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Entscheid des Bundesstrafgerichts: RR.2022.187 vom 13.04.2023

Hier finden Sie das Urteil RR.2022.187 vom 13.04.2023 - Berufungskammer

Sachverhalt des Entscheids RR.2022.187

Der Bundesstrafgericht entscheidet, dass die Privatklägerschaft der B. Sarl nicht als Privatklägerschaft zulässig ist, da die Parteistellung der B. Sarl mit ihrer per 16. Dezember 2021 wirksamen Auflösung entfallen ist und die B. Holding keine Rechtsnachfolge als Privatklägerschaft im Strafverfahren hat. Die Anschlussberufung der B. Sarl gegenstandslos wird abgeschrieben, und über die Verlegung der auf die Anschlussberufung der B. Sarl und den Antrag der B. Holding um Zulassung als Privatklägerschaft entfallende Kosten und Entschädigungen wird nach Gewährung des rechtlichen Gehörs entschieden.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Berufungskammer

Fallnummer:

RR.2022.187

Datum:

13.04.2023

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Recht; Holding; Privatkläger; Person; Rechtsnachfolge; Privatklägers; Privatklägerschaft; Berufung; Bundes; Verfahren; Rechte; Beschuldigte; Gesellschaft; Personen; Klägerin; Auflösung; Verfahren; Parteistellung; Private; Stellung; Punkt; Klage; Verfahrens; Falcon; Kammer; Anschlussberufung

Rechtskraft:

Kein Weiterzug, rechtskräftig

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 10 StPO ;Art. 100 BGG ;Art. 11 StPO ;Art. 110 StGB ;Art. 115 StPO ;Art. 118 StPO ;Art. 12 StPO ;Art. 121 StPO ;Art. 48 BGG ;

Referenz BGE:

139 IV 313; 140 IV 165; 140 IV 166; 140 IV 167; 143 IV 77; ;

Kommentar:

Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Bundesstrafgerichts

CN.2023.13

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: CN.2023.13 (Hauptgeschäftsnummer: CA.2022.12)

Beschluss vom 13. April 2023

Berufungskammer

Besetzung

Richter Andrea Blum, Vorsitzende

Brigitte Stump Wendt und Thomas Frischknecht

Gerichtsschreiber Sandro Clausen

Parteien

Bundesanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwältin des Bundes Yvonne Ramjoué Wicki,

Anklagebehörde / Berufungsführerin

und

B. Holding (zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolgerin der B. Sarl), vertreten durch Rechtsanwalt Marc Hassberger,

Privatklägerin / Anschlussberufungsführerin

gegen

1.      A., erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt Peter Bettoni,

 Beschuldigter / Berufungsgegner

2.       Falcon Private AG, erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt Andrea Taormina,

Beschuldigte / Berufungsführerin

Gegenstand

Berufungen und Anschlussberufungen gegen das Urteil SK.2020.21 vom 15. Dezember 2021

Parteistellung der B. Sarl / Zulassung der B. Holding als Privatklägerschaft

Die Berufungskammer erwägt:

1.       Die Bundesanwaltschaft (nachfolgend: BA) erhob am 25. Juni 2020 Anklage gegen A. wegen qualifizierter Geldwäscherei und im selben Zusammenhang gegen die Falcon Private AG wegen Strafbarkeit des Unternehmens (TPF pag. 79.100.001 ff.). Mit Urteil vom 15. Dezember 2021 sprach die Strafkammer des Bundesstrafgerichts den Beschuldigten A. von den Anklagevorwürfen vollumfänglich frei, befand die Beschuldigte Falcon Private AG der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gemäss Art. 102 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art. 305bis Ziff. 1 und Ziff. 2 StGB für schuldig und auferlegte ihr eine Busse von Fr. 3'500'000.00 (CAR pag. 1.100.202). Die Anträge der Privatklägerin B. Sarl auf Entschädigung und auf Vormerknahme ihres Rechts auf Abtretung jeglicher Ersatzforderung wies die Strafkammer ab (CAR pag. 1.100.202). Gegen dieses Urteil meldeten die Bundesanwaltschaft, die Beschuldigte Falcon Private AG und die Privatklägerin B. Sarl Berufung an (CAR pag. 1.100.211 - 213). Der Beschuldigte A. (CAR pag. 1.400.003 ff.) und die Privatklägerschaft B. Sarl (CAR pag. 1.400.007 ff.; CAR pag. 1.400.012 ff.) erhoben zudem Anschlussberufung, nachdem letztere auf die Berufungserklärung verzichtet hatte. Mit Beschluss vom 15. August 2022 trennte die Berufungskammer das die Privatklägerschaft B. Sarl betreffende Berufungsverfahren vom vorliegenden Berufungsverfahren ab und trat auf deren Berufung mangels rechtzeitig erklärter Berufung nicht ein (CAR pag. 1.300.002). Im Rahmen des zu verschiedenen Beweisanträgen durchgeführten Schriftenwechsels liess die Beschuldigte Falcon Private AG in einer vom 20. Februar 2023 datierenden Stellungnahme geltend machen, die B. Sarl sei im luxembourgischen Handelsregister gelöscht worden und habe deshalb ihre Parteistellung als Privatklägerschaft in der vorliegenden Strafsache verloren (CAR pag. 2.102.002). Mit Verfügung vom 22. Februar 2023 wurde den Parteien diesbezüglich das rechtliche Gehör gewährt (CAR pag. 2.100.003). Die BA und der Beschuldigte A. verzichteten auf eine Stellungnahme (CAR pag. 2.101.001 f.; CAR pag. 2.104.006). Mit Eingabe vom 9. März 2023 übermittelte der die B. Sarl vertretende Rechtsanwalt dem Gericht eine Vollmacht der B. Holding ein und beantragte die Zulassung der B. Holding als Privatklägerschaft (CAR pag. 2.103.001 ff. und 006). Dazu zur Vernehmlassung aufgefordert (CAR pag. 2.100.005), nahmen der Beschuldigte A. mit Eingabe vom 22. März 2023 (CAR pag. 2.104.011) und die Beschuldigte Private Falcon Private AG mit Eingaben vom 31. März 2023 (CAR pag. 2.102.131 ff.) Stellung. Die BA verzichtete auf weitergehende Stellungnahmen (CAR pag. 2.101.004). Die eingegangenen Stellungnahmen wurde der B. Holding zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zur Kenntnis gebracht (CAR pag. 2.100.007), worauf sich letztere zur Sache nicht mehr äusserte.

2.       Gegenstand des vorliegenden Zwischenentscheides bilden sowohl die Parteistellung der B. Sarl als auch daran anknüpfend die strafprozessuale Rechtsnachfolge der B. Holding.

2.1     Zu erörtern ist zunächst, ob die bislang im Berufungsverfahren als Privatklägerschaft geführte B. Sarl weiterhin Parteistellung beanspruchen kann. Es ist mittlerweile aktenkundig, dass die B. Sarl mit notariell beglaubigter Erklärung vom 16. Dezember 2021 der B. Holding als Alleinaktionärin gestützt auf Artikel 1865bis des luxembourgischen Zivilrechts aufgelöst wurde (CAR pag. 2.103.020 ff.; CAR pag. 2.102.009 ff.). Gemäss Art. 1865bis Abs. 4 des luxembourgischen Zivilgesetzbuches gehen die Aktiven und Passiven der aufgelösten Gesellschaft ohne Liquidation auf den einzigen Gesellschafter über (Art. 1865bis Abs. 4 des luxembourgischen Zivilgesetzbuches; vgl. auch CAR pag. 2.103.002; 010 und 025). Die Auflösung («Dissolution simplifiée») der B. Sarl wurde am 3. Januar 2022 im luxembourgischen Amtsblatt veröffentlicht (CAR pag. 2.103.009) und anschliessend wurde die B. Sarl im luxembourgischen Handelsregister («Registre de commerce et des sociétés») gelöscht (CAR pag. 2.102.002 und 008; CAR pag. 2.103.001; 009). Gemäss den unbestrittenen Darlegungen im von der B. Holding vorgelegten Rechtsgutachten zum luxembourgischen Zivilrecht ist die Rechtspersönlichkeit der B. Sarl mit deren Auflösung erloschen (CAR pag. 2.103.011). Wie das von der B. Holding eingereichte Rechtgutachten ausführt, hat der Auflösungsbeschluss die sofortige Auflösung der untergehenden Gesellschaft sowie den unmittelbaren Übergang aller Vermögenswerte und Rechte sowie aller Schulden und Verpflichtungen auf die B. Holding als Alleingesellschafterin zur Folge (CAR pag. 2.103.011).

          Die Prozessführungsbefugnis setzt die Partei- und Prozessfähigkeit voraus (vgl. Art. 106 StPO). Die Wiedereintragung einer gelöschten Gesellschaft oder die Nichtigerklärung des Auflösungsbeschlusses aus anderen als – vorliegend nicht interessierenden – formellen Gründen ist gemäss den Angaben der Rechtsvertretung der B. Holding nach luxembourgischen Recht nicht möglich (CAR pag. 2.103.003 und 015 ff.). Die Auflösung der B. Sarl erfolgte demnach definitiv und unwiderruflich. Eine untergegangene juristische Person kann mangels Rechts- und Parteifähigkeit weder in einem Strafprozess noch in einem anderen gerichtlichen Verfahren als Verfahrensbeteiligte auftreten. Mit der per 16. Dezember 2021 wirksam gewordenen liquidationslosen Auflösung ist die Stellung der B. Sarl als Privatklägerschaft entfallen, weshalb sie aus dem Rubrum des vorliegenden Berufungsverfahrens zu streichen ist.

2.2     In einem zweiten Schritt stellt sich die Frage, ob die B. Holding entweder als geschädigte Person oder als strafprozessuale Rechtsnachfolgerin der B. Sarl zu betrachten und entsprechend als Privatklägerschaft zuzulassen ist.

Privatklägerschaft setzt Geschädigteneigenschaft gemäss Art. 115 Abs. 1 oder Abs. 2 StPO voraus. Juristische Personen können grundsätzlich geschädigte Personen und damit Privatklägerinnen im Sinne von Art. 118 Abs. 1 i.V.m. Art. 115 Abs. 1 StPO sein. Als Geschädigte gilt gemäss Art. 115 Abs. 1 StPO diejenige Person, welche durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist. Nach der Rechtsprechung geht die Umschreibung der unmittelbaren Verletzung in eigenen Rechten vom Begriff des Rechtsguts aus. Unmittelbar verletzt und damit Geschädigter im Sinne von Art. 115 StPO ist, wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsguts ist (BGE 143 IV 77 E. 2.2 mit Hinweisen). Damit werden vom Geschädigtenkreis Personen ausgeschlossen, die ein bloss mittelbares Interesse am Ausgang des Strafverfahrens haben, die Rechtsnachfolger geschädigter Personen und sonstige Dritte, deren Rechte durch die Straftat nur reflexartig verletzt werden (Mazzucchelli/Postizzi, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 21 ff. zu Art. 115 StPO). Die Rechtsnachfolger einer geschädigten Person treten nicht automatisch in die strafprozessualen Verfahrensrechte ihrer Rechtsvorgänger ein. Rechtsnachfolger einer geschädigten natürlichen oder juristischen Person sind vielmehr als mittelbar Geschädigte einzustufen, die sich grundsätzlich und vorbehältlich der Ausnahmefälle von Art. 121 Abs. 1-2 StPO nicht als Privatkläger im Strafverfahren konstituieren können (BGE 140 IV 166 E. 4.4; BGE 139 IV 313 E. 1.2; Urteil des Bundesgerichts 1B_57/2014 vom 20. Oktober 2014 E. 4.4; Urteil des Bundesgerichts 6B_671/2014 vom 22. Dezember 2017 E. 1.3). Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht behauptet, dass die B. Holding durch die zur Anklage gebrachten Delikte unmittelbar geschädigt worden wäre. Im Zeitpunkt der fraglichen Tathandlungen war die B. Holding nicht Trägerin der verletzten Rechtsgüter. Ihr Vermögensinteresse leitet die B. Holding erst mittelbar daraus ab, dass sie nachträglich allfällige Vermögensansprüche der B. Sarl durch Universalsukzession erworben hat. Daher kann die B. Holding im Zusammenhang mit dem Tatvorwurf der qualifizierten Geldwäscherei keine Geschädigtenstellung beanspruchen. Eine originäre Parteistellung der B. Holding im Sinne von Art. 118 Abs. 1 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 lit. b und Art. 115 Abs. 1 StPO scheidet daher aus. Daran ändert nichts, dass die B. Holding ihren Vorbringen zufolge in einem luxembourgischen Strafverfahren auch nach der Auflösung der B. Sarl und der gleichzeitigen Universalsukzession als durch eine Straftat geschädigte Person betrachtet werden würde (vgl. CAR pag. 2.103.014). Wer in einem in der Schweiz geführten Strafprozess als geschädigte Person gilt, bestimmt ausschliesslich das schweizerische Strafprozessrecht.

2.3.1  Schliesslich bleibt zu prüfen, ob und inwieweit die strafprozessualen Parteirechte der B. Sarl per Rechtsnachfolge auf die B. Holding übergegangen sind. Die gesetzlichen Voraussetzungen der strafprozessrechtlichen Nachfolge sind in Art. 121 StPO normiert. Diese Bestimmung regelt die strafprozessrechtliche Nachfolge von Dritten in die Rechte der geschädigten Person und damit auch die Nachfolge bei bereits erfolgter Konstituierung in die damit verbundenen Partei- und Verfahrensrechte. Dabei ist festzuhalten, dass die Rechte der geschädigten Person im Strafverfahren nur in bestimmten Fällen auf deren Rechtsnachfolger übergehen. Art. 121 Abs. 1 StPO lautet wörtlich wie folgt: «Stirbt die geschädigte Person, ohne auf ihre Verfahrensrechte als Privatklägerschaft verzichtet zu haben, so gehen ihre Rechte auf die Angehörigen im Sinne von Artikel 110 Absatz 1 StGB in der Reihenfolge der Erbberechtigung über». Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist Art. 121 Abs. 1 StPO nur auf natürliche Personen anwendbar (BGE 140 IV 167 E. 4.7.1), weshalb vorliegend nicht weiter darauf einzugehen ist. Art. 121 Abs. 2 StPO regelt darüber hinaus die strafprozessualen Wirkungen der Subrogation als gesetzliche Übertragung bestimmter Rechte auf Personen, die nicht selbst Geschädigte sind. Die Bestimmung sieht vor, dass nur zur Zivilklage berechtigt ist und nur jene Verfahrensrechte hat, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung der Zivilklage beziehen, wer von Gesetzes wegen in die Ansprüche der geschädigten Person eingetreten ist (Art. 121 Abs. 2 StPO). Der eigentliche Strafanspruch steht jedoch ausschliesslich der geschädigten Person selbst zu und kann nicht, auch nicht im Falle einer gesetzlichen Subrogation der Ansprüche, von einer Drittperson geltend gemacht werden. Ausgenommen sind einzig Angehörige im Sinne von Art. 110 Abs. 1 StGB, auf welche im Falle des Todes des Privatklägers dessen Rechte übergehen (Art. 121 Abs. 1 StPO). Die Stellung der Rechtsnachfolgerin der geschädigten Person im Sinne von Art. 121 Abs. 2 StPO kommt der Stellung einer Privatklägerin gleich, die sich nur im Zivilpunkt, nicht aber im Strafpunkt konstituiert hat. Das Gesetz gewährt dem Privatkläger zufolge Rechtsnachfolge laut Art. 121 Abs. 2 StPO ausdrücklich nur diejenigen Verfahrensrechte, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung der Zivilansprüche beziehen.

2.3.2  Die B. Holding macht vorliegend geltend, dass mit ihrer Auflösung zufolge Universalsukzession und der damit gesetzlich vorgesehenen Gesamtrechtsnachfolge alle Rechten und Pflichten auf sie übergegangen seien (CAR pag. 2.103.002). Wie zutreffend ausgeführt wird (CAR pag. 2.103.003), ist hierfür nach den Regeln des internationalen Privatrechts das auf die betroffene Gesellschaft anwendbare Recht zu bestimmen. Es wird von keiner Seite bestritten, dass die B. Holding aus zivilrechtlicher Perspektive nach dem hierfür massgeblichen luxembourgischen Privatrecht zufolge Universalsukzession Gesamtrechtsnachfolgerin der B. Sarl geworden ist. Es ist demnach davon auszugehen, dass allfällige Ansprüche der B. Sarl von Gesetzes wegen auf die B. Holding übergegangen sind. Insofern handelte es sich vorliegend um eine von Art. 121 StPO Abs. 2 StPO erfasste Rechtsnachfolge. Damit steht indessen noch nicht fest, dass die B. Holding auch als Privatklägerschaft zuzulassen wäre. Denn zwischen der privatrechtlichen materiellen Rechtsnachfolge und der strafprozessualen Parteistellung gilt es zu unterscheiden (BGE 140 IV 165 E. 4.4). Es geht hier um zwei Fragen, die auseinander zu halten sind. Ist die zivilrechtliche Rechtsnachfolge zu bejahen, ist als Nächstes auf der Grundlage von Art. 121 StPO zu bestimmen, ob daraus eine strafprozessrechtliche Nachfolge des Dritten in die Rechte der geschädigten Person entsteht (vgl. Mazzucchelli/Postizzi, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 121 StPO N. 2). Dabei handelt es sich um eine rein prozessuale Frage, deren Beantwortung – worauf seitens der Verteidigung der Beschuldigten Falcon Private AG zutreffend hingewiesen wurde (CAR pag. 2.102.131) – schweizerischem Strafprozessrecht untersteht. Soweit von der B. Holding unter Bezugnahme auf ein von einer Anwaltskanzlei verfasstes Rechtsgutachten zum luxemburgischen Recht zugunsten einer Parteistellung argumentiert wird (vgl. CAR pag. 2.103.003 f. und 013 ff.), gehen ihre Vorbringen an der Sache vorbei. Nach dem zuvor Ausgeführten beschränkt sich die Bestimmung von Art. 121 Abs. 2 StPO auf die Geltendmachung von Zivilansprüchen. Die B. Sarl hat sich mit Eingabe des durch sie bevollmächtigten Rechtsvertreters vom 9. Mai 2019 als Strafklägerin im vorliegenden Strafverfahren konstituiert (BA pag. 15.102. 0100 f.). Die Erklärung des Rechtsvertreters der B. Sarl erfolgte eindeutig und unmissverständlich. Es bestehen keine Zweifel, dass sich die B. Sarl ausschliesslich als Strafklägerin konstituieren wollte. Auf die ursprünglich abgegebene Erklärung ist die B. Sarl im weiteren Verlauf des Strafverfahrens nicht mehr zurückgekommen, sondern hat ausschliesslich in der Eigenschaft als Strafklägerin am Verfahren teilgenommen und Anträge gestellt. Die B. Sarl hat ihre Stellung als Privatklägerin rechtswirksam auf den Strafpunkt beschränkt.

2.3.3  Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen wäre die B. Holding über die Rechtsnachfolge gemäss Art. 121 Abs. 2 StPO einzig zur Zivilklage, nicht aber zur Strafklage legitimiert. Da sich die B. Sarl als Rechtsvorgängerin nur im Strafpunkt konstituiert hat, fällt eine Parteistellung der B. Holding als rechtsnachfolgende Zivilklägerin ausser Betracht. Die Voraussetzungen der strafprozessrechtlichen Nachfolge sind nicht erfüllt. Die B. Sarl hat keine Zivilansprüche geltend gemacht. Das aber hätte sie tun müssen, wollte die B. Sarl nun als deren Rechtsnachfolgerin weiterhin als Privatklägerschaft im Strafverfahren auftreten. Was von der B. Holding des Weiteren an Argumenten für die Zulassung als Privatklägerschaft vorgetragen wird, führt zu keinem anderen Ergebnis. Beurteilt sich die Frage nach der strafprozessualen Rechtsnachfolge ausschliesslich nach inländischem Prozessrecht, sind vorab die im Rechtsgutachten angeführten Entscheidungen luxemburgischer Gerichte (CAR pag. 2.103.013 ff.) zur Rechtslage bei einem in Luxembourg geführten Strafverfahren unbeachtlich. Das gilt ebenso für die offenbar im luxembourgischen Recht kodifizierten Verfahrensrechte der rechtsnachfolgenden Gesellschaft (CAR pag. 2.103. 003). Ohnehin wäre nicht vermittelbar, dass die Anwendung von ausländischem Recht über das hinaus gehen würde, was unter schweizerischem Strafprozessrecht hinsichtlich der strafprozessrechtlichen Nachfolge von Dritten zulässig ist. Die unbesehene Anwendung von ausländischem Recht, das eine weitergehende Rechtsnachfolge in Partei- und Verfahrensrechte kennt, würde auf eine Bevorzugung von geschädigten Personen hinauslaufen, die materiellrechtlich diesem ausländischem Recht unterstellt sind. Der Einwand der Verletzung des Gleichbehandlungsgebots (CAR pag. 2.103.004) erfolgt sodann ohne Grund. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Anwendung der Bestimmung von Art. 121 Abs. 2 StPO zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung von schweizerischen und ausländischen Rechtsnachfolgern von juristischen Personen führen würde. Für die Anwendung von Art. 121 Abs. 2 StPO spielt es keine Rolle, nach welchem Recht sich die zivilrechtliche Rechtsnachfolge richtet. Die Bestimmung differenziert nicht nach dem schweizerischen oder ausländischen Sitz der betroffenen Gesellschaft. Ausschlaggebend ist einzig, dass ein gesetzlicher Übergang der Rechte der geschädigten Person vorliegt. Ist dies der Fall, sind die Rechtsfolgen für in der Schweiz und im Ausland domizilierte juristische Personen dieselben. Ausserdem steht die Möglichkeit zur Rechtsnachfolge auch im Strafpunkt weder einer schweizerischen noch einer ausländischen Gesellschaft zu. Dass das luxembourgische Recht – wie seitens der B. Holding schliesslich zu bedenken gegeben wird (CAR pag. 2.103.004) – auch bei Vorliegen eines berechtigten Interesses die Wiedereintragung einer untergegangenen Gesellschaft im Handelsregister erlaubt, berechtigt nicht zur Abweichung von der für schweizerische Strafprozesse geltenden Rechtslage.

2.3.4  Der schweizerische Gesetzgeber hat die Frage der strafprozessualen Rechtnachfolge abschliessend regeln und den juristischen Personen kein Recht einräumen wollen, anstelle ihrer Rechtsvorgänger als Strafklägerin in einem Strafverfahren auftreten zu können. Eine Rechtsnachfolge mit umfassenden und auch den Strafpunkt einschliessenden Parteirechten sollte den natürlichen Personen vorbehalten bleiben. Die unterschiedliche Behandlung von natürlichen und juristischen Rechtspersonen ist gewollt und somit hinzunehmen. Die von der Privatklägerschaft geltend gemachte analogieweise Anwendung von Art. 121 Abs. 1 StPO fällt ausser Betracht, weil ein solcher Analogieschluss angesichts der detaillierten gesetzlichen Regelung und der dazu ergangenen Rechtsprechung nicht geboten ist. Eine zu füllende Lücke im Rechtssinne liegt nicht vor. Auch die seitens der B. Holding in diesem Kontext zitierten Autoren vertreten keinen anderen Standpunkt und erkennen keine Gesetzeslücke, die entweder durch eine angepasste Interpretation der bestehenden Norm oder durch Analogien gefüllt werden müssten. Sie haben verschiedene Konstellationen von eine Universalsukzession bewirkenden Strukturanpassungen bei Gesellschaften vor Augen und sprechen sich – insofern weitergehend als die bundesgerichtliche Rechtsprechung – dafür aus, die übernehmende Gesellschaft auch in solchen Fällen strafprozessrechtlich als Nachfolgerin anzuerkennen (Mazzucchelli/Postizzi, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 121 StPO N. 16 und Lieber, Zürcher Kommentar, 1. Aufl. 2010, Art. 121 StPO N. 5). Selbst wenn dieser Rechtsansicht gefolgt würde, würde dies der Privatklägerschaft vorliegend nicht weiterhelfen. Wie von der Beschuldigten Falcon Private AG zutreffend eingewendet (CAR pag. 2.102.133), wäre damit einzig die Frage geklärt, ob eine solche Gesamtrechtsnachfolge überhaupt in den Anwendungsbereich von Art. 121 StPO fällt. Dass die Anerkennung als prozessuale Rechtsnachfolge über die vom Gesetzeswortlaut vorgesehenen Wirkungen hinausgehen und auch eine erhobene Strafklage weiterbetrieben werden können müsste, ist damit nicht gesagt und wird von den erwähnten Meinungsäusserungen auch nicht propagiert. Nichts zugunsten ihres Standpunktes ableiten kann die B. Holding schliesslich aus dem von ihr zitierten Bundesgerichtsurteil 6B_671/2014 vom 22. Dezember 2017 (CAR pag. 2.103.003). Wohl trifft zu, dass sich die einschlägige bundesgerichtliche Rechtsprechung schwergewichtig mit der Übertragung von Rechten zwischen juristischen Personen nach schweizerischem Recht befasst hat. Dass sich die Rechtslage bei Involvierung ausländischer Gesellschaften in relevanter Weise anders präsentieren würde, ergibt sich aus dem angeführten Urteil nicht. Die von der B. Holding angesprochenen und im besagten Bundesgerichtsentscheid nicht näher abgeklärten Auswirkungen ausländischer Rechtsnormen bezogen sich auf die Unterscheidung zwischen einer freiwilligen Vermögensübertragung und einer gesetzlichen Subrogation und damit auf privatrechtliche Aspekte von Unternehmungsnachfolgen. Bezüglich der hier vor allem interessierenden strafprozessualen Konsequenzen einer solchen Rechtsnachfolge lässt sich daraus nichts folgern.

2.4     Zusammenfassend ergibt sich, dass die B. Holding im vorliegenden Strafverfahren nicht als Strafklägerin im Sinne von Art. 118 Abs. 1 StPO auftreten kann. Folglich ist die B. Holding nicht als Privatklägerschaft zuzulassen. Weil die Partei- und Prozessfähigkeit der B. Sarl mit ihrer Auflösung entfallen ist und die B. Holding mangels Parteistellung nicht zur Fortsetzung des Verfahrens legitimiert ist, wird die ursprünglich von der B. Sarl erklärte Anschlussberufung gegenstandslos. Die von den beiden Verteidigern aufgeworfene Frage, ob die Anschlussberufung überhaupt gültig erhoben worden sei (CAR pag. 2.102.003; CAR pag. 2.104.013), kann an dieser Stelle offengelassen werden.

3.       Über die Verlegung der auf die Anschlussberufung der B. Sarl und den Antrag der B. Holding um Zulassung als Privatklägerschaft entfallenden Kosten und Entschädigungen wird nach Gewährung des rechtlichen Gehörs zusammen mit dem Berufungsurteil zu entscheiden sein.

Die Berufungskammer beschliesst:

1. Es wird festgestellt, dass die Parteistellung der B. Sarl als Privatklägerschaft mit ihrer per 16. Dezember 2021 wirksamen Auflösung entfallen ist. Die B. Sarl wird als Privatklägerschaft aus dem Rubrum des vorliegenden Berufungsverfahrens gestrichen.

2.       Die B. Holding wird nicht als Privatklägerschaft im vorliegenden Strafverfahren zugelassen.

3.       Die am 22. Juni 2022 von der B. Sarl erklärte Anschlussberufung wird als gegenstandslos abgeschrieben.

4.       Über die Verlegung der auf die Anschlussberufung der B. Sarl und den Antrag der B. Holding um Zulassung als Privatklägerschaft entfallenden Kosten und Entschädigungen wird nach Gewährung des rechtlichen Gehörs zusammen mit dem Berufungsurteil entschieden.

Im Namen der Berufungskammer

des Bundesstrafgerichts

Die Vorsitzende                                                                Der Gerichtsschreiber

Andrea Blum                                                                     Sandro Clausen

Zustellung an (Gerichtsurkunde):

-        Bundesanwaltschaft

-        Herrn Rechtsanwalt Peter Bettoni

-        Herrn Rechtsanwalt Dr. Andrea Taormina

-        Herrn Rechtsanwalt Marc Hassberger

Rechtsmittelbelehrung

Beschwerde an das Bundesgericht

Gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts kann beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, innert 30 Tagen nach der Zustellung der vollständigen Ausfertigung Beschwerde eingelegt werden (Art. 78, Art. 80 Abs. 1, Art. 93 und Art. 100 Abs. 1 BGG). Das Beschwerderecht und die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in Art. 78-81 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (Bundesgerichtsgesetz, BGG [SR 173.110.]) geregelt.

Die Fristeinhaltung bei Einreichung der Beschwerdeschrift in der Schweiz, im Ausland bzw. im Falle der elektronischen Einreichung ist in Art. 48 Abs. 1 und 2 BGG geregelt.

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