zürich bringt (in seiner Ablehnung vom 21. Mai 2020) vor, A. würden mehrere gleiche bzw. ähnlich gelagerte Handlungen an verschiedenen Orten bzw. in verschiedenen Strafanzeigen, die in mehreren Kantonen eingereicht worden seien, vorgeworfen. Weiter sei davon auszugehen, dass A. zusammen mit einem unbekannten Auftraggeber gehandelt habe. Nach der vorliegenden Aktenlage bestehe der Verdacht, die beiden Personen hätten als Mittäter gehandelt. Vorliegend werde im Kanton Basel-Stadt bisher wegen versuchter, in den übrigen Kantonen wegen vollendeter Tatbegehung des Betrugs im Sinne von Art. 146 StGB (als schwerstes Delikt) verfolgt. Der Gerichtsstand richte sich nach dem Ort der ersten Anhebung. Anknüpfungspunkte seien in allen bisher involvierten Kantonen gegeben. Ausgehend vom Eingang der Strafanzeige als Ort der ersten Anhebung ergebe sich, dass ein Verfahren wegen (vollendeten) Betrugs zuerst im Kanton Thurgau angehoben worden sei, nämlich am 3. September 2019 (act. 5.1 S. 5 f.).

Ausserdem macht der Kanton Zürich (in seiner Ablehnung vom 27. September 2022) geltend, nachdem der Kanton Basel-Stadt seit der Ablehnung der Verfahrensübernahme durch den Kanton Zürich am 21. Mai 2020 keine weiteren Verfahrensschritte unternommen habe, als die Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons in Auftrag zu geben, betreffend welcher der Kanton Basel-Stadt am 4. Juli 2022 endlich habe feststellen müssen, dass dieser offenbar kein Erfolg beschieden sei, sei von einer konkludenten Anerkennung des Gerichtsstands auszugehen (act. 5.2 S. 3 f.).

Betreffend den Hinweis in der Anzeige vom 21. Oktober 2019, wonach «diese Täterschaft» (unbekannt, mit österreichischem/bayrischem Dialekt) bereits im Dezember 2015 aufgefallen und der Kantonspolizei Zürich am 12. August 2016 eine erste Strafanzeige eingereicht worden sei, sei bei den Staatsanwaltschaften des Kantons Zürich nichts bekannt. Diese allfällige Anzeige könne heute keine gerichtsstandsbestimmende Relevanz (mehr) erlangen (act. 5 S. 3).

2.5 Der Kanton Thurgau bringt unter anderem vor, wollte man der Argumentation des Kantons Zürich folgen, wonach aufgrund des im Hintergrund agierenden «J.»/«K.» ein Deliktskonnex zwischen allen Delikten im Sinne der Mittäterschaft mit dem Beschuldigten A. in sämtlichen Kantonen gegeben sei und deshalb das zuerst beanzeigte vollendete Delikt gerichtsstandsrelevant sei, so bliebe die Zuständigkeit dennoch im Kanton Zürich. Das Schreiben der Bank C. an die Kantonspolizei Zürich vom 21. Oktober 2019 betreffe zweifelsohne die vorliegend gegenständlichen Delikte. In diesem Schreiben erkläre die Bank, dass sie erstmals im Dezember 2015 auf diese Täterschaft aufmerksam geworden sei. Im Juli 2016 habe die nächste Welle mit dem gleichen Vorgehen eingesetzt, worauf sie am 12. August 2016 eine erste Strafanzeige bei der Kantonspolizei Zürich eingereicht habe. Damit sei bei einer Annahme von Mittäterschaft zwischen den Beschuldigten A. und «J.»/«K.» dies die erste Verfolgungshandlung, welche das forum praeventionis begründe, womit sich wiederum die Zuständigkeit des Kantons Zürich ergebe. Ausserdem sei anzumerken, dass im Kanton Thurgau kein Handlungsort liege. Im Kanton Thurgau sei nur der Schaden des Geschädigten B. eingetreten (act. 6 S. 3).

3. Das vom Kanton Basel-Stadt geführte Verfahren umfasst insbesondere folgende Sachverhaltsvorwürfe:

Tatzeit (ca.)

Sachverhalt (grob zusammengefasst)

Täterschaft

Sachverhalt 1

14.08.2019 bis 16.08.2019

Täterschaft ruft Bank an, gibt sich als Karteninhaber B. aus, lässt Kartenlimite erhöhen und führt in der Folge mit den Kartendaten neun online-Transaktionen durch (Verfahrensakten StA BS, pag. 331 ff.).

Anrufer: unbekannt, Mann, österreichischer oder ev. bayrischer Dialekt.

Sachverhalt 2

21.08.2019

Täterschaft ruft Bank an, gibt sich als Karteninhaber D. aus, lässt Kartenlimite erhöhen und führt in der Folge mit den Kartendaten eine online-Transaktionen durch (Verfahrensakten StA BS, pag. 359).

Anrufer: unbekannt, Mann, österreichischer oder ev. bayrischer Dialekt.

Sachverhalt 3

05.09.2019 bis 22.10.2019

Unter anderem ruft Täterschaft Bank an, gibt sich als Karteninhaber G. aus, meldet neue Adresse (Z.-Strasse in Y./ZH), versucht neue Karten zu bestellen und mit Kartendaten des Karteninhabers G. beim Bahnhof ZZ./ZH Käufe zu tätigen (Verfahrensakten StA BS, pag. 409 ff.).

Anrufer: unbekannt, männliche Person mit österreichischem Dialekt.

Sachverhalt 4

02.12.2019 bis 31.01.2020

Unter anderem ruft Täterschaft bei der Bank an, gibt sich als Kontoinhaber H. aus, bestellt Karten und führt damit verschiedene Transaktionen aus (Verfahrensakten StA BS, pag. 453 ff.).

Anrufer: unbekannt, spricht deutsch, evtl. mit österreichischem oder süddeutschem Akzent.

Am Bankomaten: männliche Person, rotes Baseballcap, schwarze Daunen—jacke, schwarzer Rucksack etc.

Sachverhalt 5

23.12.2019 bis 04.02.2020

Täterschaft ruft Bank an, gibt sich als Kontoinhaber I. aus und lässt sich neue Bankkarten an neue Adresse (W.-Allee in V./BS) ausgeben, wo diese aus dem zuvor von der Täterschaft mit dem Namen des Kontoinhabers beschrifteten Briefkasten genommen werden (Verfahrensakten StA BS, pag. 528 ff.).

Anrufer: unbekannt, österreichischer Akzent.

Bei Anhaltung am Briefkasten: A., trägt rotes Baseballcap, schwarze Daunenjacke.

Sachverhalt 6

31.01.2020 bis

04.02.2020

Täterschaft ruft Bank an, gibt sich als Kontoinhaber G. aus und lässt sich neue Bankkarten an neue Andresse (W.-Allee in V./BS) ausgeben, wo diese aus dem zuvor von der Täterschaft mit dem Namen des Kontoinhabers beschrifteten Briefkasten genommen werden (Verfahrensakten StA BS, pag. 556 ff.).

Anrufer: unbekannt.

Bei Anhaltung am Briefkasten: A., trägt rotes Baseballcap, schwarze Dauenjacke.

Die Beschwerdekammer hat in ihrem Beschluss BG.2022.37 vom 22. Mai 2023 (E. 1.5) erwogen, dass aufgrund der Aktenlage sich die Annahme, der bislang nicht identifizierte «J.»/«K.» (als Anrufer) sei an allen angeführten Sachverhaltsvorwürfen als (Mit-)Täter beteiligt, nicht von vornherein als haltlos oder sicher ausgeschlossen erweise. Daran ändert sich nichts. Modus operandi und die ähnliche Wahrnehmung der (Aus‑)Sprache des Anrufers bilden vorliegend genügend konkrete Anhaltspunkte für die Annahme. Hinsichtlich des Hinweises auf eine Anzeige vom 12. August 2016 scheinen keine Akten vorzuliegen, weshalb daraus vorliegend nichts weiter abgeleitet werden kann. Begehen mehrere Beschuldigte zusammen in verschiedenen Kantonen mehrere Delikte, so sind Art. 33 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1 StPO so miteinander zu kombinieren, dass in der Regel alle Mitwirkenden an dem Orte verfolgt werden, wo von einem Mittäter die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt worden ist. Bei gleich schweren Strafdrohungen bestimmt sich der Gerichtsstand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (TPF 2022 146 E. 2.1).

4.

4.1 Die Parteien sind sich uneins, ob das der Täterschaft vorgeworfene Verhalten unter den Tatbestand des Betrugs gemäss Art. 146 StGB oder unter jenen des betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage gemäss Art. 147 StGB zu subsumieren ist.

4.2 Die Beschwerdekammer beurteilt die der beschuldigten Person vorgeworfenen Handlungen frei, unabhängig von der rechtlichen Würdigung durch die kantonalen Strafverfolgungsbehörden (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2023.60 vom 24. Januar 2024 E. 2.1.2; BG.2023.18 vom 24. Mai 2023 E. 2.3; BG.2022.43 vom 22. Februar 2023 E. 2.2; BG.2022.40 vom 15. Februar 2023 E. 2.1.2; vgl. schon die Rechtsprechung der Anklagekammer des Bundesgerichts BGE 112 IV 61 E. 2; 92 IV 153 E. 1; Baumgartner, Die Zuständigkeit im Strafverfahren, 2014, S. 52; Schweri/Bänziger, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl. 2004, N. 288). Der Gerichtsstand bestimmt sich nach dem, was der beschuldigten Person vorgeworfen wird, das heisst, was aufgrund der Aktenlage überhaupt in Frage kommt. Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore, wonach im Zweifelsfall auf den für die beschuldigte Person ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das schwerere Delikt anzunehmen ist (TPF 2021 167 E. 3.2.3; TPF 2019 82 E. 2.4; TPF 2019 52 E. 2.1; TPF 2019 28 E. 2.2; TPF 2016 180 E. 2.2).

4.3 In BGE 129 IV 22 (in: Pra 2003 Nr. 132) erwog das Bundesgericht Folgendes (a.a.O., E. 4.2; vgl. auch Mráz, in: Graf [Hrsg.], Annotierter Kommentar, 2020, Art. 147 StGB N. 17): «En principe, l'infraction d'utilisation frauduleuse d'un ordinateur, qui a été introduite dans le code pénal pour combler une lacune dans les cas où l'auteur, au lieu de tromper une personne, manipule une machine de manière à obtenir un résultat inexact aboutissant à un transfert d'actifs ou à sa dissimulation et qui est parfois aussi qualifiée d'‹escroquerie informatique›, revêt ainsi un caractère subsidiaire par rapport à l'escroquerie; si la manipulation d'une machine ne suffit pas pour obtenir le résultat, mais qu'il faut encore qu'une personne soit trompée, l'escroquerie prime l'utilisation frauduleuse d'un ordinateur […].»

4.4 Da vorliegend davon auszugehen ist, dass die Täterschaft nicht nur Maschinen manipulierte, sondern auch Personen täuschte, könnte es also naheliegen, das der Täterschaft vorgeworfene Verhalten unter den Tatbestand des Betrugs gemäss Art. 146 StGB zu subsumieren. Allerdings muss das der Täterschaft vorgeworfene Verhalten selbstverständlich den Tatbestand des Betrugs gemäss Art. 146 StGB erfüllen, damit der Vorrang gegenüber dem Tatbestand des betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage gemäss Art. 147 StGB zum Tragen kommen kann.

4.5 Der Tatbestand des Betruges gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB setzt neben arglistiger Täuschung und Irrtum eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung der getäuschten Person voraus, wodurch diese sich selbst bzw. das ihrer tatsächlichen Verfügung unterliegende Vermögen einer Drittperson unmittelbar schädigt (BGE 147 IV 73 E. 6.1).

Zu den vermögensvermindernden Handlungen gehören namentlich die Auszahlung von Geld, Herausgabe von Sachen, das Erbringen von geldwerter Leistung, der Verzicht auf Forderungen und das Eingehen vertraglicher Verpflichtungen (Donatsch, Strafrecht III, Delikte gegen den Einzelnen, 11. Aufl. 2018, S. 241 mit Hinweisen). Nicht als Vermögensdisposition gelten ganz allgemein Verhaltensweisen, die lediglich anderweitige Vermögensdelikte des Täters bzw. eines Komplizen ermöglichen oder erleichtern (Donatsch, a.a.O., S. 243). Betrug scheidet in jedem Falle aus, wenn der Schaden erst aufgrund einer weiteren selbstständigen Handlung des Täters oder gar eines Dritten eintritt (Stratenwerth/Bommer, Schweizerisches Strafrecht, BT I, 8. Aufl. 2022, § 15 N. 33).

4.6 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Check- und Kreditkartenmissbrauch (Art. 148 StGB) wird der Aussteller nicht schon durch die Überlassung der Karte an einen Zahlungsunfähigen oder Zahlungsunwilligen am Vermögen geschädigt, sondern erst dadurch, dass dieser die Karte tatsächlich verwendet. Das Risiko beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit, dass der zahlungsunfähige oder zahlungsunwillige Inhaber die ihm vom Aussteller überlassene Karte verwenden wird, stellt noch keinen rechtlich relevanten Vermögensschaden dar. Ein solcher Vermögensschaden tritt erst dann ein, wenn der Inhaber die ihm überlassene Karte verwendet und die damit entstandene Forderung des Ausstellers infolge der Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit des Inhabers der Karte in ihrem Wert vermindert ist (BGE 127 IV 68 E. 2c und 2d; vgl. bereits Jenny, Aktuelle Fragen des Vermögens- und Urkundenstrafrechts, ZBJV 1988, S. 393 ff., 409; Schubarth, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 1990, Art. 148 StGB N. 64; vgl. auch Donatsch, a.a.O., S. 243; Maeder, Gefährdung – Schaden – Vermögen, Zum sogenannten Schaden durch Vermögensgefährdung im Strafrecht, 2017, N. 961 Fn. 1441; Maeder/Niggli, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 146 StGB N. 203 ff.; Pieth/Arnaiz/Eymann/Schultze/ Zerbes, Fallsammlung Strafrecht BT, 3. Aufl. 2019, S. 189 f.; Stratenwerth/Bommer, a.a.O., § 15 N. 33; im Ergebnis anders BGE 129 IV 22 E. 4.3, wo das Bundesgericht den Tatbestand der räuberischen Erpressung nach Art. 156 Ziff. 3 StGB bejaht hat, wenn ein Täter bewirkt, dass das Opfer seine Bankkarten mit dem zugehörigen Pincode preisgibt und er sie anschliessend zum Geldbezug verwendet, und Urteil des Bundesgerichts 6B_491/2009 vom 26. Oktober 2009 E. 5; vgl. hierzu ferner Weissenberger, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 156 StGB N. 25 ff.).

4.7 Nichts anderes kann gelten, wenn – wovon vorliegend bei einem Teil der vorgeworfenen Sachverhalte auszugehen ist – der Aussteller die Karte (bzw. deren Daten) aufgrund einer arglistigen Täuschung einer nichtberechtigten Person überlässt. Die Überlassung der Karte (bzw. deren Daten) stellt noch keinen rechtlich relevanten Vermögensschaden dar. Dieser tritt erst ein, wenn die nichtberechtigte Person die ihr überlassene Karte (bzw. deren Daten) verwendet. Ebenso wenig stellt das Ändern der Adressen und die Erhöhung der Kartenlimiten durch den Aussteller einen rechtlich relevanten Vermögensschaden dar.

4.8 Hatte somit das Verhalten der angerufenen Mitarbeitenden der Banken keinen unmittelbaren Vermögensschaden zur Folge, scheidet eine Subsumtion unter den Straftatbestand des Betrugs gemäss Art. 146 StGB aus.

4.9 Die Verwendung einer Bankomatkarte durch den Nichtberechtigten ist ein typischer Anwendungsfall von Art. 147 StGB. Der Täter wirkt mit Daten (Codekarte und Code), zu deren Verwendung er nicht befugt ist, auf eine Datenverarbeitungsanlage (Bankomat) ein und führt eine Vermögensverschiebung zum Schaden eines andern herbei (Urteil des Bundesgerichts 6S.247/2001 vom 10. Mai 2001 E. 2a). Als Angriffsobjekte der unbefugten Verwendung von Daten werden neben den Geldautomaten und den Systemen zur bargeldlosen Bezahlung (wie z.B. ec-direct, Postcard) insbesondere das Home- und Telebanking, das Videotext-Verfahren, das Telepostcheckkonto, das automatisierte Lastschriftenverfahren sowie die nur über Codes zugänglichen kostenpflichtigen Datenbanken genannt (vgl. BGE 129 IV 315 E. 2.2.1 mit Hinweis).

4.10 Entsprechend ist im Rahmen der Bestimmung des Gerichtsstands davon auszugehen, dass die Sachverhalte unter den Straftatbestand des betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage gemäss Art. 147 StGB subsumiert werden können, wobei jedenfalls bei den Sachverhalten 1, 2 und 4 von einem vollendeten Delikt auszugehen ist.

4.11 Bei gleich schweren Strafdrohungen bestimmt sich der Gerichtsstand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen wurden, wobei Verfolgungshandlungen eines örtlich unzuständigen Kantons unbeachtlich sind (Baumgartner, a.a.O., S. 179; Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 155).

4.12 Die erste Anzeigeerstattung erfolgte am 3. September 2019 beim Kantonspolizeiposten Frauenfeld betreffend Sachverhalt 1. Als «Ort» rapportierte die Kantonspolizei Thurgau London (GB), Örtlichkeit gemäss Bankauszug. Diesbezüglich dürfte der Bankauszug allerdings nicht aussagekräftig sein, da es sich um online-Transaktionen handeln soll. Der Ort, wo die Daten des Karteninhabers B. unbefugt verwendet wurden, ist aufgrund der aktuellen Aktenlage nicht bestimmbar. Subsidiär ist auf den Ort des Erfolgseintritts zurückzugreifen. Für die Bestimmung des Ortes der Vermögensverfügung ist der Ort des Verarbeitungszentrums der Kartenausstellerin massgebend, d.h. der Ort, wo die von der Datenverarbeitungsanlage vorgenommene Vermögensverschiebung erfolgte (TPF 2022 140 E. 3.3.4). Aufgrund der aktuellen Aktenlage ist davon auszugehen, dass die Kartenausstellerin, Bank C., ihren Sitz im Kanton Zürich hat. Mangels anderweitiger Hinweise ist davon auszugehen, dass sich deren Verarbeitungszentrum ebenfalls im Kanton Zürich befindet. Auch der Ort des Schadenseintritts ist im Kanton Zürich anzunehmen, da der effektive Schaden letztlich bei der Kartenausstellerin mit Sitz im Kanton Zürich entstanden sein dürfte (vgl. dazu TPF 2022 140 E. 3.3.5). Zusammenfassend ist von einem Tatort im Kanton Zürich auszugehen. Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Thurgau sind für den beanzeigten Sachverhalt örtlich nicht zuständig, weshalb deren Verfolgungshandlungen für das forum praeventionis irrelevant sind.

4.13 Die zweite Anzeigeerstattung erfolgte am 3. Oktober 2019 bei der Kantonspolizei Aargau betreffend Sachverhalt 3. Eine örtliche Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden des Kantons Aargau für den beanzeigten Sachverhalt ist nicht ersichtlich, weshalb deren Verfolgungshandlungen für das forum praeventionis ebenfalls irrelevant sind.

4.14 Die dritte Anzeigeerstattung erfolgte am 21. Oktober 2019 bei der Kantonspolizei Zürich betreffend Sachverhalt 1 und 2. Der Ort, wo die Daten der Karteninhaber B. und D. unbefugt verwendet wurden, ist aufgrund der aktuellen Aktenlage nicht bestimmbar. Subsidiär ist auf den Ort des Erfolgseintritts zurückzugreifen. Dieser ist im Kanton Zürich anzunehmen (vgl. vorn E. 4.12). Nachdem von einem Tatort im Kanton Zürich auszugehen ist, ist der Eingang der Strafanzeige bei der Kantonspolizei Zürich für das forum praeventionis relevant.

4.15 Nach dem Gesagten liegt der gesetzliche Gerichtsstand für die A. und Unbekannt zur Last gelegten Straftaten im Kanton Zürich.

5.

5.1 Die Beschwerdekammer kann (wie die beteiligten Staatsanwaltschaften untereinander auch) einen andern als den in den Art. 31–37 StPO vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen (Art. 40 Abs. 3 StPO). Ein solches Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand soll indes die Ausnahme bleiben. Die Überlegungen, welche den gesetzlichen Gerichtsstand als unzweckmässig erscheinen lassen, müssen sich gebieterisch aufdrängen; die Anforderungen, um vom gesetzlichen Gerichtsstand abzuweichen, sind entsprechend hoch anzusetzen. Überdies kann ein Kanton entgegen dem gesetzlichen Gerichtsstand nur für zuständig erklärt werden resp. sich selber als zuständig erklären, wenn dort tatsächlich ein örtlicher Anknüpfungspunkt besteht (TPF 2019 82 E. 2.3; TPF 2018 38 E. 3.1; TPF 2017 170 E. 3.3.1; TPF 2012 66 E. 3.1; TPF 2011 178 E. 3.1).

5.2

5.2.1 Der Kanton Zürich bringt vor, der Gesuchsteller habe den Gerichtsstand konkludent anerkannt. Seit dem 21. Mai 2020 (erste Ablehnung der Gerichtsstandsanfrage durch den Kanton Zürich) habe sich abgesehen von der Beauftragung der Auswertung der Mobiltelefone, welche – wie nach zwei Jahren festgestellt werden musste – resultatlos geblieben und abzubrechen war, in diesem beim Kanton Basel-Stadt hängigen Verfahren nichts ereignet.

5.2.2 Eine konkludente Anerkennung des Gerichtsstandes darf nicht leichthin angenommen werden. Nach dem Eingang einer Strafanzeige haben die Strafverfolgungsbehörden von Amtes wegen, summarisch und beschleunigt zu prüfen, ob ihre örtliche Zuständigkeit und damit die Gerichtsbarkeit ihres Kantons gegeben ist, um Verzögerungen des Verfahrens zu vermeiden. Die mit der Prüfung befasste Behörde muss alle für die Festlegung des Gerichtsstandes wesentlichen Tatsachen erforschen, die dazu notwendigen Erhebungen durchführen und insbesondere den Ausführungsort ermitteln. Hat der Beschuldigte in mehreren Kantonen delinquiert, so hat jeder Kanton vorerst die Ermittlungen voranzutreiben, die für die Bestimmung des Gerichtsstandes wesentlich sind. Beschränkt sich ein Kanton nicht darauf, sondern nimmt er während längerer Zeit weitere Ermittlungen vor, obwohl längst Anlass bestand, die eigene Zuständigkeit abzuklären, so kann darin eine konkludente Anerkennung erblickt werden. Beschränkt sich die Behörde dagegen im Wesentlichen auf die Abklärung von Tatsachen, die für die Bestimmung des Gerichtsstandes von Bedeutung sind oder führt eine Behörde während der Abklärung der Gerichtsstandsfrage die Strafuntersuchung mit der gebotenen Beschleunigung weiter, so kann darin keine konkludente Anerkennung des Gerichtsstandes gesehen werden. Diese Ermittlungshandlungen haben für sich allein keine zuständigkeitsbegründende Wirkung, denn es wäre unbillig, jene Behörden, welche Abklärungen für die Ermittlung des Gerichtsstandes vornehmen, allein deswegen schon zu verpflichten, nachher auch das ganze Verfahren durchzuführen (TPF 2017 170 E. 3.3.2 m.w.H.).

5.2.3 Dem Kanton Zürich kann insoweit gefolgt werden, als bei einer über zweijährigen Zeitspanne zwischen der Ablehnung der Gerichtsstandsanfrage durch den Kanton Zürich am 21. Mai 2020 und der erneuten Anfrage des Gesuchstellers am 7. September 2022 kaum mehr von einer summarischen und beschleunigten Prüfung der Zuständigkeit gesprochen werden kann. Allerdings hielt der Kanton Zürich in seiner Ablehnung vom 21. Mai 2020 selbst dafür, dass die Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons von A. durch den Gesuchsteller nachzuholen sei, bevor weitere Ersuchen um Verfahrensübernahmen an andere Kantone gestellt würden. Dem Gesuchsteller nun vorzuhalten, durch den Versuch, das sichergestellte Mobiltelefon auszuwerten, habe dieser den Gerichtsstand anerkannt, erscheint nicht angebracht. Ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand drängt sich vorliegend jedenfalls nicht auf.

6. Nach dem Gesagten ist das Gesuch gutzuheissen und es sind die Strafbehörden des Kantons Zürich für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die A. und Unbekannt zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

7. Praxisgemäss ist bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten keine Gerichtsgebühr zu erheben (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 66 Abs. 4 BGG per analogiam; vgl. schon BGE 87 IV 145).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Strafbehörden des Kantons Zürich sind berechtigt und verpflichtet, die A. und Unbekannt zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

Bellinzona, 29. Juli 2024

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                            Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt

- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern

- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau

- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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