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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:CA.2023.8
Datum:25.04.2023
Leitsatz/Stichwort:
Schlagwörter : Gericht; Bundes; Untersuchung; Entscheid; Untersuchungs; Verfahren; Verfahren; Untersuchungshaft; Bundesgericht; Kammer; Beschwerdekammer; Tatverdacht; Zwangsmassnahmen; Verlängerung; Verfahrens; Beschluss; Bundesstrafgerichts; Beschwerdeführers; Verhältnis; Parteien; Urteil; Beschleunigungsgebot; Freiheitsstrafe; Sachverhalt
Rechtsnorm: Art. 10 BGG ; Art. 132 StPO ; Art. 197 StPO ; Art. 212 StPO ; Art. 22 StPO ; Art. 221 StPO ; Art. 237 StPO ; Art. 264 StGB ; Art. 31 BV ; Art. 31 StPO ; Art. 318 StPO ; Art. 36 BV ; Art. 382 StPO ; Art. 393 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 48 BGG ; Art. 5 StPO ;
Referenz BGE:137 IV 92; 139 I 206; 143 IV 316; 143 IV 330; 145 IV 179; 145 IV 503; ;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

BH.2023.6, BP.2023.40

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BH.2023.6

Nebenverfahren: BP.2023.40

Beschluss vom 25. April 2023 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Daniel Kipfer Fasciati, Vorsitz,

Miriam Forni und Felix Ulrich,

Gerichtsschreiber Stephan Ebneter

Parteien

A., vertreten durch Rechtsanwalt Philippe Currat,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin

Vorinstanz

Kantonales Zwangsmassnahmengericht,

Gegenstand

Verlängerung der Untersuchungshaft (Art. 227 i.V.m. Art. 222 StPO); amtliche Verteidigung im Beschwerdeverfahren (Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO)

Sachverhalt:

A. Die Bundesanwaltschaft (nachfolgend «BA») führte eine Strafuntersuchung gegen den gambischen Staatsangehörigen A. u.a. wegen Verdachts der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Am 26. Januar 2017 nahm ihn die Polizei in der Schweiz fest. Das Regionale Zwangsmassnahmengericht Berner Jura-Seeland versetzte ihn am 28. Januar 2017 in Untersuchungshaft. Das Kantonale Zwangsmassnahmengericht des Kantons Bern (nachfolgend «ZMG BE») verlängerte diese seither jeweils. Das Bundesgericht wies eine von A. gegen die Verlängerung der Untersuchungshaft erhobene Beschwerde zuletzt am 30. Januar 2023 ab, soweit darauf einzutreten war (Urteil des Bundesgerichts 1B_1/2023 vom 30. Januar 2023).

B. Mit Entscheid vom 30. Januar 2023 verlängerte das ZMG BE die Untersuchungshaft bis 24. März 2023. Die von A. dagegen erhobene Beschwerde vom 10. Februar 2023 wies die Beschwerdekammer mit Beschluss BH.2023.2 vom 28. Februar 2023 ab. Gegen diesen Beschluss führt A. beim Bundesgericht Beschwerde. Das entsprechende Verfahren 1B_181/2023 ist – soweit ersichtlich – noch hängig.

C. Mit Eingabe vom 17. März 2023 beantragte die BA dem ZMG BE die Verlängerung der Untersuchungshaft bis 24. Mai 2023 (KZM 23 388, nicht paginiert).

D. Mit Entscheid vom 29. März 2023 verlängerte das ZMG BE die Untersuchungshaft bis 24. Mai 2023 (KZM 23 388, nicht paginiert; act. 1.1).

E. Dagegen gelangt A., vertreten durch Rechtsanwalt Philippe Currat, mit Beschwerde vom 11. April 2023 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt (act. 1):

A la forme

1.      Recevoir le présent recours.

Au préalable

1.      Admettre A. au bénéfice de l'assistance juridique et commettre à la défense de ses intérêts l'avocat soussigné.

Au fond

1.      Annuler l'ordonnance de prolongation de la détention provisoire du Tribunal cantonal des mesures de contrainte du Canton de Berne, rendue le 29 mars 2023, et notifiée le 30 mars 2023, sous référence KZM 23 388 003, dans le cadre de la procédure SV.17.0026.

2.      Ordonner la mise en liberté immédiate d'A.

3.      Condamner le Ministère public de la Confédération en tous les frais et dépens de l'instance.

F. Mit Schreiben vom 14. April 2023 teilte das ZMG BE mit, dass es auf das Einreichen einer Beschwerdeantwort verzichte und auf die Erwägungen seines Entscheids vom 29. März 2023 (KZM 23 388) verweise. Gleichzeitig übermittelte es seine Akten KZM 23 388 (act. 3).

G. Die BA beantragt mit Beschwerdeantwort vom 17. April 2023, die Beschwerde sei unter Kostenfolge zu Lasten des Beschwerdeführers abzuweisen. Ausserdem wies sie darauf hin, dass sie mit Anklageschrift vom 17. April 2023 an die Strafkammer des Bundesstrafgerichts das Vorverfahren abschliesse und zugleich, ebenfalls am 17. April 2023, beim zuständigen Kantonalen Zwangsmassnahmengericht einen Antrag auf Anordnung von Sicherheitshaft stelle (act. 4).

H. Innert Frist zur allfälligen Replik liess sich A. nicht mehr vernehmen.

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Gemäss Art. 3 Abs. 1 StBOG ist die Verfahrenssprache Deutsch, Französisch oder Italienisch. Nach konstanter Praxis der Beschwerdekammer definiert die Sprache des angefochtenen Entscheids die Sprache im Beschwerdeverfahren (TPF 2018 133 E. 1 mit Hinweisen). Davon abzuweichen besteht hier kein Grund. Der vorliegende Beschluss ergeht deshalb in deutscher Sprache, auch wenn der Beschwerdeführer die Beschwerde in französischer Sprache eingereicht hat.

2.

2.1 Die verhaftete Person kann Entscheide über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft bei der Beschwerdeinstanz anfechten (Art. 222 und 393 Abs. 1 lit. c StPO). Die Zuständigkeit der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zur Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide kantonaler Zwangsmassnahmengerichte im Bereich der Bundesgerichtsbarkeit ergibt sich aus Art. 65 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG. Voraussetzung zur Beschwerdeerhebung ist auf Seiten der Partei ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides (Art. 382 Abs. 1 StPO). Die Beschwerde ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO). Mit ihr gerügt werden können gemäss Art. 393 Abs. 2 StPO Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (lit. a), die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts (lit. b) sowie die Unangemessenheit (lit. c).

2.2 Nach ständiger Rechtsprechung führt ein während des laufenden Haftbeschwerdeverfahrens ergangener Entscheid über die Verlängerung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft nicht dazu, dass das aktuelle praktische Interesse an der Behandlung der Haftbeschwerde dahinfallen würde (BGE 139 I 206 E. 1.2; 137 IV 177 E. 2.2; Urteil des Bundesgerichts 1B_36/2023 vom 9. Februar 2023 E. 1.2; Beeler, Praktische Aspekte des formellen Untersuchungshaftrechts nach Schweizerischer Strafprozessordnung, 2016, S. 180). Das von der Beschwerdegegnerin eingeleitete Verfahren nach Art. 229 StPO (vgl. act. 4) lässt das aktuelle praktische Interesse an der Behandlung der vorliegenden Beschwerde nicht dahinfallen.

2.3 Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

3. Gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO ist Untersuchungs- und Sicherheitshaft namentlich zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und Fluchtgefahr besteht (lit. a). Anstelle der Haft sind eine oder mehrere mildere Massnahmen anzuordnen, wenn diese den gleichen Zweck erfüllen (Art. 237 Abs. 1 StPO). Die Haft hat wie alle strafprozessualen Zwangsmassnahmen verhältnismässig zu sein (vgl. Art. 197 und 212 StPO).

4.

4.1 Im Gegensatz zum erkennenden Sachgericht hat die Beschwerdekammer bei der Überprüfung des allgemeinen Haftgrunds des dringenden Tatverdachts (Art. 221 Abs. 1 StPO) keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Macht eine inhaftierte Person geltend, sie befinde sich ohne ausreichenden Tatverdacht in strafprozessualer Haft, ist vielmehr zu prüfen, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für ein Verbrechen oder Vergehen und eine Beteiligung der inhaftierten Person an dieser Tat vorliegen, die Strafbehörden somit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Im Haftprüfungsverfahren genügt dabei der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das untersuchte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte. Das Beschleunigungsgebot in Haft—sachen (Art. 31 Abs. 3–4 BV, Art. 5 Abs. 2 StPO) lässt hier nur wenig Raum für Beweismassnahmen. Zur Frage des dringenden Tatverdachts bzw. zur Schuldfrage hat die Beschwerdekammer weder ein eigentliches Beweis—verfahren durchzuführen noch dem erkennenden Strafgericht vorzugreifen. Vorbehalten bleibt allenfalls die Abnahme eines liquiden Alibibeweises (BGE 143 IV 330 E. 2.1; 143 IV 316 E. 3.1; je mit Hinweisen).

Der dringende Tatverdacht muss sich im Verlauf des Strafverfahrens grundsätzlich verdichten (bzw. ausreichend hoch verbleiben). Dabei kommt es nach der Praxis des Bundesgerichts auch auf die Art und Intensität der bereits vorbestehenden konkreten Verdachtsgründe an (vgl. Urteil 1B_139/2007 vom 17. Dezember 2007 E. 4.3). Zu Beginn der Strafuntersuchung sind die Anforderungen an den dringenden Tatverdacht geringer als in späteren Prozessstadien. Im Laufe des Strafverfahrens ist in der Regel ein zunehmend strengerer Massstab an die Erheblichkeit und Konkretheit des Tatverdachts zu legen. Nach Durchführung der gebotenen Untersuchungshandlungen muss eine Verurteilung als wahrscheinlich erscheinen (BGE 143 IV 316 E. 3.2 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 1B_176/2018 vom 2. Mai 2018 E. 3.2).

4.2 Im angefochtenen Entscheid (E. 6.3) erwägt die Vorinstanz, seit ihrem letzten Entscheid bzw. seit dem Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2023.2 vom 28. Februar 2023 hätten weitere Untersuchungshandlungen seitens der Beschwerdegegnerin vorgenommen werden können, wobei sich die dem dringenden Tatverdacht zugrundeliegenden Ermittlungsergebnisse nicht zugunsten des Beschwerdeführers verändert hätten. Mit Verweis auf ihre bisherigen Ausführungen sowie den Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2023.2 vom 28. Februar 2023 werde auf Wiederholungen weitgehend verzichtet und zusammenfassend festgehalten, dass genügend Verdachtsmomente vorlägen für eine Beteiligung des Beschwerdeführers – in einer im Rahmen des Verfahrens genauer zu untersuchenden Form – an den ihm vorgeworfenen Straftaten und damit der dringende Tatverdacht insbesondere in Bezug auf die mehrfachen Widerhandlungen gegen die Straftatbestände von Art. 264a StGB weiterhin zu bejahen sei.

4.3 Gründe, die den bisher bejahten dringenden Tatverdacht in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer bringt diesbezüglich nichts wesentlich Neues vor. Es wird diesbezüglich insbesondere auf den Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2022.13 vom 30. November 2022, E. 6, und das Urteil des Bundesgerichts 1B_1/2023 vom 30. Januar 2023, E. 3, verwiesen.

4.4 Nach dem Gesagten ist der dringende Tatverdacht in Bezug auf mehrfache Widerhandlungen gegen die Straftatbestände von Art. 264a Abs. 1 StGB weiterhin zu bejahen.

5. Die Vorinstanz bejaht im angefochtenen Entscheid (E. 7) das Vorliegen der Fluchtgefahr. Dies wird vom Beschwerdeführer nicht beanstandet. Gründe, die Fluchtgefahr anders zu würdigen, sind nicht ersichtlich.

6.

6.1 Wie alle strafprozessualen Zwangsmassnahmen hat die Untersuchungshaft verhältnismässig zu sein (vgl. Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 BV, Art. 197 Abs. 1 lit. c und Art. 212 Abs. 2 lit. c StPO). Die Untersuchungshaft muss durch die Bedeutung der Straftat gerechtfertigt sein (Art. 197 Abs. 1 lit. d StPO) und darf nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe (Art. 212 Abs. 3 StPO). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verlangt der Verhältnismässigkeitsgrundsatz von den Behörden, umso zurückhaltender zu sein, je mehr sich die Haft der zu erwartenden Freiheitsstrafe nähert; dabei ist jedoch nicht das Verhältnis der erstandenen Haftdauer zur zu erwartenden Freiheitsstrafe als solches entscheidend, sondern es ist vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen (BGE 145 IV 179 E. 3.5). Strafprozessuale Haft darf sodann nur als letztes Mittel angeordnet oder aufrechterhalten werden. Wo sie durch weniger einschneidende Massnahmen ersetzt werden kann, muss von ihrer Anordnung oder Fortdauer abgesehen und an ihrer Stelle eine solche Ersatzmassnahme verfügt werden (Art. 212 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 237 f. StPO; vgl. BGE 145 IV 503 E. 3.1; 142 IV 367 E. 2.1; 140 IV 74 E. 2.2). Zwar können mildere Ersatzmassnahmen für Haft geeignet sein, einer gewissen niederschwelligen Fluchtneigung ausreichend Rechnung zu tragen. Bei ausgeprägter Fluchtgefahr erweisen sich Ersatzmassnahmen jedoch regelmässig als nicht ausreichend (vgl. BGE 145 IV 503 E. 3.2 f.; zuletzt u.a. Urteil des Bundesgerichts 1B_470/2022 vom 29. September 2022 E. 5.1).

6.2 Im angefochtenen Entscheid (E. 8.4) erwägt die Vorinstanz, dem Beschwerdeführer drohten trotz einer Untersuchungshaft von 76 Monaten im Falle einer Verlängerung noch kein Überhaft. Das Bundesgericht habe in seinem Urteil 1B_1/2023 vom 30. Januar 2023 erwogen, dass nach dem aktuellen Verfahrensstand dem Beschwerdeführer im Falle einer Verurteilung für den wesentlichen Teil der Vorwürfe eine Freiheitsstrafe von mindestens ca. zehn Jahren drohe. Gründe, die zu einer anderen Würdigung führten, seien nicht ersichtlich. Die von der Beschwerdegegnerin beantragte Verlängerung der Untersuchungshaft von zwei Monaten sei demnach als verhältnismässig einzustufen. Auch unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots – dessen Verletzung nicht erkennbar sei – sowie der vorgesehenen, nachvollziehbaren Verfahrenshandlungen sei die beantragte Verlängerung als verhältnismässig und angezeigt einzustufen. Die Beschwerdegegnerin sei selbstverständlich dennoch weiterhin gehalten, die weiteren Schritte mit der gebotenen Geschwindigkeit voranzutreiben und das Vorverfahren zum Abschluss zu bringen. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Verhältnismässigkeit, bzw. des Beschleunigungsgebots unter Verweis auf die personellen Änderungen in der Fallführung geltend mache, sei festzuhalten, dass keine Verzögerung ersichtlich sei, zumal im vorliegenden Fall neu die bereits involvierte zweite fallführende Staatsanwältin des Bundes den Fall leite. Angesichts der Beschränkung des Entscheids des Zwangsmassnahmengerichts auf Sach- und Rechtsfragen rund um die Frage der Untersuchungshaft sowie dem Vorliegen zahlreicher Beschwerdeentscheide, auf welche verwiesen werden könne, sei dem Einwand der Verteidigung hinsichtlich der Zuweisung des aktuellen Haftverfahrens an einen Zwangsmassnahmenrichter, der im Rahmen der vorliegenden Strafuntersuchung bisher keinen Entscheid zu treffen gehabt habe, zu entgegnen, dass die Entscheidbefähigung dadurch keine Beeinträchtigung erfahre.

6.3

6.3.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Beschleunigungsgebots. Er macht geltend, die Untersuchungshaft von über sechs Jahren sei ausserordentlich lang und krass unverhältnismässig. Aus dem angefochtenen Entscheid gehe nicht hervor, welche Rechtshilfeersuchen noch ausstehend und welche Analysen noch durchzuführen seien, die nicht schon hätten durchgeführt werden können, wobei die den Parteien gewährte Frist, Beweisanträge zu stellen, seit sechs Monaten verstrichen sei, und alle Beweisanträge abgewiesen worden seien. Im angefochtenen Entscheid werde nicht begründet, weshalb das Vorverfahren noch nicht habe abgeschlossen werden können (act. 1 S. 24).

6.3.2 Eine strafprozessuale Haft kann die bundesrechtskonforme Dauer überschreiten, wenn das Strafverfahren nicht genügend vorangetrieben wird (vgl. Art. 31 BV und Art. 5 StPO). Eine Haftentlassung kommt allerdings nur bei besonders schwerwiegenden bzw. häufigen Versäumnissen in Frage, die erkennen lassen, dass die verantwortlichen Strafbehörden nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, dem Beschleunigungsgebot ausreichend Rechnung zu tragen. Die Frage, ob die Dauer von strafprozessualen Zwangsmassnahmen als übermässig bezeichnet werden muss, ist aufgrund der konkreten Verhältnisse des einzelnen Falles zu beurteilen (vgl. BGE 137 IV 92 E. 3.1 und 3.2.2-3.2.3; vgl. auch Beeler, a.a.O., S. 125 f.).

6.3.3 Die Beschwerdegegnerin führt im Haftverlängerungsgesuch vom 17. März 2023 zum Stand der Untersuchung aus, die Arbeiten an der umfangreichen Anklageschrift, mit einer Vielzahl an verschiedenen darzustellenden Sachverhalten, seien weitestgehend abgeschlossen. Die zahlreichen Beweisanträge der Parteien hätten geprüft werden können. Die Abfassung der entsprechenden Entscheide zu diesen Beweisergänzungen sei ebenfalls in Kürze abgeschlossen. Im Zeitpunkt des Haftverlängerungsgesuchs befinde sich damit das Vorverfahren in der Schlussphase. Entgegen der Prognosestellung im letzten Verlängerungsantrag vom 20. Januar 2023, insbesondere zufolge einer Änderung in der rechtlichen Einschätzung eines untersuchten Sachverhalts, der damit verbundenen Ankündigung des neuen Abschlusses und einem Wechsel der Verfahrensleitung, würden nun noch einige wenige Wochen benötigt, um die damit verbundenen erforderlichen Arbeiten abschliessen zu können.

Zu den vorgenommenen Untersuchungshandlungen führt die Beschwerdegegnerin aus, im Zuge der Abschlussarbeiten und der Prüfung aller rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse habe sich eine Änderung in der rechtlichen Einschätzung eines untersuchten Sachverhalts (bezüglich zur Anzeige gebrachter Sachverhalt der Privatklägerin B. statt Einstellung neu auch Anklageerhebung) ergeben. Die Beschwerdegegnerin habe die zwei von dieser Änderung betroffenen Parteien, den Beschwerdeführer und die Privatklägerin B., über die erwähnte Änderung in der rechtlichen Einschätzung dieses untersuchten Sachverhalts in Kenntnis gesetzt und ihnen mit Schreiben vom 14. März 2023 eine dem Beschleunigungsgebot entsprechend kurze Frist bis am 21. März 2023 gesetzt, um allfällige neue Beweisanträge in Anwendung von Art. 318 Abs. 1 StPO sowie die Elemente, die für die eventuelle Anwendung der Art. 429 ff. StPO erforderlich seien, bei der Beschwerdegegnerin einzureichen. Am 15. März 2023 seien ferner alle Parteien informiert worden, dass die Verfahrensleitung von der bisherigen ersten fallführenden Staatsanwältin auf die zweite fallführende Staatsanwältin übertragen worden sei. Schliesslich stehe die Beschwerdegegnerin zwecks Erlangung der rechtshilfeweise ersuchten und noch ausstehenden Informationen und Dokumente in regelmässigem Kontakt mit den gambischen Behörden. Dieser Teil der Rechtshilfe mit den Behörden in Gambia sei jedoch nach wie vor pendent und habe noch nicht abschliessend vollzogen werden können.

Betreffend die vorgesehenen Verfahrenshandlungen führt die Beschwerdegegnerin aus, allfällige bis am 21. März 2023 durch die zwei von der Änderung betroffenen Parteien einzureichenden Beweisanträge seien durch die Beschwerdegegnerin zu prüfen und es sei darüber zu befinden. Ob eine der betroffenen Parteien noch eine Verlängerung der Frist benötige, sei derzeit nicht bekannt. Die Anklageschrift sei sodann in Bezug auf den betroffenen Sachverhalt zu ergänzen und anzupassen. Im Zusammenhang mit dem Vollzug der Rechtshilfeersuchen vom 26. August 2021 und 22. März 2022 habe die Beschwerdegegnerin die gambische Behörde infolge deren Übermittlung von Dokumenten und Informationen vom 15. Dezember 2022 ihrerseits mit Schreiben vom 16. Januar 2023 sowie wiederholt via E-Mail um weitere präzisierende Informationen und die Zustellung von Dokumenten ersucht. Die Übermittlung der ersuchten Dokumente und Informationen stehe zum Zeitpunkt des Haftverlängerungsantrags noch aus. Die Beschwerdegegnerin treibe dieses Verfahren weiterhin mit der höchsten Priorität voran und wirke mit Kräften darauf hin, dass das Vorverfahren in Kürze abgeschlossen werden könne (vgl. zum Ganzen KZM 23 388, nicht paginiert, Haftverlängerungsgesuch S. 5 f.).

6.3.4 Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass eine Verletzung des Beschleunigungsgebots, welche eine Haftentlassung des Beschwerdeführers als geboten erscheinen liesse, nicht ersichtlich ist. Der Grund für den Wechsel der Verfahrensleitung erschliesst sich aus den Erklärungen der Beschwerdegegnerin und den Beilagen zum Haftverlängerungsgesuch zwar nicht. Da es sich bei der neuen Verfahrensleitung um die bisher zweite fallführende Staatsanwältin handelt, dürfte sich das Verfahren dadurch aber kaum verzögert haben. Im Übrigen legt die Beschwerdegegnerin nachvollziehbar dar, weshalb sich der Abschluss des Vorverfahrens verzögert hat. Es besteht daher kein Anlass zur Befürchtung, dass die BA nicht gewillt oder nicht in der Lage wäre, dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen Rechnung zu tragen, zumal die Beschwerdegegnerin mit Anklageschrift vom 17. April 2023 das Vorverfahren mittlerweile abgeschlossen hat.

6.3.5 Nach dem Gesagten erweist sich die Rüge des Beschwerdeführers als unbegründet.

6.4 Der Beschwerdeführer macht im Zusammenhang mit der Frage der Verhältnismässigkeit weiter geltend, die ausgestandene Haft übersteige die maximal zu erwartende Strafe, nämlich Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren gemäss Art. 264k StGB, bereits um das Doppelte (act. 1 S. 25 ff.).

Die Beschwerdekammer befasste sich in ihrem Beschluss BH.2022.13 vom 30. November 2022 (E. 7.4.1) mit dem, im Falle einer Verurteilung, zu erwartenden Strafmass. Sie erwog, dass Art. 264a Abs. 1 StGB eine Mindeststrafe von fünf Jahren vorsehe. Die Höchstdauer der Freiheitsstrafe betrage 20 Jahre. In Berücksichtigung aller Umstände sei im Falle einer Verurteilung des Beschwerdeführers mit einer Freiheitsstrafe nicht im unteren Bereich zu rechnen. Ein Anlass, die Möglichkeit einer bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug ausnahmsweise zu berücksichtigen, sei nicht ersichtlich. Das Bundesgericht erwog in seinem Urteil 1B_1/2013 vom 30. Januar 2023 (E. 5.3), dass nach dem aktuellen Verfahrensstand dem Beschwerdeführer im Falle einer Verurteilung für den wesentlichen Teil der Vorwürfe eine Freiheitsstrafe von mindestens ca. 10 Jahren drohe.

Die Vorbringen des Beschwerdeführers vermögen die bisher gemachten Erwägungen zur zu erwartenden Strafe für die Straftaten, deren der Beschwerdeführer dringend verdächtigt wird, nicht umzustossen. So erschliesst sich namentlich nicht, weshalb nicht «mehrfache vorsätzliche Tötungen» im Raum stünden (act. 1 S. 28), wenn der Beschwerdeführer dringend verdächtigt wird, einen massgeblichen Tatbeitrag zur Tötung von C. und D. geleistet zu haben. Sodann fusst die Argumentation des Beschwerdeführers auf der Strafdrohung von Art. 264k Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 StGB. Dabei verkennt er zum einen, dass gemäss Art. 264k Abs. 1 Satz 1 StGB der Vorgesetze nach der gleichen Strafdrohung wie der Täter bestraft wird, und zum andern vor allem, dass zurzeit Anhaltspunkte vorliegen, wonach der Beschwerdeführer massgebliche Tatbeiträge zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit geleistet hat, und er sich entsprechend (als Mittäter) gemäss Art. 264a Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben könnte (vgl. dazu Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2022.13 vom 30. November 2022 E. 6.9 und E. 6.10).

6.5 Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.

7. Die Verlängerung der Untersuchungshaft ist aufgrund der vorangehenden Erwägungen wegen dringenden Tatverdachts, bestehender Fluchtgefahr sowie gegebener Verhältnismässigkeit zu bestätigen. Die Beschwerde ist abzuweisen.

8.

8.1 Der Beschwerdeführer ersucht für das vorliegende Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Bestellung des Rechtsanwalts Philippe Currat als amtlicher Verteidiger (BP.2023.40, act. 1).

8.2 Über die Gewährung des Rechts auf unentgeltliche Rechtspflege im vor ihr geführten Beschwerdeverfahren entscheidet die Beschwerdekammer selbst. Eine in der Strafuntersuchung eingesetzte amtliche Verteidigung wirkt im Haftbeschwerdeverfahren – jedenfalls wenn die beschuldigte Person beschwerdeführende Partei ist – nicht automatisch als unentgeltlicher Rechtsbeistand mit und zwar auch dann nicht, wenn die beschuldigte Person im Hauptverfahren notwendig verteidigt werden muss. Die unentgeltliche Rechtspflege kann bei Haftbeschwerden von der Nichtaussichtslosigkeit des konkret verfolgten Prozessziels abhängig gemacht werden. Als aussichtslos sind Begehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Bei Haftbeschwerden ist Aussichtslosigkeit mit Zurückhaltung anzunehmen (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2018.5 vom 28. August 2018 E. 9.2 m.w.H.).

8.3 Wie die vorstehenden Erwägungen aufzeigen, steht der angefochtene Entscheid im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung und den bestehenden anerkannten Grundsätzen im Haftrecht. Der dringende Tatverdacht, die Fluchtgefahr sowie die Verhältnismässigkeit sind klar zu bejahen. Die erhobenen Rügen zielten mithin von Anfang an ins Leere. Damit mangelt es an einer materiellen Voraussetzung für die unentgeltliche Rechtspflege. Das entsprechende Gesuch des Beschwerdeführers ist unbesehen seiner finanziellen Verhältnisse abzuweisen.

9. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (vgl. Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 2'000.-- festzusetzen (Art. 73 StBOG i.V.m. Art. 5 und Art. 8 Abs. 1 BStKR).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 25. April 2023

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Vorsitzende:                                                        Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Rechtsanwalt Philippe Currat

- Bundesanwaltschaft

- Kantonales Zwangsmassnahmengericht

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Im Falle der elektronischen Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind (Art. 48 Abs. 2 BGG).

Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.

Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktions—richter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103 BGG).

Weiterzug
  • 1B_277/2023 Abweisung
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