Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Rechtshilfe |
Fallnummer: | RR.2022.189 |
Datum: | 02.08.2023 |
Leitsatz/Stichwort: | |
Schlagwörter | Recht; Rechtshilfe; Entsiegelung; Zwangsmassnahmengericht; Staat; Schaffhausen; Apos;; Staatsanwaltschaft; Verfahren; Kanton; Entscheid; Kantons; Beschwerdekammer; Verfügung; Sachen; Entsiegelungsgesuch; Schlussverfügung; Behörde; Ziffer; Bundesstrafgericht; Verfahren; Laptop; Mobiltelefon; Briefcouvert; Schweiz; Rechtshilfeersuchen; Bundesstrafgerichts; Zwangsmassnahmengerichts; Tatverdacht |
Rechtskraft: | Kein Weiterzug, rechtskräftig |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 10 BGG ;Art. 168 StPO ;Art. 24 StPO ;Art. 48 BGG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 84 BGG ; |
Referenz BGE: | 127 II 151; 130 II 193; 132 II 81; 138 IV 40; 139 II 404; 139 II 451; 141 IV 249; 145 IV 294; ; |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
RR.2022.226
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: RR.2022.226 |
Entscheid vom 2. August 2023 Beschwerdekammer | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Patrick Robert-Nicoud, Vorsitz, Daniel Kipfer Fasciati und Felix Ulrich, Gerichtsschreiber Martin Eckner | |
Parteien | Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe, Beschwerdeführer | |
gegen | ||
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, Beschwerdegegnerin | ||
Vorinstanz | Kantonsgericht Schaffhausen, Zwangsmassnahmengericht, | |
Gegenstand | Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland Entsiegelung (Art. 9 IRSG i.V.m. Art. 248 StPO); Herausgabe von Beweismitteln (Art. 74 IRSG) |
Sachverhalt:
A. Die Staatsanwaltschaft Augsburg führt eine Strafuntersuchung gegen A. und andere wegen Diebstahls, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs. Sie ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen am 26. April 2022 um Rechtshilfe, insbesondere um Durchsuchung zweier von A. benutzten Wohnungen in Z. und Y. Mit Eintretens- und Zwischenverfügung vom 6. Mai 2022 trat die Staatsanwaltschaft Schaffhausen auf das Rechtshilfeersuchen ein und ordnete u.a. die Durchsuchung der erwähnten Räumlichkeiten an. Bei der Durchsuchung vom 21. Mai 2022 wurden diverse Gegenstände, darunter auch elektronische Speichermedien, sichergestellt. Auf Ersuchen von A. wurden die sichergestellten Gegenstände gesiegelt.
B. Die Staatsanwaltschaft Schaffhausen stellte am 25. Mai 2022 das Gesuch um Entsiegelung an das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Schaffhausen mit den folgenden Begehren:
1. Die am 21. Mai 2022 bei A. zuhause sichergestellten und auf dessen Antrag hin versiegelten elektronischen Speichermedien (Laptop Huawei, 2 Mobiltelefone Samsung, Laptop Lenovo, 1 Mobiltelefon Marke Cat) und Schriftstücke (Briefcouvert 'B.' sowie weitere Notizen, mehrere Belege eines Girokontos sowie ein Briefcouvert 'Kreditkart', eine Postquittung) seien zu entsiegeln.
2. Es sei festzustellen, dass die weiteren gesiegelten Gegenstände (Aldi-Einkaufstasche mit diversen Werkzeugen, ein Dietrich-Set, zwei Starkmagnete [zum Entfernen von Diebstahlsicherungen], € 420.00, CHF 490.00, CHF 1'190.00, vier Fingerringe und zwei Ohrringe) nicht siegelungsfähig sind.
Auf das Entsiegelungsgesuch sei in Bezug auf diese Gegenstände nicht einzutreten.
C. Mit Entscheid vom 28. Oktober 2022 wies das Zwangsmassnahmengericht das Entsiegelungsbegehren mit Bezug auf die unter Ziff. 1 genannten Gegenstände ab und trat auf das Entsiegelungsbegehren mit Bezug auf die unter Ziff. 2 genannten Gegenstände antragsgemäss mangels Siegelungsfähigkeit der fraglichen Gegenstände nicht ein.
D. Mit Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft Schaffhausen vom 21. November 2022 wurde die Rechtshilfe teilweise verweigert und die Rückgabe der gesiegelten Gegenstände an die betroffene Person angeordnet.
E. Dagegen reichte das Bundesamt für Justiz (nachfolgend «BJ») bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts am 1. Dezember 2022 Beschwerde ein. Sie stellt folgende Anträge:
1. Die Schlussverfügung vom 21. November 2022 der Beschwerdegegnerin 1 sei aufzuheben.
2. Die Verfügung der Beschwerdegegnerin 2 vom 28. Oktober 2022 sei aufzuheben.
3. Die Sache sei an die Beschwerdegegnerin 1 zurückzuweisen und diese sei anzuweisen, die erneute Entsiegelung der beschlagnahmten Gegenstände bei der Beschwerdegegnerin 2 zu beantragen.
4. Unter Kostenfolge.
F. In der Beschwerdeantwort vom 5. Dezember 2022 beantragt die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen die Gutheissung der Beschwerde. Das Zwangsmassnahmengericht Schaffhausen teilte am 13. Dezember 2022 mit, dass auf die Einreichung einer Beschwerdeantwort verzichtet werde.
G. Mit Schreiben vom 21. März 2023 an das Bundesstrafgericht teilte A. u.a. mit, es sei ihm gesagt worden, dass der Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts angefochten worden sei, und erkundigte sich, wie es um die beschlagnahmten und gesiegelten Daten und Gegenstände stehe.
H. Mit – rechtshilfeweise zugestelltem – Schreiben vom 5. April 2023 wurde A. aufgefordert, bis 21. April 2023 in der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu bezeichnen, ansonsten weitere Zustellungen grundsätzlich unterbleiben würden. Die Regierung der Oberpfalz übermittelte am 19. Juni 2023 die Postzustellungsurkunde. Demnach hat die Deutsche Post die Sendung zu übergeben versucht. Weil dies nicht möglich war, hat sie das Schriftstück am 11. Mai 2023 in den Briefkasten der Wohnung (oder in eine ähnliche Vorrichtung) eingelegt. Die Beschwerdekammer erhielt die Postzustellungsurkunde am 26. Juli 2023 vom Kanton Tessin, da sie zunächst irrtümlich diesem zugestellt wurde (act. 14).
Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen Bezug genommen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Für die Rechtshilfe zwischen der Schweiz und Deutschland sind primär das Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (EUeR; SR 0.351.1), das hierzu ergangene zweite Zusatzprotokoll vom 8. November 2001 (SR 0.351.12) sowie der Vertrag vom 13. November 1969 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des EUeR und die Erleichterung seiner Anwendung (SR 0.351.913.61) massgebend. Ausserdem gelangen die Bestimmungen der Art. 48 ff. des Übereinkommens vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 (Schengener Durchführungsübereinkommen [SDÜ]; CELEX Nr. 42000A0922(02); Abl. L 239 vom 22. September 2000, S. 19–62; Text nicht publiziert in der SR, jedoch abrufbar auf der Website der Schweizerischen Eidgenossenschaft unter «Rechtssammlung zu den sektoriellen Abkommen mit der EU», 8.1 Anhang A; https://www.admin.ch/opc/de/european-union/international-agreements/008.html) zur Anwendung (TPF 2009 111 E. 1.2). Günstigere Bestimmungen bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte zwischen den Vertragsparteien bleiben unberührt (Art. 48 Abs. 2 SDÜ; Art. 26 Abs. 2 und 3 EUeR).
1.2 Soweit diese Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln, gelangen das Bundesgesetz vom 20. März 1981 (Rechtshilfegesetz, IRSG; SR 351.1) und die Verordnung vom 24. Februar 1982 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfeverordnung, IRSV; SR 351.11) zur Anwendung (Art. 1 Abs. 1 lit. b IRSG). Das innerstaatliche Recht gelangt nach dem Günstigkeitsprinzip auch dann zur Anwendung, wenn dieses geringere Anforderungen an die Rechtshilfe stellt (BGE 145 IV 294 E. 2.1; 142 IV 250 E. 3; 140 IV 123 E. 2). Vorbehalten bleibt die Wahrung der Menschenrechte (BGE 145 IV 294 E. 2.1; 123 II 595 E. 7c S. 617; TPF 2016 65 E. 1.2).
Auf das vorliegende Beschwerdeverfahren sind zudem die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren anwendbar (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021; Art. 39 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. a StBOG; BGE 139 II 404 E. 6/8.2; Zimmermann, a.a.O., N. 273).
2. Die Verfügung der ausführenden kantonalen oder ausführenden Bundesbehörde, mit der das Rechtshilfeverfahren abgeschlossen wird, unterliegt zusammen mit den vorangehenden Zwischenverfügungen der Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 80e Abs. 1 IRSG). Ein (abweisender oder gutheissender) Entscheid über die Entsiegelung von Unterlagen, die zum Zwecke der Rechtshilfe herauszugeben sind, ist ein Zwischenentscheid im Rechtshilfeverfahren (BGE 130 II 193 E. 2.2; 126 II 495 E. 3), der nicht selbständig anfechtbar ist (BGE 138 IV 40 E. 2.3.1; 127 II 151 E. 4c/bb; Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2016.257 vom 26. Mai 2017 E. 3.1 und 4.1). Die entsprechende Beschwerdefrist beträgt 30 Tage (Art. 80k IRSG). Die vorliegende Beschwerde vom 1. Dezember 2022 richtet sich sowohl gegen die Schlussverfügung der kantonalen Staatsanwaltschaft vom 21. November 2022 als auch gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 28. Oktober 2022, mit welchem das Entsiegelungsgesuch der kantonalen Staatsanwaltschaft abgewiesen bzw. auf dieses nicht eingetreten worden ist. Die Beschwerde ist fristgerecht erhoben worden, und die Beschwerdelegitimation des BJ ergibt sich aus Art. 25 Abs. 2 und Art. 80h lit. a IRSG, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.
3. Mit Schreiben vom 21. März 2023 hat A. das Bundesstrafgericht kontaktiert. Am 3. April 2023 rief er die Beschwerdekammer an (act. 10 Telefonnotiz). Die Beschwerdekammer lud ihn daraufhin am 5. April 2023 ein, in der Schweiz ein Zustelldomizil zu bezeichnen, ansonsten weitere Zustellungen grundsätzlich unterbleiben würden. Dazu hat A. bis heute weder das Gericht kontaktiert noch ist von ihm eine Eingabe dem Gericht zugegangen. A. hätte vom Gericht an einer Zustelladresse Einsicht in die Akten des vorliegenden Verfahrens mit einer Frist zur Stellungnahme erhalten (vgl. act. 10). Da er weder ein Zustelldomizil noch einen Anwalt in der Schweiz bezeichnete, unterbleibt dies. Entsprechend ist A. auch der vorliegende Entscheid ad acta zuzustellen.
4. Die Beschwerdekammer ist nicht an die Begehren der Parteien gebunden (Art. 25 Abs. 6 IRSG). Sie prüft die Rechtshilfevoraussetzungen grundsätzlich mit freier Kognition, befasst sich jedoch nur mit Tat- und Rechtsfragen, die Streitgegenstand der Beschwerde bilden (vgl. BGE 132 II 81 E. 1.4 S. 84; 130 II 337 E. 1.4 S. 341, je m.w.H.; Entscheide des Bundesstrafgerichts RR.2007.34 vom 29. März 2007 E. 3 und RR.2007.27 vom 10. April 2007 E. 2.3). Ebenso wenig muss sich die urteilende Instanz mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen. Sie kann sich auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken, und es genügt, wenn die Behörde wenigstens kurz die Überlegungen nennt, von denen sie sich leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1; 139 IV 179 E. 2.2; Urteil des Bundesgerichts 1A.59/2004 vom 16. Juli 2004 E. 5.2, mit weiteren Hinweisen).
5.
5.1 In der Verfügung vom 28. Oktober 2022 ist das Zwangsmassnahmengericht bezüglich der unter Ziffer 2 des Entsiegelungsgesuchs erwähnten Gegenstände (Aldi-Einkaufstasche mit diversen Werkzeugen, ein Dietrich-Set, zwei Starkmagnete [zum Entfernen von Diebstahlsicherungen], € 420.00, CHF 490.00, CHF 1'190.00, vier Fingerringe und zwei Ohrringe) mangels Siegelungsfähigkeit derselben – antragsgemäss – nicht auf das Gesuch eingetreten. Im Weiteren hat es geprüft, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung der beschuldigten Person an dieser Tat vorliegen, die Strafbehörden somit das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Das Zwangsmassnahmengericht gelangte zum Schluss, dass kein hinreichender Tatverdacht für eine Beteiligung von A. an dem im Rechtshilfeersuchen genannten Einbruchdiebstahl dargelegt sei (act. 1.4, S. 6 ff.). Mit Bezug auf die unter Ziffer 1 des Entsiegelungsgesuchs erwähnten Daten (Laptop Huawei, 2 Mobiltelefone Samsung, Laptop Lenovo, 1 Mobiltelefon Marke Cat) und Schriftstücke (Briefcouvert 'B.' sowie weitere Notizen, mehrere Belege eines Girokontos sowie ein Briefcouvert 'Kreditkart', eine Postquittung) hat das Zwangsmassnahmengericht das Gesuch mangels hinreichenden Tatverdachts abgewiesen (act. 1.4 S. 10). Die Staatsanwaltschaft Schaffhausen hielt in der Schlussverfügung vom 21. November 2022 u.a. fest, mit dem ablehnenden Entsiegelungsentscheid habe das Zwangsmassnahmengericht als nicht zuständige Behörde indirekt über die Gewährung der Rechtshilfe entschieden. Dementsprechend verweigerte sie die Rechtshilfe teilweise und ordnete die Rückgabe der unter Ziffer 1 des Entsiegelungsgesuchs erwähnten Gegenstände (Laptop Huawei, 2 Mobiltelefone Samsung, Laptop Lenovo, 1 Mobiltelefon Marke Cat) und Schriftstücke (Briefcouvert 'B.' sowie weitere Notizen, mehrere Belege eines Girokontos sowie ein Briefcouvert 'Kreditkart', eine Postquittung) an (act. 1.1).
5.2 Das BJ bringt in der Beschwerde u.a. vor, das Zwangsmassnahmengericht habe bei der Prüfung der Entsiegelungsvoraussetzungen die Massstäbe, welche im nationalen Strafverfahren massgebend seien, angewendet und die Rechtsnatur des Rechtshilfeverfahrens ausser Acht gelassen. Aufgrund des von der ersuchenden Behörde geführten Strafverfahrens hätten offenbar in Bezug auf den untersuchten Sachverhalt klar A. sowie ein Mittäter als mutmassliche Täter ausfindig gemacht werden können. Dieser – von der ersuchenden Behörde zu benennende – Tatverdacht sei so weit gegangen, dass die deutschen Behörden unter anderem auch um Auslieferung A. ersucht hätten. Diesem Ersuchen sei stattgegeben worden. Es könne nicht angehen, dass der Zwangsmassnahmenrichter im Rahmen eines nicht selbständigen Zwischenentscheids implizit die Gewährung der Rechtshilfe verweigere (act. 1 S. 8).
5.3 Zu beachten sind im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die folgenden Grundsätze zur Rolle und zu den Aufgaben des Zwangsmassnahmengerichts bei Entsiegelungsverfahren (TPF 2017 66 E. 4.3):
5.3.1 Zum anwendbaren Recht bestimmt Art. 3 Abs. 1 EUeR, dass der ersuchte Staat Rechtshilfeersuchen nach der in seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Form erledigt. Der Vollzug von Rechtshilfemassnahmen richtet sich gemäss der Regelung von Art. 80a Abs. 2 IRSG nach dem eigenen Verfahrensrecht der ausführenden Behörde. Gemäss Art. 12 Abs. 1 IRSG wenden die Bundesverwaltungsbehörden das VwVG, die kantonalen Behörden die für sie geltenden Vorschriften sinngemäss an, wenn das IRSG nichts anderes bestimmt. Das IRSG geht also vor (BGE 138 IV 40 E. 2.2.3). Für Prozesshandlungen gilt das in Strafsachen massgebende Verfahrensrecht (BGE 138 IV 40 E. 2.2.2; 130 II 193 E. 4.1; vgl. auch Art. 63 Abs. 1 IRSG: Rechtshilfe u.a. durch «nach schweizerischem Recht zulässige Prozesshandlungen»), vorliegend mithin die Strafprozessordnung. Bei der Ausführung von Rechtshilfeersuchen richtet sich der Schutz des Geheimbereichs nach den Bestimmungen über das Zeugnisverweigerungsrecht (Art. 9 IRSG, Art. 168 ff. StPO, Zimmermann, a.a.O., N. 395). Für die Durchsuchung von Aufzeichnungen und die Siegelung gelten nach Art. 9 IRSG die Artikel 246 bis 248 StPO sinngemäss. Diese Artikel regeln die «Durchsuchung von Aufzeichnungen» (so die Titelüberschrift des 3. Abschnittes der StPO) und betreffen den Grundsatz (Art. 246 StPO), die Durchführung (Art. 247 StPO) sowie die Siegelung (Art. 248 StPO).
5.3.2 Das Entsiegelungsgericht hat nicht darüber zu befinden, ob dem Rechtshilfeersuchen zu entsprechen ist (Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2009.22. vom 23. Februar 2010 E. 2). Die Prüfung der Rechtshilfevoraussetzungen erfolgt durch die ausführende Behörde, meist die Staatsanwaltschaft, in den Eintretens- und Schlussverfügungen. Diese können gemeinsam mit dem Entscheid des Entsiegelungsgerichts zur gerichtlichen Überprüfung an die Beschwerdekammer weitergezogen werden (vgl. Art. 80e Abs. 1 IRSG). Während für die beidseitige Strafbarkeit eine Prüfung bereits in der Eintretensverfügung stattfindet, wird über die Verhältnismässigkeit der zu leistenden Rechtshilfe – zusammen mit allfälligen weiteren Voraussetzungen – in der Schlussverfügung entschieden. Teil der Verhältnismässigkeitsprüfung bildet, ob ein genügender konkreter Sachzusammenhang zwischen der ausländischen Strafuntersuchung und den einzelnen beschlagnahmten Dokumenten besteht (BGE 130 II 193 E. 4.3; vgl. auch BGE 139 II 404 E. 7.2.2 Abs. 2; 136 IV 82 E. 4.1/4.4; 129 II 462 E. 5.3; 122 II 367 E. 2c).
5.3.3 Aufgabe des Entsiegelungsgerichts im Rechtshilfeverfahren ist die Beurteilung, ob eine Entsiegelung zulässig sei oder ob Geheimhaltungsinteressen gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse überwiegen (Gstöhl, Geheimnisschutz im Verfahren der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, Diss. Bern 2008, S. 215), so dass die Geheimnisse auch den Rechtshilfebehörden nicht zu offenbaren sind. Für die Entsiegelung genügt es im Übrigen, wenn die fraglichen Dokumente bei überwiegendem Strafverfolgungsinteresse für das Strafverfahren im ersuchenden Staat nützlich sind (BGE 127 II 151 E. 4c/bb; TPF 2004 12 E. 2.1 in fine; Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2009.22 vom 23. Februar 2010, E. 2; zum Verfahren Zimmermann, a.a.O., N. 401). Geheimhaltungsinteressen können aufgrund von Art. 80e Abs. 1 IRSG in einem Beschwerdeverfahren gegen die Schlussverfügung (vor einer Herausgabe an den ersuchenden Staat) bei gewährter Entsiegelung nochmals geltend gemacht werden (TPF 2014 92 E. 3.2 [Nichteintreten des Bundesgerichts nach Art. 108 BGG mit Urteil 1C_452/2014]).
5.3.4 Hinsichtlich des Sachverhaltes im Entsiegelungsverfahren ist ebenfalls die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur internationalen Rechtshilfe in Strafsachen massgebend: Wenn die Schweiz Rechtshilfe aufgrund von Rechtshilfeübereinkommen leistet, sind die Behörden an die Darstellung des Sachverhaltes im Ersuchen gebunden, soweit dieser nicht durch offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche sofort entkräftet wird. Die ersuchte Behörde hat weder Tat- noch Schuldfragen zu prüfen und grundsätzlich auch keine Beweiswürdigung vorzunehmen (BGE 139 II 451 E. 2.2.1; 136 IV 4 E. 4.1; 133 IV 76 E. 2.2). Mithin ist anders als bei der Entsiegelung im Strafverfahren der hinreichende Tatverdacht nicht zu überprüfen. Vielmehr ist einzig zu prüfen, ob aus der Darstellung des Sachverhalts im Rechtshilfeersuchen hervorgeht, dass die im Ausland verfolgte Handlung die objektiven Merkmale eines nach schweizerischem Recht strafbaren Tatbestandes aufweist (vgl. Art. 64 Abs. 1 IRSG, sog. beidseitige Strafbarkeit).
5.4 Im vorliegenden Fall hat das Zwangsmassnahmengericht das Entsiegelungsgesuch hinsichtlich der unter Ziffer 1 erwähnten Daten (Laptop Huawei, 2 Mobiltelefone Samsung, Laptop Lenovo, 1 Mobiltelefon Marke Cat) und Schriftstücke (Briefcouvert 'B.' sowie weitere Notizen, mehrere Belege eines Girokontos sowie ein Briefcouvert 'Kreditkart', eine Postquittung) einzig mangels hinreichenden Tatverdachts abgewiesen (act. 1.4, S. 10). Eine Beurteilung, ob eine Entsiegelung zulässig sei oder ob Geheimhaltungsinteressen gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse überwiegen, wurde nicht vorgenommen. Weil der hinreichende Tatverdacht im Rahmen eines Entsiegelungsverfahrens der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen nicht zu überprüfen ist (vgl. obige Erwägung 5.3.4), hat das Zwangsmassnahmengericht insofern Bundesrecht verletzt. Demgemäss ist Dispositivziffer 1 der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 28. Oktober 2022 aufzuheben.
Nicht zu beanstanden ist die Verfügung vom 28. Oktober 2022, soweit das Zwangsmassnahmengericht bezüglich der unter Ziffer 2 des Entsiegelungsgesuchs erwähnten Gegenstände (Aldi-Einkaufstasche mit diversen Werkzeugen, ein Dietrich-Set, zwei Starkmagnete [zum Entfernen von Diebstahlsicherungen], € 420.00, CHF 490.00, CHF 1'190.00, vier Fingerringe und zwei Ohrringe) mangels Siegelungsfähigkeit derselben – antragsgemäss – nicht auf das Gesuch eingetreten ist. Aus dem Rechtsbegehren des Beschwerdeführers ist zwar zu schliessen, dass dieser die integrale Aufhebung der Verfügung vom 28. Oktober 2022 verlangt. Die Beschwerde enthält indessen keine Begründung für die Aufhebung auch der Dispositivziffer 2.
5.5 Mit der Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 1 der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 28. Oktober 2022 wird dieses das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft vom 25. Mai 2022 hinsichtlich der unter Ziffer 1 des Gesuchs erwähnten Daten und Schriftstücke neu zu beurteilen und dabei zu prüfen haben, ob eine Entsiegelung zulässig ist oder ob schützenswerte Geheimhaltungsinteressen gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse überwiegen. Für die in der Beschwerde beantragte Rückweisung der Sache an die Staatsanwaltschaft mit der Anweisung, ein erneutes Entsiegelungsgesuch zu stellen, besteht daher kein Raum. Dagegen wird das Zwangsmassnahmengericht je nach Ausgang des Entsiegelungsverfahrens allenfalls neu über die Kostenfolgen zu entscheiden haben, weshalb auch Dispositivziffer 3 der Verfügung vom 28. Oktober 2022 aufzuheben ist.
Antragsgemäss aufzuheben ist sodann die Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen vom 21. November 2022, damit diese zu gegebener Zeit erneut über das Rechtshilfeersuchen entscheiden kann.
6. Insgesamt ist die Beschwerde gestützt auf die vorstehenden Ausführungen teilweise gutzuheissen und die Dispositiv-Ziffern 1 und 3 der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Schaffhausen vom 28. Oktober 2022 sowie die Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen vom 21. November 2022 sind aufzuheben.
7. Bei diesem Ausgang des Verfahrens unterliegen die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 (sowie der Beschwerdegegner 3) teilweise. Den Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 werden als verfügende Vorinstanzen keine Verfahrenskosten auferlegt (Art. 63 Abs. 2 VwVG i.V.m. Art. 39 Abs. 2 lit. b StBOG). Ebenso entfällt eine Kostenauflage zulasten des Beschwerdegegners 3, mangels Teilnahme am Beschwerdeverfahren (Art. 64 Abs. 3 VwVG).
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und die Dispositiv-Ziffern 1 und 3 der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Schaffhausen vom 28. Oktober 2022 sowie die Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen vom 21. November 2022 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2. Die Sache wird an das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Schaffhausen zurückgewiesen, damit es über das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen vom 25. Mai 2022, Antrag Ziffer 1, neu entscheide.
3. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
Bellinzona, 3. August 2023
Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber:
Zustellung an
- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe
- Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen
- Kantonsgericht Schaffhausen, Zwangsmassnahmengericht
- A., ad acta
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG). Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Im Falle der elektronischen Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind (Art. 48 Abs. 2 BGG).
Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 Abs. 1 BGG). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG).
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