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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BB.2024.3 vom 01.02.2024

Hier finden Sie das Urteil BB.2024.3 vom 01.02.2024 - Beschwerdekammer: Rechtshilfe

Sachverhalt des Entscheids BB.2024.3

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2023.181 vom 1. Februar 2024 betrifft die Einstellung der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen an Belgien und der Schweiz, da sich die belgischen Behörden im Rahmen eines gemeinsamen Untersuchungsausschusses mit dem Beschwerdeführer über eine gemeinsame Ermittlungsgruppe unterhalten haben. Der Beschwerdeführer hat mehrere Rügen gegen den Entscheid des Gerichts, darunter: 1. Die belgischen Behörden haben die Beweise im Rahmen der gemeinsamen Untersuchung nicht verwendet. 2. Es besteht ein Verstoss gegen das Günstigkeitsprinzip (Art. 48 Abs. 2 EU-Übereinkommen vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten). 3. Die belgischen Behörden haben die Beweise nicht in einem angemessenen Rahmen verwendet. 4. Es besteht ein Verstoss gegen das Rechtshilfeverfahren (Art. 80c IRSG). Der Beschwerdeführer hat auch einen Einwurf gegen den Entscheid des Gerichts, der als aussichtslos betrachtet wird. Die Beschwerde ist abgewiesen und es wird festgelegt, dass die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufgetragen werden.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Rechtshilfe

Fallnummer:

BB.2024.3

Datum:

01.02.2024

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Recht; Rechtshilfe; Verfahren; Verfahren; Behörde; Staat; Belgien; Behörden; Verfahrensakten; Beweismittel; Entscheid; Kanton; Kantons; Bundesstrafgerichts; Schweiz; Beschwerdekammer; Einvernahme; Über; Staatsanwaltschaft; Vorbringen; Sachen; Akten; Ausführung; Vereinbarung; Sinne; Ausführungen; Beschwerdeführers

Rechtskraft:

Kein Weiterzug, rechtskräftig

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 26 VwVG ;Art. 269 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 30 VwVG ;Art. 32 VwVG ;Art. 35 VwVG ;Art. 48 BGG ;Art. 57 VwVG ;Art. 6 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 84 BGG ;

Referenz BGE:

130 II 217; 132 II 81; 139 IV 137; 142 III 138; 145 IV 294; 145 IV 99; 148 IV 314; 149 V 156; ;

Entscheid des Bundesstrafgerichts

RR.2023.181, RP.2023.52

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: RR.2023.181

Nebenverfahren: RP.2023.52

Entscheid vom 1. Februar 2024 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Daniel Kipfer Fasciati und Felix Ulrich,

Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

A., vertreten durch Rechtsanwalt Gregor Münch,

Beschwerdeführer

gegen

Staatsanwaltschaft III des Kantons

Zürich,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Belgien

Herausgabe von Beweismitteln (Art. 74 IRSG);

unentgeltliche Rechtspflege (Art. 65 VwVG)

Sachverhalt:

A. Aufgrund einer Kontrolle mehrerer Container im Hafen von Rotterdam beschlagnahmten die niederländischen Behörden am 10. April 2020 insgesamt 3,2 Tonnen Kokain. Mutmassliche Abnehmerin des Kokains sei eine vom belgischen Staatsangehörigen A. angeführte kriminelle Vereinigung. Die Strafverfolgungsbehörden Belgiens führen diesbezüglich gegen A. ein Strafverfahren wegen des Verdachts der «in Z. und […] anderswo im Königreich» verübten Betäubungsmitteldelikte (vgl. Verfahrensakten der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, ref E-4/2023/10026097 [nachfolgend «Verfahrensakten»], Nr. 6/3). Am 16. Februar 2022 wurde A. durch die Kantonspolizei Zürich in Zürich angehalten, festgenommen und danach durch die schweizerischen Behörden an Belgien ausgeliefert (vgl. hierzu den Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2022.122 vom 15. September 2022).

B. Nachdem die belgischen Behörden erfuhren, dass in diesem Zusammenhang die Strafverfolgungsbehörden auch hierzulande gegen A. ermitteln, ersuchte der Untersuchungsrichter von Westflandern (Abteilung Brügge) am 27. Januar 2023 die schweizerischen Justizbehörden in Bezug auf die strafrechtlichen Ermittlungen in Belgien und in der Schweiz um Errichtung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe (Verfahrensakten, Nr. 6/3). Im Februar 2023 unterzeichneten die zuständigen Behörden eine entsprechende Vereinbarung («agreement on the establishment of a joint investigation team»; Verfahrensakten, Nr. 6/2).

C. Mit Ersuchen vom 5. Juni 2023 bat der Untersuchungsrichter von Westflandern (Abteilung Brügge) die zuständigen Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich um Genehmigung der Verwendung aller den belgischen Behörden in Durchführung der erwähnten Vereinbarung übermittelten Dokumente als Beweismittel in Belgien (Verfahrensakten, Nr. 2; vgl. die Liste der dort detailliert aufgeführten Akten wie Einvernahmeprotokolle, Sicherstellungslisten und Beweismittel).

D. Mit Schreiben vom 11. September 2023 teilte die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich (nachfolgend «StA III») dem Vertreter von A. mit, bezüglich welcher dieser Unterlagen sie A. als betroffen und möglicherweise beschwerdelegitimiert erachtete:

· Hafteinvernahme A. vom 18. Februar 2022

· Einvernahme zur Sache A. vom 28. März 2022 inkl. Beilagen 1.01–5.01

· Einvernahme zur Sache A. vom 8. April 2022 inkl. Untersuchungsbefehl zur Durchführung einer nicht invasiven Haarprobe zur Betäubungsmittelanalyse sowie inkl. Beilagen 1–48

· 3. Del. Einvernahme A. zur HD B. Sicherstellungen vom 11. August 2022

· Einvernahme zur Sache A. vom 31. August 2022

· Das Buch, vermutlich geschrieben von C.

Gleichzeitig bat sie den Vertreter von A. unter Hinweis auf Art. 80c IRSG um Mitteilung, ob sein Mandant mit der Übermittlung der erwähnten Akten an die belgischen Behörden einverstanden sei (Verfahrensakten, Nr. 8/4–8/6).

Hierzu liess A. am 25. Oktober 2023 mitteilen, er stimme einer vereinfachten Ausführung des Rechtshilfeersuchens im Sinne von Art. 80c IRSG nicht zu. Er beantragte, es sei keine Rechtshilfe zu leisten (Verfahrensakten, Nr. 8/14).

E. Mit Eintretens- und Schlussverfügung vom 10. November 2023 bewilligte die StA III die Herausgabe der soeben erwähnten Dokumente und Beweismittel an die belgischen Behörden (act. 1.1). Diese Verfügung wurde dem Vertreter von A. am 14. November 2023 zugestellt (vgl. act. 1.1).

F. Hiergegen liess A. mit Eingabe vom 8. Dezember 2023 bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde einreichen (act. 1). Er beantragt Folgendes:

Es sei die Eintretens- und Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich vom 10. November 2023 aufzuheben und es sei der ersuchenden Behörde […] vom 5. Juni 2023 die Rechtshilfe zu verweigern.

Eventuell sei die Eintretens- und Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich vom 10. November 2023 aufzuheben und es sei die Sache zur neuerlichen Beurteilung an die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich zurückzuweisen.

Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Staatskasse.

Daneben stellt A. auch folgenden prozessualen Antrag:

Eventuell (für den Fall des Unterliegens) sei dem Beschwerdeführer für das vorliegende Verfahren die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und es sei ihm in der Person des Unterzeichners ein unentgeltlicher Rechtsbeistand beizugeben.

Auf entsprechende Bitte hin übermittelte die StA III der Beschwerdekammer am 14. Dezember 2023 ihre Verfahrensakten (vgl. act. 3 und 4).

G. Auf die Ausführungen des Beschwerdeführers und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Für die Rechtshilfe zwischen der Schweiz und Belgien sind primär das Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (EUeR; SR 0.351.1) und das hierzu ergangene zweite Zusatzprotokoll vom 8. November 2001 (SR 0.351.12) massgebend. Ausserdem gelangen die Bestimmungen der Art. 48 ff. des Übereinkommens vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 (Schengener Durchführungsübereinkommen [SDÜ]; CELEX-Nr. 42000A0922[02]; Abl. L 239 vom 22. September 2000, S. 19–62; Text nicht publiziert in der SR, jedoch abrufbar auf der Website der Schweizerischen Eidgenossenschaft unter «Rechtssammlung zu den sektoriellen Abkommen mit der EU», 8.1 Anhang A; https://www.admin.ch/opc/de/european-union/international-agreements/008.html) zur Anwendung (TPF 2009 111 E. 1.2 S. 113). Günstigere Bestimmungen bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte zwischen den Vertragsparteien bleiben unberührt (Art. 48 Abs. 2 SDÜ; Art. 26 Abs. 2 und 3 EUeR).

1.2 Soweit diese Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln, finden das Bundesgesetz vom 20. März 1981 (Rechtshilfegesetz, IRSG; SR 351.1) und die Verordnung vom 24. Februar 1982 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfeverordnung, IRSV; SR 351.11) Anwendung (Art. 1 Abs. 1 lit. b IRSG). Das innerstaatliche Recht gelangt nach dem Günstigkeitsprinzip auch dann zur Anwendung, wenn es geringere Anforderungen an die Rechtshilfe stellt (BGE 148 IV 314 E. 2.1; 147 II 432 E. 3.1 S. 437 f.; 145 IV 294 E. 2.1 S. 297; jeweils m.w.H.). Vorbehalten bleibt die Wahrung der Menschenrechte (BGE 145 IV 294 E. 2.1 S. 297; 123 II 595 E. 7c S. 617; TPF 2020 64 E. 1.1 S. 67). Auf Beschwerdeverfahren in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten sind zudem die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021) anwendbar (Art. 39 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 StBOG), wenn das IRSG nichts anderes bestimmt (siehe Art. 12 Abs. 1 IRSG).

2.

2.1 Die Schlussverfügung der ausführenden kantonalen oder der ausführenden Bundesbehörde unterliegt zusammen mit den vorangehenden Zwischenverfügungen der Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 80e Abs. 1 IRSG). Die entsprechende Beschwerdefrist beträgt 30 Tage (Art. 80k IRSG). Zur Beschwerdeführung ist berechtigt, wer persönlich und direkt von einer Rechtshilfemassnahme betroffen ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Art. 80h lit. b IRSG).

2.2 Sollen Protokolle von Einvernahmen als Zeugen, Beschuldigten oder Auskunftspersonen herausgegeben werden, welche bereits im Rahmen eines schweizerischen Strafverfahrens erfolgt sind, so geht es um Unterlagen aus den Händen der Behörden. Im Rechtshilfeverfahren sind diesbezüglich keine Zwangsmassnahmen erforderlich. Bei solchen Unterlagen besteht im Rechtshilfeverfahren nur eine mittelbare (indirekte) Betroffenheit durch Rechtshilfemassnahmen (BGE 139 IV 137 E. 5.1.3; 126 II 462 E. 4b S. 464 f.; Urteile des Bundesgerichts 1C_358/2018 vom 4. September 2018 E. 1.2; 1A.186/2005 vom 9. Dezember 2005 E. 1.3.3). Die zur Beschwerde legitimierende «spezifische Beziehungsnähe» liegt bei Unterlagen aus den Händen der Behörde somit nicht in der persönlichen und direkten Betroffenheit von einer Zwangsmassnahme – es gibt sie im Rechtshilfeverfahren nicht – sondern dass im Sinne von Art. 80h lit. b IRSG ein (persönliches) schutzwürdiges Interesse vorliegt (s. im Einzelnen TPF 2020 180 E. 4.4.3).

Damit ein schutzwürdiges Interesse und damit verbunden die Beschwerdelegitimation von Zeugen wie Beschuldigten bzw. Auskunftspersonen bejaht werden kann, muss zwischen dem Sachverhalt im schweizerischen Strafverfahren und demjenigen im Rechtshilfeverfahren ein enger Zusammenhang bestehen und sie müssen von den Fragen persönlich betroffen sein, indem sie sich im inländischen Strafverfahren entweder zu ihrer persönlichen Situation zu äussern hatten (Ausbildung, Familiensituation, finanzielle Situation) oder zur eigenen beruflichen Situation und Tätigkeit (TPF 2020 180 E. 4.8.3). Die Beschwerdelegitimation wird ebenfalls bejaht, wenn sich die einvernommene Person im inländischen Strafverfahren auf das Zeugnis- bzw. Aussageverweigerungsrecht berief (TPF 2020 180 E. 4.5.2).

2.3 Eine Durchsicht der herauszugebenden Einvernahmeprotokolle ergibt, dass sich der Beschwerdeführer als beschuldigte Person auf Fragen zur Sache zumeist auf sein Aussageverweigerungsrecht berief, indem er Fragen mit «kein Kommentar» beantwortete oder einfach schwieg. Erst anlässlich seiner Einvernahme vom 31. August 2022 machte der Beschwerdeführer Aussagen, welche seine persönliche Situation betrafen. Der enge Zusammenhang zwischen dem Gegenstand des auf Ersuchen Belgiens angehobenen Rechtshilfeverfahrens und dem hierzulande geführten Strafverfahren zeigt sich bereits durch die Einsetzung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe durch die Behörden der Schweiz und Belgiens (vgl. auch Art. 80dter Abs. 2 IRSG). Das vom Beschwerdeführer dargelegte schutzwürdige Interesse an der Beschwerdeführung ist zu bejahen und auf seine Beschwerde ist einzutreten. Das gilt auch hinsichtlich des Buchs, welches offenbar im Rahmen des schweizerischen Strafverfahrens als Beweismittel sichergestellt wurde.

3. Die Beschwerdekammer ist nicht an die Begehren der Parteien gebunden (Art. 25 Abs. 6 IRSG). Sie prüft die bei ihr erhobenen Rügen grundsätzlich mit freier Kognition, befasst sich jedoch nur mit Tat- und Rechtsfragen, die Streitgegenstand der Beschwerde bilden (BGE 132 II 81 E. 1.4; 130 II 337 E. 1.4; Urteil des Bundesgerichts 1A.1/2009 vom 20. März 2009 E. 1.6; TPF 2011 97 E. 5).

4.

4.1 Der Beschwerdeführer rügt vorab, das in Belgien gegen ihn geführte Strafverfahren basiere auf illegal erhobenen Beweisen und weise daher schwerwiegende Mängel auf, welche der Gewährung der Rechtshilfe entgegenstünden (act. 1, Rz. 12 und 16 ff.). Der Beschwerdeführer befindet sich nach seiner Auslieferung an Belgien im ersuchenden Staat und kann daher geltend machen, konkret der Gefahr einer Verletzung seiner Verfahrensrechte ausgesetzt zu sein. Er kann sich damit auch gegen die zur Diskussion stehende Herausgabe von Beweismitteln auf Art. 2 IRSG berufen (vgl. hierzu u.a. TPF 2019 119 E. 7.1 S. 124; TPF 2017 132 E. 7.3.1).

4.2 Gemäss Art. 2 IRSG wird einem Ersuchen um Zusammenarbeit in Strafsachen nicht entsprochen, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass das Verfahren im Ausland den in der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) oder im Internationalen Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2) festgelegten Verfahrensgrundsätzen nicht entspricht (lit. a) oder andere schwere Mängel aufweist (lit. d).

Die im ausländischen Strafverfahren beschuldigten Personen müssen glaubhaft machen, dass sie objektiv und ernsthaft eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte im ersuchenden Staat zu befürchten haben (BGE 130 II 217 E. 8.1). Abstrakte Behauptungen genügen nicht. Die betroffenen Beschwerdeführer müssen ihre Vorbringen im Einzelnen präzisieren (Urteil des Bundesgerichts 1A.159/2003 vom 15. September 2003 E. 5.1 m.w.H.; Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2020.296 vom 9. März 2021 E. 3.2.3).

Einzelne Verfahrensverstösse im ausländischen Untersuchungsverfahren genügen für sich allein nicht, um die Rechtshilfe auszuschliessen; es ist in erster Linie Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen des ersuchenden Staates, solche Verfahrensfehler zu korrigieren und sicherzustellen, dass der beschuldigten Person trotzdem ein faires Strafverfahren garantiert wird. Der Ausschluss der Rechtshilfe rechtfertigt sich nur, wenn das ausländische Strafverfahren insgesamt die durch die EMRK und den UNO-Pakt II umschriebenen Minimalgarantien nicht erfüllt (Entscheide des Bundesstrafgerichts RR.2020.203 vom 15. März 2021 E. 9.2.1; RR.2020.37 vom 12. Juni 2020 E. 4.2.1; jeweils mit Hinweis).

4.3 Zur Rüge der illegalen Beweiserhebung ist festzuhalten, dass sich weder aufgrund der im Rechtshilfeersuchen vom 27. Januar 2023 (Verfahrensakten, Nr. 6/3) erwähnten, ermittelten und ausgewerteten PGP-Telekommunikation noch aus den Ausführungen in der Beschwerdeschrift selbst ein konkreter Zusammenhang zwischen den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnissen und dem vom Beschwerdeführer geschilderten, angeblich unrechtmässigen Hackerangriff des französischen Staates auf die Kommunikationsdienste «EncroChat» und «Sky ECC» erkennen lässt. Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind demnach nicht geeignet, eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte im ersuchenden Staat glaubhaft zu machen. Nicht von Relevanz sind die Ausführungen des Beschwerdeführers, die in Belgien erhobene Beweiserhebung sei mit Blick auf Art. 269ter StPO unrechtmässig (siehe act. 1, Rz. 16 [7]–[11]). Allfällige, in diesem Zusammenhang bei der Erhebung von Beweismitteln begangene Verstösse gegen belgische Verfahrensbestimmungen hat der Beschwerdeführer nach dem oben Ausgeführten (E. 4.2) vor den Rechtsmittelinstanzen des ersuchenden Staates zu rügen (vgl. hierzu schon den ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2022.122 vom 15. September 2022 E. 6.4). Dasselbe hätte im Übrigen zu gelten, wenn die Erkenntnisse der ersuchenden Behörden tatsächlich auf den erwähnten Zugriff auf EncroChat-Daten zurückzuführen wären (siehe hierzu den Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2023.47 vom 20. September 2023 E. 3.2.1–3.2.6).

5. Der Beschwerdeführer bezeichnet ferner das im Kanton Zürich gegen ihn geführte Strafverfahren als undurchsichtig (act. 1, Rz. 24 ff.). Er habe dort bis heute nur in eingeschränktem Masse Akteneinsicht erhalten. So sei insbesondere unklar, auf welchen Beweismitteln der ihm gegenüber erhobene Tatverdacht bzw. die hierzulande erlassenen Zwangsmassnahmen basieren würden. Sofern der Beschwerdeführer mit seinen Vorbringen die Gewährung erweiterter Akteneinsicht im nationalen Strafverfahren erreichen möchte, hat er ein entsprechendes Gesuch bei der verfahrensleitenden Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich einzureichen (vgl. hierzu auch den Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2013.358 vom 21. März 2014 E. 3). Einen allenfalls abschlägigen Bescheid oder andere ihm nicht genehme Verfahrensentscheide unterlägen gegebenenfalls der Beschwerde an die kantonale Beschwerdeinstanz, weshalb sich an dieser Stelle diese Punkte betreffend weitere Erörterungen erübrigen. Nicht nachvollziehbar sind die Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die verweigerte Akteneinsicht im nationalen Strafverfahren ihm nicht erlaube zu prüfen, ob die an die belgischen Behörden zu übermittelnden Aktenstücke mängelbehaftet seien, bzw. wonach keine Rechtshilfe zu gewähren sei, solange die Beweisführung im nationalen Strafverfahren nicht nachvollziehbar sei. Soweit die im nationalen Strafverfahren erhobenen Beweismittel (konkret fünf Einvernahmeprotokolle, teilweise mit Beilagen sowie ein in der Schweiz sichergestelltes Buch) auch für das Rechtshilfeverfahren von Bedeutung sind, liegen sie vor und wurden auch dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht (vgl. Verfahrensakten, Nr. 8/4).

6. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, gegen ihn würde in Belgien und in der Schweiz wegen derselben Taten parallel ermittelt. Die Rechtshilfe sei daher gestützt auf Art. 66 Abs. 1 IRSG zu verweigern (act. 1, Rz. 37 ff.). Diesen Einwand hat der Beschwerdeführer – unter Bezugnahme auf die dort einschlägigen Bestimmungen – sinngemäss bereits im Auslieferungsverfahren erhoben. Er ist unter Hinweis auf die Begründung im Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2022.122 vom 15. September 2022 E. 7.3 auch im vorliegenden Verfahren zu verwerfen. Demnach untersuchen die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich u.a. in der Schweiz verübte Betäubungsmitteldelikte, währenddem die Behörden in Belgien – wie auch dem vorliegenden Ersuchen (Verfahrensakten, Nr. 2, S. 2) entnommen werden kann – auf belgischem Staatsgebiet verübte Straftaten untersuchen. Von einer Identität der entsprechenden Taten kann keine Rede sein.

7.

7.1 Der Beschwerdeführer erhebt mit vorliegender Beschwerde schliesslich zwei weitere Einwände gegen die zur Diskussion stehende Rechtshilfeleistung, welche bereits Eingang fanden in seine Stellungnahme an die Beschwerdegegnerin im erstinstanzlichen Verfahren. Beide Punkte betreffend wirft er der Beschwerdegegnerin vor, sie habe sich im Rahmen der angefochtenen Verfügung nicht zu seinen Einwänden geäussert, weshalb sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe (act. 1, Rz. 14, 44 und 49 f.).

7.2 Im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen wird der in Art. 29 Abs. 2 BV verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör u.a. in Art. 26 ff. VwVG konkretisiert (BGE 145 IV 99 E. 3.1 S. 108). Die mit der Rechtshilfesache befasste Behörde hört die Parteien an, bevor sie verfügt (vgl. Art. 30 Abs. 1 VwVG). Dabei würdigt sie alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen (vgl. Art. 32 Abs. 1 VwVG). Der Rechtshilfeentscheid ist zu begründen (vgl. Art. 35 Abs. 1 VwVG). Dabei ist es nicht erforderlich, dass sich die Behörde mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (BGE 149 V 156 E. 6.1 S. 162; 146 II 335 E. 5.1; 143 III 65 E. 5.2. S. 70).

7.3

7.3.1 Ohne diesbezüglich konkretere Ausführungen zu machen, macht der Beschwerdeführer geltend, er verfüge über Hinweise, dass die belgischen Behörden – entgegen der eingangs erwähnten Vereinbarung betreffend gemeinsame Ermittlungsgruppe – in der Schweiz erhobene Beweismittel bereits im Rahmen von Haftprüfungsverfahren verwendet hätten, ohne zuvor ein förmliches Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu richten. Dies würde einen Vertragsbruch darstellen, weshalb das vorliegende Rechtshilfeersuchen keinen Schutz verdienen würde (act. 1, Rz. 14 und 43 ff.).

7.3.2 Der vom Beschwerdeführer angesprochene Passus in der Vereinbarung lautet wie folgt (Verfahrensakten, Nr. 6/2 S. 4; Hervorhebung durch das angerufene Gericht):

(…) Evidence and information gathered on Swiss territory in the context of the current JIT (joint investigation team) may be used exclusively in the ongoing criminal investigations carried in Belgium and detailed in point 2 of this Agreement. Furthermore, they may be used by the Belgian authorities under the JIT exclusively as information to progress the Belgian investigation, but not as evidence to request, motivate or to render a final decision on guilt or sanction at the trial stage or by the ruling authority.

If any evidence or information gathered on Swiss territory is required to be used at the trial stage or by the ruling authority in Belgium, a formal request for mutual legal assistance must be addressed to the competent authority in Switzerland. As long as the corresponding Swiss procedure for mutual legal assistance in criminal matters is not completed and legally binding (i.e. until the expiry of the remedies), and the evidences and information are not officially transmitted by the competent Swiss authority according to Swiss legislation, relevant material gathered in Switzerland cannot be used in Belgium as evidence at the trial stage or by the ruling authority. (…)

Die vom Beschwerdeführer erwähnten Haftprüfungsentscheide stellen strafprozessuale Zwischenentscheide dar und sind keine Endentscheide über Schuld und Sanktion im Sinne der wiedergegebenen Vereinbarung. Seine Einrede erweist sich schon deshalb als unbegründet. Dass die belgischen Behörden in der Schweiz erhobene Beweismittel vorzeitig bereits in der Anklageschrift zu Handen des urteilendes Gerichts oder aber zur Begründung eines den Beschwerdeführer betreffenden Strafurteils herangezogen hätten, wird auch von diesem nicht geltend gemacht. Im Übrigen wären auch allfällige Verstösse durch die belgischen Behörden gegen die Vereinbarung betreffend gemeinsame Ermittlungsgruppe vor den Rechtsmittelinstanzen Belgiens zu rügen (siehe bereits oben E. 4.2).

7.4 Inhaltlich nicht nachvollziehbar ist schliesslich die ohne weitere Erklärungen erfolgte Behauptung des Beschwerdeführers, wonach es mit der Unschuldsvermutung nicht vereinbar sei, wenn die fraglichen Beweismittel sowohl im belgischen als auch im schweizerischen Verfahren verwendet würden. Ebenso unverständlich ist das Vorbringen, wonach die Übermittlung der Beweismittel nach Belgien «nach Auffassung des Unterzeichners» der Beschwerde zur Folge haben könnte, dass diese im schweizerischen Verfahren nicht mehr verwertet werden dürften (vgl. zum Ganzen act. 1, Rz. 15 und 46 f. sowie die nahezu identischen Ausführungen in Verfahrensakten, Nr. 8/14 Rz. 22 f.).

7.5 Ob die Beschwerdegegnerin diese zuletzt erwähnten Vorbringen stillschweigend als nicht erheblich im Sinne von Art. 32 Abs. 1 VwVG erachtet hat, kann offengelassen werden. Sollte im Umstand, dass sich die Beschwerdegegnerin damit in der angefochtenen Verfügung nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat, tatsächlich eine Verletzung der Pflicht zur Begründung ihres Entscheids liegen, so wöge diese nicht schwer und wäre spätestens durch die vorstehenden Ausführungen geheilt worden.

8. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als zum vornherein unbegründet. Über weite Strecken beinhaltet sie die blosse Wiederholung bereits vor der Vorinstanz oder aber im den Beschwerdeführer betreffenden Auslieferungsverfahren erfolglos vorgebrachter Rügen. Sie ist ohne Schriftenwechsel abzuweisen (Art. 57 Abs. 1 VwVG e contrario).

9.

9.1 Der Beschwerdeführer ersucht für das vorliegende Verfahren um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung (act. 1, Rz. 51 f.).

9.2 Die Beschwerdekammer befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Verfahrenskosten, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 65 Abs. 1 VwVG) und bestellt dieser einen Anwalt, wenn dies zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist (Art. 65 Abs. 2 VwVG). Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Prozessbegehren als aussichtslos anzusehen, wenn die Gewinnaussichten beträchtlich geringer erscheinen als die Verlustgefahren. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese (BGE 142 III 138 E. 5.1 S. 139 f.; 140 V 521 E. 9.1).

9.3 Die im Sinne von Art. 57 Abs. 1 VwVG unbegründete Beschwerde ist auch als aussichtslos im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG anzusehen. Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung ist ungeachtet der finanziellen Situation des Beschwerdeführers abzuweisen.

10. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 500.– festzusetzen (vgl. Art. 63 Abs. 5 VwVG i.V.m. Art. 73 StBOG sowie Art. 5 und 8 Abs. 3 lit. a des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.– wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 1. Februar 2024

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                            Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Rechtsanwalt Gregor Münch

- Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich

- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG). Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Im Falle der elektronischen Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind (Art. 48 Abs. 2 BGG).

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 Abs. 1 BGG). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG).

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