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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BB.2024.26, BP.2024.19 vom 26.02.2024

Hier finden Sie das Urteil BB.2024.26, BP.2024.19 vom 26.02.2024 - Berufungskammer

Sachverhalt des Entscheids BB.2024.26, BP.2024.19

Der Bundesstrafgericht des Kantons Bern hat ein Urteil vom 12. Dezember 2023 verhängt, in dem A., der Berufungsführer, wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte angeklagt wurde. Das Gericht entschied, dass A. am 1. Dezember 2022 einen Strafbefehl gegen ihn erlassen hatte, der wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte gemäss Art. 285 Ziff. 1 StGB verurteilt wurde. A. war der Strafbefehl mit einer Bedingung von 42 Tagessätzen und einer Busse von CHF 240.-- zu vollstreckt. Das Gericht hat jedoch festgestellt, dass die Verfahrensakten nicht ausreichend übermittelt wurden und daher eine Rechtsmittelprüfung erforderlich ist. Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts hat den Beschluss des Einzelrichters der Strafkammer vom 12. Dezember 2023 zurückgezogen, da A. die Berufungsanmeldung nicht formgültig hatte und daher keine gültige Unterschrift oder qualifizierte elektronische Signatur aufweist. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden von der Partei A. tragen, da das Gericht festgestellt hat, dass A. die Verfahrenskosten nicht übernommen hat. Der Bundesstrafgericht hat den Beschluss der Berufungskammer zurückgezogen und A. zur Wiederherstellung des Rechtsmittelverfahrens angefordert.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Berufungskammer

Fallnummer:

BB.2024.26, BP.2024.19

Datum:

26.02.2024

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Berufung; Kammer; Berufungsanmeldung; Bundes; Urteil; Gericht; Verfahren; Berufungsgericht; Berufungskammer; Eingabe; Gültigkeit; Urteils; Bundesgericht; Parteien; Einzelrichter; Frist; Bundesstrafgericht; Bundesstrafgerichts; Zustellung; Rechtsmittel; Beschluss; Entscheid; Befehl; Zimmerlin

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 11 StPO ;Art. 110 StPO ;Art. 285 StGB ;Art. 29 BV ;Art. 356 StPO ;Art. 384 StPO ;Art. 385 StPO ;Art. 39 StPO ;Art. 390 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 40 StPO ;Art. 403 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 48 BGG ;Art. 6 EMRK ;Art. 78 BGG ;Art. 82 StPO ;Art. 85 StPO ;Art. 9 BGG ;Art. 90 StPO ;Art. 91 StPO ;Art. 94 StPO ;

Referenz BGE:

139 IV 228; 141 II 429; 142 IV 286; 142 IV 299; ;

Entscheid des Bundesstrafgerichts

CA.2024.3

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: CA.2024.3

Beschluss vom 26. Februar 2024 Berufungskammer

Besetzung

Richterinnen Brigitte Stump Wendt, Vorsitzende,

Andrea Blum und Richter Olivier Thormann,

Gerichtsschreiber David Mühlemann

Parteien

A.,

Berufungsführer / Beschuldigter

gegen

1.       Bundesanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwältin des Bundes Caterina Aeberli,

Berufungsgegnerin / Anklagebehörde

 

2.       B., vertreten durch Rechtsanwalt Miro Prskalo,

Berufungsgegnerin / Privatklägerschaft

 

Gegenstand

Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2023.39 vom 12. Dezember 2023

Entscheid über die Gültigkeit der Berufungsanmeldung (Art. 403 StPO)

Sachverhalt:

A. Prozessgeschichte und erstinstanzliches Urteil

A.1 Am 1. Dezember 2022 erliess die Bundesanwaltschaft (hiernach: BA) einen Strafbefehl in französischer Sprache gegen A. (hiernach: Berufungsführer) wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte gemäss Art. 285 Ziff. 1 StGB (BA pag. 03-00-00-0001 ff.). Nach zweimaligem erfolglosem Zustellversuch an zwei unterschiedlichen Adressen, konnte der Strafbefehl am 4. Januar 2023 durch die Kantonspolizei Bern an A. ausgehändigt werden (BA pag. 03-00-00-0008 ff.). Mit undatierter Eingabe, die am 19. Januar 2023 bei der BA einging, erhob A. handschriftlich Einsprache gegen den Strafbefehl und verlangte zugleich eine Übersetzung in deutscher Sprache (BA pag. 03-00-00-0018). Darauf ordnete die zuständige Staatsanwältin des Bundes eine Übersetzung an und verfügte, dass die Frist zur Einsprache erst mit der Zustellung des übersetzten Strafbefehls beginnt (BA pag. 03-00-00-0020). Der nun in deutscher Sprache übersetzte Strafbefehl wurde A., am 16. Februar 2023 an der aktuellen Wohnadresse in U. zugestellt, nachdem die Bundesanwaltschaft diesen erneut an die alte Adresse versandt hat (BA pag. 03-00-00-0024). Mit undatiertem Schreiben, das am 21. Februar 2023 bei der BA einging, erhob A. wiederum handschriftlich, sowie begründet Einsprache gegen den Strafbefehl vom 1. Dezember 2022 (BA pag. 03-00-00-0027). Am 18. September 2023 überwies die Bundesanwaltschaft gestützt auf Art. 355 Abs. 3 lit. a und d StPO sowie Art. 356 Abs. 1 StPO den Strafbefehl an die Strafkammer des Bundesstrafgerichts (TPF pag. 2.100.001 ff.).

A.2 Mit Urteil des Einzelrichters der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2023.39 vom 12. Dezember 2023 wurde A. der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte gemäss Art. 285 Ziff. 1 StGB schuldig gesprochen und zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 42 Tagessätzen zu CHF 31.-- sowie einer Busse von CHF 240.--, bei schuldafter Nichtbezahlung mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen, verurteilt (TPF pag. 2.930.001 f.). A. wurden die Verfahrenskosten in Höhe von CHF 1'500.-- auferlegt. Zudem wurde er verpflichtet, den Privatkläger mit CHF 1'495.-- zu entschädigen.

Das Urteil wurde an der Hauptverhandlung eröffnet, mündlich begründet und das Urteilsdispositiv A. ausgehändigt. Den nicht anwesenden Parteien wurde das Urteilsdispositiv schriftlich eröffnet (vgl. Dispositivziffer II.; TPF pag. 2.930.002).

A.3 Mit E-Mail vom 21. Dezember 2023 teilte A. dem Einzelrichter der Strafkammer des Bundesstrafgerichts (hiernach: Einzelrichter der Strafkammer oder Strafkammer) mit, dass er «Fristgerecht Rekurs gegen den Entscheid vom 12. Dezember 2023» erhebe. Gleichzeitig verlangte er eine schriftliche Begründung des Urteils (TPF pag. 2.940.001). Mit Einschreiben vom 16. Januar 2024 wies der Einzelrichter A. darauf hin, dass seine Eingabe – die E-Mail vom 21. Dezember 2023 – den Formerfordernissen für eine rechtsgültige Berufungsanmeldung nicht genüge und setzte A. zur Verbesserung der Eingabe bzw. Einreichung einer formgültigen Berufungsanmeldung eine Nachfrist bis zum 23. Januar 2024 (TPF pag. 2.940.002). Nach erfolgloser Zustellung wurde die Abholungseinladung am 17. Januar 2024, mit Frist zur Abholung bis am 24. Januar 2024 deponiert. Am 25. Januar 2024 wurde das Einschreiben der Strafkammer aufgrund nicht erfolgter Abholung zurückgesandt (Eingang bei der Strafkammer: 30. Januar 2024 [CAR pag. 2.201.002]).

B. Verfahren vor der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts

B.1 Mit Schreiben vom 29. Januar 2024 ersuchte der Einzelrichter der Strafkammer die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts (hiernach: Berufungskammer), über die Gültigkeit der als Rekurs bezeichneten, sinngemässen Berufungsanmeldung gegen das Urteil der Strafkammer SK.2023.39 vom 12. Dezember 2023, von A. mit E-Mail vom 21. Dezember 2023 eingereicht, zu entscheiden. Den Parteien wurde dieses Schreiben in Kopie übermittelt (CAR pag. 1.100.001).

B.2 Ebenfalls am 29. Januar 2024 übermittelte die Strafkammer der Berufungskammer die Verfahrensakten (CAR pag. 1.100.003 f.).

B.3 Mit Schreiben vom 31. Januar 2024 betreffend Eingangsanzeige und Zusammensetzung des Spruchkörpers zeigte die Berufungskammer den Parteien insbesondere den Eingang des Begehrens der Strafkammer vom 29. Januar 2024 auf Entscheidung über die Gültigkeit der Berufungsanmeldung vom 21. Dezember 2023 an (CAR pag. 1.200.001 f.). Gemäss Sendungsverfolgung der Schweizerischen Post wurde A. dieses Schreiben am 1. Februar 2024 zugestellt (CAR pag. 1.200.003).

B.4 Auf die Durchführung eines Schriftenwechsel wurde verzichtet, aufgrund der offensichtlichen Ungültigkeit der Berufungsanmeldung.

Die Berufungskammer erwägt:

1. Rechtliches

1.1 Die StPO sieht für die Einlegung der Berufung ein zweistufiges Verfahren vor: Nach Art. 399 Abs. 1 StPO ist die Berufung dem erstinstanzlichen Gericht innert 10 Tagen seit Eröffnung des Urteils schriftlich oder mündlich zu Protokoll anzumelden. Nach Ausfertigung des begründeten Urteils übermittelt das erstinstanzliche Gericht die Anmeldung zusammen mit den Akten dem Berufungsgericht (Art. 399 Abs. 2 StPO). Damit wird das Verfahren beim Berufungsgericht rechtshängig und die Verfahrensleitung geht vom erstinstanzlichen Gericht auf das Berufungsgericht über (vgl. Bähler, Basler Kommentar, 3. Aufl. 2023, Art. 399 StPO N. 5). Die Partei, die Berufung angemeldet hat, reicht dem Berufungsgericht gemäss Art. 399 Abs. 3 StPO innert 20 Tagen seit Zustellung des begründeten Urteils eine schriftliche Berufungserklärung ein (vgl. Urteil des BGer 6B_469/2015 vom 17. August 2015 E. 3; Bähler, a.a.O., Art. 399 StPO N. 6).

1.2 Damit eine abgegebene Erklärung als rechtsgültige Berufungsanmeldung angesehen werden kann, muss in ihr mit der erforderlichen Klarheit festgehalten werden, dass gegen ein Urteil Berufung angemeldet werden will. Ein blosses Begehren um Zustellung einer vollständig begründeten Ausfertigung des Urteils ohne jeden Hinweis auf den Willen, die Berufung anzumelden, genügt diesen Erfordernissen beispielsweise noch nicht (Urteil des Bundesgerichts 6B_674/2012 vom 11. April 2013, E. 1.7; Bähler, a.a.O., Art. 399 StPO N. 2; Zimmerlin, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 2020, Art. 399 StPO N. 4). Auch die Aussage, man sei mit dem Entscheid nicht einverstanden bzw. man werde sich der Vollstreckung desselben widersetzen, ist für sich allein nicht hinreichend eindeutig, um einen Anfechtungswillen annehmen zu können. Gemäss Art. 385 Abs. 3 StPO beeinträchtigt die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels seine Gültigkeit nicht; die Bezeichnung der Erklärung als «Berufung» oder «Berufungsanmeldung» ist folglich nicht erforderlich (vgl. dazu auch Kistler Vianin, Commentaire romand, 2. Aufl. 2019, N 5 f. zu Art. 399 StPO).

1.3 Im Fall eines Urteils beginnt die Frist gemäss Art. 384 lit. a StPO i.V.m. Art. 90 Abs. 1 StPO am folgenden Tag nach Aushändigung oder Zustellung des schriftlichen Dispositivs zu laufen. Eingaben müssen gemäss 91 Abs. 2 StPO spätestens am letzten Tag der Frist bei der Strafbehörde abgegeben oder zu deren Handen namentlich bei der Schweizerischen Post übergegeben werden. Im Fall von elektronischen Eingaben ist nach Art. 91 Abs. 3 StPO der Nachweis der Einhaltung der Frist mittels Quittung zu erbringen, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind.

1.4 Die Formerfordernisse für Eingaben der Parteien sind in Art. 110 StPO geregelt: Nach Abs. 1 sind schriftliche Eingaben zu datieren und unterzeichnen. Für die elektronische Einreichung von Eingaben ist Art. 110 Abs. 2 StPO zu beachten. Demnach muss die elektronische Eingabe mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 2016 über die elektronische Signatur versehen sein. Es handelt sich dabei um Gültigkeitserfordernisse. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts sind Behörden jedoch verpflichtet, die Partei auf den Formfehler aufmerksam zu machen und dessen Verbesserung zu verlangen, wenn bei einer Rechtsmittelerklärung ein sofort erkennbarer Formfehler, wie das Fehlen einer gültigen Unterschrift, festgestellt wird. Gegebenenfalls ist eine kurze, über die gesetzliche Rechtsmittelfrist hinausgehende Nachfrist für die gültige Unterzeichnung anzusetzen (vgl. auch Art. 385 Abs. 2 StPO). Dies gilt namentlich für rechtsunkundige oder nicht vertretene Personen (BGE 142 IV 299 E. 1.3.4; dazu auch Bähler, a.a.O., Art. 399 StPO N. 1).

1.5 Die Strafbehörden bedienen sich für ihre Mitteilungen der Schriftform und stellen diese grundsätzlich durch eingeschriebene Postsendung zu (Art. 85 Abs. 1 und Abs. 2 StPO). Nach Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO gilt die nicht abgeholte eingeschriebene Postsendung ab dem siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellversuch als zugestellt. Diese Zustellfiktion gilt jedoch nur, soweit der Adressat mit einer Zustellung rechnen musste. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung verpflichtet die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses die Parteien, sich nach Treu und Glauben zu verhalten und unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen behördliche Akten zugestellt werden können, welche das Verfahren betreffen (BGE 141 II 429 E. 3.1 S. 431 f.; 138 III 225 E. 3.1 S. 227 f.; Urteil 6B_110/2016 vom 27. Juli 2016 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 142 IV 286; je mit Hinweisen). Zudem wird von einer verfahrensbeteiligten Person namentlich verlangt, dass sie für die Nachsendung ihrer an die bisherige Adresse gelangenden Korrespondenz besorgt ist und sie der Behörde gegebenenfalls längere Ortsabwesenheiten mitteilt oder eine Stellvertretung ernennt (BGE 139 IV 228 E. 1.1 S. 230 mit Hinweisen).

1.6 Meldet eine Partei Berufung an, so hat das erstinstanzliche Gericht zunächst ein begründetes Urteil anzufertigen. Liegt dieses vor, so hat das erstinstanzliche Gericht anschliessend die Berufungsanmeldung mitsamt den Verfahrensakten dem Berufungsgericht zu übermitteln (Art. 399 Abs. 2 StPO). Erst in diesem Zeitpunkt geht die Verfahrensleitung an das Berufungsgericht über (Urteil des Bundesgerichts 6B_469/2015 vom 17. August 2015, E. 3; Bähler, a.a.O., Art. 399 StPO N. 5).

1.7 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie das erstinstanzliche Gericht vorzugehen hat, wenn es zur Auffassung gelangt, die Berufungsanmeldung sei (offensichtlich) verspätet oder aus anderen Gründen (offensichtlich) ungültig, und ein Begründungsverzicht gemäss Art. 82 Abs. 1 StPO an sich möglich wäre. Zunächst ist klar und gesetzlich vorgesehen, dass das erstinstanzliche Gericht nicht selbst über die Gültigkeit der Berufungsanmeldung befinden kann. Gemäss Art. 403 Abs. 1 lit. a StPO entscheidet das Berufungsgericht über die Gültigkeit der Berufung, insbesondere auch der Berufungsanmeldung (vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 6B_968/2013 vom 19. Dezember 2013 E. 2.1 f.). Zudem wäre es verfahrensrechtlich nicht vertretbar, wenn dasselbe Gericht über die Zulässigkeit des gegen den eigenen Entscheid gerichteten Rechtsmittels beschliessen könnte. Auch aus Sicht der Verfahrenseffizienz ergibt es kaum Sinn, dass das erstinstanzliche Gericht aufgrund der (zweifelhaften) Berufungsanmeldung ein begründetes Urteil anfertigt, wenn sich diese ohnehin als verspätet oder aus anderen Gründen ungültig erweist. Das erstinstanzliche Gericht kann daher vor Ausfertigung des begründeten Urteils, die Zulässigkeit der Berufungsanmeldung durch das Berufungsgericht überprüfen lassen (Beschluss des Kantonsgerichts Graubünden SK1 16 44 vom 2. Mai 2017 E. II.1.d) dd), S. 7 ff.; Verfügung des Obergerichts Schaffhausen OGE 50/2019/5 vom 26. Februar 2019 E. 1.2). Zumindest aus finanzieller Sicht hat dies auch Vorteile für die berufungsführende Partei, da für die schriftliche Begründung des Urteils regelmässig Mehrkosten bzw. bei Verzicht auf eine schriftliche Begründung eine reduzierte Gerichtsgebühr auferlegt wird.

1.8 Die Prüfung der Gültigkeit der Berufungsanmeldung erfolgt damit auf Begehren des erstinstanzlichen Gerichts, was insofern unbedenklich ist, als es sich bei den vom Berufungsgericht gemäss Art. 403 Abs. 1 StPO zu prüfenden Aspekten um Sachurteilsvoraussetzungen handelt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_560/2015 vom 17. November 2015, E. 2.1). Diese sind vom Berufungsgericht von Amtes wegen zu prüfen und unterliegen damit nicht der Disposition der am Berufungsverfahren beteiligten Parteien. Das erstinstanzliche Gericht kann dem Berufungsgericht Gründe für ein Nichteintreten anzeigen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_968/2013 vom 19. Dezember 2013, E. 2.1; Kistler Vianin, a.a.O., Art. 403 N. 1 StPO; Jositsch/Schmid, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 399 StPO N. 5 und Art. 403 StPO N. 1; Zimmerlin, a.a.O., Art. 403 StPO N. 3). Dabei hat das erstinstanzliche Gericht dem Berufungsgericht die Berufungsanmeldung und die (nötigen) Verfahrensakten zu übermitteln, verbunden mit dem Begehren, zunächst einzig über die Zulässigkeit der Berufungsanmeldung zu entscheiden.

1.9 Der Entscheid über die Gültigkeit der Berufungsanmeldung ergeht in einem dem Berufungsverfahren vorgelagerten schriftlichen Verfahren. Dabei hat das Berufungsgericht den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme (Art. 403 Abs. 2 StPO) zu geben (Keller, Basler Kommentar, 3. Aufl. 2023, Art. 403 StPO N. 7; Zimmerlin, a.a.O., Art. 403 StPO N. 6), wobei diese auf die Frage nach der Zulässigkeit der Berufungsanmeldung zu beschränken ist. Als Teilgehalt des verfassungsmässigen und konventionsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) sind den Parteien Eingaben der anderen Partei oder einer Behörde zu Kenntnis zu bringen und ihnen ist die Möglichkeit der Replik zu gewähren (Keller, a.a.O., Art. 403 StPO N. 7; Zimmerlin, a.a.O., Art. 403 StPO N. 6). Auf die Einholung einer Stellungnahme nach Art. 403 Abs. 2 StPO kann jedoch verzichtet werden, wenn die Berufungsanmeldung oder -erklärung offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist (vgl. Art. 390 Abs. 2 StPO), was regelmässig bei einer verspäteten oder gänzlich versäumten Eingabe der Fall sein dürfte (Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Aufl. 2020, S. 652; Zimmerlin, a.a.O., Art. 403 StPO N. 6).

1.10 Hält das Berufungsgericht die Berufungsanmeldung für verspätet oder aus anderen Gründen unzulässig, tritt es mittels (verfahrenserledigendem) Beschluss auf die Berufung nicht ein (Art. 403 Abs. 3 StPO; Keller, a.a.O., Art. 403 StPO N. 8; Zimmerlin, a.a.O., Art. 403 StPO N. 13). Dieser Nichteintretensentscheid unterliegt der Strafrechtsbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 78 ff. BGG; Keller, a.a.O., Art. 403 StPO N. 8; Zimmerlin, a.a.O., Art. 403 StPO N. 13). Hält das Berufungsgericht – entgegen der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts – die Berufungsanmeldung für rechtzeitig bzw. zulässig, so stellt es dies mittels Beschluss fest und weist die Angelegenheit zwecks Ausfertigung des begründeten Urteils an das erstinstanzliche Gericht zurück. Dieser Entscheid ist lediglich prozessleitender Natur (vgl. Schmid, a.a.O, Art. 403 StPO N. 11), sodass die Beschwerde in Strafsachen nur unter den Voraussetzungen von Art. 93 BGG zulässig ist.

2. Würdigung

2.1 Vorliegend hat A. mit E-Mail vom 21. Dezember 2023 dem Einzelrichter der Strafkammer mitgeteilt, dass er «Rekurs» gegen das Urteil der Strafkammer vom 12. Dezember 2023 erheben möchte. Gleichzeitig hat er um eine schriftliche Begründung des Urteils ersucht. Der Einzelrichter hat A. mit Einschreiben vom 16. Januar 2024 mitgeteilt, dass aus Sicht der Strafkammer die Berufungsanmeldung, mangels eigenhändiger Unterschrift bzw. qualifizierter elektronischer Signatur gemäss Art. 110 Abs. 2 StPO, formungültig sei und hat A. eine siebentägige Nachfrist gesetzt. Das Einschreiben ist nach unbenutzter Abholfrist durch die Schweizerische Post der Strafkammer zurückgesandt worden. In der Folge ersuchte der Einzelrichter die Berufungskammer um Prüfung der Gültigkeit der Berufungsanmeldung. Zugleich überwies die Strafkammer die Verfahrensakten an die Berufungskammer.

2.2 Die Vorinstanz hat zunächst richtigerweise die als Rekurs bezeichnete Eingabe in Anwendung von Art. 385 Abs. 3 StPO als Berufungsanmeldung entgegengenommen. Alsdann hat der Einzelrichter entsprechend der zuvor dargestellten rechtlichen Grundlagen und Rechtsprechung A. auf den Formmangel hingewiesen und ihn aufgefordert eine Berufungsanmeldung einzureichen, die eine formgültige, eigenhändige Unterschrift enthält bzw. eine qualifizierte elektronische Signatur für den Fall einer elektronischen Eingabe. A. hat in der Folge dieses Einschreiben innert Frist nicht bei der Schweizerischen Post abgeholt. A. hat der Strafkammer weder eine (längere) Abwesenheit mitgeteilt noch eine Stellvertretung bezeichnet. Da er mit seiner E-Mail vom 21. Dezember 2023 grundsätzlich seinen Willen bekundet hat, gegen das Urteil SK.2023.39 vom 12. Dezember 2023 Berufung zu führen, musste er mit weiteren Zustellungen im betreffenden Verfahren rechnen. Dementsprechend gilt die eingeschriebene Mitteilung innert Nachfrist eine Berufungsanmeldung mit formgültiger Unterschrift bzw. qualifizierter elektronischer Signatur einzureichen, im Sinne von Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO als zugestellt.

2.3 A. wurde ausserdem das Schreiben des Einzelrichters der Strafkammer vom 29. Januar 2024, mit dem Ersuchen an die Berufungskammer vorab über die Gültigkeit der Berufungsanmeldung zu entscheiden, in Kopie übermittelt (CAR pag. 1.100.001). Am 1. Februar 2024 hat A. zudem das Schreiben der Berufungskammer betreffend Eingangsanzeige und Zusammensetzung des Spruchkörpers von der Schweizerischen Post in Empfang genommen (vgl. supra B.3; CAR pag. 1.200.003). Mit diesem Schreiben wurden die Parteien insbesondere darüber orientiert, dass die Strafkammer die Berufungskammer ersuchte, über die Gültigkeit der Berufungsanmeldung vom 21. Dezember 2024 zu entscheiden. Demnach ist vorliegend davon auszugehen, dass A. weiss bzw. zumindest wissen kann, über was im vorliegenden Verfahren beschlossen wird. Bis zum heutigen Tag hat A. nicht um Wiederherstellung der richterlichen Frist gemäss Art. 94 Abs. 1 StPO ersucht.

2.4 In Würdigung der gesamten Umstände ist vorliegend festzustellen, dass die von A. per E-Mail vom 21. Dezember 2023 mitgeteilte Berufungsanmeldung den Formerfordernissen von Art. 110 StPO nicht entspricht, da sie keine rechts- und formgültige Unterschrift oder qualifizierte elektronische Signatur aufweist. Da die Berufungsanmeldung aufgrund der fehlenden Unterschrift oder qualifizierten elektronischen Signatur offensichtlich ungültig ist, konnte auf die Einholung von Stellungnahmen verzichtet werden. Nach dem Gesagten ist auf die Berufung gegen das Urteil der Strafkammer des Bundestrafgerichts SK.2023.39 vom 12. Dezember 2023 mangels gültiger Berufungsanmeldung nicht einzutreten.

3. Kosten

3.1 Gemäss Art. 428 Abs. 1 StPO tragen die Parteien die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht.

3.2 Ausgangsgemäss hätte demnach A. die Verfahrenskosten zu tragen. Da der vorliegende Beschluss auf Begehren der Vorinstanz vorab über die Gültigkeit der Berufungsanmeldung zu entscheiden erging sowie aufgrund der offensichtlichen formungültigen Berufungsanmeldung kein Schriftenwechsel durchgeführt wurde, wird vorliegend ausnahmsweise auf eine Kostenauferlegung verzichtet. Für den vorliegenden Beschluss werden keine Kosten erhoben.

Die Berufungskammer erkennt:

I. Auf die Berufung gegen das Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2023.39 vom 12. Dezember 2023 wird nicht eingetreten.

II. Für diesen Beschluss werden keine Kosten erhoben.

Im Namen der Berufungskammer

des Bundesstrafgerichts

Die Vorsitzende                                                                Der Gerichtsschreiber

Brigitte Stump Wendt                                                       David Mühlemann

Zustellung an (Gerichtsurkunde):

- Bundesanwaltschaft, Frau Caterina Aeberli, Staatsanwältin des Bundes

- Herrn A.

- Herrn Rechtsanwalt Miro Prskalo

- Bundesstrafgericht, Strafkammer (brevi manu)

Rechtsmittelbelehrung

Beschwerde an das Bundesgericht

Dieses Urteil kann innert 30 Tagen nach Eröffnung der vollständigen Ausfertigung mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht angefochten werden. Das Beschwerderecht und die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in den Art. 78-81 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG) geregelt. Die begründete Beschwerdeschrift ist beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen.

Gemäss Art. 48 Abs. 1 und 2 BGG müssen Eingaben spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden. Im Falle der elektronischen Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind.

                                                                                                                                                       Versand: 26. Februar 2024

Weiterzug
  • 6B_261/2024 Nichteintreten
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