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Entscheid des Bundesstrafgerichts: RR.2023.120 vom 17.07.2023

Hier finden Sie das Urteil RR.2023.120 vom 17.07.2023 - Beschwerdekammer: Strafverfahren

Sachverhalt des Entscheids RR.2023.120

Der Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2022.134 vom 17. Juli 2023 bestätigt die Einstellung des Strafverfahrens wegen Drohung (Art. 180 StGB) gegen den Beschwerdegegner B. wegen Morddrohungen gegen Herrn Botschafter A. Der Beschwerdekammer wird erklärt, dass das Strafverfahren wegen fehlender Prozessvoraussetzung eingestellt wurde und keine Gerichtsgebühr erhoben wird.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Strafverfahren

Fallnummer:

RR.2023.120

Datum:

17.07.2023

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Bundes; Antrag; Botschaft; Person; Verfahren; Recht; Verfahrens; Verfahren; Bundesanwaltschaft; Drohung; Beschwerdekammer; Verfahrensakten; Riedo; Parteien; E-Mail; Antrag; Schweiz; Botschafter; Sinne; Privatkläger; Bundesgerichts; Urteil; Russischen; Föderation; Verfügung; ützt

Rechtskraft:

Kein Rechtsmittel gegeben

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 1 OR ;Art. 104 StPO ;Art. 110 StPO ;Art. 115 StPO ;Art. 118 StPO ;Art. 14 OR ;Art. 18 StGB ;Art. 180 StGB ;Art. 3 StGB ;Art. 30 StGB ;Art. 303 StPO ;Art. 304 StPO ;Art. 319 StPO ;Art. 320 StPO ;Art. 322 StPO ;Art. 329 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 383 StPO ;Art. 391 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 43 StPO ;

Referenz BGE:

105 IV 164; 115 IV 1; 131 IV 97; 141 IV 1; 141 IV 380; 142 I 10; 145 IV 190; 148 IV 170; ;

Entscheid des Bundesstrafgerichts

BB.2022.134

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2022.134

Beschluss vom 17. Juli 2023 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Miriam Forni und Patrick Robert-Nicoud,

Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

A., c/o Botschaft der Russischen

Föderation in der Schweiz,

Beschwerdeführer

gegen

1. Bundesanwaltschaft,

2. B.,

Beschwerdegegner

Gegenstand

Einstellung des Verfahrens (Art. 322 Abs. 2 StPO)

Sachverhalt:

A. Am 12. Mai 2022 liess B. der Botschaft der Russischen Föderation in der Schweiz (nachfolgend «Botschaft») an deren allgemeine E-Mail-Adresse […] eine E-Mail mit folgendem Inhalt zugehen: «Nur ein toter Russe ist ein guter Russe auch das gilt für den Botschafter» (vgl. Akten der Bundesanwaltschaft SV.22.0945 [nachfolgend «Verfahrensakten»], pag. BA-05-00-0006). Der Sicherheitsverantwortliche der Botschaft leitete diese E-Mail am 18. Mai 2022 dem Bundessicherheitsdienst weiter (vgl. Verfahrensakten, pag. BA-05-00-0002). Mit Verbalnote vom 25. Mai 2022 übermittelte die Botschaft diese von ihr als «Schreiben mit Morddrohungen gegen Herrn Botschafter A.» bezeichnete E-Mail-Nachricht sodann dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten und ersuchte, die zuständigen Behörden darüber in Kenntnis zu setzen und diesen die E-Mail weiterzuleiten, um den Täter ausfindig zu machen und rechtmässig zur Verantwortung zu ziehen. Das entsprechende Schreiben weist einen Stempel der Botschaft, aber keinerlei Unterschrift auf (Verfahrensakten, pag. BA-05-00-0011 f.).

B. Mit Schreiben vom 30. Mai 2022 ersuchte die mit der Angelegenheit betraute Bundeskriminalpolizei die Kantonspolizei Zürich um sachbezogene Be—fragung des in Z. wohnhaften B. (Verfahrensakten, pag. BA-05-00-0014 ff.). Am 24. Juni 2022 wurde B. durch die Kantonspolizei Zürich zur Sache einvernommen. B. anerkannte, die fragliche E-Mail versendet zu haben, und gab an, aus der Emotion heraus gehandelt und keine Drohung beabsichtigt zu haben. Ihm wurde die Rapportierung an die zuständige Amtsstelle eröffnet (Verfahrensakten, pag. BA-05-00-0021 ff.). Am 25. Juli 2022 erstattete die Bundeskriminalpolizei bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige gegen B. wegen des Verdachts der Drohung im Sinne von Art. 180 StGB. In der Strafanzeige wurde A., der Botschafter der Russischen Föderation in der Schweiz, als Privatkläger aufgeführt (Verfahrensakten, pag. BA-05-00-0001 ff.).

C. Mit Strafbefehl vom 4. August 2022 sprach die Bundesanwaltschaft im Verfahren SV.22.0945 B. der Drohung im Sinne von Art. 180 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen sowie zu einer Verbindungsbusse in der Höhe von Fr. 200.– (act. 1.1). Gegen diesen Strafbefehl erhob B. bei der Bundesanwaltschaft schriftlich Einsprache. Das entsprechende Schreiben ist nicht datiert, wurde aber am 10. August 2022 der Post aufgegeben und ging am 11. August 2022 bei der Bundesanwaltschaft ein (Verfahrensakten, pag. BA-03-00-0003 ff.).

D. Am 28. September 2022 wurde B. von der Bundesanwaltschaft zur Sache einvernommen. Er erklärte erneut, keine Drohung beabsichtigt zu haben. Er habe auch nicht geschrieben, dass er jemanden umbringen wolle. Er habe einfach eine Dummheit begangen (Verfahrensakten, pag. BA-13-01-0003 ff.). Am 6. Oktober 2022 teilte die Bundesanwaltschaft dem Beschuldigten B. und dem Privatkläger A. mit, sie erachte die Strafuntersuchung als vollständig und beabsichtige, diese demnächst durch eine Einstellungsverfügung gemäss Art. 319 ff. StPO abzuschliessen. Gleichzeitig setzte sie den Parteien Frist an bis am 17. Oktober 2022 zur Einreichung allfälliger Beweisanträge (act. 1.2). Keine der Parteien liess sich innerhalb dieser Frist vernehmen (vgl. act. 1.3, S. 1 in fine).

E. Am 20. Oktober 2022 verfügte die Bundesanwaltschaft Folgendes (act. 1.3):

1. Das Strafverfahren gegen B. wegen Drohung (Art. 180 StGB) wird eingestellt (Art. 319 Abs. 1 lit. a und b StPO).

2. Der Privatklägerschaft steht nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung der Zivilweg offen (Art. 320 Abs. 3 StPO).

3. B. wird keine Entschädigung und keine Genugtuung ausgerichtet (Art. 430 StPO).

4. Zustellung an (…)

F. Dagegen erhoben die Botschaft und der Botschafter A. mit nicht unterzeichnetem Schreiben vom 28. Oktober 2022 Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Darin bitten sie, die Entscheidung der Bundesanwaltschaft, die beschuldigte Person freizusprechen, zu revidieren (act. 1). Innerhalb der diesbezüglich angesetzten Frist reichte A. der Beschwerdekammer ein von ihm unterzeichnetes Exemplar der Beschwerdeschrift nach (act. 3).

Auf entsprechende Aufforderung hin übermittelte die Bundesanwaltschaft der Beschwerdekammer am 23. November 2022 die Verfahrensakten. Gleichzeitig teilte sie mit, auf eine Beschwerdeantwort zu verzichten (act. 6). B. nahm die ihm zugesandte Einladung zur Einreichung einer allfälligen Beschwerdeantwort auch innerhalb der von ihm verlängerten Abholfrist nicht entgegen (vgl. act. 8 und 12) bzw. liess sich innerhalb der ihm angesetzten Frist nicht zur Beschwerde vernehmen (vgl. act. 9). Darüber und über den Inhalt des Schreibens der Bundesanwaltschaft vom 23. November 2022 wurden die Parteien am 1. Dezember 2022 wechselseitig informiert (act. 9). Auf entsprechenden Wunsch übermittelte die Beschwerdekammer A. am 19. Dezember 2022 die Verfahrensakten der Bundesanwaltschaft zur Einsichtnahme (vgl. act. 10 und 11). In einer weiteren Eingabe vom 23. Dezember 2022 beantragt A., die Entscheidung der Bundesanwaltschaft, die beschuldigte Person freizusprechen, zu revidieren und sie im Sinne des Art. 180 StGB (Drohung) zur Verantwortung zu ziehen (act. 13). Diese Eingabe wurde den übrigen Parteien am 27. Dezember 2022 zur Kenntnisnahme übermittelt (act. 14).

G. Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gegen die Einstellungsverfügung der Bundesanwaltschaft können die Parteien innert zehn Tagen bei der Beschwerdekammer des Bundesstraf—gerichts Beschwerde erheben (Art. 322 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG). Mit der Beschwerde gerügt werden können gemäss Art. 393 Abs. 2 StPO Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (lit. a), die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts (lit. b) sowie die Unangemessenheit (lit. c).

1.2 Vorliegend ist vorab festzuhalten, dass der Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren grundsätzlich durch die angefochtene Verfügung verbindlich festgelegt wird und vom Beschwerdeführer nicht frei bestimmt werden kann. Die Beschwerdekammer kann keine Fragen beurteilen, über welche in der angefochtenen Verfügung nicht entschieden worden ist (vgl. hierzu u.a. die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BB.2021.74 vom 5. April 2022; BB.2021.108 vom 27. Mai 2021 E. 5.1; BB.2020.278 vom 4. März 2021 E. 1.1 jeweils m.w.H.). Gegenstand der angefochtenen Verfahrenseinstellung bildet einzig die eingangs erwähnte E-Mail-Nachricht vom 12. Mai 2022 und die Frage, ob und wie sich der Beschwerdegegner 2 als deren Absender strafbar gemacht haben könnte. Sofern der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren und bezogen auf die Aussagen des Beschwerdegegners 2 ersucht, gegen Letzteren eine Strafuntersuchung wegen falscher Anschuldigung und Verleumdung sowie Diskriminierung und Aufruf zu Hass (vgl. act. 13; s. auch act. 3, S. 2) durchzuführen, so wird darauf hingewiesen, dass das Gericht nicht für die Durchführung von Strafuntersuchungen zuständig ist. Die Eingaben des Beschwerdeführers wurden am 15. November bzw. am 27. Dezember 2022 der Beschwerdegegnerin 1 weitergeleitet (act. 5 und 14). Diese hat hinsichtlich der vom Beschwerdeführer zusätzlich erhobenen Vorwürfe die Eröffnung einer Strafuntersuchung zu prüfen.

1.3

1.3.1 Zur Beschwerde legitimiert sind die Parteien, sofern sie ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung haben (Art. 382 Abs. 1 StPO). Die geschädigte Person ist gegen die Einstellung des Verfahrens grundsätzlich nur insoweit zur Beschwerde legitimiert, als sie sich vor Abschluss des Vorverfahrens im Sinne der Art. 118 f. StPO als Privatklägerschaft konstituiert hat (BGE 141 IV 380 E. 2.2 S. 383 mit Hinweis). Als Privatklägerschaft und somit als Partei des Strafverfahrens (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO) gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin oder -kläger zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Ein Strafantrag ist dieser Erklärung gleichgestellt (Art. 118 Abs. 2 StPO). Als geschädigte Person gilt die Person, die durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). In seinen Rechten unmittelbar verletzt ist, wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsguts ist (BGE 148 IV 170 E. 3.2 S. 175; 146 IV 76 E. 2.2.1 S. 80; 145 IV 491 E. 2.3). Die zur Stellung eines Strafantrags berechtigte Person gilt in jedem Fall als geschädigte Person (Art. 115 Abs. 2 StPO).

1.3.2 Im Rahmen des der vorliegenden Beschwerde zu Grunde liegenden Strafverfahrens wurde (nur) der Beschwerdeführer von den Behörden von Beginn weg als Privatkläger bezeichnet und behandelt. In den einleitenden Bemerkungen zur Beschwerdeschrift wird demgegenüber ausgeführt, «die Botschaft der Russischen Föderation in der Schweiz und der Botschafter A.» möchten Beschwerde erheben (act. 3, S. 1). In seiner Eingabe vom 10. November 2022 (act. 3.1) kritisiert der Beschwerdeführer zudem den Umstand, dass die Beschwerdekammer mit ihm als Privatperson korrespondiere, ohne seine Funktion des Missionschefs zu erwähnen, obwohl er nicht als eine Privatperson, sondern genau als der Botschafter bedroht worden sei. Diese und weitere Punkte des Strafverfahrens betreffend drängen sich in erster Linie die nachfolgenden Ausführungen auf.

2.

2.1 Die Botschaft umschrieb den Inhalt der E-Mail-Nachricht des Beschwerdegegners 2 als «Morddrohungen gegen Herrn Botschafter A.» (vgl. Verfahrensakten, pag. BA-05-00-0011 f.). Gegenstand der nachfolgenden Ermittlungen und der durchgeführten Strafuntersuchung war der Tatbestand der Drohung gemäss Art. 180 StGB. Gemäss Art. 180 Abs. 1 StGB wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt. Art. 180 Abs. 2 StGB nennt demgegenüber Fälle, in denen der Täter von Amtes wegen verfolgt wird. Die dort genannten Konstellationen sind für den vorliegenden Fall jedoch offensichtlich nicht von Relevanz. Bei Antragsdelikten erfolgt die Strafverfolgung nicht ohne eine entsprechende Willenserklärung der antragsberechtigten Person, den Strafantrag (Riedo, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019 [nachfolgend «Riedo, BSK»], Vor Art. 30 StGB N. 2 m.w.H.). Der Strafantrag ist die bestimmten materiellen, formellen und zeitlichen Anforderungen genügende Willenserklärung einer antragsberechtigten Person, der Schuldige solle wegen der Begehung eines Antragsdelikts verfolgt und bestraft werden (Riedo, BSK, Vor Art. 30 StGB N. 17 m.w.H.). Ein Vorverfahren wird erst eingeleitet, wenn der Strafantrag gestellt ist (vgl. Art. 303 Abs. 1 StPO). Insofern handelt es sich beim Strafantrag um eine Prozessvoraussetzung (Riedo, BSK, Vor Art. 30 StGB N. 21 ff.; BGE 145 IV 190 E. 1.5.2 S. 195; 129 IV 305 E. 4.2.3). Ein gültiger Strafantrag liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die antragsberechtigte Person innert Frist bei der zuständigen Behörde ihren bedingungslosen Willen zur Strafverfolgung des Täters so erklärt, dass das Strafverfahren ohne weitere Willenserklärung weiterläuft (vgl. die Urteile des Bundesgerichts 6B_444/2021 vom 9. Dezember 2022 E. 2.1.1; 6B_1131/2021 vom 12. Januar 2022 E. 5.1.3). Bis zum Inkrafttreten der StPO am 1. Januar 2011 war nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung zudem erforderlich, dass der Strafantrag «in der vom kantonalen Recht vorgeschriebenen Form» erklärt wurde (siehe u.a. BGE 131 IV 97 E. 3.1). Seit dem 1. Januar 2011 findet sich die entsprechende Formvorschrift in Art. 304 Abs. 1 StPO (BGE 145 IV 190 E. 1.3.1; siehe dazu unten E. 2.3.1).

2.2

2.2.1 Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen (Art. 30 Abs. 1 StGB). Zum Strafantrag berechtigt ist, wer durch eine Straftat verletzt ist, das heisst wer Träger des unmittelbar betroffenen Rechtsguts ist. Der Begriff der verletzten Person gemäss Art. 30 Abs. 1 StGB ist insofern identisch mit demjenigen der geschädigten Person nach Art. 115 Abs. 1 StPO (BGE 141 IV 380 E. 2.3.4 S. 386). Verletzt im Sinne von Art. 180 StGB ist jeder, dem ein schwerer Nachteil in Aussicht gestellt und der dadurch in Angst oder Schrecken versetzt wurde. Opfer können nur natürliche Personen sein. Eine juristische Person kann zwar direkt Betroffene einer Drohung sein, Schrecken und Angst erzeugen kann die Drohung aber ausschliesslich bei den für die Gesellschaft tätigen natürlichen Personen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1338/2015 vom 11. Oktober 2016 E. 1.3.1 mit Hinweis auf BGE 141 IV 1 E. 3.2.4 S. 7 f.).

2.2.2 Auf Grund des vorstehend Ausgeführten kommt in casu als möglicher Antragsberechtigter bzw. Privatkläger von vornherein nur der Beschwerdeführer als natürliche Person in Frage. Sofern auch die Botschaft selbst gegen die Einstellungsverfügung Beschwerde erheben möchte, ist darauf schon mangels ihrer Eigenschaft als geschädigte Person im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO und der entsprechend fehlenden Parteistellung im Strafverfahren nicht einzutreten. Somit kann offenbleiben, ob und gestützt auf welche rechtlichen Grundlagen der Botschaft überhaupt die Eigenschaft als Rechtsträgerin zukommen könnte, welche ihr ein eigenständiges Auftreten als Partei in einem Strafverfahren erlauben würde (vgl. zu dieser Thematik u.a. TPF 2018 57 E. 1.3 betreffend die Republik Türkei und deren Generalkonsulat).

2.2.3 Ähnliche Überlegungen haben zu gelten bezüglich der Eingabe, welche von den Strafbehörden im Rahmen des vorliegenden Verfahrens vermutlich als Strafantrag im Sinne von Art. 30 Abs. 1 StGB bzw. Art. 118 Abs. 2 StPO angesehen wurde. Als solcher in Frage kommen kann lediglich das Schreiben der Botschaft vom 25. Mai 2022 an das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (Verfahrensakten, pag. BA-05-00-0011 f.). Dieses weist folgenden Wortlaut auf:

Botschaft der Russischen Föderation in der Schweiz

Nr. 136/n

Die Botschaft der Russischen Föderation in der Schweiz bezeugt dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten ihre Hochachtung und beehrt sich, folgendes mitzuteilen.

Anlage: Am 12. Mai wurde ein Schreiben mit Morddrohungen gegen Herrn Botschafter A. an die E-Mail-Adresse der Botschaft erneut zugestellt.

Die Botschaft ersucht das Departement, die zuständigen Behörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft darüber in Kenntnis zu setzen und ihnen das oben genannte Schreiben weiterzuleiten, um den Täter ausfindig zu machen und rechtmässig zur Verantwortung zu ziehen.

Die Botschaft benutzt auch diesen Anlass, das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten ihrer ausgezeichneten Hochachtung erneut zu versichern.

Bern, den 25. Mai 2022

AN DAS EIDGENÖSSISCHE DEPARTEMENT FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN

Bern [Stempel]

Die Ermittlung des Inhalts eines Strafantrags erfolgt nach den Grundsätzen, wie sie für die Auslegung rechtserheblicher Erklärungen allgemein gelten (Riedo, BSK, Art. 30 StGB N. 93 mit Hinweis auf BGE 115 IV 1 E. 2b S. 3). Mit Blick auf das zuvor Dargelegte kommt der Botschaft hinsichtlich des Straftatbestands der Drohung gemäss Art. 180 Abs. 1 StGB keinerlei Antragsberechtigung zu. Ebenso wenig kann sie diesbezüglich als geschädigte Person im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO gelten. Die vorliegende Erklärung erging zumindest nicht offensichtlich im Namen des Beschwerdeführers als (einziger) antragsberechtigter Person. Aufgrund der Urheberschaft dieses Schreibens und der Nennung des Adressaten der angeblichen Drohung liesse sich inhaltlich allenfalls noch vertreten, das Schreiben als einen im Namen des Beschwerdeführers gestellten Strafantrag zu interpretieren. Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich den Strafbehörden in Fällen von undeutlichen und unklaren Äusserungen der Betroffenen, diesen (sofern vorhanden) geeignete Formulare zur Verfügung zu stellen, so dass ein Strafantrag nicht an formellen Hürden scheitert (vgl. hierzu Riedo, BSK, Art. 30 StGB N. 61). Für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens erweist sich jedoch ein anderer Punkt als entscheidend.

2.3

2.3.1 Der Strafantrag ist bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder der Übertretungsstrafbehörde schriftlich einzureichen oder mündlich zu Protokoll zu geben (Art. 304 Abs. 1 StPO). Bei schriftlicher Antragstellung sind die Vorgaben von Art. 110 Abs. 1 und 2 StPO zu beachten (Riedo, BSK, Art. 30 StGB N. 59; siehe auch BGE 145 IV 190 E. 1.3.2). Der schriftlich gestellte Strafantrag ist demnach zu datieren und zu unterzeichnen (vgl. Art. 110 Abs. 1 Satz 2 StPO). Die Unterschrift ist eigenhändig zu schreiben (vgl. Art. 14 Abs. 1 OR; zur allgemeinen Geltung dieser privatrechtlichen Regelung vgl. Müller, Berner Kommentar, 2018, Art. 14 OR N. 13). Fehlt die persönliche Unterschrift der antragsberechtigten Person, so liegt kein gültiger Strafantrag vor (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 6B_1454/2019 vom 21. April 2020 E. 1.2; siehe auch das Urteil des Bundesgerichts 6B_284/2013 vom 10. Oktober 2013 E. 2.2 betreffend eine E-Mail ohne die gemäss Art. 110 Abs. 2 StPO erforderliche elektronische Signatur).

2.3.2 Art. 110 Abs. 1 StPO sieht für die fehlende Unterzeichnung schriftlicher Eingaben keine Sanktion vor (Urteil des Bundesgerichts 6B_51/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 2.2 m.w.H.). Im Falle einer (versehentlich) nicht unterzeichneten strafprozessualen Rechtsmitteleingabe ist dem Absender gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts mit Blick auf das Verbot des überspitzten Formalismus – wie bei vorliegender Beschwerdeschrift auch erfolgt (siehe oben Sachverhalt F.) – eine kurze, gegebenenfalls auch über die gesetzliche Rechtsmittelfrist hinausgehende Nachfrist zur Behebung des Mangels anzusetzen mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibe (BGE 142 I 10 E. 2.4).

2.3.3 Art. 31 StGB verlangt, dass innerhalb von drei Monaten ein gültiger Strafantrag vorliegt. Hat die antragsberechtigte Person ihr Antragsrecht in formwidriger Weise ausgeübt, liegt kein gültiger Strafantrag vor. Es dürfen daran nicht die Wirkungen eines gültigen Strafantrages geknüpft werden (Riedo, Der Strafantrag, 2004 [nachfolgend «Riedo, Strafantrag»], S. 420, u.a. mit Hinweis auf BGE 105 IV 164 E. 3 S. 165). Solange die Frist nach Art. 31 StGB noch läuft, steht einer Erneuerung bzw. Nachbesserung des nicht formgültigen Strafantrags nichts entgegen. Nach Ablauf dieser Antragsfrist hingegen ist eine Nachbesserung des Strafantrags ausgeschlossen: Die berechtigte Person hat binnen dreier Monate einen gültigen Strafantrag beizubringen (Riedo, Strafantrag, S. 421 f., welcher in Fn 1794 darauf hinweist, dass sich die unter E. 2.3.2 erwähnte [grosszügigere] Rechtsprechung ausschliesslich auf Rechtsmittel beschränke). Nach Ablauf dieser Frist erlischt das Antragsrecht.

2.4 Das Vorliegen eines Strafantrags ist eine Prozessvoraussetzung. Bei Fehlen eines gültigen Strafantrags fällt die Führung eines Strafverfahrens ausser Betracht (Art. 303 Abs. 1 StPO). Ist die Strafverfolgung bereits eröffnet worden, fehlt es aber an einem gültigen Strafantrag, ist das Verfahren einzustellen, weil ein Urteil definitiv nicht mehr ergehen kann (Art. 319 Abs. 1 lit. d oder auch Art. 329 Abs. 4 StPO; vgl. hierzu die Urteile des Bundesgerichts 6B_42/2021 vom 8. Juli 2021 E. 4.2.1; 6B_729/2020 vom 3. Februar 2021 E. 2.4.1; 6B_252/2020 vom 8. September 2020 E. 4.3; siehe auch Riedo, BSK, Art. 30 StGB N. 61, 108 ff.).

3. Den vorliegenden Akten kann kein gültiger, zur Strafverfolgung der eingangs erwähnten Drohung notwendiger Strafantrag entnommen werden. Die einzige schriftliche Äusserung, welche als solcher in Frage kommen könnte, ist das oben erwähnten Schreiben der Botschaft vom 25. Mai 2022 (siehe E. 2.2.3). Darin ist bereits eine persönliche Erklärung des Beschwerdeführers als der einzigen antragsberechtigten Person nicht ohne Weiteres zu erkennen. Offensichtlich aber fehlt es diesem Schreiben an der eigenhändigen Unterschrift der antragsberechtigten Person oder eines von dieser hinreichend bevollmächtigten Vertreters. Eine unterlassene Nachfrage durch die Strafverfolgungsbehörden des Bundes innerhalb der Antragsfrist vermag daran nichts zu ändern. Selbst im Falle einer allfälligen Verletzung von Aufklärungspflichten durch die Strafverfolgungsbehörden darf ein den gesetzlichen Anforderungen nicht genügender Strafantrag nicht als gültig angesehen werden (s. auch Urteile des Bundesgerichts 6B_719/2018 vom 25. September 2019 E. 1.5; 6B_284/2013 vom 10. Oktober 2013 E. 2.4; mit Hinweis auf Riedo, Strafantrag, S. 421). Ist das Strafverfahren gestützt auf eine fehlende Prozessvoraussetzung einzustellen, erübrigt sich eine Prüfung der Frage, ob der Beschwerdegegner 2 mit seiner E-Mail vom 12. Mai 2022 den Tatbestand der Drohung gemäss Art. 180 Abs. 1 StGB erfüllt haben könnte.

4. Die Beschwerdekammer ist bei ihrem Entscheid nicht an die Begründungen der Parteien und – unter hier nicht interessierendem Vorbehalt der Beurteilung von Zivilklagen – die Anträge der Parteien gebunden (Art. 391 Abs. 1 StPO). Das Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner 2 wegen Drohung war wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung und damit gestützt auf Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO einzustellen. Das Dispositiv der angefochtenen Verfügung ist entsprechend zu korrigieren. Die Beschwerde ist demgegenüber abzuweisen, soweit auf diese einzutreten ist.

5.

5.1 Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind den Parteien grundsätzlich nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens aufzuerlegen (vgl. Art. 428 Abs. 1 StPO). Da das vorliegende Strafverfahren wegen fehlender Prozessvoraussetzung schon von Beginn weg nicht einzuleiten war (Art. 303 Abs. 1 StPO), sind die Kosten jedoch auf unnötige Verfahrenshandlungen der Beschwerdegegnerin 1 zurückzuführen. Von der Erhebung einer Gerichtsgebühr ist daher in analoger Anwendung von Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO abzusehen.

5.2 Der vom Beschwerdeführer als mutmasslicher Privatkläger gestützt auf Art. 383 Abs. 1 StPO auferlegte Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 1'000.– (act. 2 und 4) ist diesem zurückzuerstatten.

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Ziff. 1 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung wird aufgehoben bzw. durch folgenden Wortlaut ersetzt:

Das Strafverfahren gegen B. wegen Drohung (Art. 180 StGB) wird eingestellt (Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO).

2. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten wird.

3. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

4. Die Bundesstrafgerichtskasse wird angewiesen, dem Beschwerdeführer den geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 1'000.– zurückzuerstatten.

Bellinzona, 17. Juli 2023

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                            Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- A., c/o Botschaft der Russischen Föderation in der Schweiz

- B.

- Bundesanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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