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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:RR.2022.97
Datum:05.04.2023
Leitsatz/Stichwort:
Schlagwörter : Akten; Daniel; Durchsuchung; Entsiegelung; Daten; Einsprache; Beschwerdekammer; Rechtsanwalt; Gesuchsgegner; Holenstein; Gabrieli; DVS-ASU; E-Mail; Gericht; Verfahren; VStrR; Datenträger; Asservate; Gesuchsgegnern; Frist; Tribunal; Eidgenössische; Bundessteuer; Bundesgesetzes; Verrechnungssteuer; Hinterziehung; Ehepaar; Papiere
Rechtskraft:Kein Weiterzug, rechtskräftig
Rechtsnorm: Art. 10 BGG ; Art. 175 DBG ; Art. 18 DBG ; Art. 48 BGG ; Art. 66 BGG ;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

BE.2022.18

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BE.2022.18

Beschluss vom 5. April 2023 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Daniel Kipfer Fasciati und Patrick Robert-Nicoud,

Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Direkte Bundessteuer,

Gesuchstellerin

gegen

1. A., vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Holenstein,

2. B., vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Gabrieli,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Entsiegelung (Art. 50 Abs. 3 VStrR)

Sachverhalt:

A. Am 12. Mai 2022 eröffnete die ESTV, Abteilung Strafsachen und Untersuchungen (nachfolgend «DVS-ASU»), ein Verwaltungsstrafverfahren gegen A., Direktor und Aktionär der C. AG, gemäss Art. 37 ff. VStrR i.V.m. Art. 67 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VStG; SR 642.21). Für die EStV bestand der Verdacht auf Abgabebetrug (Art. 14 Abs. 2 VStrR), eventuell Hinterziehung von Verrechnungssteuern (Art. 61 lit. a VStG), dies begangen im Geschäftsbereich der C. AG betreffend die Geschäftsjahre 2014 bis 2020. Es sollen mit Hilfe eines vorgetäuschten Kommissionsverhältnisses Umsätze aus dem Teppichhandel verschleiert und mit falschen Jahresrechnungen Verrechnungssteuern hinterzogen worden sein. Die EStV dehnte das Verwaltungsstrafverfahren am 20. Oktober 2022 auf B., alleinige Verwaltungsrätin und Aktionärin der C. AG, aus.

Parallel führte die ESTV resp. die DVS-ASU gestützt auf die Ermächtigung des Vorstehers des Eidgenössischen Finanzdepartementes vom 30. September 2022 eine besondere Steueruntersuchung gemäss Art. 190 ff. des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) gegen die C. AG wegen Verdachts auf fortgesetzte Hinterziehung grosser Steuerbeträge (Art. 175 und Art. 176 i.V.m. Art. 181 DBG), begangen in den Steuerperioden 2012 bis 2020 sowie gegen das Ehepaar A. und B. wegen Anstiftung und/oder Gehilfenschaft dazu (Art. 177 i.V.m. Art. 181 DBG) bzw. damit verbundenem Steuerbetrug (Art. 186 DBG) und fortgesetzter Hinterziehung grosser Steuerbeträge (Art. 175 und Art. 176 DBG) betreffend die Einkommenssteuer in den Steuerperioden 2012 bis 2020.

B. Im Rahmen dieser Strafuntersuchungen führte die DVS-ASU am 10. November 2022 u.a. Hausdurchsuchungen am privaten Wohnsitz des Ehepaares A. und B. […] durch (Durchsuchungsbefehl des Direktors der ESTV vom 1. November 2022; Durchsuchungsprotokoll vom 10. November 2022).

Die DVS-ASU stellte in den privaten Räumlichkeiten von A. und B. diverse Akten und elektronische Datenträger sicher. Die elektronischen Daten stammen vom Notebook bzw. vom PC von B. und vom MacBook Pro von A. Die elektronischen Daten wurden von der ESTV nach Einräumung des Zugriffs durch die Gesuchsgegner vor Ort auf einem USB-Stick bzw. einer externen SSD-Festplatte gesichert, sortiert nach Fundort und Bezeichnung der Daten. Die Papiere und elektronischen Datenträger wurden anschliessend auf Einsprache vom Vertreter von A. hin (der ebenso für seine Ehefrau B. Einsprache erheben liess) versiegelt (Protokoll über die versiegelten Akten vom 10. November 2022 betreffend Papiere; Protokoll über die versiegelten Akten vom 10. November 2022 betreffend EDV). Sie machten geltend, dass die sichergestellten Papiere und EDV «u.a. dem Anwaltsgeheimnis unterliegen und persönliche Aufzeichnungen, persönliche Korrespondenzen sowie Geschäftsgeheimnisse enthalten» würden.

C. Mit E-Mail vom 14. November 2022 wandte sich Rechtsanwalt Daniel Holenstein an die ESTV und zeigte die neue Verteidigung von A. und der C. AG mittels Vollmacht an und verlangte Akteneinsicht. Mit E-Mail vom 15. November 2022 zeigte sodann Rechtsanwalt Daniel Gabrieli die Verteidigung von B. mittels Vollmacht an und verlangte Akteneinsicht. Mit E-Mails vom 15. resp. 16. November 2022 teilte die ESTV den Rechtsvertretern mit, dass im Entsiegelungsverfahren nur partiell Akteneinsicht gewährt werde und stellte ihnen das bis dato geführte Verzeichnis sämtlicher Aktenstücke zu.

D. Mit E-Mail und Schreiben vom 17./18. November 2022 zog RA Daniel Gabrieli namens von B. die Einsprache gegen die Durchsuchung, mit Ausnahme der Asservate MIR001, MIR003, MIR005, MIR007, MIR012-016 und MIR-028-029 zurück.

Mit E-Mail vom 17. November 2022 und Schreiben vom 28. November 2022 zog sodann RA Daniel Holenstein namens von A. die Einsprache gegen die Durchsuchung der seinen Mandanten betreffenden Asservate MIR026, MIR027 und MIR030 zurück. Da A. zuvor gegen die Durchsuchung sämtlicher Asservate Einsprache erhob, war der DVS-ASU unklar, ob er mit der Durchsuchung sämtlicher Asservate einverstanden war. Sie ging vorsorglich nur von einem partiellen Rückzug aus.

E. Die EStV gelangte am 30. November 2022 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, mit den Anträgen (act. 1 S. 2):

1. Die ESTV sei zu ermächtigen, die am 10. November 2022 beim Ehepaar A. und B. sichergestellten und versiegelten Akten (MIR001, MIR003, MIR005, MIR007, MIR012-016) und elektronischen Datenträger (MIR028-029) zu entsiegeln und zu durchsuchen.

2. Die Verfahrenskosten seien den Gesuchsgegnern aufzuerlegen.

Das Gericht lud am 1. Dezember 2022 zur Gesuchsantwort ein (act. 3).

Innert erstreckter Frist erklärte RA Daniel Gabrieli am 9. Januar 2023, gegen die Entsiegelung und Durchsuchung der übrigen noch versiegelten Akten keine Einwendungen zu haben. Er sei mit dem folgenden, von der EStV vorgeschlagenen und zugesicherten Vorgehen einverstanden: «Die versiegelten Akten werden in meiner Anwesenheit entsiegelt. Die zur Diskussion stehenden Akten werden von der EStV nicht beschlagnahmt. Diese werden mir nach erfolgter Entsiegelung ausgehändigt» (act. 8).

Innert erstreckter Frist erklärte RA Daniel Holenstein am 9. Januar 2023, auch gegen die Entsiegelung der noch unter Siegel stehenden Akten MIR001, MIR003, MIR005, MIR007, MIR012-015 sowie der elektronischen Datenträger MIR028–MIR029 keine Einwendungen zu haben. «Diese Bestätigung erfolgte, nachdem mir die EStV zugesichert hatte, die zur Diskussion stehenden Akten nicht zu beschlagnahmen, sondern mir nach erfolgter Entsiegelung unverzüglich auszuhändigen» (act. 9).

Mit Eingabe ebenfalls vom 9. Januar 2023 beantragt die EStV, das Entsiegelungsverfahren sei zufolge Einspracherückzugs als gegenstandslos geworden abzuschreiben. Die Verfahrenskosten seien den Gesuchsgegnern aufzuerlegen (act. 10).

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Nach dem Rückzug der Siegelungsbegehren (resp. der Einsprachen gegen die Durchsuchung) und dem Antrag der EStV, alle vom 9. Januar 2023, ist das Verfahren als gegenstandslos geworden vom Geschäftsverzeichnis abzuschreiben.

2. Ausgangsgemäss ist die Gerichtsgebühr in Anwendung von Art. 25 Abs. 4 VStrR i.V.m. Art. 66 Abs. 1 BGG analog (siehe dazu TPF 2011 25 E. 3; sowie Art. 5 und 8 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren, BStKR; SR 173.713.162) auf das gesetzliche Minimum von Fr. 200.-- festzusetzen (Art. 73 Abs. 3 lit. c StBOG) und den Gesuchsgegnern unter solidarischer Haftung aufzuerlegen.

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Das Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 200.-- wird den Gesuchsgegnern unter solidarischer Haftung auferlegt.

Bellinzona, 5. April 2023

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                            Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Direkte Bundessteuer

- Rechtsanwalt Daniel Holenstein

- Rechtsanwalt Daniel Gabrieli

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Im Falle der elektronischen Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind (Art. 48 Abs. 2 BGG).

Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.

Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103 BGG).

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