Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Strafverfahren |
Fallnummer: | BB.2024.56, BP.2024.44, BP.2024.45 |
Datum: | 29.05.2024 |
Leitsatz/Stichwort: | |
Schlagwörter | Beschwerde; VStrR; Gericht; Beschwerdekammer; Akten; Frist; Akteneinsicht; Verfahren; Person; Verteidigung; Tribunal; Bundesamt; Grenzsicherheit; Rechtspflege; Beschwerdeverfahren; Zustellung; Gesuch; Kopie; Original; Bundesstrafgerichts; Bestimmungen; Beschwerdeentscheid; Verfahrens; Kanton; Gerichtsschreiberin; Parteien; Geschäftsnummer; Verwaltungsstrafverfahren |
Rechtskraft: | Kein Rechtsmittel gegeben |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 127 StPO ;Art. 128 ZG ;Art. 29 BV ;Art. 385 StPO ;Art. 66 BGG ;Art. 7 BGG ; |
Referenz BGE: | 139 IV 246; 147 IV 379; ; |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
BV.2024.6, BP.2024.47
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: BV.2024.6 Nebenverfahren: BP.2024.47 |
Beschluss vom 29. Mai 2024 Beschwerdekammer | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Roy Garré, Vorsitz, Miriam Forni und Felix Ulrich, Gerichtsschreiberin Inga Leonova | |
Parteien | A., vertreten durch B., Beschwerdeführerin | |
gegen | ||
Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit, Beschwerdegegner | ||
Gegenstand | Amtshandlung (Art. 27 Abs. 1 und 3 VStrR); unentgeltliche Rechtspflege im Beschwerdeverfahren (Art. 29 Abs. 3 BV) |
Die Beschwerdekammer hält fest, dass:
- das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (nachfolgend «BAZG») gegen A. seit 6. Juni 2022 unter der Geschäftsnummer 71-2022.17315/0001 ein Verwaltungsstrafverfahren wegen nicht angemeldeter Einfuhr von 5,8 kg Fleischwaren aus einem Drittstaat führt (act. 1.1, S. 1 f.);
- lic. iur. B. im Namen von A. am 29. Juni 2023 beim BAZG um Akteneinsicht sowie um Gewährung der Akteneinsicht an A. in elektronischer Form oder durch Zustellung von Kopien der gesamten Akten ersuchte (act. 1.1, S. 2);
- das BAZG das Akteneinsichtsgesuch mit Verfügung vom 10. April 2024 teilweise guthiess und B. eine Frist einräumte, um die Art und Weise der Akteneinsicht mitzuteilen; das BAZG das Gesuch in Bezug auf die Akteneinsichtnahme durch Zustellung von Akten in Kopie, im Original oder in elektronischer Form ins Ausland abwies (act. 1.1, S. 2);
- der Vizedirektor des BAZG die dagegen von B. im Namen von A. erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 23. April 2024 abwies (act. 1.1, S. 2);
- dagegen B. im Namen von A. bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts am 2. Mai 2024 Beschwerde erhob; B. in Bezug auf seine Bevollmächtigung ausführte, die Beschwerde in gewillkürter, nicht berufsmässiger Vertretung von A. zu erheben (act. 1);
- die Beschwerdekammer B. mit Schreiben vom 6. Mai 2024 aufforderte, dem Gericht bis zum 17. Mai 2024 eine aktuelle, datierte und unterzeichnete Vollmacht nachzureichen; zugleich unter Hinweis auf Art. 385 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 82 VStrR androhte, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten werde, wenn diese nicht innert der gesetzten Frist eingeht (act. 2);
- B. dem Gericht mit Schreiben vom 10. Mai 2024 eine Kopie der am 9. Mai 2024 unterzeichneten Vollmacht einreichte, mit welcher A. B. zur gewillkürten, nicht berufsmässigen Vertretung bevollmächtigte (act. 3);
- das Gericht A. mit Schreiben vom 16. Mai 2024 darauf hinwies, dass B. nicht berechtigt sei, sie im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten und ihr bis zum 27. Mai 2024 Frist ansetzte, die Beschwerde vom 2. Mai 2024 nachzubessern und mit rechtsgültiger Unterschrift einzureichen; die Aufforderung unter Androhung eines Nichteintretensentscheids erfolgte und an die Adresse von B. im Sinne eines Zustelldomizils versendet wurde (act. 4);
- B. dem Gericht mit Schreiben vom 27. Mai 2024 die von A. eigenhändig unterzeichnete Beschwerde in eingescannter Form einreichte und ausführte, dass A. das Original von Brasilien per Post versenden werde; da notorisch sei, dass internationale Sendungen von Brasilien in die Schweiz viel Zeit benötigen, B. das Gericht um eine Fristerstreckung von mindestens 20 Tagen ersuchte, um dem Gericht das Original der unterzeichneten Beschwerde einzureichen (act. 5).
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:
- die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen gegen das Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG; SR 631.0) und dem VStrR erfolgen; die verfolgende und urteilende Behörde das BAZG ist (Art. 128 Abs. 1 und 2 ZG);
- die Bestimmungen der StPO insoweit ergänzend oder sinngemäss anwendbar sind, als das VStrR dies ausdrücklich festlegt; soweit das VStrR einzelne Fragen nicht abschliessend regelt, die Bestimmungen der StPO grundsätzlich analog anwendbar sind (BGE 139 IV 246 E. 1.2 S. 248, E. 3.2 S. 249; Urteile des Bundesgerichts 1B_210/2017 vom 23. Oktober 2017 E. 1.1; 1B_91/2016 vom 4. August 2016 E. 4.1; zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 1B_433/2017 vom 21. März 2018 E. 1.1);
- gegen einen Beschwerdeentscheid im Sinne von Art. 27 Abs. 2 VStrR bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden kann (Art. 27 Abs. 3 VStrR i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. b StBOG); die Beschwerde gegen einen Beschwerdeentscheid innert drei Tagen, nachdem dieser dem Beschwerdeführer eröffnet worden ist, schriftlich mit Antrag und kurzer Begründung einzureichen ist (Art. 28 Abs. 3 VStrR); zur Beschwerde berechtigt ist, wer durch den Beschwerdeentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (Art. 28 Abs. 1 VStrR);
- die beschuldigte Person sich in jeder Lage des Verfahrens einen Verteidiger bestellen kann (Art. 32 Abs. 1 VStrR); für die Verteidigung von beschuldigten Personen in Verwaltungsstrafverfahren ein Anwaltsmonopol i.S.v. Art. 127 Abs. 5 StPO nur für die berufsmässige Verteidigung gilt (vgl. Art. 32 Abs. 2 VStrR; Jeker, Basler Kommentar, 2020, Art. 32 VStrR N. 12);
- Art. 32 VStrR aufgrund der Gesetzessystematik nicht für das Gerichts- bzw. Beschwerdeverfahren gilt (Jeker, a.a.O., Art. 32 VStrR N. 12 m.H.); eine beschuldigte Person sich im Beschwerdeverfahren daher nur durch einen Rechtsbeistand vertreten lassen kann, der die Voraussetzungen von Art. 127 Abs. 5 StPO erfüllt;
- unter Vorbehalt abweichender Bestimmungen der Kantone für die Verteidigung im Übertretungsstrafverfahren die Verteidigung einer beschuldigten Person Anwältinnen und Anwälten vorbehalten ist, die nach dem Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz; BGFA; SR 935.61) berechtigt sind, Parteien vor Gerichtsbehörden zu vertreten (Art. 127 Abs. 5 Satz 1 und 2 StPO);
- B. in keinem kantonalen Anwaltsregister eingetragen ist (vgl. Art. 4 BGFA);
- § 11 Abs. 3 des Anwaltsgesetzes des Kantons Zürich vom 17. November 2003 (AnwG/ZH; LS 215.1) für Übertretungsstrafverfahren zwar eine Ausnahme vom Anwaltsmonopol i.S.v. Art. 127 Abs. 5 Satz 2 StPO kennt (s.a. BGE 147 IV 379 E. 1.6.3), diese jedoch lediglich die Berufsausübung im Kanton Zürich regelt (§ 1 AnwG/ZH) und folglich vorliegend nicht zur Anwendung gelangt;
- nach dem Gesagten B. die Anforderungen von Art. 127 Abs. 5 StPO nicht erfüllt, weshalb er nicht berechtigt ist, die Beschuldigte im vorliegenden Verfahren zu vertreten; damit auch das von ihm eingereichte Fristerstreckungsgesuch vom 27. Mai 2024 unbeachtlich bleibt;
- da innert angesetzter Frist keine rechtsgültig unterzeichnete Beschwerde einging, auf die Beschwerde vom 2. Mai 2024 nicht einzutreten ist;
- die Verfahrenskosten bei diesem Ausgang des Verfahrens dem (vollmachtlosen) B. aufzuerlegen sind (Art. 25 Abs. 4 VStrR i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG analog, siehe dazu TPF 2011 25 E. 3);
- sich das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und – verbeiständung bei diesem Ergebnis als gegenstandslos erweist;
- die Gerichtsgebühr vorliegend auf Fr. 500.-- festzusetzen und B. aufzuerlegen ist (Art. 5 und 8 Abs. 1 BStKR).
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und -verbeiständung wird als gegenstandslos abgeschrieben.
3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird B. auferlegt.
Bellinzona, 29. Mai 2024
Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Zustellung an
- B.
- Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit
Rechtsmittelbelehrung
Gegen den vorliegenden Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben (Art. 79 BGG).
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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