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Entscheid des Bundesstrafgerichts: BG.2023.43 vom 16.11.2023

Hier finden Sie das Urteil BG.2023.43 vom 16.11.2023 - Strafkammer

Sachverhalt des Entscheids BG.2023.43


Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Strafkammer

Fallnummer:

BG.2023.43

Datum:

16.11.2023

Leitsatz/Stichwort:

Schlagwörter

Beschuldigte; Bankomat; Bankomaten; Bundes; Spreng; Apos;; Sprengstoff; Sevelen; Täter; Urteil; Beschuldigten; Person; Gericht; Explosion; Mittäter; Recht; Gefährdung; Freiheit; Freiheitsstrafe; Schweiz; Strasse; Schaden; Täters; Neftenbach; Tatbestand; Verfahren; Bankomatens; Verfahren

Rechtskraft:

Weiterzug

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 1 StPO ;Art. 1 ZGB ;Art. 10 StPO ;Art. 12 StGB ;Art. 12 StPO ;Art. 121 StPO ;Art. 122 StPO ;Art. 124 StPO ;Art. 126 StPO ;Art. 13 StGB ;Art. 13 StPO ;Art. 130 StPO ;Art. 131 StPO ;Art. 135 StPO ;Art. 139 StGB ;Art. 144 StGB ;Art. 15 StPO ;Art. 16 StPO ;Art. 160 StPO ;Art. 178 StPO ;Art. 18 StGB ;Art. 19 StPO ;Art. 22 StGB ;Art. 224 StGB ;Art. 23 StPO ;Art. 26 StPO ;Art. 29 StPO ;Art. 3 StGB ;Art. 304 StPO ;Art. 31 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 398 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 4 OR ;Art. 4 StGB ;Art. 40 StGB ;Art. 41 OR ;Art. 41 StGB ;Art. 42 StGB ;Art. 42 StPO ;Art. 422 StPO ;Art

Referenz BGE:

103 IV 241; 104 IV 232; 105 IV 225; 115 IV 111; 117 IV 135; 121 IV 202; 128 IV 81; 129 IV 238; 129 IV 6; 132 IV 108; 134 IV 132; 134 IV 82; 135 IV 152; 136 IV 119; 136 IV 1; 136 IV 55; 137 II 297; 137 IV 249; 138 IV 120; 141 IV 236; 142 II 161; 142 IV 265; 142 IV 329; 144 IV 217; 144 IV 313; 144 IV 332; 144 IV 345; 145 IV 364; 146 IV 105; 147 IV 241; 148 IV 242; ;

Entscheid des Bundesstrafgerichts

SK.2023.36

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: SK.2023.36

Urteil vom 16. November 2023   Strafkammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Maric Demont, Vorsitz

Martin Stupf und Alberto Fabbri, Gerichtsschreiber David Heeb

Parteien

Bundesanwaltschaft, vertreten durch Leitenden Staatsanwalt des Bundes Nils Eckmann

und

als Privatklägerschaft:

1.       B. Bank

2.       C. AG

3.       D. Versicherung

4.       E. Versicherung

5.       F. Bank

6.       G.

gegen

A., amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Andrea Janggen

Gegenstand

Mehrfache Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht; mehrfacher qualifizierter Diebstahl; mehrfache qualifizierte Sachbeschädigung; Hausfriedensbruch

Anträge der Bundesanwaltschaft:

1. A. sei schuldig zu sprechen:

- der mehrfachen Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht gemäss Art. 224 Abs. 1 StGB;

- des mehrfachen qualifizierten Diebstahls gemäss Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 3 Abs. 4 StGB;

- der mehrfachen qualifizierten Sachbeschädigung gemäss Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB;

- des Hausfriedensbruchs gemäss Art. 186 StGB.

2. A. sei zu bestrafen mit einer Freiheitsstrafe von 74 Monaten sowie mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à Fr. 10.--.

3. A. sei für die Dauer von 10 Jahren des Landes zu verweisen.

4. Der Kanton St. Gallen sei als Vollzugskanton zu bestimmen.

5. A. sei zu verpflichten,

- der C. AG Schadenersatz von Fr. 12'721.-- zu bezahlen;

- der D. Versicherung Schadenersatz von Fr. 57'641.55 zzgl. 5% Zins seit dem 10. Dezember 2020 zu bezahlen;

- der E. Versicherung Schadenersatz von Fr. 74'876.25 zu bezahlen;

soweit weitergehend seien die Zivilklagen auf den Zivilweg zu verweisen.

6. Die Verfahrenskosten seien gerichtlich zu bestimmen und vollumfänglich A. zur Bezahlung aufzuerlegen.

7. Das amtliche Honorar von Rechtsanwalt Andrea Janggen sei gerichtlich zu bestimmen und durch die Eidgenossenschaft auszurichten, unter Festsetzung einer entsprechenden Rückzahlungsverpflichtung von A.

Anträge der Privatklägerschaft:

Anträge der B. Bank:

Es wurden keine Anträge eingereicht.

Anträge der C. AG:

(sinngemäss: BA 15-03-3-0007, -0009)

Der Beschuldigte sei zu verpflichten, der C. AG einen Schadenersatz von Fr. 12'721.-- zu bezahlen.

Anträge der D. Versicherung (BA 15-05-0012):

1.    A. sei zu verpflichten, der D. Versicherung im Schadensfall Nr. 1 den Betrag von Fr. 57'641.55 zzgl. 5% Zins seit dem 10. Dezember 2020 zu bezahlen.

2.    A. sei zu verpflichten, der Feuerwehr H. den Betrag von Fr. 1'305.-- zu bezahlen.

3.    Unter Kostenfolge zu Lasten des Beschuldigten.

Anträge der E. Versicherung:

(sinngemäss: BA 15-02-2-0020, -0022)

Der Beschuldigte sei zu verpflichten, der E. Versicherung einen Schadenersatz von Fr. 74'876.25 zu bezahlen.

Anträge der F. Bank:

Es wurden keine Anträge eingereicht.

Anträge von G.:

Es wurden keine Anträge eingereicht.

Anträge der Verteidigung:

I.

A. sei schuldig zu erklären

1.    der mehrfachen Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht im Sinne von Art. 224 Abs. 1 StGB in den Fällen 1.1.2. und 1.2.2. der Anklageschrift;

2.    des mehrfachen Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB in den Fällen 1.1.3. und 1.2.3. der Anklageschrift;

3.    der mehrfachen qualifizierten Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB in den Fällen 1.1.4. und 1.2.4. der Anklageschrift;

4.    des Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB im Fall 1.2.5. der Anklageschrift;

und er sei in Anwendung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen zu verurteilen

1.    zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten als Zusatzstrafe zum Urteil des Landgerichts U. von Dänemark vom 24. Februar 2022;

2.    zu einer Landesverweisung von 8 Jahren;

3.    zu den Verfahrenskosten.

II.

Die Zivilklagen seien in der jeweils belegten Höhe auszurichten und wo diese nicht beziffert sind, auf den Zivilweg zu verweisen.

III.

Weiter sei zu verfügen:

1.    Das Honorar des amtlichen Verteidigers sei gestützt auf die eingereichte Honorarnote gerichtlich zu bestimmen.

2.    Allfällige weitere Verfügungen (insbesondere Löschung DNA-Profil und dergleichen) seien von Amtes wegen vorzunehmen.

Prozessgeschichte:

A. Am 12. Dezember 2019 wurde ein Bankomat der B. Bank in Sevelen SG aufgesprengt und Bargeld entwendet. Am 20. Dezember 2019 wurde in Neftenbach ZH ein weiterer Geldautomat der F. Bank gesprengt und Geld entwendet. Die unbekannte Täterschaft war in beiden Vorfällen flüchtig. Es bestand der Verdacht, dass es sich aufgrund der räumlichen und zeitlichen Nähe zu den Tatorten, desselben Modus Operandi, der gleichen Anzahl Täter und des verwendeten Sprengstoffs in beiden Fällen um die gleiche Täterschaft handelt (BA 10-01-0003; 10-02-0035).

B. Im Rahmen der kriminaltechnischen Ermittlungen konnten in Sevelen an zwei in Tatortnähe sichergestellten Brecheisen DNA-Spuren gesichert werden, die mit den DNA-Profilen von A. (nachfolgend: Beschuldigter) und I. übereinstimmen. Am Tatort in Neftenbach konnte an einem der zwei sichergestellten Brecheisen eine DNA-Spur gesichert werden, welche wiederum A. zugeordnet werden konnte (BA 10-01-0023; 11-01-0001, -0024; 10-02-0035).

C. Am 21. Januar 2020 stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Altstätten, eine Gerichtsstandsanfrage an die Bundesanwaltschaft (BA 02-02-0001), worauf Letztere am 3. März 2020 bestätigte, das Verfahren in Bundeskompetenz weiterzuführen (BA 02-02-0005). Mit Verfügungen vom 29. Mai 2020 eröffnete die Bundesanwaltschaft ein Verfahren (SV.20.0092 [ATM Sevelen SG] betreffend den Vorfall in Sevelen) gegen den Beschuldigten, I. und unbekannte Täterschaft wegen Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 StGB), Diebstahls (Art. 139 StGB), Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 und 3 StGB) und Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB) und vereinigte es gestützt auf Art. 26 Abs. 2 StPO in der Hand der Bundesbehörden (BA 01-01-0003; 02-01-0004 f.).

D. Am 25. Februar 2020 stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Winterthur / Unterland eine Gerichtsstandsanfrage zu Handen der Bundesanwaltschaft (BA 02.03-0001 f.), worauf Letztere am 3. März 2020 bestätigte, das Verfahren in Bundeskompetenz weiterzuführen (BA 02-03-0003). Mit Verfügung vom 29. Mai 2020 vereinigte die Bundesanwaltschaft das Verfahren (SV.20.0202 [ATM Neftenbach ZH] betreffend den Vorfall in Neftenbach) gegen den Beschuldigten, eine Drittperson und unbekannte Täterschaft wegen Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 StGB), Diebstahls (Art. 139 StGB), Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 und 3 StGB) und Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB) gestützt auf Art. 26 Abs. 2 StPO in der Hand der Bundesbehörden (BA 02-03-0007 f.).

E. Mit Verfügung vom 17. Juni 2020 integrierte die Bundesanwaltschaft das Verfahren Nr. SV.20.0092 (ATM Sevelen SG) in das Verfahren SV.20.0202 (ATM Neftenbach ZH). Sie ordnete an, dass die beiden Verfahren gestützt auf Art. 29 Abs. 1 StPO gemeinsam zu verfolgen und beurteilen sind (BA 01-01-0004).

F. Am 15. Juni 2020 liess die Bundesanwaltschaft den Beschuldigten zur Anhaltung und Vorführung international ausschreiben. Er wurde am 16. Juni 2020 in V. (Dänemark) im Zusammenhang mit einer Bankomatensprengung in Dänemark verhaftet. Diesbezüglich wurde er mit Urteil des dänischen U. Landsret (Landesgericht U.) vom 17. Juni 2022 letztinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig und wird derzeit vollzogen. Gestützt auf ein Ersuchen des Bundesamtes für Justiz wurde der Beschuldigte am 11. Januar 2023 zwecks Durchführung des vorliegenden Strafverfahrens von den dänischen Behörden vorübergehend an die Schweiz ausgeliefert. Anschliessend befand er sich bis zum Urteilszeitpunkt in Haft (Auslieferungs-, Untersuchungshaft) bzw. ab dem 29. März 2023 im vorzeitigen Strafvollzug (BA Rubrik 06.02).

G. Mit Verfügung vom 17. Juni 2021 trennte die Bundesanwaltschaft das Verfahren gegen den Beschuldigten und unbekannte Täterschaft vom Strafverfahren gegen I. (Hauptverfahren SV.20.0202) ab, da er aufgrund des damals gegen ihn in Dänemark hängigen Strafverfahrens (siehe Lit. F.) nicht an die Schweiz ausgeliefert werden konnte. Alle für den Abschluss der Untersuchung gegen A. und Unbekannt relevanten Akten wurden in elektronischer Kopie aus dem Hauptverfahren in das neu eröffnete Verfahren SV.21.0837 übernommen (BA 03-01-0014 ff.).

H. Die Bundesanwaltschaft erhob am 5. September 2023 Anklage gegen den Beschuldigten wegen mehrfacher Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 StGB), mehrfachen qualifizierten Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 3 Abs. 4 StGB), mehrfacher qualifizierter Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB) und Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB) (TPF 18.100.001, -023).

I. Im Rahmen der Prozessvorbereitung holte der Vorsitzende von Amtes wegen einen Strafregisterauszug über den Beschuldigten sowie Führungsberichte der Regionalgefängnisse W. und X. sowie des Gefängnisses Y. ein (TPF 18.232.7.010, -013, -017). Ausserdem wurden die Verfahrensakten des – zurzeit beim Bundesgericht hängigen – Strafverfahrens in Sachen Bundesanwaltschaft und Privatklägerschaft gegen I. (SV.202.0202; SK.2021.45 und CA.2022.2) zu den hiesigen Akten (SK.2023.36) erkannt.

J. Die Hauptverhandlung fand am 16. November 2023 vor der Strafkammer in Anwesenheit der Bundesanwaltschaft sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am Sitz des Bundesstrafgerichts statt (TPF 18.720.001, -009). Die Privatklägerschaft verzichtete auf eine Teilnahme. Das Urteil wurde gleichentags mündlich eröffnet.

Die Strafkammer erwägt:

1. Prozessuales

1.1 Die Bundesgerichtsbarkeit ist vorliegend gestützt auf Art. 23 Abs. 1 lit. d und Art. 26 Abs. 2 StPO gegeben.

Die Kompetenz des Kollegialgerichts der Strafkammer des Bundesstrafgerichts ergibt sich aus Art. 19 Abs. 2 StPO e contrario i.V.m. Art. 36 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Organisation der Strafbehörden des Bundes vom 19. März 2010 (StBOG; SR 173.71).

1.2 Verwertbarkeit der Aussagen als Auskunftsperson

1.2.1 Wie bereits erläutert, wurden die Strafverfahren gegen den Beschuldigten und seinen mutmasslichen Mittäter I. voneinander abgetrennt (siehe oben Lit. G). Während laufendem Berufungsverfahren gegen I. wurde der Beschuldigte von Dänemark temporär in die Schweiz ausgeliefert und tätigte im – getrennt geführten – Strafverfahren gegen I. Aussagen. Am 2. März 2023 wurde der Beschuldigte von der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts im Strafverfahren (CA.2022.2) der Bundesanwaltschaft und Privatklägerschaft gegen I. im Zusammenhang mit der Bankomatensprengung von Sevelen SG als Auskunftsperson einvernommen (BA B18-11-001-0615, -0636). Er wurde in dieser Rolle einvernommen, da er im abgetrennten Strafverfahren der Bundesanwaltschaft SV.21.0837 (vgl. Lit. G) mit gleichem Sachverhaltskonnex beschuldigte Person ist (Art. 178 Abs. lit. f StPO). Die Einvernahme als Auskunftsperson anlässlich der Berufungsverhandlung erfolgte ohne Verteidigung. Es stellt sich somit die Frage, ob diese Aussagen im vorliegenden Verfahren (SK.2023.36) verwertbar sind.

1.2.2 In der Lehre und Rechtsprechung besteht Uneinigkeit, welche Verfahren vom Verteidigungszwang in Fällen von notwendiger Verteidigung umfasst sind. Unklar ist, für welche Verfahrensschritte die Zwangsverteidigung gilt, insbesondere, ob die notwendige Verteidigung auch für Nebenverfahren gilt (Ruckstuhl, Basler Kommentar, 3. Aufl. 2023, Art. 130 StPO N. 5). In Bezug auf getrennt geführte Verfahren von mutmasslichen Mittätern gilt Folgendes: In einem aktuellen Urteil erwog das Bundesgericht, dass bei der Befragung einer Person als Auskunftsperson, als noch keine Hinweise auf ihre Täterschaft bestanden und die Notwendigkeit einer Verteidigung noch nicht erkennbar war, die Befragung nach Art. 131 Abs. 3 StPO nicht unverwertbar war (Urteil des Bundesgerichts 6B_622/2023 vom 20. September 2023 E. 1.4). Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass ein Beschuldigter, welcher in einem getrennt geführten Verfahren als Auskunftsperson einvernommen wird, grundsätzlich zwingend notwendig verteidigt sein muss, wenn im Zeitpunkt seiner Einvernahme bereits ein gegen ihn geführtes Strafverfahren mit notwendiger Verteidigung hängig ist und die Aussagen als Beweismittel in sein Verfahren einfliessen sollen.

1.2.3 Im vorliegenden Verfahren (SV.21.0837; SK.2023.36) gegen den Beschuldigten liegt ein Fall notwendiger Verteidigung im Sinne von Art. 130 lit. b StPO vor, da dem Beschuldigten eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr droht. Er hat in der Berufungsverhandlung (CA.2022.2) gegen I. in einem getrennten Verfahren ohne Verteidigung als Auskunftsperson ausgesagt. In diesem Verfahren wurde er unter anderem mit den Aussagen des mutmasslichen Mittäters I. konfrontiert und von dessen Verteidiger befragt (BA B18-11-001-0615, -0636). Es handelte sich somit de facto um eine Konfrontationseinvernahme unter mutmasslichen Mittätern. Der Beschuldigte hätte somit – nicht zuletzt auch unter dem Aspekt der Waffengleichheit – im Sinne von Art. 130 lit. a und b StPO notwendig verteidigt sein müssen, damit seine Aussagen im vorliegenden Verfahren Gegenstand richterlicher Beweiswürdigung sein können. Die Aussagen des Beschuldigten bei der Berufungsverhandlung vom 2. März 2023 sind somit vorliegend nicht zum Nachteil des Beschuldigten verwertbar.

2. Anklage

2.1 Anklagevorwurf Sachverhaltskomplex 1 vom 12. Dezember 2019 (Sevelen SG)

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, zusammen mit einem Mittäter (I., eventualiter mit einer unbekannten Täterschaft) am 12. Dezember 2019 um ca. 01:33 Uhr den sich an der J. Strasse in Sevelen SG befindenden und in die Fassade des mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshauses eingebauten Bankomaten mithilfe zweier Brecheisen (Geissfüsse) sowie einem zur Explosion gebrachten Selbstlaborat mit Triacetontriperoxid (nachfolgend: TATP) aufgebrochen zu haben. Anschliessend habe er mit dem Mittäter in Aneignungsabsicht und mit der Absicht unrechtmässiger Bereicherung aus der obersten Geldkassette des Bankomaten 633 Banknoten à Fr. 200.--, ausmachend Fr. 126'600.--, behändigt und sich mit dem Geld vom Tatort entfernt.

Durch die Explosion seien die Bedienkonsole des Bankomaten und Teile der anliegenden Wandplatten des Gebäudes auf die Strasse geschleudert sowie das Gebäude – namentlich an der Aussenfassade, den Fenstern, Briefkästen und Deckenverkleidungen – beschädigt worden. Dadurch sei ein Sachschaden am Bankomaten von Fr. 36'000.-- sowie am Gebäude von Fr. 71'274.65 entstanden. Überdies seien die Anwohner der betroffenen Liegenschaft sowie zufällig auf der J. Strasse anwesende Passanten und Strassenbenutzer aufgrund ihrer örtlichen Nähe zum Detonationspunkt an Leib und Leben konkret gefährdet worden. Es sei Zufall gewesen, dass niemand von der durch die Explosion verursachten Druckwelle erfasst oder von herumgeschleuderten Gebäude- oder Bankomatenteilen getroffen worden sei. Der Beschuldigte habe in Bezug auf das Sprengstoffdelikt mit Gefährdungsvorsatz und in verbrecherischer Absicht gehandelt.

2.2 Anklagevorwurf Tatkomplex 2 vom 20. Dezember 2019 (Neftenbach ZH)

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, er habe zusammen mit einer unbekannten Täterschaft am 20. Dezember 2019 um ca. 01:51 Uhr mit je einem Brecheisen (Geissfuss) und dem Sprengstoff TATP den in die Aussenfassade der Liegenschaft an der K. Strasse in Neftenbach ZH eingebauten Bankomaten der F. Bank gewaltsam aufgebrochen und aufgesprengt. Anschliessend habe er mit dem Mittäter in Aneignungsabsicht und mit der Absicht unrechtmässiger Bereicherung 528 Banknoten à Fr. 100.-- und 252 Banknoten à Fr. 200.--, entsprechend Fr. 103'200.--, behändigt und sich vom Tatort entfernt.

Durch die Explosion seien unter anderem die Bedienkonsole und weitere Teile des Bankomaten, die südliche Fassade der Liegenschaft, die Kalksandsteinwände des Bankomatenraums im Inneren der Liegenschaft, die Stahlbetondecke des Bankomatenraums, die Wand zwischen dem Bankomatenraum und dem Verkaufsgeschäft L. Shop und Verkaufsgegenstände beschädigt worden. Dadurch sei ein Sachschaden von insgesamt ca. Fr. 167'000.-- entstanden. Überdies sei eine konkrete Gefahr für Leib und Leben von Menschen geschaffen worden. Es sei Zufall gewesen, dass niemand von der durch die Explosion verursachten Druckwelle erfasst oder von herumgeschleuderten Gebäude- oder Bankomatenteilen getroffen worden sei. Der Beschuldigte habe in Bezug auf das Sprengstoffdelikt mit Gefährdungsvorsatz und in verbrecherischer Absicht gehandelt. Schliesslich wird dem Beschuldigten vorgeworfen, er sei nach der Bankomatensprengung gegen den Willen der L. AG unberechtigt in deren Ladenlokal eingedrungen.

3. Äusserer Sachverhalt

3.1 Unbestrittener Sachverhalt

Der Beschuldigte war im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung geständig, an den beiden Bankomatensprengungen und Vermögensdelikten in Sevelen SG vom 12. Dezember 2019 und Neftenbach ZH vom 20. Dezember 2019 als Mittäter beteiligt gewesen zu sein. Die Begehung der Begleitdelikte (Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch) räumte er ebenfalls ein. In tatsächlicher Hinsicht ist trotz der Geständnisse jeweils zu prüfen, ob diese glaubhaft sind und in den Akten Stütze finden (siehe E. 3.3.1; vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_576/2020 vom 18. März 2022 E. 3.3).

3.2 Bestrittener Sachverhalt

Der Beschuldigte bestreitet jedoch bei beiden Sprengstoffdelikten die konkrete Gefährdung und den Gefährdungsvorsatz betreffend Leib und Leben von Menschen. Ansonsten werden die Anklagevorwürfe anerkannt.

3.3 Rechtliches

3.3.1 Gemäss Art. 10 Abs. 2 StPO würdigt das Gericht die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung. Mit Art. 10 Abs. 2 StPO weist das Gesetz das Gericht an, die zur Klärung des Sachverhalts verwendbaren Beweise in freier Beweiswürdigung, also unabhängig von Beweisregeln, auf ihre Aussagekraft hin zu beurteilen, um daraus einen rechtsrelevanten Schluss zu ziehen; Ziel ist die Ermittlung der materiellen Wahrheit. Überzeugungskraft entfalten die Beweismittel danach einzig im Umfang ihrer inneren Autorität (Urteil des Bundesgerichts 6B_576/2020 vom 18. März 2022 E. 3.3; Hofer, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Jugendstraf-prozessordnung, 3. Aufl. 2023, Art. 10 StPO N. 41 ff., 56). Sind die Angaben glaubhaft, kann die Verurteilung auf diese auch dann gestützt werden, wenn andere Personen das Gegenteil behaupten oder wenn die Person ihr Aussageverhalten während des Prozesses geändert hat, z.B. auf ein widerrufenes Geständnis (Wohlers, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2020, Art. 10 StPO N. 27). Das Geständnis ist wie jedes andere Beweismittel zu überprüfen und frei zu würdigen (Urteil des Bundesgerichts 6B_576/2020 vom 18. März 2022 E. 3.3; Godenzi, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, a.a.O., Art. 158 StPO N. 38 sowie Art. 160 StPO N. 5). Für dessen Glaubhaftigkeit sind vor allem die Einzelheiten des Tathergangs relevant (vgl. Art. 160 StPO; Urteil des Bundesgerichts 6B_576/2020 vom 18. März 2022 E. 3.3; Godenzi, a.a.O., Art. 160 StPO N. 3 ff.). Ist die beschuldigte Person geständig, so prüfen Staatsanwaltschaft und Gericht die Glaubwürdigkeit ihres Geständnisses und fordern sie auf, die näheren Umstände der Tat genau zu bezeichnen (Art. 160 Abs. 1 StPO).

3.3.2 Eine Verurteilung darf nur ergehen, wenn das Strafgericht über jeden vernünftigen Zweifel hinaus überzeugt ist, dass sämtliche Strafbarkeitsvoraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht vorliegen (Urteil des Bundesgerichts 6B_576/2020 vom 18. März 2022 E. 3.3; Tophinke, Basler Kommentar, 3. Aufl. 2023, Art. 10 StPO N. 83). Bestehen gemäss Art. 10 Abs. 3 StPO unüberwindliche Zweifel an der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat, so geht das Gericht von der für die beschuldigten Person günstigeren Sachlage aus. Eine tatbestandsmässige, zum Schuldspruch beitragende Tatsache ist rechtserheblich festgestellt, sobald das Gericht erkennt, dass die Zuverlässigkeit des Beweisergebnisses (z.B. gestützt auf ein Geständnis) nicht ernsthaft zu bezweifeln ist (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_576/2020 vom 18. März 2022 E. 3.3).

3.4 Beweismittel zum Tatkomplex Sevelen SG

3.4.1 Berichte der Bundeskriminalpolizei

Gemäss Berichten der Bundeskriminalpolizei vom 3. Mai 2021 und 3. April 2023 wurde am Donnerstag, 12. Dezember 2019, um ca. 01:33 Uhr, der Geldautomat der B. Bank in Sevelen SG mittels Sprengstoffs gewaltsam geöffnet, um an das darin befindliche Bargeld zu gelangen. Der unbekannten Täterschaft gelang die Flucht. Aufgrund der Aussagen von mehreren Augenzeugen ist davon auszugehen, dass es sich um zwei dunkel gekleidete Personen gehandelt hat, welche den Tatort nach der Sprengung in nördlicher Richtung verliessen. Einer der Täter wurde als ca. 180-190 cm gross mit einer athletischen Figur, der andere als ca. 160-170 cm gross mit einer festen Statur beschrieben. Aussagen einer Augenzeugin, wonach es sich bei einem der Täter um eine Frau gehandelt haben soll, wurden von den anderen Augenzeugen nicht bestätigt. Die unbekannte Täterschaft flüchtete in Richtung M. Strasse und bog dann in die N. Strasse ein. Der weitere Fluchtweg konnte von den Augenzeugen nicht beobachtet werden. Durch die Kantonspolizei St. Gallen konnten auf der mutmasslichen Fluchtroute der Täterschaft, ca. 200 Meter vom Tatort entfernt, in einem Gebüsch bei der N. Strasse, Querstrasse zur M. Strasse, zwei Brecheisen und zwei Schraubenzieher sichergestellt werden. Die Brecheisen und die Schraubenzieher wurden durch den Kriminaltechnischen Dienst der Kantonspolizei St. Gallen untersucht. Aufgrund der am Geldautomaten sichergestellten Farbspuren ist in hohem Masse davon auszugehen, dass die Brecheisen durch die unbekannte Täterschaft am Tatort zum Aufbrechen/Aufhebeln des Geldausgabefachs verwendet wurden. Auf den Brecheisen konnten die DNA-Spuren vom Beschuldigten (schwarzes Brecheisen) und von I. (blaues Brecheisen) gesichert werden (BA 10-02-0033 f.; 10-02-0145).

3.4.2 Aussagen

3.4.2.1 Aussagen Beschuldigter

a) Der bis Januar 2023 in Dänemark inhaftierte Beschuldigte machte im Untersuchungsverfahren im Rahmen der rechtshilfeweisen durchgeführten Einvernahme vom 26. März 2021 von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch (BA 18-06-0078, -0082 ff.). Er erklärte einzig, dass er mit einer Auslieferung an die Schweiz einverstanden sei und erst in der Schweiz zur Sache aussagen werde (BA 18-06-0083).

b) Nach seiner vorübergehenden Auslieferung in die Schweiz machte er in dem gegen ihn geführten Strafverfahren (SV.21.0837) am 12. Januar 2023 in der Hafteinvernahme bei der Bundesanwaltschaft erstmals Aussagen. Er gestand, die Bankomatensprengung in Sevelen am 12. Dezember 2019 gemeinsam mit einer zweiten Person begangen zu haben. Er sagte auf Vorhalt des Vorwurfs, in Sevelen einen Bankomaten aufgesprengt, Bargeld entnommen und einen grossen Sachschaden verursacht zu haben, umgehend aus, dass der Vorwurf zutreffe. Er schilderte die Planung, Vorbereitung und Ausführung der Tat im Detail. So gab er beispielsweise zu Protokoll, mit Brecheisen den Schlitz des Bankomaten vergrössert zu haben. Dann habe er Sprengstoff an der Tatstatur des Bankomaten angebracht, worauf es anschliessend geknallt habe. Bei der Tat habe er einen schwarzen Sportanzug und eine Kapuze getragen (BA 13-03-0001, -0022).

Zur Tatbeteiligung und zum Namen des Mittäters wolle er sich nicht äussern. Er könne nur für sich antworten. Als Grund dafür gab er an, dass es um die Sicherheit seiner Familie gehe. Auf die Frage, in welcher Beziehung er zu I. stehe, sagte er aus, dass sie Freunde seien. Sie würden sich seit ca. 5 Jahren kennen. Er sei von Rumänien zu I. nach Österreich gekommen, um in dessen Firma zu arbeiten. Er habe mit der Firma von I. einen Vertrag gehabt. Die Arbeiten seien aber wegen Corona sistiert worden. Im Juni 2020 sei er dann mit I. in die Schweiz gekommen. Auf Vorhalt einer Meldebestätigung aus dem Zentralen Melderegister von Österreich vom 29. Mai 2020 sagte er aus, dass er im Dezember 2019 und ab dem 29. Mai 2020 einen Nebenwohnsitz in Z. in Österreich bei I. gehabt habe. Er könne aber nicht sagen, ob er mit I. im Dezember 2019 in der Schweiz gewesen sei (BA 13-03-0006, -0009).

c) Am 3. Februar 2023 sagte der Beschuldigte in der delegierten Einvernahme bei der Bundeskriminalpolizei im Wesentlichen gleichbleibend aus. Er ergänzte, dass er die Idee gehabt habe, den Bankomaten in Sevelen zu sprengen. Er und sein Mittäter hätten zusammen den Sprengstoff gekauft. Derjenige, von welchem sie das Paket mit dem Sprengstoff gekauft hätten, habe ihnen gesagt, dass man das Paket mit den zwei Drähten nur an den Strom anbringen müsse. Der Verkäufer habe ihnen auch gesagt, dass sie weit genug entfernt sein müssten, wenn sie die Drähte anbringen würden, weil ihnen sonst die Explosion in den Köpfen stark nachhallen würde. Sie hätten dann am Tatort den Schlitz des Bankomaten mit einem Geissfuss vergrössert. Sein Mittäter habe ihm ein Paket gegeben. Das Paket habe zwei Drähte mit einer Länge von ca. 10 cm und einer Batterie gehabt. Er habe dann die Sprengladung ca. 30-40 cm in den Bankomaten hineingeschoben. Auf Vorhalt eines Kartenausschnittes von Google Maps beschrieb der Beschuldigte den Hin- und Rückweg zum bzw. vom Tatort, welcher in Sevelen entlang von Bahngeleisen geführt habe. Anschliessend zeichnete er auf dem vorgelegten Kartenausschnitt von Sevelen den Fluchtweg ein, welcher er und sein Komplize nach der Bankomatensprengung genommen hätten. Der auf der Karte eingezeichnete Fluchtweg führt ausgehend von der B. Bank in Sevelen in nördliche Richtung entlang der N. Strasse durch ein Wohnquartier in Richtung der geschilderten Bahngeleise (BA 13-03-0040 ff.).

d) In der Schlusseinvernahme bei der Bundesanwaltschaft vom 21. April 2023 war der Beschuldigte geständig, dass er am 12. Dezember 2019 um 01:33 Uhr an der J. Strasse in Sevelen mit einer unbekannten Täterschaft mit je einem Brecheisen das Geldausgabefach des in die Aussenfassade der dortigen Liegenschaft eingebauten Bankomaten der B. Bank aufgehebelt und durch dieses eine unkonventionelle Spreng- und Bandvorrichtung (USBV), bestehend aus dem Sprengstoff TATP, in den Bankomaten eingeführt und mit einer Batterie auf elektronischem Weg zur Explosion gebracht habe (BA 13-03-0067 f.). Zum Gefährdungspotential der Bankomatensprengung befragt, erklärte der Beschuldigte mehrmals, dass er vor Ort keine Personen gesehen habe und niemanden habe gefährden wollen. Er habe nicht angenommen, dass in diesem Gebäude Menschen wohnen würden. Auf Vorhalt des Sachschadens von ca. Fr. 107'000.-- erklärte er, dass es ihm leidtue (BA 13-03-0068 ff.).

In Bezug auf die Deliktssumme war der Beschuldigte geständig, dass er aus dem durch die Explosion zerstörten Bankomaten zusammen mit der unbekannten Täterschaft Fr. 126'000.-- entnommen und sich vom Tatort entfernt habe (BA 13-03-0069).

Zur Mittäterschaft befragt, sagte er wiederholt aus, dass er die Bankomatensprengung zusammen mit einer unbekannten Täterschaft begangen habe. Er könne aber nur für sich sprechen (BA 13-03-0071).

e) Nebst den Einvernahmen als Beschuldigter ist A. am 3. Februar 2023 im vorliegenden Verfahren als Auskunftsperson befragt worden, wobei es im Wesentlichen um eine Bankomatensprengung in UU. im Kanton St. Gallen ging (BA 13-03-0052 ff.). Zusammengefasst sagte er aus, an den Bankomatensprengungen in Sevelen und Neftenbach beteiligt gewesen zu sein, mit den anderen habe er hingegen nichts zu tun (BA 13-03-0054).

f) In der Hauptverhandlung vom 16. November 2023 wurde der Beschuldigte in der Sache zu den näheren Umständen der Bankomatensprengung (Tatplanung, Tatausführung, Mittäterschaft, Gefährdungspotenzial, Beweggrund,) von Sevelen SG befragt. Auf einleitenden Vorhalt des Anklagevorwurfs sagte er aus, dass er von Anfang an geständig gewesen sei (TPF 18.731.007). Er bestätigte mehrmals sein weitreichendes Geständnis vom Vorverfahren und sagte im Wesentlichen gleichbleibend aus. Zudem legte er erstmals im Verfahren auch in Bezug auf den Namen und den Tatbeitrag seines Mittäters ein Geständnis ab.

Zur Tatplanung gab er zu Protokoll, dass er im Vorfeld der Bankomatensprengung zu I. nach Österreich gefahren sei. Sie seien ins Gespräch gekommen, wie man zu Geld kommen könne. Dann hätten sie am Wohnsitz von I. im Internet recherchiert und gesehen, wie es gehe, Bankomaten zu sprengen. Sie hätten sich im Internet erkundigt, wo sich ein Bankomat befinde. Es sei im Internet alles erklärt gewesen, wie eine Sprengung mit Kabeln und einer Batterie funktioniere. I. und er seien dann auf die Idee gekommen, dass sie das auch tun könnten. Sie seien beide mit der Bankomatensprengung einverstanden gewesen. Anschliessend hätten sie sich die Werkzeuge gekauft. Es habe sich um zwei Schraubenzieher gehandelt. Auf die Frage, wie die Beschaffung des Sprengstoffes abgelaufen sei, sagte er aus, dass I. über seine kleinere Baufirma in Österreich einen Ukrainer gekannt habe, welcher eine grössere Baufirma gehabt habe. I. habe den Ukrainer gut gekannt, weil dieser ihm von seinen Aufträgen abgegeben habe. Es sei denn auch I. gewesen, welcher ihn mit dem Lieferanten des Sprengstoffes bekannt gemacht und dann zu ihm geschickt habe. Für den Kauf des Sprengstoffes habe er sich Geld geliehen. Er habe durch I. den Lieferanten getroffen und von diesem die explosiven Substanzen erhalten. Diese Person habe ihm gesagt, dass die Kabel vom Sprengstoffpäckchen noch an die Batterie angeschlossen werden müssten. Das Sprengstoffpaket sei fixfertig gewesen (TPF 18.731.007 f., -011 f., -013, -014, -016).

Zum Tathergang und zur Beute sagte er aus, dass I. ein Auto gemietet habe. I. habe alles vorbereitet gehabt. Sie seien dann von Österreich über eine kleine Grenze nach Liechtenstein gefahren. Von dort aus seien sie entlang eines Eisenbahngeleises gelaufen. Anschliessend hätten sie bei der Bank in Sevelen 10 bis 20 Minuten gewartet. Sie hätten dann beim Bankomaten mit dem Werkzeug, dort, wo das Geld herauskomme, die Öffnung verbreitert. Der Sprengstoff sei in einem Päckchen gewesen. Sie hätten dann das Päckchen mit der Substanz in die Öffnung eingeführt. Am Päckchen seien 8 bis 10 Meter lange Kabel angebracht gewesen. Sie hätten sich 8 bis 10 Meter vom Bankomaten entfernt, so lange wie das Kabel gewesen sei. Dann hätten sie das Päckchen mit einer Batterie gezündet und die Sprengung habe stattgefunden. Auf Nachfrage sagte der Beschuldige präzisierend aus, dass er die Explosion des Sprengstoffes gezündet habe. Er sei bei der Explosion seitlich am Gebäude gestanden. Der Bankomat sei aber nicht komplett zerstört worden, sondern nur der obere Teil. Sie hätten dann das Geld entnommen und in den Rucksack gesteckt. Auf Nachfrage sagte er ergänzend aus, dass er das Geld in seinen Rucksack gesteckt und I. die Werkzeuge in seinem Rucksack verstaut habe. Das Ganze habe rund zwei Minuten gedauert. Das Geld sei durch die Explosion grösstenteils beschädigt worden. Danach seien sie auf dem gleichen Weg entlang der Bahnlinie zurückgegangen. Auf dem Rückweg hätten sie das Werkzeug weggeworfen. Zur Aufteilung der Beute befragt, antwortete der Beschuldigte, dass sie das wenig brauchbare Geld hälftig geteilt hätten. Auf Frage zur Mittäterschaft sagte er mehrmals aus, dass er die Bankomatensprengung in Sevelen gemeinsam mit I. begangen habe. Auch auf Nachfrage, ob er am 12. Dezember 2019 gemeinsam mit I. in Sevelen den Bankomaten gesprengt und danach zusammen mit ihm geflohen sei, gab er zu Protokoll: «Ja.» (TPF 18.731.007 f., -010 f., -012, -015 f.).

Zur Gefährdungslage sagte er aus, dass er aufgrund der Recherche im Internet zur Bankomatensprengung gedacht habe, dass es ein Geschäftsgebäude sei. Es habe nichts darauf hingedeutet, dass dort Personen wohnen würden. Es habe keine Vorhänge oder Blumen gehabt. Sie hätten vor Ort geschaut und sich abgesichert, dass niemand bei der Bankomatensprengung in der Nähe sei. Das Gebäude habe den Anschein gemacht, dass dort Büros seien. Draussen sei niemand gewesen. Ihm sei es wichtig gewesen, dass niemand in der Nähe gewesen sei. Sie hätten sich abgesichert. Wenn er gewusst hätte, dass im Gebäude Menschen seien, wäre die Bankomatensprengung nicht passiert (TPF 18.731.007, -011 f.).

Zu seinen Beweggründen gab er zu Protokoll, dass sein Vater in Rumänien gesundheitliche Probleme gehabt habe. Er habe das Geld für eine ärztliche Behandlung seines Vaters im Spital benötigt. Sein Anteil vom Geld von der Bankomatensprengung sei für die Behandlungskosten verwendet worden (TPF 18.731.007, -012).

3.4.2.2 Aussagen I.

I. wurde im Vorverfahren erstmals am 19. Juni 2020 in Österreich befragt (BA 18-01-0030 ff.). Diese Einvernahme ist jedoch mangels notwendiger Verteidigung nicht verwertbar (vgl. BA 01-02-0015). Am 10. August wurde er durch die Bundeskriminalpolizei delegiert befragt, am 11. August 2020 erfolgte die Hafteinvernahme durch die Bundesanwaltschaft. Weitere Einvernahmen folgten am 20. Oktober 2020 und 17. Februar 2021 durch die Bundeskriminalpolizei sowie am 9. Juni 2021 bei der Bundesanwaltschaft. Schliesslich wurde I. von der Strafkammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts am 22. Dezember 2021 bzw. 2. März 2023 im Rahmen der Hauptverhandlungen einvernommen. Er hat seine Tatbeteiligung während des Vor- und Hauptverfahrens konsequent abgestritten. Er machte keine belastenden Aussagen zum Nachteil des Beschuldigten (BA 13-02-0001 ff.; 13-02-0009 ff.; 13-02-0029 ff., 13-02-0054 ff.; 13-02-0143 ff.; B18.11.001-602 ff.; TPF 9.731.001 ff.).

3.4.2.3 Aussagen Auskunftsperson O.

O. wohnte zum Tatzeitpunkt an der J. Strasse in Sevelen und gab im Vorverfahren zusammengefasst zu Protokoll, aufgrund eines Knalls in der Nacht vom 12. Dezember 2019 erwacht zu sein. Aus dem Fenster ihrer Wohnung habe sie zwei Personen beim Bankomaten feststellen können. Eine Person sei ca. 180-190 cm gross, die andere ca. 165-170 cm gross gewesen. Aufgrund der Figur und der Bewegungen letzterer Person gehe sie davon aus, dass es sich bei dieser um eine Frau gehandelt habe. Werkzeuge habe sie bei den Personen nicht feststellen können. Sie habe noch gesehen, wie die Personen vom Bankomaten zu Fuss in die M. Strasse gerannt seien (BA 12-01-0002 ff.).

3.4.2.4 Aussagen Auskunftsperson P.

P. wohnte zum Tatzeitpunkt oberhalb des Bankomaten an der J. Strasse in Sevelen und gab im Vorverfahren zu Protokoll, zum Tatzeitpunkt durch die Explosion geweckt worden zu sein. Von seiner Wohnung aus habe er zwei Personen gesehen, die zur Seite des Wohnblocks gegangen seien; einer davon habe etwas auf der Strasse eingesammelt und in eine Umhängetasche gesteckt. Anschliessend habe er zwei Lichter bei der M. Strasse bemerkt. Aufgrund der Bewegungen der Personen glaube er, dass es sich um jüngere Personen gehandelt habe. Wie gross die Personen gewesen seien und ob es sich um Männer oder Frauen gehandelt habe, wisse er nicht (BA 12-04-0002 f.; 10-01-0024).

3.4.2.5 Aussagen Auskunftsperson Q.

Q. wohnte zum Tatzeitpunkt an der M. Strasse in Sevelen und äusserte sich im Vorverfahren zusammengefasst wie folgt: Am 12. Dezember 2019 habe er in seiner Wohnung um ca. 01:30 Uhr einen Knall gehört. Kurze Zeit später sei er auf die M. Strasse gegangen. Er habe zwei Personen gesehen, welche zu Fuss die J. Strasse überquert hätten und in die M. Strasse eingebogen seien. Als diese auf ihn zugerannt seien, habe er feststellen können, dass eine der beiden Personen einen Gegenstand in der rechten Hand gehalten und mit einer Geste angedroht habe, ihn damit zu schlagen. Daraufhin sei er erschrocken und zu Boden gefallen. Anschliessend habe er gesehen, dass die beiden Personen in die N. Strasse abgebogen seien. Die eine Person sei gross (ca. 180-185 cm), muskulös und sicherlich ein Mann gewesen. Die kleinere Person (ca. 170 cm) könne er nicht genau beschreiben (BA 12-02-0002 ff.).

3.4.3 Am Tatort angetroffene Situation und die Folgen der Explosion

a) Im Bericht vom 12. Dezember 2019 beschreibt die Kantonspolizei St. Gallen die am Tatort angetroffene Situation und die Folgen der Explosion wie folgt: Vor Ort ist ein aufgesprengter und komplett zerstörter Bankomat vorgefunden worden. Im Bereich des Tatortes lagen diverse Teile des Bankautomaten sowie der Gebäudefassade umher. Durch die Sprengung des Bankomaten ist ein massiver Gebäudeschaden entstanden (BA 10-01-0002, -0008).

b) Dem Bericht des Forensischen Instituts Zürich vom 6. März 2020 ist zu entnehmen, dass es sich beim Ereignisort um ein mehrstöckiges Wohn- und Geschäftshaus handelt, welches direkt an der Hauptstrasse in Sevelen SG liegt. Der gesprengte Bankomat befindet sich im mittleren Teil der zur Hauptstrasse zugewandten Frontseite des Gebäudes. Der Bankomat (Tresor) selbst befindet sich in einem separaten, kleineren Raum innerhalb des Gebäudes. Durch die Wucht der Explosion wurden die Bedienkonsole des Bankomaten sowie Teile der anliegenden Wandplatten des Gebäudes auf das Trottoir und die Strasse geschleudert. Der Bankomat wurde durch die Explosion stark beschädigt. Die Wucht der Explosion vermochte jedoch nicht den Tresor des Bankomaten aufzusprengen, sondern lediglich stark zu deformieren. Durch die Wucht der Explosion konnten auch weitere Schäden am Gebäude, wie zerborstene Fensterscheiben und heruntergefallene Deckenelemente festgestellt werden (BA 11-02-0026, -0035).

c) Die Fotoaufnahmen vom Tatort dokumentieren einen aufgesprengten Bankomaten. Auf dem anliegenden Trottoir und der J. Strasse liegen Trümmerteile der Bedienkonsole des Bankomaten sowie Teile der Wandplatten des Gebäudes an der J. Strasse in Sevelen herum. An der Liegenschaft sind ausserdem zerborstene Fensterscheiben ersichtlich (BA 10-01-0007 f.; 11-01-0007 ff.).

3.4.4 In Tatortnähe sichergestellte Gegenstände und gesicherte Spuren

a) Die Kantonspolizei St. Gallen konnte an der N. Strasse in Sevelen einen blauen und schwarzen Geissfuss (Brecheisen) sowie zwei Schraubenzieher sicherstellen (BA 10-01-0023; 11-01-0002, -0023 f.; 10-02-0013). Diese seien neuwertig und höchstwahrscheinlich noch nie benutzt worden (BA 10-01-0010). Gemäss Bericht des Kriminaltechnischen Dienstes der Kantonspolizei St. Gallen vom 9. Januar 2020 konnte aufgrund der am vorgenannten schwarzen Geissfuss gesicherten DNA-Spuren ein Mischprofil erstellt werden. Dessen Hauptprofil stimmt in den 10 vergleichbaren DNA-Systemen mit dem DNA-Profil des Beschuldigten überein; das Nebenprofil konnte nicht interpretiert werden (BA 11-01-0002 f., -0014 f.). Gestützt auf die am blauen Geissfuss gesicherten Spuren konnte überdies ein Mischprofil (PCN 26 830847 93) erstellt werden, dessen Hauptprofil mit dem DNA-Profil von I. übereinstimmt (BA 11-01-0002 f., -0012, -0014; 10-01-0039).

Im Gutachten vom 20. Februar 2023 kommt das Institut für Rechtsmedizin des Kantonsspitals St. Gallen (BA 11-05-0008 ff.) zur Beurteilung, dass am Spurenasservat (FOR 19.01551 / PCN 26 830847 93) ab dem Brechwerkzeug ein inkomplettes DNA-Mischprofil nachweisbar war. Dieses DNA-Hauptprofil weist in den einzelnen DNA-Abschnitten maximal 2 DNA-Merkmale auf, demzufolge davon ausgegangen werden kann, dass es sich um das DNA-Profil einer einzelnen Person handelt. Der Nachweis des Abschnitts, lokalisiert auf dem Y-Chromosom, im geschlechtsspezifischen Amelogeninsystem zeigt, dass das DNA-Profil einer männlichen Person zugeordnet werden kann. Auf die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit die am 12. Dezember 2019 ab dem Brechwerkzeug sichergestellte DNA-Spur mit dem DNA-Profil des Beschuldigten übereinstimme, kamen die Gutachter zu folgendem Schluss: Die biostatische Auswertung basiert auf europäiden Vorkommenshäufigkeiten der nachgewiesenen DNA-Merkmale im inkompletten DNA-Hauptprofil bzw. im DNA-Profil der Person und führt zur Aussage, dass der Beweiswert rund 5.0 x 109 mal höher ist, wenn der Beschuldigte als Spurengeber des inkompletten DNA-Hauptprofils PCN 26 830847 91 angenommen wird, als wenn davon ausgegangen würde, der Spurengeber sei ein unbekannter, mit dem Beschuldigten nicht verwandter Mann (BA 11-05-0009 f.).

b) Gemäss Forensischem Untersuchungsbericht der Kantonspolizei St. Gallen vom 22. Januar 2020 kann das Eigenmaterial der zwei vorgenannten Geissfüsse weder mikroskopisch noch anhand Infrarotspektren von am Bankomaten gesichertem schwarzen bzw. blauen Lackabrieb unterschieden werden; dies spreche in hohem Mass dafür, dass die zwei Geissfüsse in Kontakt mit dem Bankomaten gekommen seien (BA 11-01-0023 f.).

c) Gemäss Forensischem Bericht des Kriminaltechnischen Dienstes St. Gallen vom 9. Januar 2020 wurden die Tatwerkzeuge (zwei Geissfüsse und zwei Schraubenzieher) an der N. Strasse in Sevelen aufgefunden (BA 11-01-0002, -0005). Der Fundort der Gegenstände liegt auf dem Fluchtweg der Täterschaft, welcher sich anhand der Aussagen von Anwohnern rekonstruieren lässt (BA 10-01-0004; 10-01-0024; 10-01-0026; 12-01-0003; 12-02-0002 f., 0005).

d) Die Auswertung der Spuren am gesprengten Bankomaten durch das Forensischen Institut Zürich ergab laut Spurenbericht vom 6. März 2020, dass es sich beim eingesetzten Sprengstoff um ein nicht handhabungssicheres, hochexplosives Selbstlaborat auf der Basis von TATP gehandelt habe. TATP könne schon durch geringe Einwirkungen von Schlag, Reibung, Hitze oder Funken zur Explosion gebracht werden (BA 11-02-0027, -0034).

3.4.5 Vorleben als «Kriminaltourist»

Der Beschuldigte weist in der Schweiz und im Ausland im Zeitraum von 2012 bis zu den beiden Tatzeitpunkten vom Dezember 2019 mehrere Vorstrafen auf. Abklärungen über Europol ergaben, dass der Beschuldigte in verschiedenen Ländern (Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Dänemark) unter anderem wegen Vermögens- und Sprengstoffdelikten im Zusammenhang mit Banktresoren verzeichnet ist (BA 10-02-0005 f.; 10-02-0145; 17-01-0001 ff.; B17.01.001-0001 ff.). In Bezug auf die konkreten Vorstrafen kann im Übrigen auf Erwägung 8.5.1.1 betreffend die Täterkomponente verwiesen werden. Mit Urteil des dänischen U. Landsret vom 17. Juni 2022 wurde der Beschuldigte zuletzt im Zusammenhang mit einer Sprengstoffattacke auf einen Bankomaten in Dänemark letztinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt (BA 17-01-0067; B18-06-001-0330 ff.). Da er die vorliegenden zu beurteilenden Delikte vor der Verurteilung in Dänemark begangen hat, gilt er diesbezüglich allerdings als nicht vorbestraft. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck (Republik Österreich) führt zurzeit ein Ermittlungsverfahren unter anderem gegen den Beschuldigten und I. wegen des Verdachts der Widerhandlungen gegen das Sprengstoffgesetz im Zusammenhang mit vier Bankomatensprengungen im Zeitraum vom 13. Mai 2020 bis 3. Juni 2020 (BA 10-02-0046).

3.4.6 Beweismittel bezüglich des Bargeldes

Gemäss Bericht der Kantonspolizei St. Gallen vom 13. Januar 2020 wurde der Geldausgabeautomat der B. Bank an der J. Strasse in Sevelen am 11. Dezember 2019 mit Fr. 353'500.-- und Euro 58'050.-- befüllt. Die letzte Entnahme von Bargeld vor dem Einbruchdiebstahl fand am 11. Dezember 2019 um 22:36 Uhr statt. Es wurde vor der Sprengung des Bankomaten ein Bargeldbezug von Fr. 700.-- getätigt. Nach der Öffnung des gesprengten und beschädigten Tresorfaches musste festgestellt werden, dass die unbekannte Täterschaft am 12. Dezember 2019 an der J. Strasse in 9475 Sevelen bei der B. Bank 633 Noten à Fr. 200.--, entsprechend Fr. 126'600.--, aus der obersten Bargeldkassette entwendet hat (BA 10-01-0036 f.).

3.4.7 Beweismittel betreffend Sachschaden

a) Durch die Explosion des in die Aussenfassade der Liegenschaft an der J. Strasse in Sevelen SG eingebauten Bankomaten entstand am Wohn- und Geschäftsgebäude ein Sachschaden in der Höhe von Fr. 71'274.65. Die im Eigentum der Stockwerkeigentümergemeinschaft R. gehörende Liegenschaft wurde namentlich an der Aussenfassade, den Fenstern, den Scheiben beim Hauseingang, den Briefkästen und an den Deckenverkleidungen beschädigt (BA 10-01-0002, -0007 f.; 11-01-0006 f.; 11-02-0027; 15-05-0022 ff.). Die Schadenspositionen sind mit Rechnungen und Quittungen dokumentiert. Gemäss Schreiben der D. Versicherung (Versicherer der Stockwerkeigentümergemeinschaft R.) vom 10. Dezember 2020 hat die S., Verwalterin der Stockwerkeigentümergemeinschaft, einen Schaden von Fr. 71'075.-- vergütet erhalten (BA 15-05-0007, -0025, -0027).

b) An der Bankomateneinrichtung im Eigentum der B. Bank entstand durch die Sprengung ein Sachschaden in der Höhe von Fr. 36'000.--. Gemäss Schreiben der C. AG (Versicherer der B. Bank) wurde der Schaden vergütet (BA 15-03-0012; vgl. 15-03-0005).

c) Der Sachschaden beträgt somit insgesamt Fr. 107'274.65.

3.5 Beweismittel zum Tatkomplex von Neftenbach ZH

3.5.1 Berichte der Bundeskriminalpolizei

Gemäss Berichten der Bundeskriminalpolizei vom 3. Mai 2021 und 3. April 2023 wurde am Freitag, 20. Dezember 2019, um ca. 01:51 Uhr, in Neftenbach ZH ein weiterer Geldautomat der F. Bank gesprengt. Auf den Aufzeichnungen der Überwachungskameras sind zwei unbekannte, dunkel gekleidete Personen ersichtlich, welche zuerst die Überwachungskameras mit Farbspray besprayen. Durch die Kantonspolizei Zürich konnten am Tatort unter anderem zwei Brecheisen sichergestellt werden. Auf einem der Brecheisen konnte eine DNA-Spur gesichert werden, welche dem Beschuldigten zugeordnet werden konnte. Aufgrund der gesicherten Spuren ist davon auszugehen, dass die Täterschaft Sprengstoff auf der Basis von TATP verwendete. Abdruckspuren deuten auf eine Grösse des Sprengstoffpakets von ca. 10 x 12 cm hin. Die Zündung dürfte elektronisch erfolgt sein. Aufgrund der räumlichen und zeitlichen Nähe zum Tatort Sevelen SG, desselben Modus Operandi, der gleichen Anzahl Täter, den Bildern der Überwachungskameras, des verwendeten Sprengstoffs sowie des gesicherten DNA-Profils des Beschuldigten ist davon auszugehen, dass es sich in beiden Fällen um die gleiche Täterschaft handelt (BA 10-02-0035, -0146 f.).

3.5.2 Aussagen Beschuldigter

a) In der Hafteinvernahme bei der Bundesanwaltschaft nach der Auslieferung in die Schweiz sagte der Beschuldigte am 12. Januar 2023 auf Vorhalt des Vorwurfs, in Neftenbach ZH einen Bankomaten aufgesprengt, Bargeld entnommen und einen grossen Sachschaden verursacht zu haben, umgehend aus, dass der Vorwurf zutreffe. Er habe von seinem Rechtsanwalt die Bilder verlangt und den Ort wiedererkannt. Als er die Bilder gesehen habe, habe er das Geschäft wiedererkannt. Er wisse, dass daneben eine Tankstelle gewesen sei. Sie seien gleich vorgegangen wie in Sevelen. Konfrontiert mit der Aussage, dass auf einem der beiden Brecheisen seine DNA sichergestellt worden sei, antwortete er, ja er sei es gewesen. Zur Ausführung der Tat schilderte er Folgendes: Er sei 10 Meter von der Sprengung entfernt gewesen, da das Kabel nur maximal 10 Meter weit gereicht habe. Gott sei Dank sei ihm nichts geschehen. Wenn er zurückdenke, danke er Gott, dass dieses Wandstück nicht auf ihn gefallen sei. Er habe sich dieser Gefahr ausgesetzt, weil er Geld gebraucht habe, um seinen Vater ins Spital bringen zu können. Er erinnere sich aber nicht mehr daran, wie viel Geld dort gewesen sei. Er wisse nur, dass sie das Geld vom Boden aufgesammelt hätten. Sie hätten nicht alles aufgesammelt, da es zum Teil beschädigt gewesen sei (BA 13-03-0014, -0023 f., 0027 f.).

b) In der Einvernahme bei der Bundeskriminalpolizei vom 3. Februar 2023 bestätigte der Beschuldigte auf Nachfragen seine Aussagen in der Hafteinvernahme. Zudem erklärte er zur Auswahl des Bankomaten: Die erste Bankomatensprengung sei in der Stadt gewesen, wo es einfach viele Menschen gebe. Die zweite hätten sie so ausgewählt, um eben weit weg von vielen Menschen zu sein. Die zweite Sprengung habe quasi auf dem Feld stattgefunden (BA 13-03-0039, -0045).

c) In der Schlusseinvernahme bei der Bundesanwaltschaft vom 21. April 2023 bestätigte der Beschuldigte zunächst, dass seine bisherigen Aussagen der Wahrheit entsprächen. Er anerkannte nochmals explizit, am 20. Dezember 2019 in Neftenbach zusammen mit einer unbekannten Täterschaft Sprengstoff in einen Bankomaten eingeführt und zur Explosion gebracht, einen Schaden von ca. Fr. 167'000.-- verursacht und Fr. 103'000.-- entwendet zu haben. Auf Vorhalt, durch die Explosion Leib und Leben von Menschen konkret gefährdet zu haben, erklärte er, wenn er jemanden in der Nähe gesehen hätte, hätte er diese Sache nicht getan. Er sage es mit der Hand auf seinem Herzen, dass er kein Leben einer Person in Gefahr habe bringen wollen (BA 13-03-0067, -0072 f.).

d) In Bezug auf die Einvernahme des Beschuldigten als Auskunftsperson vom 3. Februar 2023 kann auf Erwägung 3.4.2.1 e) verwiesen werden.

e) In Bezug auf die rechtshilfeweisen durchgeführten Einvernahmen des Beschuldigten in Dänemark kann auf Erwägung 3.4.2.1 a) verwiesen werden.

f) In der Hauptverhandlung vom 16. November 2023 wurde der Beschuldigte in der Sache zu den näheren Umständen der Bankomatensprengung (Tatplanung, Tatausführung, Mittäterschaft, Gefährdungspotenzial, Beweggrund,) von Neftenbach ZH befragt. Auf einleitenden Vorhalt des Anklagevorwurfs sagte er aus, dass er die Tat bereits zugegeben habe. Er bestätigte mehrmals sein weitreichendes Geständnis vom Vorverfahren und sagte weitgehend gleichbleibend aus. Wie beim Tatkomplex Sevelen SG (vgl. E. 3.4.2.1 f.) legte er auch hier erstmals im Verfahren in Bezug auf den Namen und den Tatbeitrag seines Mittäters ein Geständnis ab (TPF 18.731.013 ff.).

Zur Tatplanung von Neftenbach gab der Beschuldigte zu Protokoll, dass diese wie bei der ersten Bankomatensprengung in Sevelen gewesen sei. Die Bankomatensprengung von Neftenbach sei bereits beschlossen gewesen, als I. und er den ersten Bankomaten in Sevelen gesprengt hätten. Sie hätten im Internet recherchiert, wo sich ein weiterer Bankomat befinden würde, welcher abseits liege. I. habe dann das Schweizer Geld von der Bankomatensprengung in Sevelen bei einem Wechselautomaten in Österreich in Euros gewechselt. Anschliessend hätten sie von der gemeinsamen Beute in Sevelen den neuen Sprengstoff gekauft. Das Geld von der ersten Bankomatensprengung habe gereicht, um den neuen Sprengstoff zu bezahlen. Er (gemeint: Beschuldigter) habe den Sprengstoff von der gleichen Person gekauft, wie beim ersten Mal. Das Sprengstoffpaket sei wie in Sevelen fixfertig gewesen (TPF 18.731.013 f., -016).

Zum Tathergang und zur Beute sagte er aus, dass I. und er von Österreich herkommend mit dem Auto über den gleichen Grenzübergang bei Liechtenstein in die Schweiz gekommen seien, wie bei der ersten Bankomatensprengung. Sie hätten 10 oder sogar 15 Kilometer von der L. AG entfernt ihr Auto parkiert und seien dann zu Fuss dorthin gegangen. Sie hätten sich zum Bankomaten begeben und wie beim ersten Mal die Öffnung breiter gemacht und das Päckchen mit dem Sprengstoff reingesteckt. Auf Nachfrage sagte er aus, dass er (gemeint: der Beschuldigte) die Öffnung grösser gemacht habe. I. habe das Kabel aufgerollt. Sein Mittäter I. sei bei der Explosion seitlich neben ihm gestanden. I. habe diesmal die Explosion gezündet. Die Rollenverteilung zwischen ihm und I. habe sich wie in Sevelen so ergeben und sei nicht im Voraus abgesprochen gewesen. Nach der Sprengung sei das Geld überall am Boden verteilt gewesen. Sie hätten es aufgelesen. Dann hätten sie sich auf die gleiche Weise wie sie gekommen seien zu Fuss vom Tatort entfernt und seien mit dem Auto zur Wohnung von I. in Österreich gefahren. Die Beute sei hälftig geteilt worden. Auf Nachfrage, ob er am 20. Dezember 2019 gemeinsam mit I. in Neftenbach ZH den Bankomaten der F. Bank gesprengt und danach mit der Beute geflohen sei, sagte er aus: «Ja. Wie ich das auch beim ersten Vorfall gesagt habe. Es war die gleiche Person. Es war I.» (TPF 18.731.008, -013 f., 015 f.).

Zur Gefährdungslage sagte er aus, dass I. und er bei der L. AG Neftenbach angekommen seien. Sie hätten gesehen, dass der Bankomat abseits und nicht inmitten einer belebten Strasse gelegen sei. Eine Person habe dann dort auf dem Parkplatz der L. AG parkiert. Sie hätten extra gewartet, bis die Person weggefahren sei, sodass wirklich niemand in Gefahr gekommen sei. Er sagte wiederholt aus, dass es nicht seine Absicht gewesen sei, Leib und Leben von Menschen zu gefährden (TPF 18.731.013).

Zu seinen Beweggründen gab er wiederum zu Protokoll, dass er das Geld für die Behandlungskosten seines kranken Vaters im Spital in Rumänien gebraucht habe (siehe E. 3.4.2.1 f.). Er sagte ergänzend aus, dass das Geld von der Bankomatensprengung in Sevelen teils beschädigt gewesen sei und nicht ausgereicht habe, wozu er es gebraucht habe. Er habe so nicht nach Hause nach Rumänien gehen können. Sie hätten die Bankomatensprengung daher nochmals machen müssen (TPF 18.731.007, -017).

3.5.3 Aussagen I.

I. stritt eine Tatbeteiligung bezüglich der Bankomatensprengung in Neftenbach ab (BA 13-02-0147 f.). Betreffend seine Aussagen in Bezug auf den Beschuldigten kann auf die obige Erwägung 3.4.2.2 verwiesen werden.

3.5.4 Am Tatort angetroffene Situation und die Folgen der Explosion

a) Im Kurzbericht vom 15. Mai 2020 (BA 11-02-0039 ff.) beschreibt das Forensische Institut Zürich die Ausgangssituation und die Folgen der Explosion wie folgt: Der Bankomat der F. Bank in der L. AG Filiale ist in die Wand eingebaut, so dass er durch die Kundschaft von ausserhalb des Gebäudes her bedienbar ist. Der Bankomat selber befindet sich in einem eigenen Raum im südlichen Teil innerhalb der Verkaufsräume. Der Bankomatenraum wurde mit Kalksandstein-wänden und einer Stahlbetondecke in eine Ecke innerhalb des Verkaufsraumes gebaut. Durch die Wucht der Explosion wurden die Bedienkonsole sowie weitere Teile des Bankomaten auf den Vorplatz der L. AG geschleudert. Die Kalksandsteinwände wurden komplett weggeschleudert, die Fassade und die Wand zum angrenzenden Tankstellenladen wurden verschoben und stark beschädigt. Die Fensterscheiben des Verkaufsraumes wurden ebenfalls zerstört und Wände verschoben. Die Stahlbetondecke des Bankomatenraumes fiel auf Teile des zerstörten Bankomaten. Das dem Bericht beigefügte Foto vom «komplett zerstörten Bankomatenraum» innerhalb des Verkaufsraumes der L. AG zeigt den geschilderten Schaden (BA 11-02-0040 f.).

b) Dem Bericht der Kantonspolizei St. Gallen vom 13. Januar 2020 ist zu entnehmen, dass die Bankomaten in Sevelen und Neftenbach den gleichen Gerätetyp T. hatten. Gemäss Auskunft des Herstellers könne von aussen erkennt werden, ob ein T. bereits mit einem sog. «Double Shouter» (Schleusensystem) nachgerüstet worden sei, welches das Einschieben eines Sprengstoffpaketes in den Geldausgabenautomaten erheblich erschwere, wenn nicht gar verunmögliche. Die beiden Bankomaten in Sevelen SG und Neftenbach ZH seien noch nicht nachgerüstet worden. Diese Kenntnis spreche in beiden Fällen für die gleiche Tätergruppierung (BA 10-01-0039).

3.5.5 In Tatortnähe sichergestellte Gegenstände und gesicherte Spuren

a) Gemäss Spurenbericht des Forensischen Instituts Zürich vom 7. Januar 2020 (BA 11-02-0001 ff.) besprayte die unbekannte Täterschaft mehrere Überwachungskameras mittels Farbspray. Danach brachte sie die Sprengladung im Geldausgabeschacht des Bankomaten an und zündete die Sprengladung mittels einem Zweiphasen-Litzenkabel. Durch die entstandene Öffnung stiegen zwei Personen in den Bankomatenraum ein und behändigten das durch die Explosion freigelegte Notengeld. Die beiden Personen liessen zwei Brecheisen am Tatort zurück. Das eine Brechwerkzeug (A013344042) befand sich am Fussboden vor dem Blumenwagen des L. AG Verkaufsgeschäfts. Ab diesem wurde mittels Wattetupfer eine DNA-Spur (A013'344'053, PCN: 36-928785-39) sichergestellt (BA 11-02-004).

b) Im Gutachten vom 4. Juli 2022 kommt das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich (BA 11-03-0014 ff.) zur Beurteilung, dass sich am Spurenasservat (A013'344'053, PCN 36 928785 39) ab Brechwerkzeug (A013344042) ein DNA-Mischprofil nachweisen liess. Die sehr stark hervortretenden Merkmale lassen sich zu einem sogenannten DNA-Hauptprofil einer männlichen Person zusammenfassen, bestehend aus acht DNA-Systemen. Das vom Beschuldigten in der Eidgenössischen DNA-Datenbank gespeicherte DNA-Profil umfasst 11 DNA-Systeme. Von diesen 11 DNA-Systemen sind sieben mit den am Spurenasservat typisierten DNA-Systemen vergleichbar. Der Vergleich des nachgewiesenen DNA-Hauptprofils mit dem DNA-Profil des Beschuldigten zeigt in diesen sieben vergleichbaren DNA-Systemen vollkommene Übereinstimmung. Der Beschuldigte kann somit bezüglich des DNA-Hauptprofils als Spurengeber nicht ausgeschlossen werden. Weiter ist im Gutachten ausgeführt, dass unter Verwendung von in der Schweizer Population bestimmten Merkmalshäufigkeiten der Beweiswert des im DNA-Rückstand ab Brechwerkzeug nachgewiesenen DNA-Hauptprofils ca. 70 Millionen Mal grösser ist, wenn man eine Spurengeberschaft des Beschuldigten annimmt, als wenn man die Spurengeberschaft einer unbekannten, mit dem Beschuldigten genetisch nicht verwandten männlichen Person annehmen würde (BA 11-03-0015).

c) Zum verwendeten Sprengstoff und zur Vorgehensweise der Täterschaft führt das Forensische Institut Zürich im Kurzbericht vom 12. Mai 2020 (BA 11-02-0039 ff.) aus, dass aufgrund der Resultate der Untersuchung sowie den vorliegenden Informationen von einer elektrischen Zündauslösung mit einem improvisierten Zünder respektive Anzünder auszugehen ist. Anhand der Abdruckspur der umgesetzten Sprengladung, welche an der Innenseite des Tresordeckels deutlich erkennbar ist, schätzt das Forensische Institut die Grundfläche der zum Einsatz gelangten Sprengladung auf ca. 12 cm x 10 cm. An einem stark beschädigten Teilstück eines Elektrokabels konnten Spuren von TATP nachgewiesen werden. Anhand des Nachweises von TATP in den Proben kann jedoch nicht unterschieden werden, ob das TATP von einem eventuell verwendeten improvisierten Zünder oder von der Hauptladung der Sprengvorrichtung stammt. Es konnten keine Hinweise auf die Verwendung von weiteren Sprengstoffen im Untersuchungsmaterial gefunden werden (BA 11-02-0045).

Gemäss Kurzbericht (Ausführungen zu TATP) des Forensischen Instituts Zürich vom 25. Juni 2022 (BA 11-02-0049 ff.) ist Acetonperoxid oder APEX ein hochexplosiver Stoff. Es kommt in den Formen di-, tri- und tetrameres cyclisches Acetonperoxid vor. Nach seiner hauptsächlich vorkommenden trimeren Form ist es auch unter dem Namen Triacetontriperoxid oder kurz TATP bekannt (BA 11-02-0050). Acetonperoxid ist hochexplosiv. Besonders empfindlich ist es auf Zündung durch Flamme, Wärme, Schlag und Reibung. Die Detonationsgeschwindigkeit beträgt 5'290-5'400 m/s bei einer Dichte von 1.18-1.20 g/cm3. TATP ist grundsätzlich als handhabungsunsicher einzustufen (BA 11-02-0052).

3.5.6 Beweismittel bezüglich des Bargeldes

Gemäss Bericht der Kantonspolizei Zürich vom 13. Februar 2020 (BA 10-04-0001 ff.) konnte am Tatort herumliegendes Notengeld von insgesamt Fr. 67'680.-- und Euro 41'100.-- gesichert werden, das gemäss Empfangsbescheinigung am 20. Dezember 2019 an die F. Bank ausgehändigt werden konnte. Auf dem Empfangsschein ist festgehalten, dass sich 236 200-Franken-Noten und 7 100-Franken-Noten «verbrannt» lose im Raum und 789 20-Franken-Noten, 80 50-Franken-Noten und 822 50-Euro-Noten unter der Betonplatte befanden (BA 10-04-0019). Ein Ausdruck der Bankomatendetails zeigt zudem, dass sich vor der Explosion Fr. 170'880.-- und Euro 41'100.-- im Automaten befunden haben (BA 10-04-0007, -0018 f.).

3.5.7 Beweismittel betreffend Sachschaden

a) Zum Sachschaden an der Liegenschaft und ihrer Einrichtung im Eigentum der L. AG (infolge Fusion heute: L. Genossenschaft, BA 15-02-0010) gilt Folgendes: Gemäss Schreiben der E. Versicherung vom 11. November 2020 hat die L. Genossenschaft einen Schaden von Fr. 74'876.25 vergütet erhalten (BA 15-02-2-0024 ff.). Laut E-Mail der L. Genossenschaft sind folgende Schäden entstanden, die nicht durch die E. Versicherung gedeckt worden sind (BA 15-02-0022 ff.): Schlussrechnung AA. AG Elektroanlagen Fr. 1'750.90 (BA 15-02-0025), Rechnung BB. (Ersatz Kameras nach der Bankomatensprengung): Fr. 5'628.55 (BA 15-02-0026 ff.), Rechnung CC. AG (Instandstellung des Schadens am Bankomat) Fr. 10'520.80 (BA 15-02-0034 ff.), Rechnung BB. (Alarmanlage) Fr. 2'170.15 (BA 15-02-0037 f.) sowie Aufräum- und Koordinationsarbeiten Fr. 4'125 .-- (BA 15-02-0039): Total Fr. 24'195.40.

b) Zum Schaden bei den im Verkaufsgeschäft L. Shop gelagerten Verkaufsgegenständen reichte die L. AG per Mail diverse Quittungen zu Verkaufsgegenständen ein, die ein Total von insgesamt Fr. 14'252.80 aufweisen (BA 15-02-0040 ff.).

c) Zum Schaden an der Bankomateneinrichtung im Eigentum der F. Bank ist Folgendes festzustellen: Im Schreiben der F. Bank vom 5. Januar 2023 findet sich als Beilage eine Zusammenstellung der Kosten betreffend die Bankomatsprengung, wobei das Total Fr. 55'580.45 beträgt (BA 15-01-0018 f.).

3.5.8 Beweismittel betreffend Hausfriedensbruch

Auf der Videoaufnahme von der Tat ist Folgendes zu erkennen (BA 10-04-0045): Am 20. Dezember 2019 um 01:51 Uhr erfolgt die Detonation des Bankomatens. Anschliessend sind zwei unbekannte, dunkel gekleidete Personen ersichtlich, welche im Bankomatenraum das freigelegte Notengeld einsammeln und im mitgebrachten Rucksack verstauen. Um 01:52 Uhr verlässt die unbekannte Täterschaft den Bankomatenraum in unbekannte Richtung.

3.6 Beweiswürdigung Tatkomplex Sevelen SG

3.6.1 Erstellt und unbestritten ist, dass am 12. Dezember 2019 um ca. 01:30 Uhr der im mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshaus an der J. Strasse in Sevelen eingebaute Bankomat der B. Bank durch eine Sprengung beschädigt, deformiert und daraus Bargeld im Umfang von Fr. 126'600.-- entwendet worden ist. Gestützt auf die forensische Untersuchung der am Tatort gesicherten Spuren bestehen überdies keine Zweifel, dass hierfür unter anderem TATP eingesetzt worden ist, welcher indes nicht vollumfänglich detonierte (BA 10-01-0036; 11-02-0027). Bei TATP handelt es sich um ein aus Aceton und Wasserstoffperoxid hergestelltes, nicht handhabungssicheres und hochexplosives Selbstlaborat, welches schon durch geringe Einwirkungen von Schlag, Reibung, Hitze oder Funken zur Explosion gebracht werden kann (BA 11-02-0034). Die Wucht der Explosion führte dazu, dass die Bedienkonsole des Bankomaten sowie Teile der anliegenden Wandplatten des Gebäudes auf das Trottoir und die Strasse geschleudert wurden, Gebäudefenster zerbarsten, und Deckenelemente herunterfielen (BA 11-02-0027; 10-01-0007 ff.). Aufgrund dieses Vorfalls entstand Sachschaden am Bankomaten im Umfang von ca. Fr. 36'000.-- zum Nachteil der B. Bank (BA 15-03-0011 ff.) sowie am Wohn- und Geschäftshaus im Umfang von Fr. 71'274.65 zum Nachteil der Stockwerkeigentümergemeinschaft der Liegenschaft an der J. Strasse in Sevelen SG (TPF 9.554.013 f.).

3.6.2 Was die Täterschaft anbelangt, so deckt sich das Geständnis mit der Aktenlage. Das Geständnis hat der Beschuldigte im Rahmen der Voruntersuchung und Hauptverhandlung widerspruchsfrei und in sich stimmig vorgetragen, wobei er zahlreiche Details nennen konnte (Art und Weise der Sprengstoffbeschaffung; gewählte Reise- und Fluchtroute; das konkrete Tatvorgehen mit dem Aufbrechen des Geldausgabefaches des Bankomaten; der Platzierung der TATP-Sprengladung und der Auslösung der Explosion mittels elektrischer Zündung; Umfang und Verwendung der Beute). Für die Glaubhaftigkeit des Geständnisses spricht insbesondere, dass der Beschuldigte das Tatvorgehen detailgetreu schildern konnte, was ohne realen Erlebnishintergrund kaum möglich gewesen wäre. Die Aussagen bestechen aber auch durch die Folgerichtigkeit der Darstellungen, was ein wesentliches Realkennzeichen ist und für deren Glaubhaftigkeit spricht. Der Beschuldigte machte insgesamt in puncto Modus Operandi plausible Aussagen. So schilderte er etwa lebensnah die Aufgabenteilung zwischen ihm und I. Die Aussagen sind offensichtlich erlebnisbasiert – so beispielsweise in Bezug auf das durch die Explosion beschädigte Geld – und frei von Willensmängeln. Er machte bei sämtlichen Einvernahmen im Kern übereinstimmende und in sich geschlossene Aussagen. Für das Gericht bestehen keine Zweifel, dass die Aussagen wirklich Erlebtem entsprechen.

Beweisrelevant ist aber auch, dass sich die Aussagen des Beschuldigten unter etlichen Gesichtspunkten objektivieren lassen: So wie es der Beschuldigte aussagte, handelte es sich auch gemäss Auskunftspersonen und dem Spurenbild um zwei Täter. Aber auch zur Dimension und der Art der Zündung mittels Kabel und Batterie machte der Beschuldigte stimmige und objektivierbare Aussagen, welche mit den am Tatort vorgefundenen Beweismitteln übereinstimmen. Bezogen auf das schwarze Brecheisen liegt zudem eine nahtlose und stimmige Beweiskette vor. Das auf der Fluchtroute kurz nach der Bankomatensprengung aufgefundene Brecheisen war erwiesenermassen eines der Tatwerkzeuge, so wie es auch der Beschuldigte schilderte. Er schilderte nachvollziehbar und stimmig die Fluchtroute, was sich mit dem Fundort der Brecheisen in Sevelen ohne Weiteres objektivieren lässt. Ausserdem stimmt die anlässlich der Einvernahme des Beschuldigten vom 3. Februar 2023 auf einem Kartenausschnitt von Sevelen SG eingezeichnete Fluchtroute exakt mit dem Fundort überein, wo die zwei Brecheisen (Geissfüsse) und Schraubenzieher sichergestellt werden konnten (vgl. Notiz der Bundeskriminalpolizei vom 3. Februar 2023 [BA 10-2-0142]). Dies spricht in hohem Masse für die Tatbeteiligung des Beschuldigten, da eine solche Sachkenntnis grundsätzlich nur ein Tatbeteiligter haben kann. Ein weiteres Indiz für die Glaubhaftigkeit des Geständnisses ist die zeitliche und örtliche Nähe des Beschuldigten zur Bankomatensprengung in Sevelen. Er hielt sich vor und nach den Taten jeweils im grenznahen Z. in Österreich auf. Als ein sehr gewichtiges Indiz für die Tatbeteiligung des Beschuldigten ist schliesslich zu werten, dass gestützt auf die am schwarzen Geissfuss gesicherten DNA-Spuren ein DNA-Profil erstellt werden konnte, dessen Hauptprofil mit dem DNA-Profil des Beschuldigten übereinstimmt (vgl. E. 3.4.3.a). Dies beweist für sich allein zwar nicht, dass der Beschuldigte die Tat ausgeführt oder sich am Tatort befunden hat. Angesichts des Charakters als Hauptprofil kann und muss hiervon jedoch abgeleitet werden, dass er im Vergleich zum (nicht interpretierbaren) Nebenprofilgeber länger bzw. intensiver und jedenfalls zeitlich später mit dem Gegenstand Kontakt hatte; eine Sekundärübertragung ist demnach nicht realistisch (vgl. allgemein zum Beweiswert von DNA-Hauptprofilen die Urteile des Bundesgerichts 6B_440/2018 vom 4. Juli 2018 E. 1.3 und 6B_496/2010 vom 23. August 2010 E. 3.3.1; ausführlich Urteil des Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt SB.2017.51 vom 15. September 2020 E. 5.2.1 mit Hinweisen); dies umso weniger, als der Beschuldigte geständig ist. Gesamthaft betrachtet indiziert die dem Beschuldigten zuzuordnende DNA-Spur die Täterschaft klar, zumal ein ersichtliches, geschweige denn geltend gemachtes Alternativszenario fehlt.

Schliesslich ist zu erwähnen, dass in Bezug auf die vorliegend zu beurteilenden Taten aus den Vorstrafen (siehe oben E. 3.4.5; 8.5.1.1, dritter Abschnitt) zwar nichts Konkretes zulasten des Beschuldigten abgeleitet werden kann. Nichtsdestotrotz lässt sich das Geständnis des Beschuldigten auch unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeitsadäquanz überprüfen: Die Vorstrafen und das deliktisch geprägte Bewegungsbild quer durch Europa zeichnen jedoch das Bild eines transnational agierenden Straftäters, welcher – jedenfalls in der Vergangenheit – grosse Mühe bekundet hat, sich an die Rechtsordnung zu halten und durch seine Handlungen fremdes Eigentum nicht zu beeinträchtigen. Sein Vorleben als «Kriminaltourist» bildet daher ein weiteres Indiz für die Täterschaft. Dasselbe gilt für seinen Kontakt zu I., welcher selbst im Verdacht steht, an der Bankomatensprengung in Sevelen SG sowie denjenigen in Österreich (vgl. E. 3.4.5) beteiligt gewesen zu sein.

Die übrigen Personalbeweise sind hinsichtlich der Frage, ob der Beschuldigte an der Tat beteiligt war oder nicht, weder belastend noch entlastend. Dies namentlich auch für die Aussagen der Auskunftsperson O., welche ausführte, dass es sich bei einer an der Tat beteiligten Person um eine Frau gehandelt habe (vgl. E. 3.4.2.3). O. sowie die übrigen Auskunftspersonen konnten das Geschehen lediglich während eines kurzen Zeitraums aus einer gewissen Entfernung und überdies nachts, nachdem sie aus dem Schlaf gerissen wurden, beobachten. Aufgrund dieser äusseren Bedingungen kann nicht ohne Weiteres auf deren Aussagen zu wahrgenommenen Details – namentlich zum Signalement der Täterschaft – abgestellt werden. Dass Aussagen zu unter solchen Bedingungen wahrgenommenen Details ungenau sein können, wird vorliegend durch die unterschiedlichen Aussagen der Auskunftspersonen verdeutlicht. Im Übrigen ist die Präsenz einer Frau als Täterin vorliegend auch deshalb sehr unwahrscheinlich, weil an den Tatwerkzeugen und am Tatort ausschliesslich männliche DNA gesichert werden konnte (vgl. BA 11-01-0012, -0014, -0018 f.).

3.6.3 Zusammenfassend liegt ein glaubhaftes und objektivierbares Geständnis des Beschuldigten vor, so dass seine Täterschaft bei der angeklagten Bankomatensprengung in Sevelen SG zweifelsfrei erstellt ist.

3.6.4 Beweismässig ist aufgrund des dokumentierten Schadensbilds vom Tatort erstellt, dass das zur Explosion gebrachte TATP eine erhebliche Detonationswelle verursachte und an der mehrstöckigen Wohn- und Geschäftsliegenschaft 37 in Sevelen SG erheblichen Sachschaden anrichtete (vgl. E. 3.4.7). Die Liegenschaft ist im Eigentum einer 14 Parteien umfassenden Stockwerkeigentümergemeinschaft, welche 12 Privatpersonen umfasst (BA 23-03-0003, -0005). Zu dieser Stockwerkeigentümergemeinschaft zählt beispielsweise die Privatklägerin G. Durch die Explosion wurden daher zweifelsohne Personen in ihrer körperlichen Integrität konkret gefährdet. Es bestand eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben für die in unmittelbarer Nähe im Mehrfamilienhaus an der J. Strasse in Sevelen schlafenden Menschen, namentlich für P., welcher sich im Explosionszeitpunkt in seiner oberhalb des Bankomaten gelegenen Wohnung befand (vgl. BA 10-01-0024, -0036). Dass der Beschuldigte um die konkrete Gefährdung für Menschen und Sachen beim Einsatz von Sprengstoff wusste, ist ebenfalls erstellt. Es ist gerichtsnotorisch und musste dem Beschuldigten bewusst sein, dass bei einer Bankomatensprengung in einem Wohngebiet ein erhebliches Gefährdungspotential für Menschen und Sachen ausgeht. Ausserdem räumte er ein, dass die erste Sprengung in Sevelen in der Stadt gewesen sei, wo es viele Menschen gebe (siehe E. 3.5.2 b). Er kannte somit die Gefahr und handelte trotzdem.

3.6.5 Erwiesen ist ausserdem, dass der Beschuldigte nach der Explosion des Bankomaten Bargeld im Umfang von Fr. 126'000.-- entnommen und sich vom Tatort entfernt hat (BA 13-03-0069). Der durch die Explosion verursachte Sachschaden von insgesamt Fr. 107'274.65 ist ebenfalls erstellt.

3.6.6 Nach dem Gesagten ist der angeklagte Sachverhalt erstellt.

3.7 Beweiswürdigung Tatkomplex Neftenbach ZH

3.7.1 Erstellt und unbestritten ist, dass am 20. Dezember 2019 der in die Aussenfassade des L. AG-Verkaufsgeschäfts an der K. Strasse in 8413 Neftenbach ZH eingebaute Bankomat der F. Bank gewaltsam aufgebrochen und Bargeld entwendet worden ist. Gestützt auf die forensische Untersuchung der am Tatort gesicherten Spuren ist weiter erstellt, dass hierfür unter anderem TATP eingesetzt worden ist (BA 11-02-0001 ff.; 11-02-0039 ff.). Bei TATP handelt es – wie erwähnt – um einen nicht handhabungssicheren und hochexplosiven Sprengstoff (siehe E. 3.5.5 c; BA 11-02-0049 ff.). Durch die Wucht der Explosion wurden die Bedienkonsole sowie weitere Teile des Bankomaten auf den Vorplatz des L. AG-Verkaufsgeschäfts geschleudert. Die Kalksandsteinwände wurden komplett weggeschleudert, die Fassade und die Wand zum angrenzenden Tankstellenladen wurden verschoben und stark beschädigt. Die Fensterscheiben des Verkaufsraumes wurden zerstört und Wände verschoben. Ausserdem fiel die Stahlbetondecke des Bankomatenraumes auf Teile des zerstörten Bankomaten (BA 11-02-0041). Das Schadensbild spricht insgesamt für die Heftigkeit und zerstörenden Kraft der Detonation.

3.7.2 Durch die Explosion entstand an der Liegenschaft und ihrer Einrichtung ein Sachschaden von total Fr. 168'904.90. Dieser Schaden ist durch das Schreiben der E. Versicherung vom 11. November 2020 (BA 15-02-2-0024 ff.) in der Höhe von Fr. 74'876.25 und der E-Mail der L. Genossenschaft, betreffend den nicht durch die E. Versicherung gedeckten Schadens, in der Höhe von zusätzlich Fr. 24'195.40, belegt, womit der Schaden gar über den angeklagten Fr. 22'760.45 liegt (BA 15-02-0022 ff.). An den im Verkaufsgeschäft L. Shop Iagernden Verkaufsgegenständen entstand ein Schaden von total Fr. 14'252.80, belegt durch die von der L. AG eingereichten Quittungen zu Verkaufsgegenständen (BA 15-02-0040 ff.). Zudem entstand an der Bankomateneinrichtung ein Schaden von total Fr. 55'580.45 gemäss der Zusammenstellung im Schreiben der F. Bank vom 5. Januar 2023 (BA 15-01-0018 f.).

3.7.3 Erstellt ist weiter die Entwendung von Fr. 103'200.-- aus dem Bankomaten. Vor der Explosion befanden sich gemäss Ausdruck der Bank nämlich Fr. 170'880.-- und Euro 41'100.-- im Automaten (BA 10-04-0018). Nach der Explosion konnte die Polizei am Tatort herumliegendes Notengeld von insgesamt Fr. 67'680.-- und Euro 41'100.-- sichern und gegen Empfangsbescheinigung der F. Bank übergeben (BA 10-04-0007, -0019). Die Fr. 103'200.-- entsprechen somit dem Betrag im Bankomaten vor der Explosion minus des Betrags des nach der Explosion am Tatort herumliegenden Geldes.

3.7.4 Das unbefugte Betreten des L. AG-Verkaufsgeschäfts durch die Täterschaft ist auf dem Überwachungsvideo dokumentiert (BA 10-04-0045).

3.7.5 Was die Täterschaft anbelangt, so deckt sich das Geständnis des Beschuldigten mit der Aktenlage. Das Geständnis ist wiederum plausibel (siehe E. 3.6.2). Der Beschuldigte hat das Geständnis im Rahmen der Voruntersuchung und Hauptverhandlung widerspruchsfrei und in sich stimmig vorgetragen, wobei er zahlreiche Details nennen konnte (Art und Weise der Sprengstoffbeschaffung; gewählte Reise- und Fluchtroute; das konkrete Tatvorgehen; Umfang und Verwendung der Beute). Der Beschuldigte erklärte, in Neftenbach ZH im Wesentlichen gleich wie in Sevelen vorgegangen zu sein. Dies entspricht den Erkenntnissen aus den übrigen Akten zum jeweiligen Tatvorgehen (Aufbrechen des Geldausgabefaches des Bankomaten; Platzierung der Sprengladung; elektrische Zündauslösung der Sprengung mittels Batterie; Anzahl Täter) und den vorgefundenen Tatwerkzeugen. Für die Glaubhaftigkeit des Geständnisses sprechen zudem die Schilderungen spezifischer Einzelheiten durch den Beschuldigten, wie zum Beispiel, er sei 10 Meter von der Sprengung entfernt gewesen, da das Kabel nur maximal 10 Meter weit gereicht habe oder sie hätten das Geld vom Boden aufgesammelt, jedoch nicht alles, da es zum Teil beschädigt gewesen sei. Weiter spricht für die Glaubhaftigkeit des Geständnisses die persönliche Schilderung, dass er Gott danke, dass dieses Wandstück nicht auf ihn gefallen sei (BA 13-03-0027 f.). Die Aussagen sind offensichtlich erlebnisbasiert und frei von Willensmängeln. Insgesamt ist das Geständnis des Beschuldigten somit glaubhaft.

3.7.6 Wie beim Sachverhaltskomplex Sevelen SG (siehe E. 3.6.2) ist auch bei Neftenbach ZH ein sehr gewichtiges Indiz für die Tatbeteiligung des Beschuldigten die DNA-Spur, die ab dem am Tatort zurückgelassenen Brecheisen – was aufgrund der Videoaufnahmen erstellt ist – sichergestellt werden konnte. Dieses DNA-Hauptprofil zeigt gemäss IRM-Gutachten vollkommene Übereinstimmung mit dem DNA-Profil des Beschuldigten betreffend die in casu sieben vergleichbaren DNA-Systemen. Die Wahrscheinlichkeit ist ca. 70 Millionen Mal grösser, dass der Beschuldigte der Spurengeber ist, als wenn man die Spurengeberschaft einer unbekannten, mit dem Beschuldigten genetisch nicht verwandten männlichen Person annehmen würde (BA 11-03-0015).

3.7.7 Übereinstimmend mit den Aussagen des Beschuldigten ist bezogen auf die Bankomatensprengung in Neftenbach erstellt, dass es sich um zwei Täter handelte, was aufgrund der Videoaufnahmen belegt ist. Erstellt ist ebenfalls, dass er sich im Zeitraum vom 20. Dezember 2019 in Z. aufhielt und somit in zeitlicher und räumlicher Nähe vom Tatort aufhielt.

3.7.8 Aufgrund der räumlichen und zeitlichen Nähe zu den Standorten Sevelen SG und Neftenbach ZH, den Parallelen beim Modus Operandi (Aufwuchten des Geldausgabefaches; Platzierung des Sprengstoffes; des gleichen nicht nachgerüsteten Gerätetyps T. [BA 10-01-0039]; je zwei sichergestellte Brecheisen; der elektrische Zündvorgang mittels Batterie), der gleichen Anzahl Täter, den Bildern der Überwachungskameras, des verwendeten Sprengstoffes TATP sowie der jeweils gesicherten DNA des Beschuldigten am Tatwerkzeug ist eindeutig erstellt, dass in beiden Fällen der Beschuldigte tatbeteiligt war (vgl. Berichte der Bundeskriminalpolizei vom 3. Mai 2021 und 3. April 2023 [BA 10-02-0035, -0147]).

3.7.9 Zusammenfassend liegt ein glaubhaftes und objektivierbares Geständnis des Beschuldigten vor, so dass seine Täterschaft bei der angeklagten Bankomatensprengung in Neftenbach ZH zweifelsfrei erstellt ist.

3.7.10 Nicht erstellt ist, dass durch die Explosion eine konkrete Gefahr für Leib und Leben von Menschen geschaffen wurde. Die Anklageschrift behauptet zwar, zufällig in oder vor der Liegenschaft anwesende Personen sowie weitere zufällig auf der Umfahrungsstrasse oder der K. Strasse anwesende Passanten und Strassenbenutzer seien aufgrund ihrer örtlichen Nähe zum Detonationspunkt an Leib und Leben konkret gefährdet worden. Diese Behauptung findet aber in den Akten keinerlei Stütze. Ausser der Täterschaft ist die Anwesenheit keiner weiteren Personen in der Nähe der Explosion dokumentiert.

3.8 Mittäterschaft

3.8.1 Mittäter ist, wer bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Delikts vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter dasteht. Mittäterschaft kann durch tatsächliches Mitwirken bei der Ausführung begründet werden. Tatbestandsmässige Ausführungshandlungen sind indes keine notwendige Voraussetzung. Nicht erforderlich ist ferner, dass der Mittäter bei der Fassung des gemeinsamen Tatentschlusses mitwirkt. Es reicht, dass er sich später den Vorsatz seiner Mittäter zu eigen macht, wobei konkludentes Handeln genügt (BGE 135 IV 152 E. 2.3.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_127/2021 vom 27. September 2021 E. 4.1). Bei der Mittäterschaft hat jeder Mittäter innerhalb der durch den Tatplan gesteckten Grenzen für die Tat als Ganzes einzustehen und muss sich die Taten seiner Mittäter grundsätzlich zurechnen lassen. Das Konzept der Mittäterschaft bewirkt mithin eine materiell-rechtlich begründete Beweiserleichterung bei der Zurechnung von Teilaspekten einer Tat an die Mittäter. Führen verschiedene Personen gemeinsam strafbare Handlungen insbesondere in örtlich, zeitlich oder funktionell unterschiedlichen Zusammenhängen arbeitsteilig aus, verwehrt das Institut der Mittäterschaft dem einzelnen Mittäter den Einwand, ein anderer habe die fragliche Teilhandlung ausgeführt. Es muss somit nicht jedem Beteiligten jede Teilhandlung eines komplexen Tatgeschehens im Detail nachgewiesen und zugeordnet werden (Urteile des Bundesgerichts 6B_81/2013 vom 5. September 2013 E. 2.5; 6B_557/2012 vom 7. Mai 2013 E. 2.7).

3.8.2 Aufgrund der Polizeiberichte, übereinstimmenden Aussagen des Beschuldigten und der Auskunftspersonen, zumindest in Bezug auf das Tatgeschehen in Sevelen SG, und insbesondere dem Geständnis des Beschuldigten an der Hauptverhandlung gilt als erstellt, dass die Taten in Sevelen SG und Neftenbach ZH von zwei Tätern begangen wurden. An der Hauptverhandlung sagte der Beschuldigte mehrmals aus, dass er die Taten zusammen mit I. begangen habe. Durch die ihm nachweisbaren Tatbeiträge wirkte der Beschuldigte bewusst und in massgebender Weise mit dem anderen Mittäter arbeitsteilig zusammen. Dies ergibt sich nicht nur daraus, dass er die Taten mit dem Mittäter am Computer plante, sondern vor allem eines der Tatwerkzeuge mit sich führte und jeweils den Sprengstoff besorgte, womit er die Bankomaten zusammen mit dem Mittäter zur Explosion brachte. Er half bei beiden Tatorten beim Aufwuchten der Geldausgabefächer und in Sevelen löste er die Explosion gleich selber aus. Die Beute wurde jeweils hälftig geteilt. Durch seine tatbestandsmässige Ausführungshandlungen bezweckte er einzig, zusammen mit seinem Mittäter den Bankomaten zu sprengen und das sich darin befindende Bargeld zu behändigen. Damit kommt dem Beschuldigten Tatherrschaft zu und er ist als Mittäter zu qualifizieren.

4. Rechtliches Tatkomplex Sevelen SG

4.1 Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht

4.1.1 Rechtliches

4.1.1.1 Nach Art. 224 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer vorsätzlich und in verbrecherischer Absicht durch Sprengstoffe oder giftige Gase Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt.

4.1.1.2 Der Sprengstoffbegriff gemäss Art. 224 Abs. 1 StGB deckt sich im Wesentlichen mit dem Begriff im Bundesgesetz über explosionsgefährliche Stoffe vom 25. März 1977 (Sprengstoffgesetz, SprstG; SR 941.41). Als Sprengstoffe gelten gemäss Art. 5 Abs. 1 SprstG «einheitliche chemische Verbindungen oder Gemische solcher Verbindungen, die durch Zündung, mechanische Einwirkung oder auf andere Weise zur Explosion gebracht werden können und die wegen ihrer zerstörenden Kraft, sei es in freier oder verdämmter Ladung, schon in verhältnismässig geringer Menge gefährlich sind». Darunter fallen Stoffe gemäss Art. 2 der Verordnung über explosionsgefährliche Stoffe vom 27. November 2000 (Sprengstoffverordnung, SprstV; SR 941.411). Die Definition in Art. 5 Abs. 1 SprstG gilt auch für die Art. 224 – 226 StGB, wobei das Merkmal der zerstörerischen Kraft entscheidend ist (BGE 104 IV 232 E. 1a; 103 IV 241 E. I.1; statt vieler: Urteile des Bundesstrafgerichts SK.2022.45 vom 20. März 2023 E. 2.2.2.1; SK.2022.37 vom 25. Oktober 2022 E. 5.1.2; SK.2019.35 vom 6. September 2019 E. 2.2.2; SK.2015.28 vom 7. April 2016 E. 4.1; Trechsel/Coninx, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Aufl. 2021, Art. 224 StGB N. 2; Roelli, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 224 StGB N. 4).

4.1.1.3 Art. 224 StGB ist ein konkretes Gefährdungsdelikt und setzt objektiv voraus, dass der Täter durch Sprengstoffe oder giftige Gase Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum konkret in Gefahr bringt (Urteile des Bundesgerichts 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.2.2; 6B_1248/2017 vom 21. Februar 2019 E. 4.2.5; BGE 115 IV 111 E. 3b S. 113; 103 IV 241 E. I.1). Die konkrete Gefährdung ist gegeben, wenn eine Verletzung nicht nur möglich, sondern nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlich ist (Urteil des Bundesgerichts 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.1.2; BGE 103 IV 241 E. I.1). Massgebend sind die tatsächlichen Umstände des konkreten Falles. Die Gefahr muss nicht einer Mehrzahl von Personen oder Sachen von grosser Substanz gelten; es genügt die gezielte Gefährdung eines Menschen oder einer fremden Sache, aber gemäss der jüngsten bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausschliesslich unter der Voraussetzung, dass sie nicht im Voraus individuell bestimmt, sondern vom Zufall ausgewählt ist. Die besondere Verwerflichkeit des gemeingefährlichen Delikts wird erst dadurch begründet, dass die Opfer unbeteiligte Drittpersonen sind, die nicht individuell ausgewählt wurden und für den Täter als Repräsentanten der Allgemeinheit erscheinen. Um die Allgemeinheit zu repräsentieren, müssen die Rechtsgüter vom Zufall ausgewählt sein, selbst wenn im Augenblick des Angriffs bereits feststeht, wen es treffen kann (BGE 148 IV 242 E. 2 f. [sog. Repräsentationstheorie]). Wie die Gefährdung zu erfolgen hat, umschreibt das Gesetz nicht. Für die Erfüllung des Tatbestandes genügt jeder wie auch immer geartete Umgang mit Sprengstoff oder giftigen Gasen, sofern nur der Gefährdungserfolg eintritt (Urteile des Bundesgerichts 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.1.2; 6B_1248/2017 vom 21. Februar 2019 E. 4.2.5 mit Hinweisen). Allerdings ist angesichts der hohen Strafdrohung und des Umstands, dass der Tatbestand schon im Falle der Gefährdung einer einzigen, individuell bestimmten Person erfüllt sein kann, eine eher grosse Wahrscheinlichkeit der Verletzung von Leib, Leben sowie Eigentum und damit eine eher nahe Gefahr erforderlich (Urteile des Bundesgerichts 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.1.2; 6B_1248/2017 vom 21. Februar 2019 E. 4.4.2 mit Hinweisen).

4.1.1.4 In subjektiver Hinsicht erfordert Art. 224 Abs. 1 StGB zunächst Gefährdungsvorsatz. Dieser liegt vor, sobald der Täter die Gefahr kennt und trotzdem handelt. Nicht erforderlich ist, dass der Täter die Verwirklichung der Gefahr, sei es auch nur eventuell, gewollt hat. Sodann ist eine verbrecherische Absicht verlangt. Diese besteht darin, dass der Täter den Sprengstoff einsetzt, um vorsätzlich ein darüberhinausgehendes Verbrechen oder Vergehen zu verüben (Urteile des Bundesgerichts 6B_79/2019 vom 5. August 2019 E. 1.2.3; 6B_1248/2017 vom 21. Februar 2019 E. 4.2.5).

4.1.2 Objektiver Tatbestand

4.1.2.1 Einsatz von Sprengstoff

In objektiver Hinsicht ist vorab zu prüfen, ob das vom Beschuldigten in Mittäterschaft verwendete TATP als Sprengstoff im Sinne von Art. 224 StGB qualifiziert werden kann. Angesichts seines Charakters als Selbstlaborat, welches definitionsgemäss nicht gewerblich, sondern privat hergestellt wird, ist TATP vom Ausnahmetatbestand von Art. 5 Abs. 2 lit. c SprstG erfasst und gilt demnach nicht als Sprengstoff im Sinne von Art. 5 Abs. 1 SprstG. Gestützt auf die im Bericht des Forensischen Institutes Zürich vom 6. März 2020 gemachten Feststellungen (vgl. E. 3.6.1) ist indes erstellt, dass es sich bei TATP um einen explosionsfähigen Stoff im Sinne des (des im Zeitpunkt der Taten noch nicht in Kraft getretenen) Bundesgesetzes über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe vom 25. September 2020 (Vorläuferstoffgesetz, VSG; SR 941.42) handelt, d.h. um einen Stoff, der ohne Zufuhr von Luft durch Zündung zur Explosion gebracht werden kann und geeignet ist, dadurch Leib und Leben von Personen zu gefährden oder Sachen zu zerstören (Art. 2 lit. a VSG; vgl. Votum der Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Nationalrat am 22. September 2020 zum Vorläuferstoffgesetz, AB 2020 N 1749 f.). Wird TATP als explosionsfähiger Stoff – wie vorliegend – zum Zwecke der Zerstörung eingesetzt, ist er als Sprengstoff im Sinne von Art. 224 StGB zu qualifizieren.

4.1.2.2 Konkrete Gefahr

Vorab ist festzustellen, dass die Schadensbilder des Bankomaten im Wohn- und Geschäftsgebäude an der J. Strasse in Sevelen für sich sprechen und die grosse Wucht und das enorme zerstörerische Schadenspotenzial des eingesetzten Sprengstoffs TATP eindrücklich belegen. Dass bei einer solchen Explosion eine nicht mehr überschaubare und massive Gefährdung von fremdem Eigentum und Leib und Leben Dritter entstehen kann, versteht sich von selbst. Indem der Beschuldigte mit seinem Mittäter den in das mehrstöckige Wohn- und Geschäftshaus eingebauten Bankomaten mit TATP zur Explosion brachte, hat er nicht nur tatsächlich Sachschaden verursacht (vgl. E. 3.1.1). Vielmehr wurden auch Personen in ihrer körperlichen Integrität konkret gefährdet: Vorliegend wurde der Sprengstoff in einem Wohngebäude und in unmittelbarer Nähe zu schlafenden Bewohnern eingesetzt (siehe E. 3.6.4). Die Auskunftsperson P. schlief zum Tatzeitpunkt direkt oberhalb des Bankomaten (siehe E. 3.4.2.4; 3.6.4). Aufgrund der Folgen der durch das zur Explosion gebrachte TATP verursachten Detonationswelle (vgl. E. 3.1.1) war es wahrscheinlich, dass die sich in unmittelbarer Nähe zum Detonationspunkt befindenden Anwohner der J. Strasse hätten verletzt werden können; dies gilt umso mehr, als das hochexplosive TATP nicht vollumfänglich detonierte und bereits durch Schläge oder dergleichen zur weiteren Explosion hätte gebracht werden können (BA 10-01-0036; 11-02-0052; E. 3.5.5 c). Die konkrete Gefahr war vorliegend deliktsimmanent. Der objektive Tatbestand von Art. 224 Abs. 1 StGB ist damit erfüllt.

4.1.3 Subjektiver Tatbestand

In subjektiver Hinsicht ist festzuhalten, dass der Beschuldigte und sein Mittäter die mit dem Einsatz des Sprengstoffes TATP einhergehende Gefahr gekannt haben, standen sie doch bei der Explosion schützend seitlich am Gebäude. Nichtsdestotrotz hat er zusammen mit seinem Mittäter den Sprengstoff im Sinne von Art. 224 StGB am Bankomaten, welcher in die Fassade eines Wohnhauses eingebaut war, zur Explosion gebracht und damit in Kenntnis der Gefahr gehandelt. Er hat bewusst und gewollt TATP zum Einsatz gebracht, gerade mit dem Ziel, eine möglichst massive Explosion zu verursachen, nämlich so, dass es sicher ausreicht, einen – wie allgemein bekannt gut gesicherten – Bankomat-Tresor aufzusprengen. Es musste ihm daher bewusst sein, dass von der konkret eingesetzten Menge TATP in einem dicht besiedelten Gebiet ein erhebliches konkretes Schadenspotenzial für fremdes Eigentum und Leib und Leben von Personen ausgeht. In Bezug auf die Gefährdung von fremdem Eigentum liegt direkter Vorsatz vor, da er den Bankomaten zerstören wollte, um an das sich darin befindende Geld zu gelangen. Was die Gefährdung von Personen anbelangt, so liegt Eventualvorsatz vor, da der Beschuldigte annehmen musste, dass sich mitten in der Nacht Personen in den darüberliegenden Wohnungen des Gebäudes, in welchem der Bankomat gesprengt wurde, befanden. Er hat es mindestens für möglich gehalten, dass er Menschen gefährdet und nahm somit deren Gefährdung leichthin in Kauf. Damit hat er insgesamt vorsätzlich gehandelt. Überdies hat er in verbrecherischer Absicht gehandelt, indem er das TATP einzig zur Begehung eines Diebstahls und einer Sachbeschädigung einsetzte (vgl. E. 4.2.2 ff.; 4.3.1). Der subjektive Tatbestand ist erfüllt.

4.1.4 Einwand des Verteidigers

4.1.4.1 Rechtsanwalt Andrea Janggen bestritt an der Hauptverhandlung den Gefährdungsvorsatz des Beschuldigten betreffend Leib und Leben von Menschen. Er wandte ein, dass er nicht gewusst habe, dass es sich beim Gebäude mit dem Bankomaten an der J. Strasse in Sevelen auch um eine Wohnliegenschaft gehandelt habe. Hätte er dies gewusst, hätte er die Sprengung an einem anderen Bankomaten durchgeführt. Er habe daher in einem Sachverhaltsirrtum in Bezug auf das unmittelbar ausgewählte Zielgebäude gehandelt. Die irrige Vorstellung betreffe das objektive Tatbestandsmerkmal der konkreten Gefährdung von Leib und Leben (TPF 18.721.013).

4.1.4.2 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat (Art. 13 Abs. 1 StGB; Sachverhaltsirrtum). Ein solcher Sachverhaltsirrtum beziehungsweise Tatbestandsirrtum ist auch der Irrtum über Tatbestandsmerkmale. Derjenige, der von einem strafrechtlichen Tatbestandsmerkmal eine unzutreffende Vorstellung hat, handelt in einem Sachverhaltsirrtum und damit ohne Vorsatz (BGE 129 IV 238 E. 3.2.1). Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre ist es unerheblich, ob dieser Irrtum auf einer Verkennung von Tatsachen oder auf einer fehlerhaften Rechtsauffassung beruht (Urteil des Bundesgerichts 6B_187/2016 vom 17. Juni 2016 E. 3.2).

4.1.4.3 Erstellt ist, dass der Beschuldigte den Bankomaten in einem dicht besiedelten Wohngebiet in der Nähe des Dorfkerns von Sevelen sprengte, wodurch er seine Gefährlichkeit und die damit einhergehende Bereitschaft, fremdes Eigentum und Menschen zu gefährden, deutlich manifestierte. Er räumte in der Einvernahme vom 3. Februar 2023 ein, dass er und sein Mittäter die Sprengung in Sevelen an einem Ort vorgenommen hätten, an welchem es viele Menschen gebe (siehe E. 3.5.2 b). Wie die Schadensbilder zeigen, befand sich der im Gebäude eingebaute Bankomat rund 4 bis 6 Meter neben der durchsichtigen Eingangstüre der Liegenschaft an der J. Strasse in Sevelen. Im Aussenbereich des Eingangs sind keine Firmenschilder oder dergleichen ersichtlich, welche auf eine Geschäftsliegenschaft hingedeutet hätten. Hingegen sind bei der Eingangstüre rund 14 Türklingen mit Namensschildern und im Innenbereich Briefkästen ersichtlich (BA 10-01-0007 f.), was für reine Geschäftsliegenschaften eher untypisch ist. Bereits das äussere Erscheinungsbild der Liegenschaft mutete jedenfalls nicht als reines Geschäftsgebäude an. Der Beschuldigte musste daher zumindest annehmen, dass es sich auch um eine Wohnliegenschaft handeln könnte und sich angesichts der Tatzeit um 01:33 Uhr mit hoher Wahrscheinlichkeit Personen in den Wohnungen befinden. Er hat sich somit nicht über wesentliche Sachverhaltselemente geirrt. Unter diesen Umständen befand er sich subjektiv nicht einem den Gefährdungsvorsatz ausschliessenden Sachverhaltsirrtum. Der Einwand ist somit unbegründet.

4.1.5 Im Ergebnis hat der Beschuldigte den Tatbestand von Art. 224 Abs. 1 StGB objektiv und subjektiv erfüllt.

4.1.6 Schuldausschliessungs- oder Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. Der Beschuldigte hat demnach tatbestandsässig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

4.2 Qualifizierter Diebstahl

4.2.1 Rechtliches

4.2.1.1 Gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB macht sich des Diebstahls strafbar, wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern.

4.2.1.2 Tatobjekt ist eine fremde Sache. Eine Sache ist fremd, wenn sie im Eigentum einer anderen Person als des Täters steht. Die Tathandlung der Wegnahme liegt im Bruch fremden und der Begründung neuen Gewahrsams (BGE 132 IV 108 E. 2.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_1360/2019 vom 20. November 2020 E. 2.3.1). Der Begriff des Gewahrsams bezeichnet ein tatsächliches Verhältnis, nämlich die real bestehende faktische Herrschaftsmöglichkeit eines Menschen über eine Sache, die von einem Herrschaftswillen getragen ist. Er umfasst aber mit der Beziehung zwischen der Person und der Sache, welche die Sache dem Herrschaftsbereich der Person zuordnet, auch eine normative Komponente. Ob Gewahrsam besteht, bestimmt sich nach den allgemeinen Anschauungen und den Regeln des sozialen Lebens (BGE 132 IV 108 E. 2.1; Niggli/Riedo, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 139 StGB N. 18). Bruch des Gewahrsams ist die Aufhebung des fremden Gewahrsams gegen den Willen des bisherigen Inhabers. Ein solcher erfolgt in der Regel dadurch, dass die Sache aus dem Machtbereich des Berechtigten entfernt wird (Urteil des Bundesgerichts 6B_1360/2019 vom 20. November 2020 E. 2.3.1; Niggli/Riedo, a.a.O., Art. 139 StGB N. 24 f.). Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz (Art. 12 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) sowie eine Aneignungs- und unrechtmässige Bereicherungsabsicht.

4.2.1.3 Nach dem Auffangtatbestand von Art. 139 Ziff. 3 Abs. 4 StGB liegt ein qualifizierter Diebstahl vor, wenn der Täter sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart. Dies ist zu bejahen, wenn die konkrete Tat nach ihrem Unrechts- und Schuldgehalt besonders schwer wiegt, was sich aus den konkreten Tatumständen ergibt. Die Anwendung des qualifizierten Tatbestandes gemäss Art. 139 Ziff. 3 Abs. 4 StGB lässt sich namentlich begründen mit der professionellen Vorbereitung der Tat und der ausgeprägt kühnen, verwegenen, heimtückischen, hinterlistigen oder skrupellosen Art ihrer Begehung (vgl. BGE 117 IV 135 E. 1a; Urteil des Bundesgerichts 6B_55/2013 vom 11. April 2013 E. 1.2; Niggli/Riedo, a.a.O., Art. 139 StGB N. 178). Die besondere Gefährlichkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn der Täter in einer Weise vorgeht, die zu einer Gefährdung von Leib und Leben führen könnte, die mit jener nach Art. 139 Ziff. 3 Abs. 3 StGB vergleichbar ist. Dies ist der Fall, wenn der Täter einen mit einer gefährlichen Waffe vergleichbaren Gegenstand mit sich führt, der es ihm ermöglicht, einen Menschen ohne grösseren Kraftaufwand und auf eine gewisse Distanz zu töten oder schwer zu verletzen. Darunter fallen etwa Werkzeuge, die wie eine gefährliche Waffe eingesetzt werden können wie etwa ein schweres Brecheisen, oder Sprengstoff, wenn er eine Sprengkraft aufweist, die geeignet ist, einen Menschen zu töten oder schwer zu verletzen (vgl. Niggli/Riedo, a.a.O., Art. 139 StGB N. 188 – 193).

4.2.1.4 In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz erforderlich (Art. 12 Abs. 1 StGB). Dieser liegt vor, wenn der Täter die Tat mit Wissen und Willen ausführt (Art. 12 Abs. 2 StGB).

4.2.2 Grundtatbestand

Indem der Beschuldigte zusammen mit seinem Mittäter aus dem Bankomaten Bargeld im Betrag von Fr. 126'600.-- behändigte, hat er diese für ihn fremde Sache gegen den Willen der Berechtigten, B. Bank, aus deren Machtbereich entfernt und eigenen Gewahrsam daran begründet. Der objektive Tatbestand von Art. 139 Ziff. 1 StGB ist damit erfüllt. Einziges Ziel der Handlungen des Beschuldigten und seines Mittäters war es, das genannte Bargeld zu behändigen und sich oder einen anderen in diesem Umfang unrechtmässig zu bereichern. Der Beschuldigte handelte demnach direkt vorsätzlich sowie in Aneignungs- und unrechtmässiger Bereicherungsabsicht. Nach dem Gesagten ist auch der subjektive Tatbestand erfüllt.

4.2.3 Qualifizierter Tatbestand

Der Beschuldigte und sein Mittäter manifestierten ihre besondere Gefährlichkeit bei der Deliktsausübung bereits dadurch, indem sie – vergleichbar mit einem Einbruchdiebstahl (siehe E. 4.2.1.3) – mit dem Brecheisen (Geissfüsse) das Geldausgabefach des Bankomaten aufwuchteten. Das Mitführen zweier Brecheisen, welche zwar objektiv und subjektiv als (Tat-) Werkzeuge verwendet worden sind, ermöglichte es ihnen aber auch, allfällig anzutreffende Menschen ohne grösseren Kraftaufwand und auf eine gewisse Distanz hin schwer zu verletzen. Dadurch hat die Täterschaft ihre besondere Gefährlichkeit ebenfalls offenbart (vgl. E. 4.2.1.3). Darüber hinaus hat der Beschuldigte zur Tatbegehung eine erhebliche Menge Sprengstoff verwendet, der geeignet ist, einen Menschen schwer zu verletzen. Indem er diesen in unmittelbarer Nähe zu einem Wohnhaus mit schlafenden Bewohnern verwendete, handelte er besonders skrupellos, denn als Ergebnis seiner Handlungen nahm er deren Verletzungen in Kauf.

Unter Berücksichtigung der gesamten Tatumstände erfüllt das Handeln des Beschuldigten bzw. die ihm zurechenbaren Handlungen seines Mittäters die Qualifikation nach Art. 139 Ziff. 3 Abs. 4 StGB.

4.2.4 Im Ergebnis hat der Beschuldigte den Tatbestand von Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 3 Abs. 4 StGB objektiv und subjektiv erfüllt.

4.2.5 Schuldausschliessungs- oder Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. Der Beschuldigte hat demnach tatbestandsmässig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

4.3 Qualifizierte Sachbeschädigung

4.3.1 Rechtliches

4.3.1.1 Gemäss Art. 144 Abs. 1 StGB macht sich der Sachbeschädigung strafbar, wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht. In subjektiver Hinsicht verlangt der Tatbestand Vorsatz (Art. 12 Abs. 1 und Abs. 2 StGB).

4.3.1.2 Eine qualifizierte Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 3 StGB liegt vor, wenn der Täter einen grossen Schaden verursacht hat. Nach der Rechtsprechung ist ein grosser Schaden anzunehmen, wenn er mindestens Fr. 10'000.-- beträgt (BGE 136 IV 119 E. 4.3.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_699/2018 vom 7. Februar 2019 E. 3.3.1).

4.3.2 Indem der Beschuldigte zusammen mit seinem Mittäter das am Bankomaten angebrachte TATP zur Explosion brachte, hat er den Bankomaten sowie die Liegenschaft an der J. Strasse in Sevelen beschädigt. Mit seinem Handeln verursachte er einen Sachschaden am Bankomaten im Umfang von ca. Fr. 36'000.-- zum Nachteil der B. Bank sowie von Fr. 71'274.65 zum Nachteil der Stockwerkeigentümergemeinschaft der Liegenschaft an der J. Strasse in Sevelen (vgl. E. 3.1.1; 3.4.7). Damit ist ein grosser Schaden gemäss Art. 144 Abs. 3 StGB eingetreten. Der objektive Tatbestand ist nach dem Gesagten erfüllt. Der Beschuldigte handelte überdies vorsätzlich, indem er den Bankomaten bewusst mittels TATP beschädigte, um an das sich darin befindende Bargeld zu gelangen. Dass dabei nicht nur der Bankomat, sondern als Kollateralschaden auch die Liegenschaft beschädigt wird, hat er als notwendige Folge in seinen Entschluss miteinbezogen. Was die Höhe der Schadenssumme anbelangt, so entspricht es schlicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass beim Einsatz eines hochexplosiven Sprengstoffs zur Sprengung eines Bankomaten in einer Wohn- und Geschäftsliegenschaft, mit dem Ziel, mit einer möglichst massiven Explosion einen gut gesicherten Bankomaten zu sprengen (siehe E. 4.1.3), ein grosser Schaden entstehen kann, was dem Beschuldigten bewusst gewesen sein musste. Der Beschuldigte hat daher den grossen Sachschaden im fünfstelligen Frankenbereich in Kauf genommen. Es liegt in Bezug auf die Höhe der Schadenssumme zumindest eventualvorsätzliche Tatbegehung vor. Demnach ist auch der subjektive Tatbestand erfüllt.

4.3.3 Im Ergebnis hat der Beschuldigte den Tatbestand von Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB objektiv und subjektiv erfüllt.

4.3.4 Schuldausschliessungs- und Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. Der Beschuldigte hat demnach tatbestandsmässig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

5. Rechtliches Tatkomplex Neftenbach ZH

5.1 Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht

5.1.1 In Bezug auf die rechtlichen Voraussetzungen des Tatbestands der Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht kann auf Erwägung E. 4.1.1 verwiesen werden.

5.1.2 Objektiver Tatbestand

Betreffend den Einsatz von TATP ist in Bezug auf die rechtliche Qualifikation die gleiche Schlussfolgerung wie im Vorfall Sevelen zu ziehen (siehe E. 4.1.2.1). Das vom Beschuldigten in Mittäterschaft verwendete TATP ist als Sprengstoff im Sinne von Art. 224 StGB zu qualifizieren, da es vorliegend zum Zwecke der Zerstörung – unter anderem einen Bankomaten in Teile gesprengt, Kalksandsteinwände weggeschleudert, Fassade verschoben, Fensterscheiben zerstört – eingesetzt worden ist.

Sodann ist die Tatbestandsvariante der konkreten Gefährdung von fremdem Eigentum erfüllt, wobei es nicht bei der Gefährdung blieb: Die Gefahr hat sich tatsächlich verwirklicht und es entstand ein Sachschaden am Bankomaten, an der Liegenschaft und an Verkaufsgegenständen im L. Shop. Angeklagt ist zudem eine konkrete Gefährdung von Leib und Leben. Wie vorne bei der Beweiswürdigung festgestellt (siehe E. 3.7.10), befanden sich zufällig und glücklicherweise nebst der Täterschaft keine weiteren Personen in der Nähe der Detonation. Da es sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt handelt, ist diese Tatbestandsvariante somit nicht erfüllt.

5.1.3 Im Ergebnis ist der objektive Tatbestand von Art. 224 Abs. 1 StGB in der Tatbestandsvariante der konkreten Gefährdung von fremdem Eigentum erfüllt.

5.1.4 Subjektiver Tatbestand

In subjektiver Hinsicht ist festzuhalten, dass der Beschuldigte die mit dem Ein-satz von TATP einhergehende Gefahr kannte, insbesondere weil er nur eine Woche zuvor in Sevelen TATP eingesetzt und persönlich die Explosions- und Zerstörungskraft miterlebt hatte. Nichtsdestotrotz hat er zusammen mit seinem Mittäter den Sprengstoff im Sinne von Art. 224 StGB am Bankomaten in Neftenbach zur Explosion gebracht und damit in Kenntnis der Gefahr gehandelt. Damit hat er vorsätzlich gehandelt. Überdies hat er in verbrecherischer Absicht gehandelt, indem er das TATP einzig zur Begehung eines Diebstahls und einer Sachbeschädigung einsetzte. Der subjektive Tatbestand ist erfüllt.

5.1.5 Im Ergebnis hat der Beschuldigte den Tatbestand von Art. 224 Abs. 1 StGB objektiv und subjektiv erfüllt.

5.1.6 Schuldausschliessungs- oder Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. Der Beschuldigte hat demnach tatbestandsässig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

5.2 Qualifizierter Diebstahl

5.2.1 In Bezug auf die rechtlichen Voraussetzungen des Tatbestands des qualifizierten Diebstahls kann auf Erwägung 4.2.1 verwiesen werden.

5.2.2 Grundtatbestand

Indem der Beschuldigte zusammen mit seinem Mittäter aus dem Bankomaten Bargeld im Betrag von Fr. 103'200.-- behändigte, hat er diese für ihn fremde Sache gegen den Willen der Berechtigten, F. Bank, aus deren Machtbereich entfernt und eigenen Gewahrsam daran begründet. Der objektive Tatbestand von Art. 139 Ziff. 1 StGB ist damit erfüllt. Einziges Ziel der Handlungen des Beschuldigten und seines Mittäters war es, das genannte Bargeld zu behändigen und sich oder einen anderen in diesem Umfang unrechtmässig zu bereichern. Der Beschuldigte handelte demnach direkt vorsätzlich sowie in Aneignungs- und unrechtmässiger Bereicherungsabsicht. Nach dem Gesagten ist auch der subjektive Tatbestand erfüllt.

5.2.3 Qualifizierter Tatbestand

Der Beschuldigte und sein Mittäter manifestierten ihre besondere Gefährlichkeit bei der Deliktsausübung bereits dadurch, indem sie – vergleichbar mit einem Einbruchdiebstahl (siehe E. 4.2.1.3) – mit den Brecheisen (Geissfüsse) das Geldausgabefach des Bankomaten aufwuchteten. Das Mitführen zweier Brecheisen ermöglichte es ihnen ausserdem, allfällig anzutreffende Menschen ohne grösseren Kraftaufwand und auf eine gewisse Distanz hin schwer zu verletzen. Dadurch hat der Beschuldigte seine besondere Gefährlichkeit offenbart. Der Umstand, dass die zwei Täter die Brecheisen anders als in Sevelen am Tatort zurückliessen und nicht erst später auf dem Fluchtweg wegwarfen, ändert an dieser Qualifikation nichts. Bis zum Verlassen des Tatortes bestand gleich wie in Sevelen die besondere Gefährlichkeit aufgrund des Mitführens von zwei Brecheisen. Darüber hinaus hat der Beschuldigte zur Tatbegehung eine erhebliche Menge Sprengstoff verwendet, der geeignet ist, einen Menschen schwer zu verletzen. Indem er diesen in unmittelbarer Nähe zu einer Tankstelle verwendete, handelte er besonders rücksichtslos, da insbesondere potentielle Tankstellenbenutzer an Leib und Leben hätten gefährdet werden können. Unter Berücksichtigung der gesamten Tatumstände erfüllt das Handeln des Beschuldigten bzw. die ihm zurechenbaren Handlungen seines Mittäters die Qualifikation nach Art. 139 Ziff. 3 Abs. 4 StGB.

5.2.4 Im Ergebnis hat der Beschuldigte den Tatbestand von Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 3 Abs. 4 StGB objektiv und subjektiv erfüllt.

5.2.5 Schuldausschliessungs- oder Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. Der Be-schuldigte hat demnach tatbestandsmässig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

5.3 Qualifizierte Sachbeschädigung

5.3.1 In Bezug auf die rechtlichen Voraussetzungen des Tatbestands der qualifizierten Sachbeschädigung kann auf Erwägung 4.3.1 verwiesen werden.

5.3.2 Indem der Beschuldigte zusammen mit seinem Mittäter das am Bankomaten angebrachte TATP zur Explosion brachte, entstand an der Liegenschaft an der K. Strasse in Neftenbach inklusive Einrichtung, an den im Verkaufsgeschäft L. Shop Iagernden Gegenständen sowie an der Bankomateneinrichtung ein Schaden von total ca. Fr. 167'000.--. Damit ist ein grosser Schaden gemäss Art. 144 Abs. 3 StGB eingetreten. Der objektive Tatbestand ist nach dem Gesagten erfüllt. Der Beschuldigte handelte überdies vorsätzlich, indem er den Bankomaten bewusst mittels TATP beschädigte, um an das sich darin befindende Bargeld zu gelangen. Dass dabei nicht nur der Bankomat, sondern auch die Liegenschaft und Verkaufsgegenstände beschädigt werden, hat er als notwendige Folge in seinen Entschluss miteinbezogen. Demnach ist auch der subjektive Tatbestand erfüllt.

5.3.3 Schuldausschliessungs- und Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. Der Beschuldigte hat demnach tatbestandsmässig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

5.4 Hausfriedensbruch

5.4.1 Rechtliches

Wegen Hausfriedensbruchs wird auf Antrag bestraft, wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt (Art. 186 StGB).

Gegen den Willen des Berechtigten dringt im Sinne des Art. 186 StGB ein, wer den Raum ohne Einverständnis des Trägers des Hausrechts betritt (BGE 128 IV 81 E. 4a; 108 IV 33 5b; Godenzi, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 4. Aufl. 2020, Art. 186 StGB N. 8 und 10 f.).

Das Eindringen bzw. Verweilen muss zudem unrechtmässig sein. Es handelt sich dabei um ein objektives Tatbestandselement. Daran fehlt es etwa, wenn das Betreten eines geschützten Raums im Rahmen einer Amtspflicht und unter Beachtung der Grenzen der amtlichen Befugnisse geschieht (Urteil des Bundesgerichts 6P_13/2007 vom 20. April 2007 E. 5.2; Donatsch, Strafrecht III, Delikte gegen den Einzelnen, 11. Aufl. 2018, S. 504). Ein Rechtfertigungsgrund kann sich aber auch aus privatrechtlichen Verhältnissen ergeben, so etwa aus dem Erziehungsrecht der Eltern gegenüber dem getrennt wohnenden unmündigen Kind (Stratenwerth/Jenny/Bommer, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen, 7. Aufl. 2010, § 6 N 13 f.).

Art. 186 StGB ist ein Vorsatzdelikt. Der Täter muss sich bewusst sein, den geschützten Bereich gegen den Willen des Berechtigten zu betreten bzw. darin zu verweilen und dabei unrechtmässig zu handeln (Donatsch, a.a.O., S. 505; Godenzi, a.a.O., N. 12).

5.4.2 Strafantrag

5.4.2.1 Das Vergehen des Hausfriedensbruchs im Sinne von Art. 186 StGB wird nur auf Antrag hin verfolgt. Gemäss Art. 304 Abs. 1 StPO muss ein Strafantrag schriftlich eingereicht oder mündlich zu Protokoll gegeben werden. Das Antragsrecht erlischt nach drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person die Täterschaft bekannt ist (Art. 31 StGB). Wird die Strafantragsfrist nicht eingehalten, liegt kein für die Strafverfolgung gültiger Strafantrag vor. Diesfalls ist das Verfahren mangels Prozessvoraussetzung einzustellen (Urteil des Bundesstrafgerichts SK.2022.6 vom 13. Dezember 2022 E. 1.3.2.1 f.).

5.4.2.2 Der inkriminierte Vorfall ereignete sich am 20. Dezember 2019. Die L. AG hat am 20. Dezember 2019 Strafantrag gegen Unbekannt wegen Hausfriedensbruchs gestellt (BA 15-02-0001). Am 13. Februar 2020 stellte sie explizit Strafantrag gegen den Beschuldigten wegen Hausfriedensbruchs (BA 15-02-0003). Die dreimonatige Strafantragsfrist ist somit eingehalten. Es liegt ein gültiger Strafantrag vor.

5.4.3 Objektiver und subjektiver Tatbestand

Indem der Beschuldigte und sein Mittäter den Bankomaten sprengten, entstand eine Öffnung in der Liegenschaft, durch welche sie das L. AG-Verkaufsgeschäft unrechtmässig betraten. Dieses Eindringen geschah gegen den Willen der L. AG, da das Geschäft in der Nacht geschlossen war und für die Kundschaft für Einkäufe, und umso mehr für Diebe, nicht offenstand. Der objektive Tatbestand ist nach dem Gesagten erfüllt. Der Beschuldigte handelte überdies vorsätzlich, indem er das Geschäft bewusst betrat, um an das sich darin befindende Bargeld zu gelangen. Dass er dabei unberechtigt ins Ladenlokal eindringt, hat er als notwendige Folge in seinen Entschluss miteinbezogen. Demnach ist auch der subjektive Tatbestand erfüllt.

5.4.4 Im Ergebnis hat der Beschuldigte den Tatbestand von Art. 186 StGB objektiv und subjektiv erfüllt.

5.4.5 Schuldausschliessungs- und Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. Der Beschuldigte hat demnach tatbestandsmässig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

6. Schuldsprüche

Im Ergebnis ist der Beschuldigte der mehrfachen Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht gemäss Art. 224 Abs. 1 StGB, des mehrfachen qualifizierten Diebstahls gemäss Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 3 Abs. 4 StGB, der mehrfachen qualifizierten Sachbeschädigung gemäss Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB und des Hausfriedensbruchs gemäss Art. 186 StGB schuldig zu sprechen.

7. Konkurrenz

7.1 Die Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 StGB) sowie die qualifizierte Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB) einerseits und der Grundtatbestand des Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 StGB), die qualifizierte Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB) und der Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB) andererseits, stehen vorliegend unbestrittenermassen in echter Konkurrenz (vgl. Roelli, a.a.O., Art. 224 StGB N. 12 [zum Verhältnis zwischen Art. 224 und Art. 144 StGB]; Niggli/Riedo, a.a.O., Art. 139 StGB N. 228 [zum Verhältnis zwischen Art. 139 und Art. 144 StGB]).

7.2 Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 StGB) und des qualifizierten Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 3 Abs. 4 StGB) kann sich allerdings die Frage stellen, ob die im Rahmen von Art. 139 Ziff. 3 Abs. 4 StGB durch die Verwendung von Sprengstoff offenbarte Gefährlichkeit bereits im Erfolgsunwert von Art. 224 Abs. 1 StGB enthalten sei und daher neben Art. 224 Abs. 1 StGB ausschliesslich ein Schuldspruch wegen einfachen Diebstahls gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB erfolgen könnte. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen den beiden Delikten muss vorliegend nicht abschliessend geklärt werden. Zwar trifft es zu, dass die Qualifikation von Art. 139 Ziff. 3 Abs. 4 StGB bezweckt, besonders gefährliche deliktische Vorgehensweisen, namentlich solche, die zu einer Gefährdung von Leib und Leben führen, stärker zu bestrafen (Niggli/Riedo, a.a.O., Art. 139 StGB N. 175 und N. 188) und damit in dieser Hinsicht mit dem Rechtsgutschutz von Art. 224 Abs. 1 StGB im Kern übereinstimmt. Der Beschuldigte hat seine besondere Gefährlichkeit jedoch nicht ausschliesslich durch den Einsatz von Sprengstoff offenbart, sondern darüber hinaus auch und insbesondere durch das Mitführen eines Brecheisens. Die dadurch für Leib und Leben zusätzlich geschaffene Gefährdung ist vom Unrechtsgehalt von Art. 224 Abs. 1 StGB nicht umfasst, sodass die beiden Delikte vorliegend zueinander in echter Konkurrenz stehen.

7.2.1 Im Ergebnis stehen sämtliche durch den Beschuldigten erfüllten Delikte in echter Konkurrenz, weshalb Schuldsprüche wegen Art. 224 Abs. 1, Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 3 Abs. 4 und Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB zu erfolgen haben.

8. Strafzumessung

8.1 Rechtliches

8.1.1 Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Art. 47 Abs. 1 StGB). Das Verschulden bestimmt sich nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB). Somit kommt dem (subjektiven) Tatverschulden eine entscheidende Rolle zu (BGE 136 IV 55 E. 5.4). Ausgehend von der objektiven Tatschwere hat das Gericht dieses Verschulden zu bewerten. Es hat im Urteil darzutun, welche verschuldensmindernden und -erhöhenden Gründe im konkreten Fall gegeben sind, um so zu einer Gesamteinschätzung des Tatverschuldens zu gelangen (BGE 136 IV 55 E. 5.5). Der Gesetzgeber hat einzelne Kriterien aufgeführt, die für die Verschuldenseinschätzung von wesentlicher Bedeutung sind und das Tatverschulden vermindern bzw. erhöhen (BGE 136 IV 55 E. 5.5, 5.6). Im Rahmen der Strafzumessung gemäss Art. 47 StGB hat das Gericht zuerst die objektiven und subjektiven Tatumstände (Tatkomponenten) zu gewichten und die sich daraus ergebende hypothetische Strafe zu definieren (BGE 134 IV 132 E. 6.1). Die objektive Tatkomponente umfasst das Ausmass des verschuldeten Erfolgs und die Art und Weise des Vorgehens, während sich die subjektive Tatkomponente auf die Beweggründe, die Intensität des deliktischen Willens und das Mass an Entscheidungsfreiheit bezieht (BGE 129 IV 6 E. 6.1). Sodann ist die anhand der objektiven und subjektiven Tatumstände ermittelte hypothetische Strafe bei Vorliegen täterrelevanter Strafzumessungsfaktoren zu erhöhen bzw. zu reduzieren (BGE 136 IV 55 E. 5.7).

8.1.2 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat, d.h. derjenigen Tat, die mit der schwersten Strafe bedroht ist, und erhöht sie angemessen (Asperationsprinzip). Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB).

Die Strafschärfungsregel von Art. 49 Abs. 1 StGB greift nur, wenn mehrere gleichartige Strafen, also z.B. mehrere Geldstrafen oder zeitige oder lebenslange Freiheitsstrafen ausgesprochen würden (BGE 137 IV 249 E. 3.4.2; 137 IV 57 E. 4.3.1; 138 IV 120 E. 5.2). Geldstrafen und Freiheitsstrafen sind ungleichartige Strafen (Ackermann, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 49 StGB N. 90). Für den Fall, dass die konkurrierenden Tatbestände alternativ unterschiedliche Strafarten androhen (z.B. Freiheitsstrafe oder Geldstrafe), kann das Gericht in den Grenzen des gesetzlichen Höchstmasses der Strafart eine (einzige) Gesamt-strafe nach Art. 49 Abs. 1 StGB aussprechen, sofern es der Ansicht ist, es würde für jedes dieser Delikte im Einzelfall diese gleichartige Strafe ausfällen. Hält es hingegen in einem Fall eine Freiheitsstrafe, im andern eine Geldstrafe für angemessen, müssen die Strafen kumulativ ausgefällt werden (Ackermann, a.a.O., Art. 49 StGB N. 92).

8.1.3 Die Bildung einer Gesamtstrafe in Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB ist nur bei gleichartigen Strafen möglich. Mehrere gleichartige Strafen liegen vor, wenn das Gericht im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss gleichartige Strafen ausfällt (BGE 138 IV 120 E. 5.2 S. 122 f. mit Hinweisen). Bei der Wahl der Sanktionsart ist als wichtiges Kriterium die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen. Dem Richter steht ein weiter Spielraum des Ermessens zu (BGE 134 IV 82 E. 4.1 S. 85; 120 IV 67 E. 2b S. 71; je mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 6B_681/2013 vom 26. Mai 2014 E. 1.3.3).

8.1.4 Die Täterkomponenten (Art. 47 Abs. 1 Satz 2 StGB) – die mit der konkreten Straftat nicht im unmittelbaren Tatzusammenhang stehen – sind dabei erst (und nur einmal) nach der Festlegung der (hypothetischen) Gesamtstrafe für sämtliche Delikte zu berücksichtigen (Urteile des Bundesgerichts 6B_105/2015 vom 13. Januar 2016 E. 1.4.2; 6B_375/2014 vom 28. August 2014 E. 2.6). Die Täterkomponente setzt sich zusammen aus dem Vorleben, den persönlichen Verhältnissen, dem Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren sowie der Strafempfindlichkeit des Täters (BGE 129 IV 6 E. 6.1).

8.1.5 Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer anderen Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären (Art. 49 Abs. 2 StGB). Art. 49 Abs. 2 StGB will das Asperationsprinzip auch bei retrospektiver Konkurrenz gewährleisten (siehe auch Urteil des Bundesgerichts 6B_414/2009 vom 21. Juli 2009 E. 3.4.2 in Bezug auf Art. 68 Ziff. 2 aStGB). An der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach eine Zusatzstrafe auch zu einem ausländischen Urteil ausgefällt werden kann, welches Taten betrifft, die nicht in den (räumlichen) Geltungsbereich des StGB fallen, ist nicht festzuhalten. Seit jüngstem Änderungsentscheid des Bundesgerichts vom 28. September 2016 kann eine Zusatzstrafe gemäss Art. 49 Abs. 2 StGB nur noch zu einem inländischen Urteil ausgesprochen werden (BGE 142 IV 329 E. 1.4.1; Ackermann, a.a.O., Art. 49 StGB N. 160).

8.2 Der Beschuldigte hat vorliegend mehrere Straftatbestände verwirklicht. Abstrakt schwerste Tat ist die Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht gemäss Art. 224 Abs. 1 StGB; die Strafandrohung für dieses Delikt lautet Freiheitsstrafe von 1 bis 20 Jahren (Art. 224 Abs. 1 i.V.m. Art. 40 Abs. 2 StGB). Qualifizierter Diebstahl wird mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 3 StGB) und Sachbeschädigung mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bestraft, wobei beim qualifizierten Tatbestand der Sachbeschädigung auf Freiheitsstrafe von 1 bis 5 Jahren erkannt werden kann (Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB).

Wie nachfolgend aufzuzeigen sein wird (vgl. E. 8.4.5.3 f.), hält das Gericht für die qualifizierte Sachbeschädigung nach der vom Bundesgericht anzuwendenden konkreten Methode eine Freiheitsstrafe für schuldadäquat (siehe zur konkreten Methode BGE 144 IV 217 E. 2.2, 3.3 und 3.4). Ebenso wird aufzuzeigen sein (vgl. E. 8.4.5.2 - 8.4.5.4), dass bei der Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs aus Zweckmässigkeitsgründen und mit Blick auf die Präventionswirkung der Sanktion ebenfalls eine Freiheitsstrafe auszufällen ist, sodass für sämtliche Delikte die gleiche Strafart auszufällen ist.

Die Tat- und Deliktsmehrheit wirkt sich strafschärfend aus (Art. 49 Abs. 1 StGB). Die Anwendung des Asperationsprinzips führt innerhalb des abstrakten Strafrahmens von Art. 224 Abs. 1 StGB zu einer Strafschärfung. Infolge Bindung an das gesetzliche Höchstmass der Freiheitsstrafe von 20 Jahren (Art. 49 Abs. 1 i.V.m. Art. 40 Abs. 2 StGB; siehe E. 8.1.2) darf diese Grenze nicht überschritten werden.

8.3 Einsatzstrafe

8.3.1 Ausgangspunkt der Strafzumessung bildet die Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht gemäss Art. 224 Abs. 1 StGB.

8.3.2 Objektives Tatverschulden

Der Beschuldigte hat zwei Bankomatensprengungen verursacht, wobei das Sprengstoffdelikt in Sevelen SG die gefährlichere Tat war, zumal nebst Sachschaden auch Personen konkret gefährdet wurden (E. 4.1.2.2). Die Gefährdungslage ist daher virulenter einzustufen als jene in Neftenbach ZH. Entsprechend ist zunächst für das Sprengstoffdelikt in Sevelen eine Einsatzstrafe festzulegen.

Hinsichtlich der objektiven Tatkomponente ist festzuhalten, dass der Beschuldigte zusammen mit seinem Mittäter am 12. Dezember 2019 um ca. 01:33 Uhr nachts an einem Bankomaten, welcher in die Fassade eines mehrstöckigen Geschäfts- und Wohnhauses mit mindestens 12 Bewohnern eingebaut war, ein Selbstlaborat mit TATP zur Explosion brachte. Durch die Explosion entstand ein Sachschaden von ca. Fr. 107'000.--, was einen sehr grossen Schaden darstellt. Darüber hinaus hat er die körperliche Integrität der sich im Wohnhaus befindenden Personen konkret gefährdet. Die Gefährdung war erheblich: Das Selbstlaborat TATP gilt als nicht handhabungssicher und hochexplosiv und birgt damit angesichts seiner Instabilität, verminderten Kontrollierbarkeit und hohen Sprengkraft eine grosse Gefahr für Leib und Leben von Personen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beschuldigte und sein Mittäter das TATP in unmittelbarer Nähe zu einer Vielzahl von schlafenden und damit schutzlosen Personen zur Explosion brachten. Gerade die Sprengung eines Bankomaten unterhalb von Wohnungen zeugt von exemplarischer Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber fremden Rechtsgütern. Schliesslich ist festzuhalten, dass der Umgang mit einem Selbstlaborat wie TATP bzw. den hierfür notwendigen Vorläuferstoffen – anders als mit kommerziellen Sprengstoffen – im Tatzeitpunkt weniger intensiv überwacht wurde, weshalb diese erst seit relativ kurzer Zeit vermehrt zur Begehung von Straftaten verwendet wurden (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe vom 20. November 2019, BBl 2020 161, S. 166 f.). Indem der Beschuldigte und sein Mittäter für ihre Tat TATP verwendeten, zeigten sie folglich eine gewisse Professionalität und Dreistigkeit in ihrer Tatausführung, was strafschärfend zu werten ist. Bemerkenswert ist ausserdem, dass das Paket mit dem Sprengstoff mit einer Breite von ca. 12 cm exakt in das Geldausgabefach des Bankomaten passte, was auf eine minuziöse Tatplanung schliessen lässt. Aber auch der Umstand, dass die Bankomaten der B. Bank von Sevelen SG und F. Bank Neftenbach ZH vom gleichen Gerätehersteller und nicht nachgerüstet waren (vgl. E. 3.5.4 b), was das Delikt in dieser Form erst ermöglichte, dürfte der Täterschaft aufgrund ihrer professionellen Vorgehensweise bekannt gewesen sein, war es doch kaum Zufall, dass dies bei beiden Bankomaten der Fall war. Ausserdem wählten sie als Fluchtweg einen Fussweg von rund 10 bis 13 km abseits von polizeilichen Strassenkontrollen, was ebenfalls für eine durchdachte Tatplanung spricht. Eine gewisse Naivität offenbarten die Mittäter lediglich, indem sie die Brecheisen (Geissfüsse) mit den DNA-Spuren auf dem Fluchtweg zurückliessen. Tatplan und Tatausführung lassen aber insgesamt auf eine professionelle Vorbereitung schliessen, was eine erhebliche kriminelle Energie offenbart. Nach dem Gesagten ist das objektive Tatverschulden als erheblich zu gewichten.

8.3.3 In subjektiver Hinsicht ist zu beachten, dass der Beschuldigte die Tat beging, um den Bankomaten zu zerstören und anschliessend an das sich darin befindende Bargeld zu gelangen. Die mit der Verwendung von TATP einhergehende Gefahr für fremdes Eigentum sowie für die körperliche Integrität von Personen hat er als notwendige Folge zur Erreichung seines Ziels in seinen Entschluss miteinbezogen. Die Intensität des deliktischen Willens war erheblich, da der Beschuldigte seinem Ziel, die Aufsprengung des Bankomaten zum Zwecke des Diebstahls, alle anderen, tatsächlich oder potenziell auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter – fremdes Eigentum sowie Leib und Leben Dritter – untergeordnet hat. In Bezug auf die Sachbeschädigung des Bankomaten handelte er direktvorsätzlich. Die Gefährdung von Leib und Leben nahm er in Kauf. Allerdings muss ihm zugutege-halten werden, dass die Beschädigung der Liegenschaft und die Gefährdung der sich darin befindenden Personen nicht das von ihm erstrebte Ziel war. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Beschuldigte rein egoistisch handelte und zur Erreichung des von ihm verfolgten Ziels in einer gewissen Skrupellosigkeit die Verletzung und Gefährdung fremder Rechtsgüter als notwendige Folge seiner Handlungen akzeptierte. Die Intensität des deliktischen Willens daher war erheblich. Der Beschuldigte hätte die Tat und deren Folgen ohne Weiteres vermeiden können. Er handelte aus finanziellen Motiven. Erschwerend kommt hinzu, dass er als typischer «Kriminaltourist» einzig zur Deliktsverübung in die Schweiz eingereist ist; er hat keinerlei familiäre und berufliche Beziehungen zum Land. Auch das subjektive Tatverschulden ist nach dem Gesagten als erheblich zu werten.

8.3.4 Aufgrund des insgesamt erheblichen Tatverschuldens ist die gedankliche Einsatzstrafe auf 48 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen.

8.4 Asperation

8.4.1 Die Einsatzstrafe ist in Anwendung des Asperationsprinzips infolge Tat- und Deliktsmehrheit angemessen zu erhöhen. Dabei ist in Ergänzung zum vorgenannten Delikt das zweite Sprengstoffdelikt, der mehrfache qualifizierte Diebstahl, die mehrfache qualifizierte Sachbeschädigung sowie der Hausfriedensbruch zu bewerten. In einem ersten Schritt ist für diese Delikte die hypothetische Einzelstrafe zu bestimmen. Anschliessend ist die hypothetische Gesamtstrafe zu bemessen.

8.4.2 Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht

a) In Bezug auf die Bankomatensprengung in Neftenbach ZH ist zu berücksichtigen, dass durch Explosion ein Sachschaden von insgesamt Fr. 167'000.-- entstand, was einen sehr grossen Schaden (E. 4.3.1.2) darstellt. Die körperliche Integrität von Personen wurde nicht konkret gefährdet. Im Übrigen kann in Bezug auf das objektive und subjektive Tatverschulden auf das zur Bankomatensprengung von Sevelen SG Gesagte verwiesen werden (siehe E. 8.3.2). Insgesamt ist das Tatverschulden als erheblich zu werten.

b) Die hypothetische Einzelstrafe für dieses Delikt ist auf 32 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen.

8.4.3 Mehrfacher qualifizierter Diebstahl

Der qualifizierte Diebstahl zum Nachteil der B. Bank in Sevelen SG ist aufgrund der höheren Deliktssumme das schwerere Vermögensdelikt als dasjenige zum Nachteil der F. Bank in Neftenbach ZH. Es bildet somit innerhalb der Vermögendelikte Ausgangspunkt der Strafzumessung.

8.4.3.1 a) In Bezug auf den qualifizierten Diebstahl ist in objektiver Hinsicht festzuhalten, dass der Beschuldigte nach der Bankomatensprengung die B. Bank im Umfang von Fr. 126'600.-- geschädigt hat, was ein nicht unerheblicher Deliktsbetrag darstellt. Auch wenn der Beschuldigte und der Mittäter nicht wissen konnten, welcher Geldbetrag im Bankomaten tatsächlich lagerte, war das Handlungsziel auf das Erlangen einer möglichst grossen Geldsumme gerichtet. Zur Art und Weise der Tatausführung, namentlich zur offenbarten Gefährlichkeit im Sinne von Art. 139 Ziff. 3 Abs. 4 StGB, kann auf die Ausführungen zur Strafzumessung zu Art. 224 Abs. 1 StGB (E. 8.3.2) und zum qualifizierten Tatbestand (E. 5.2.3) verwiesen werden. In Ergänzung hierzu ist zu erwähnen, dass der Beschuldigte und sein Mittäter nicht nur TATP einsetzten, sondern überdies auch zwei Brecheisen (Geissfüsse) mitführten, mit welchen sie allfällig anzutreffende Menschen, namentlich auf dem Fluchtweg, schwer hätten verletzen können. Die kriminelle Energie des Beschuldigten ist daher erheblich.

b) In subjektiver Hinsicht handelte der Beschuldigte direktvorsätzlich, war es doch sein Ziel, das sich im Geldautomaten befindende Geld zu stehlen. Hinsichtlich des Beweggrundes ist zu berücksichtigen, dass sich der Beschuldigte offenbar in einer verzweifelten finanziellen Notlage befand, welche ihn aufgrund fehlender legaler Beschäftigungsmöglichkeit in der Baufirma bei I. über die Wintermonate und mangels Perspektive dazu verleitete, anderweitig rasch zu Geld zu kommen, um seinem Stiefvater die notwendige und kostenintensive ärztliche Behandlung zu ermöglichen. Aufgrund dieser Gemengelage dürfte der psychische Druck auf dem Beschuldigten, sich nicht wohl zu verhalten, entsprechend gross gewesen sein. Im Übrigen kann in Bezug auf das subjektive Tatverschulden grundsätzlich auf die Ausführungen zu Art. 224 Abs. 1 StGB (E. 8.3.3.) verwiesen werden, da sich Handlungsziel und Motivlage mit jenem Tatbestand überlagern. Insgesamt ist das Tatverschulden als nicht mehr leicht bis erheblich zu werten.

c) Die hypothetische Einzelstrafe ist auf 18 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen.

8.4.3.2 a) In Bezug auf den qualifizierten Diebstahl in Neftenbach ZH ist in objektiver Hinsicht festzuhalten, dass der Beschuldigte die F. Bank im Umfang von Fr. 103'200.-- geschädigt hat, was wiederum eine nicht unerhebliche Deliktssumme darstellt. Was das übrige objektive und subjektive Tatverschulden anbelangt, kann grundsätzlich auf die Ausführungen zum Vermögensdelikt in Sevelen SG (E. 9.4.3.1) verwiesen werden, da sich Handlungsziel und Motivlage mit jenem Delikt decken.

b) Die hypothetische Einzelstrafe ist auf 16 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen.

8.4.4 Mehrfache qualifizierte Sachbeschädigung

Die qualifizierte Sachbeschädigung im Zusammenhang mit der Bankomatensprengung in Neftenbach ZH ist im Vergleich zu derjenigen von Sevelen SG aufgrund des höheren Sachschadens die schwerere Tat. Sie bildet somit innerhalb dieses Tatkomplexes Ausgangspunkt der Strafzumessung.

8.4.4.1 a) In objektiver Hinsicht kann auf das bei der Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht Gesagte verwiesen werden (siehe E. 8.4.2 a): Danach hat der Beschuldigte zusammen mit seinem Mittäter aufgrund der Sprengung des Bankomaten der F. Bank in Neftenbach ZH einen Sachschaden von insgesamt ca. Fr. 167'000.-- verursacht, was einen sehr grossen Schaden darstellt (vgl. E. 8.4.2 a; 4.3.1.2). In subjektiver Hinsicht ist zwischen dem Schaden am Bankomaten, der Liegenschaft mit dem eingebauten Bankomaten und den im Verkaufsgeschäft L. Shop im Innern der Liegenschaft lagernden Verkaufsgegenstände zu differenzieren: Die Beschädigung des Bankomaten erfolgte direktvorsätzlich, um an das sich darin befindende Bargeld zu gelangen. Dass zur Erreichung dieses Ziels auch die Liegenschaft an der K. Strasse in Neftenbach ZH und die Verkaufsgegenstände im L. Shop beschädigt werden, nahm der Beschuldigte zumindest in Kauf und hat dies in seinen Tatentschluss miteinbezogen. Der Beschuldigte hätte die Tat jedoch ohne Weiteres vermeiden können.

Das Tatverschulden ist insgesamt als nicht mehr leicht zu gewichten. Deshalb und unter Berücksichtigung, dass die qualifizierte Sachbeschädigung in einem engen Zusammenhang zu den vorgenannten Delikten steht, kann dem dadurch begangenen Unrecht nur mit einer Freiheitsstrafe begegnet werden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass das Tatverschulden teilweise durch die für die Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht auszusprechende Strafe (siehe E. 8.4.2) abgegolten ist. Trotz dieses Umstands vermöchte eine Geldstrafe – deren Höchstmass von 180 Tagessätzen einem Äquivalent von 6 Monaten Freiheitsstrafe entspricht – dem begangenen Unrecht nicht hinreichend Rechnung zu tragen, zumal die Grenze des grossen Schadens, bei welchem bereits ein Jahr Freiheitsstrafe ausgesprochen werden kann, bei Weitem überschritten ist. Folglich ist auf eine Freiheitsstrafe zu erkennen.

b) Die hypothetische Einzelstrafe ist auf 12 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen.

8.4.4.2 a) In Bezug auf die qualifizierte Sachbeschädigung im Zusammenhang mit der Bankomatensprengung in Sevelen SG kann in objektiver Hinsicht auf das bei der Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht Gesagte verwiesen werden (siehe E. 8.3.2): Danach hat der Beschuldigte zusammen mit seinem Mittäter einen Sachschaden von ca. Fr. 107'000.-- verursacht, was einen sehr grossen Schaden darstellt (vgl. E. 8.3.2; 4.3.1.2). In subjektiver Hinsicht ist wiederum zwischen dem Schaden am Bankomaten und dem Schaden am Wohn- bzw. Geschäftshaus zu differenzieren: Die Beschädigung des Bankomaten erfolgte direktvorsätzlich, um an das sich darin befindende Bargeld zu gelangen. Dass zur Erreichung dieses Ziels auch das Gebäude an der J. Strasse in Sevelen beschädigt wird, nahm der Beschuldigte zumindest in Kauf und hat den Kollateralschaden in seinen Tatentschluss miteinbezogen (siehe E. 4.3.2). Der Beschuldigte hätte die Tat ohne Weiteres vermeiden können. Das Tatverschulden ist insgesamt als nicht mehr leicht zu gewichten. Was die Wahl der Strafart anbelangt, kann auf die Ausführungen zur qualifizierten Sachbeschädigung im Zusammenhang mit der Bankomatensprengung von Neftenbach ZH verwiesen werden (E. 8.4.4.1 a, zweiter Abschnitt). Demnach ist auch hier auf eine Freiheitsstrafe zu erkennen.

b) Die hypothetische Einzelstrafe ist auf 10 Monate Freiheitsstrafe festzusetzen.

8.4.5 Hausfriedensbruch

8.4.5.1 In Bezug auf das objektive Tatverschulden ist festzuhalten, dass der Beschuldigte am 20. Dezember 2019 an der K. Strasse in Neftenbach den Bankomatenraum und das Verkaufsgeschäft L. Shop vom Vorplatz der Liegenschaft her durch die in Folge der Explosion entstandene Öffnung in der südlichen Fassade der Liegenschaft unrechtmässig betrat und dort das Bargeld behändigte. Es handelt sich um ein Begleitdelikt im Bagatellbereich. Das Ausmass des verschuldeten Erfolges ist daher leicht. Dasselbe gilt auch für die Intensität des deliktischen Willens und die kriminelle Energie. In subjektiver Hinsicht war das Verhalten des Beschuldigten geprägt von Respektlosigkeit gegenüber fremdem Hausrecht. Das Tatverschulden ist insgesamt leicht. Unter Berücksichtigung der Tatkomponenten erscheint es angemessen, für die Tat eine Strafe in Höhe von 60 Tagen Freiheitsstrafe bzw. 60 Tagessätzen Geldstrafe auszufällen.

8.4.5.2 In Bezug auf die Wahl der Sanktionsart ergibt sich Folgendes:

Gemäss Art. 41 Abs. 1 StGB kann das Gericht statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (lit. a); oder eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann (lit. b).

Die angemessene Strafe von 60 Strafeinheiten liegt gemäss geltendem Sanktionsrecht im Bereich, in welchem sich die beiden Sanktionsarten Freiheitsstrafe und Geldstrafe überschneiden. Gemäss dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll bei alternativ zur Verfügung stehenden und hinsichtlich des Schuldausgleichs äquivalenten Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, welche weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift (vgl. Urteil der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts CA.2020.22 vom 16. Dezember 2021 E. 4.3). Bei der Wahl der Strafart ist aber zu beachten, dass der Grundsatz Geldstrafe vor Freiheitsstrafe nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht absolut gilt, sondern auch Ausnahmen kennt (vgl. BGE 147 IV 241 E. 3.2). Das Bundesgericht ging in einem jüngeren Urteil auf die wichtigsten Kriterien bei der Wahl der Strafart ein. Es erwog, dass insbesondere die Schuld des Täters zu berücksichtigen ist, um die Art der Strafe zu bestimmen, die eine Straftat nach Art. 47 StGB sanktionieren soll (BGE 147 IV 241 E. 3.2; 144 IV 217 E. 3.3.1 S. 225). In einem weiteren Urteil hat es darauf hingewiesen, dass die Schuld des Täters für die Wahl der Sanktion nicht (alleine) entscheidend ist (BGE 144 IV 313 E. 1.1.1 S. 317, insbesondere mit Verweis auf BGE 137 II 297 E. 2.3.4). Das ist insofern zu verstehen, wenn verschiedene Arten von Strafen in Betracht kommen. In einem solchen Fall kann die Schuld des Täters nicht das entscheidende Kriterium sein, sondern es muss neben der Angemessenheit der Strafe, Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, deren Auswirkungen auf den Täter und seine soziale Situation sowie ihrer Wirkung im Hinblick auf die Prävention beurteilt werden (BGE 147 IV 241 E. 3.2; 144 IV 313 E. 1.1.1; 137 II 297 E. 2.3.4; 134 IV 97 E. 4.1). In seiner jüngeren Rechtsprechung ist das Bundesgericht sogar via das Konstrukt eines sogenannten Gesamtzusammenhangs dazu übergegangen, die auch von ihm grundsätzlich unbestrittene und in zahlreichen Leitentscheiden befürwortete konkrete Methode ausnahmsweise nicht anzuwenden (siehe statt vieler: BGE 142 IV 265 E. 2.4.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_210/2017 vom 25. September 2017 E. 2.2.1), und zwar beispielsweise, wenn die einzelnen Straftaten zeitlich und sachlich derart eng miteinander verknüpft sind, dass sich diese nicht sinnvoll auftrennen und beurteilen lassen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_1196/2015 vom 27. Juni 2016 E. 2.4.2; Ackermann, a.a.O., Art. 49 StGB N. 118a).

8.4.5.3 Beim Beschuldigten handelt es sich um einen typischen «Kriminaltouristen» (siehe E. 3.4.4). Er hat mehrere einschlägige Vorstrafen (siehe E. 8.5.1.1). Von daher gesehen, kann die präventive Wirkung einer monetären Sanktion auf den ohnehin mittellosen Beschuldigten heute verneint werden. Mit Blick auf die Zweckmässigkeit der Sanktion und ihre spezialpräventive Wirkung erscheint daher eine Freiheitsstrafe gerechtfertigt, zumal zwischen sämtlichen Delikten ein enger örtlicher und zeitlicher Sachkonnex besteht.

8.4.5.4 Die hypothetische Einzelstrafe ist auf 2 Monate Freiheitstrafe festzusetzen.

8.4.6 Hypothetische Gesamtstrafe

Zusammenfassend wird die hypothetische Gesamtstrafe wie folgt bemessen (Art. 49 Abs. 1 StGB):

Die gedankliche Einsatzstrafe gemäss Art. 224 Abs.1 StGB (Tatkomplex Sevelen SG) beträgt 48 Monate Freiheitsstrafe. Diese wird im Rahmen der Asperation für die Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1 StGB [Tatkomplex Neftenbach ZH]) um 16 Monate, für den mehrfachen qualifizierten Diebstahl (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 3 Abs. 4 StGB) um 17 Monate (9 Monate für den Tatkomplex Sevelen SG; 8 Monate für den Tatkomplex Neftenbach ZH), für die mehrfache qualifizierte Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB) um 11 Monate (6 Monate für den Tatkomplex Neftenbach ZH; 5 Monate für den Tatkomplex Sevelen SG) und für den Hausfriedensbruch in Neftenbach um 1 weiteren Monat erhöht. Das ergibt eine hypothetische Gesamtstrafe von 93 Monaten Freiheitsstrafe.

8.5 Täterkomponente

8.5.1 Vorleben und persönliche Verhältnisse

8.5.1.1 Der heute […]-jährige Beschuldigte ist rumänischer Staatsangehöriger und wuchs in Rumänien in VV. mit zwei Geschwistern und drei Halbgeschwistern auf (BA 13-03-0006 ff.). Seine Mutter ist 70 Jahre alt und sein Stiefvater ist vor rund einem Jahr verstorben. Sein leiblicher Vater starb, als er einjährig war. Gemäss eigenen Angaben ist er verheiratet und hat eine fünfzehnjährige Tochter. Seine Familie lebt in VV. in Rumänien. Der Beschuldigte besuchte 8 Jahre die Grundschule. Anschliessend absolvierte er 3 Jahre die Berufsschule, in welcher er 1997 die Ausbildung als Landwirtschaftsmechaniker abschloss. Er arbeitete bis 2000 als Mechaniker. Danach arbeitete er in Italien und Frankreich auf Baustellen und in England als Chauffeur. Im Dezember 2019 wohnte er bei I. in Z. in Österreich und kehrte kurz vor Weihnachten nach VV. zu seiner Familie zurück. Ab Januar 2020 arbeitete für wenige Monate in seiner Heimatstadt als Auto- und Lastwagenfahrer. Am 29. Mai 2020 reiste er zurück nach Z. und meldete Nebenwohnsitz an, weil er dort in der Firma von I. beschäftigt war.

Zurzeit verbüsst der Beschuldigte eine mehrjährige Haftstrafe im Zusammenhang mit einer Verurteilung in Dänemark (siehe E. 3.4.5; 8.8.4). Er hat aufgrund des Strafvollzuges weder ein ordentliches Erwerbseinkommen noch Vermögen. Schulden hat er nach eigenen Angaben keine. Was seine gesundheitliche Verfassung anbelangt, so bekommt er in der Haft Medikamente für die Augen. Ansonsten ist er bei guter Gesundheit. Nach seiner Haftentlassung will er wieder bei seiner Familie in Rumänien leben (BA 13.03-0007 f, -0075 f.; 16-02-0050; TPF 18.731.006), wobei dies vorliegend erst in einigen Jahren nach dem Vollzug sämtlicher Freiheitsstrafen der Fall sein dürfte.

Die Führungsberichte der Regionalgefängnisse W. vom 11. Oktober 2023 und X. vom 2. Oktober 2023 sowie des Gefängnisses Y. vom 3. Oktober 2023 sind durchwegs positiv und bescheinigen dem Beschuldigten insgesamt eine gute bis sehr gute Führung (TPF 18.232.7.010, -013, -017).

Der Beschuldigte ist mehrfach vorbestraft: In Italien wurde er mit Urteil des Tribunale di WW. vom 23. April 2007 wegen versuchten Diebstahls in Mittäterschaft zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten und einer Busse von EUR 300.-- verurteilt. Anschliessend wurde er mit Urteil des Tribunale di XX. vom 24. Oktober 2007 wegen mehrfachen Einbruchdiebstahls in Mittäterschaft zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten und einer Busse von EUR 400.-- verurteilt (BA 17-01-0039 f.). Sodann wurde er in Frankreich wie folgt verurteilt: Mit Strafentscheid des Tribunal Correctionnel de YY. vom 7. Juli 2008 wegen Hehlerei (Verkauf von Diebesgut) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten, mit Strafentscheid des Tribunal Correctionnel de ZZ. vom 10. August 2011 wegen Lenkens eines Fahrzeugs ohne Versicherungsschutz zu einer Busse von EUR 400.--, mit Strafentscheid des Tribunal Correctionnel de UUU. vom 29. August 2011 wegen unberechtigten Aufenthalts, Verwendung von gefälschten Dokumenten und Lenkens eines Fahrzeugs ohne Versicherungsschutz zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat und einer Busse von EUR 500.-- und schliesslich mit Urteil des Tribunal Correctionnel d'VVV. vom 27. Januar 2012 wegen qualifizierten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten (BA 17-01-0042 f.). Überdies wurde er in der Schweiz mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden vom 4. Dezember 2012 wegen Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht, mehrfacher Sachbeschädigung, mehrfachen Diebstahls, mehrfachen versuchten Diebstahls, mehrfachen Hausfriedensbruchs, mehrfachen rechtswidrigen Aufenthalts im Sinne des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer, mehrfacher rechtswidriger Einreise im Sinne des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer, widerrechtlicher Aneignung von Kontrollschildern im Sinne des Strassenverkehrsgesetzes, Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch im Sinne des Strassenverkehrsgesetzes und der Fälschung von Ausweisen zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt (TPF 18.232.1.001, -003). Schliesslich hat er Vorstrafen in Luxemburg: Mit Urteilen des Tribunal Correctionnel Luxembourg vom 21. März 2013 wurde er wegen mehrfachen Diebstahls und Hehlerei zu einer Gefängnisstrafe von 36 Monaten, wovon 18 Monate unbedingt und 18 Monate bedingt vollziehbar, und einer Busse von EUR 1'000.--, und vom 16. Oktober 2014 erneut wegen mehrfachen Diebstahls zu einer Gefängnisstrafe von 30 Monaten verurteilt (BA 17-01-0047). Zuletzt wurde er in Dänemark mit Urteil des U. Landsret (Landesgericht U.) vom 17. Juni 2022 letztinstanzlich im Zusammenhang mit einer Sprengstoffattacke auf einen Bankomaten wegen qualifizierten Diebstahls, unzulässigen Besitzes oder Gebrauchs von Waffen, Feuerwaffen, deren Teilen oder Komponenten, Munition und Sprengstoffen, zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt. Überdies erhielt er ein lebenslanges Einreiseverbot (BA 17-01-0067; B18-06-001-0330 ff.). Da der Beschuldigte die vorliegend beurteilten Delikte vor der Verurteilung in Dänemark begangen hat, gilt er diesbezüglich als nicht vorbestraft.

8.5.1.2 Vorstrafen sind straferhöhend zu berücksichtigen (statt vieler: BGE 136 IV 1 E. 2.6.2; 121 IV 3 E. 1b, 1c/dd). Im Ausland begangene Straftaten und dort verbüsste Strafen bilden ebenso wie im Inland erlittene Vorstrafen Bestandteil des Vorlebens des Täters und dürfen nach Art. 47 Abs. 1 Satz 2 StGB bei der Bemessung der Strafe berücksichtigt werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_258/2015 vom 26. Oktober 2015 E. 1.2.1, mit Hinweis auf BGE 105 IV 225 E. 2 S. 226).

8.5.1.3 Die Vorstrafen sind mit 3 Monaten leicht straferhöhend zu berücksichtigen, da sie relativ lange zurückliegen. Sie zeigen, dass der Beschuldigte mehrfach einschlägig in mehreren Ländern vorbestraft ist und sich durch die mehrfachen Verurteilungen innerhalb von rund 7 ½ Jahren zu – teilweise vollzogenen – Freiheitsstrafen und Bussen nicht hat beeindrucken lassen. Die jahrelange Kriminalhistorie zeugt von einer Unbelehrbarkeit und fehlenden Bereitschaft, die Rechtsordnung einzuhalten, wie sie bei «Kriminaltouristen» bezeichnend ist. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass er seine diesbezügliche Schuld durch den Vollzug der Strafen gesühnt hat.

Im Übrigen sind die persönlichen Verhältnisse und das Vorleben neutral zu werten.

8.5.2 Nachtatverhalten und Verhalten im Strafverfahren

8.5.2.1 a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und Lehre wirken das Geständnis, das kooperative Verhalten eines Täters bei der Aufklärung von Straftaten sowie die Einsicht und Reue strafmindernd (statt vieler: Urteil des Bundesgerichts 6B_312/2016 vom 23. Juni 2016 E. 1.3.2 m. Hinw. auf BGE 121 IV 202 E. 2d/cc; 6B_587/2015 vom 6. April 2016 E. 1.3.5; Wiprächtiger/Keller, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 47 StGB N. 169). Das Geständnis kann strafmindernd wirken, wenn es die Einsicht in das begangene Unrecht, aufrichtige Reue oder die Aufdeckung der Tat beinhaltet. Eine besonders kooperative Haltung kann beispielsweise die Überführung weiterer Personen oder die Zusammenarbeit bei der Aufklärung von Straftaten sein. Insgesamt hängt die strafmindernde Wirkung des Geständnisses von einer Gesamtbetrachtung dieser Faktoren ab. Die taktisch geprägten Geständnisse sind in der Regel nicht als Zeichen von Einsicht und Reue zu betrachten, weshalb eine Strafminderung nicht oder höchstens in reduziertem Umfang in Betracht kommt (Urteil des Bundesgerichts 6B_974/2009 vom 18. Februar 2010 E. 5.4). Erleichtert das Geständnis die Strafverfolgung indes nicht, etwa weil der Täter nur aufgrund der erdrückenden Beweislage oder gar erst nach Ausfällung des erstinstanzlichen Urteils geständig geworden ist, ist eine Strafminderung nicht angebracht (Wiprächtiger/Keller, a.a.O., Art. 47 StGB N. 170).

b) In erheblichem Ausmass ist vorliegend strafmindernd zu berücksichtigen, dass sich der Beschuldigte im Vorverfahren und vor Gericht kooperativ verhielt, ein nahezu umfassendes Geständnis ablegte (siehe E. 3.1 f.), aufrichtige Reue zeigt und einsichtig ist. Für die kooperative Haltung spricht ausserdem, dass er sich bereits in der rechtshilfeweisen durchgeführten Einvernahme vom 26. März 2021 in Dänemark bereit erklärte, in die Schweiz ausgeliefert zu werden und auszusagen (BA 18-06-0083; vgl. E. 3.4.2.1), was er auch tat. An der Hauptverhandlung vor Gericht war er sogar unter sichtlich schwerem Bedenken bereit, den Namen des Mittäters (I.) zu nennen. Es ist ihm zu glauben, wenn er im Schlusswort an der Hauptverhandlung mehrmals zu Protokoll gab, dass es ihm leidtue, was er gemacht habe (TPF 18.720.007). Anhaltspunkte für ein prozesstaktisch motiviertes Geständnis sind nicht vorhanden. Auch dürfte er innerhalb der kurzen Zeit nach der Auslieferung bis zur Hafteinvernahme bei der Bundesanwaltschaft vom 12. Januar 2023 kaum Zeit gehabt haben, sich im Detail mit der Beweislage auseinanderzusetzen, welche ihn letztlich motiviert haben könnte, ein taktisch geprägtes Geständnis abzulegen. Vielmehr zeigte der Beschuldigte bereits in der Hafteinvernahme den Willen, angesichts der damals noch eher dürftigen Beweislage mittels eines umfassenden und aufrichtigen Geständnisses zur Aufklärung seiner Straftaten beizutragen. Das Geständnis ist daher im Umfang von ⅓ bzw. 32 Monaten strafmindernd zu berücksichtigen.

8.5.2.2 Was das Nachtatverhalten anbelangt, so hat sich der Beschuldigte während laufender Strafuntersuchung nicht wohl verhalten: Er hat rund 6 Monate nach den Sprengstoffattacken auf die Bankomaten in Sevelen SG und Neftenbach ZH am 16. Juni 2020 eine weitere Bankomatensprengung in Dänemark verübt. Das hängige Strafverfahren in der Schweiz hat ihn nicht davon abgeschreckt, ein weiteres Verbrechen zu begehen. Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass er für diese Tat mit Urteil des dänischen U. Landsret vom 17. Juni 2022 zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, welcher er zurzeit verbüsst (siehe E. 3.4.5; 8.5.1.1). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dürfte erhebliche Auswirkungen auf das Leben des Beschuldigten und auch eine gewisse Warnwirkung haben. In der vorliegenden besonderen Fallkonstellation ist aber relevant, dass der Unrechtsge-halt der Tat in Dänemark bereits mit rechtskräftigem Urteil des dänischen Landgerichts abgegolten ist. Eine nochmalige Berücksichtigung des Fehlverhaltens in Dänemark unter dem Aspekt des Nachtatverhaltens würde gegen das Verbot der Doppelverwertung verstossen, zumal vorliegend, wie noch aufzuzeigen sein wird, eine Gesamtstrafenbildung – unter Anwendung des Asperationsprinzips – für die Taten in Dänemark und der Schweiz mangels rechtlicher Möglichkeit einer Zusatzstrafe (siehe E. 8.8.5) nicht möglich ist. Es ist daher, von einer Straferhöhung abzusehen.

8.5.3 Die Täterkomponente gibt nach dem Gesagten Anlass zu einer Reduktion der hypothetischen Gesamtstrafe vom 93 Monaten (E. 8.4.6) um 29 Monate (Vorstrafen: straferhöhend um 3 Monate; Geständnis: strafmindernd um 32 Monate).

8.5.4 Strafmilderungsgründe liegen nicht vor.

8.6 Unter Würdigung aller Umstände und Strafzumessungsfaktoren ist für die vorgenannten Delikte (E. 8.4.6) eine Freiheitsstrafe von 64 Monaten verschuldens- und täterangemessen.

8.7 Die Freiheitsstrafe ist unbedingt auszusprechen; aufgrund des Strafmasses ist ein bedingter oder teilbedingter Vollzug objektiv ausgeschlossen (Art. 42 ff. StGB e contrario).

8.8 Der Beschuldigte wurde anfangs 2023 vorübergehend von Dänemark in die Schweiz zwecks Durchführung des vorliegenden Strafverfahrens ausgeliefert (siehe E. 8.8.3). Aufgrund der seither in der Schweiz ausgestandenen Haft und des vorzeitigen Strafvollzugs (nachfolgend: Haft; vgl. Lit. F.) stellt sich die Frage nach deren Anrechenbarkeit auf die vorliegende Strafe.

8.8.1 Gemäss Art. 51 Satz 1 StGB rechnet das Gericht die Untersuchungshaft, die der Täter während dieses oder eines anderen Verfahrens ausgestanden hat, auf die Strafe an. Der vorzeitige Strafvollzug, welcher bundesrechtlich in Art. 236 StPO normiert ist, ist auf die ausgefällte Strafe ebenfalls vollumfänglich anzurechnen (Mettler/Spichtin, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 51 StGB N. 28). Nach dem Wortlaut von Art. 51 StGB ist für die Anrechnung der Haft weder Tat- noch Verfahrensidentität erforderlich (BGE 141 IV 236 E. 3.3).

8.8.2 Die Auslieferung zwischen der Schweiz und Dänemark beurteilt sich nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1). Gemäss Art. 19 Ziff. 1 EAUe kann der ersuchte Staat, nachdem er über das Auslieferungsersuchen entschieden hat, die Übergabe des Verfolgten aufschieben, damit dieser von ihm gerichtlich verfolgt werden oder, falls er bereits verurteilt worden ist, in seinem Hoheitsgebiet eine Strafe verbüssen kann, die er wegen einer anderen Handlung als derjenigen verwirkt hat, derentwegen um Auslieferung ersucht worden ist. Statt die Übergabe aufzuschieben, kann der ersuchte Staat den Verfolgten dem ersuchenden Staat vorübergehend unter Bedingungen übergeben, die von beiden Staaten vereinbart werden (Ziff. 2).

8.8.3 Wie einleitend im Rahmen der Prozessgeschichte erwähnt (vgl. Lit. F.), wurde der Beschuldigte mit Urteil des dänischen U. Landsret vom 17. Juni 2022 letztinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig und das Urteil wird derzeit vollzogen. Gestützt auf ein Ersuchen des Bundesamtes für Justiz vom 31. August 2020 bewilligte die dänische Generalstaatsanwaltschaft mit Schreiben vom 21. Juli 2022 auf Grundlage von Art. 19 Ziff. 2 EAUe (siehe E. 8.8.2) die vorübergehende Auslieferung des Beschuldigten zwecks Durchführung des vorliegenden Strafverfahrens. Mit Schreiben vom 13. September 2022 bestätigte das Bundesamt für Justiz (nachfolgend: BJ) gegenüber den dänischen Behörden, dass der Beschuldigte während der gesamten Dauer der vorübergehenden Auslieferung in Haft behalten werde und die Haftdauer, die er in der Schweiz verbüsse, an die mit dänischem Urteil des Landgerichts vom 17. Juni 2022 ausgesprochene Freiheitsstrafe angerechnet werde. Am 11. Januar 2023 wurde der Beschuldigte von den dänischen Behörden vorübergehend an die Schweiz ausgeliefert. Die Bundeskriminalpolizei überführte den Beschuldigten am 11. Januar 2023 von Dänemark in die Schweiz. Anschliessend befand er sich bis zum Urteilszeitpunkt in Haft (Auslieferungs- bzw. Untersuchungshaft bzw. ab dem 29. März 2023 bis zum Urteilsdatum im vorzeitigen Strafvollzug (BA 18-06-0001 f., -0101 f., -0123 f.; Rubrik 06.02).

8.8.4 Was die Anrechnung der vom Beschuldigten in der Schweiz ausgestandenen Haft an die vorliegend ausgesprochene Strafe anbelangt (Art. 51 StGB), ist auf die von der Schweiz mit Erklärung vom 13. September 2022 gegenüber Dänemark eingegangene Verpflichtung im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 EAUe hinzuweisen, wonach der Beschuldigte während der gesamten Dauer der vorübergehenden Auslieferung an die Schweiz – unter Anrechnung an die mit dänischem Urteil vom 17. Juni 2022 ausgesprochene Freiheitsstrafe von 6 Jahren – in Haft zu behalten ist (BA 18-06-0139 f.; 18-06-0144 f.). Es besteht somit eine unmittelbare völkerrechtliche Verpflichtung der Schweiz zur Inhaftierung des Beschuldigten zum Zwecke des Vollzugs der in Dänemark gegen ihn ausgesprochenen Freiheitsstrafe (vgl. BGE 142 II 161 E. 4.5.1 zur direkten Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verpflichtungen). Laut Auskunft des BJ, Direktionsbereich Internationale Rechtshilfe, Fachbereich Auslieferung, vom 2. November 2022, kann trotzdem – in solchen Situationen wie der vorliegenden – während der Dauer der vorübergehenden Auslieferung ein Haftverfahren in der Schweiz durchgeführt werden, obwohl die Dauer an das ausländische Urteil angerechnet wird. Die Haft gilt nur subsidiär und ist nicht an eine in der Schweiz ausgesprochene Freiheitsstrafe anzurechnen (BA 18-06-0144 f.).

Die erwähnte Auskunft des BJ ist sachlogisch, kann es doch nicht angehen, die ausgestandene Haft in der Schweiz an zwei Freiheitsstrafen anzurechnen. Nach dem Gesagten dient die vom Beschuldigten in der Schweiz ausgestandene Haft aufgrund von deren Subsidiarität einzig dem Vollzug der in Dänemark gegen ihn ausgesprochenen Freiheitsstrafe. Sie kann somit nicht zusätzlich auf den Vollzug der vorliegend ausgesprochenen Freiheitsstrafe angerechnet werden.

8.8.5 Nach dem Gesagten ist somit die ausgestandene Haft in der Schweiz (bis zum Urteilstag vom 16. November 2023: 310 Tage) nicht an die vorliegende Strafe anzurechnen, sondern gestützt auf die mit Erklärung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 13. September 2022 gegenüber Dänemark eingegangene Verpflichtung im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 EAUe an die mit Urteil des dänischen U. Landsret vom 17. Juni 2022 gegen den Beschuldigten ausgesprochene Strafe.

8.8.6 Einwand des Verteidigers

8.8.6.1 Der Verteidiger wandte an der Hauptverhandlung ein, es sei eine Zusatzstrafe zum dänischen U. Landsret Urteil vom 17. Juni 2022 im Sinne von Art. 49 Abs. 2 StGB auszusprechen (TPF 18.721.019, -021). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung könne eine Zusatzstrafe gemäss Art. 49 Abs. 2 StGB zwar nur zu einem inländischen Urteil ausgesprochen werden (mit Verweis auf BGE 142 IV 329, 330 f.). Die Begründung des Bundesgerichts, wonach eine Zusatzstrafe zu einem ausländischen Urteil nur ausgefällt werden könne, wenn diese Taten betreffen würde, die in den räumlichen Geltungsbereich fallen, vermöge indessen nicht zu überzeugen. Beim abgeurteilten Delikt in Dänemark und den vorliegenden zu beurteilenden Delikten im Zusammenhang mit dem Einsatz von Sprengstoff, handle es sich um Straftaten, welche sich gegen international geschützte Rechtsgüter richten würden. Gemäss dem Weltrechts- oder Universalitätsprinzip könne das nationale Strafrecht auch auf Handlungen angewendet werden, die weder nach Territorialitäts- noch nach Personalitätsprinzip im Inland zu bestrafen wären. Erforderlich sei allerdings, dass die Straftat gegen international geschützte Rechtsgüter gerichtet sei. Dies gelte besonders für Delikte, die nach dem Völkerrecht strafbar seien. In Art. 6 Abs. 1 StGB werde das Weltrechts- und Universalitätsprinzip in der Schweiz kodifiziert. Die Schweiz habe auch das Römische Statut am 12. Oktober 2001 ratifiziert, welches ein im Artikel 6 erfasstes internationales Übereinkommen darstelle, dass die Anwendung auf dadurch verfolgte Vergehen oder Verbrechen ermögliche. Der räumliche Geltungsbereich erfasse durch Art. 6 StGB also auch das Delikt in Dänemark. Dasselbe werde in Dänemark der Fall sein für den räumlichen Geltungsbereich der Taten in der Schweiz, denn auch Dänemark habe das Römische Statut am 21. Juni 2001 ratifiziert.

8.8.6.2 Der Gründungsvertrag des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) ist am 1. Juli 2002 unter Bezeichnung «Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshof» in Kraft getreten. Mit dem Vertrag ist ein ständiges Gericht geschaffen worden, durch welches besonders schwere, nach dem 1. Juli 2002 begangene Straftaten wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und dergleichen weltweit verfolgt werden können. Das im Völkerrecht verankerte Weltrechtsprinzip ist ein bedeutendes Element bei der Bekämpfung der Straflosigkeit von schwersten Menschenrechtsverbrechen. Gemäss Art. 5 Abs. 1 des Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (Römer Statut; SR 0.312.1) ist die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs daher auf die schwersten Verbrechen beschränkt, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren. Die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs erstreckt sich in Übereinstimmung mit dem Statut auf folgende Verbrechen: lit. a) das Verbrechen des Völkermords, lit. b) Verbrechen gegen die Menschlichkeit; lit. c) Kriegsverbrechen; lit. d) das Verbrechen der Aggression. Die Schweiz hat das Römer Statut am 12. Oktober 2001 ratifiziert; in Kraft getreten ist es für die Schweiz am 1. Juli 2002.

8.8.6.3 Das Römer Statut ist vorliegend nicht anwendbar, weil Sprengstoffdelikte im Zusammenhang mit Bankautomaten nicht in dessen Geltungsbereich fallen. Der Einwand ist demzufolge unbegründet.

8.9 Vollzug

Für den Vollzug der Strafe ist der Kanton St. Gallen zuständig (Art. 74 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 StBOG i.V.m. Art. 31 Abs. 2 StPO).

9. Landesverweisung

9.1 Der Beschuldigte ist rumänischer Staatsangehöriger und verfügt nicht über eine schweizerische Staatsbürgerschaft. Es ist folglich die Anordnung einer Landesverweisung gemäss Art. 66a ff. StGB zu prüfen.

9.2

9.2.1 Gemäss Art. 66a Abs. 1 StGB verweist das Gericht den Ausländer, der wegen einer im Gesetz aufgezählten Katalogtat verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für 5 bis 15 Jahre des Landes. Art. 139 Ziff. 3 StGB und Art. 224 Abs. 1 StGB bilden solche Katalogtaten (Art. 66a Abs. 1 lit. c und i StGB), für die das Gesetz die obligatorische Landesverweisung vorsieht.

9.2.2 Gemäss Art. 66a Abs. 2 StGB kann das Gericht ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind. Die Härtefallklausel dient der Umsetzung des verfassungsmässigen Verhältnismässigkeitsprinzips gemäss Art. 5 Abs. 2 BV (BGE 145 IV 364 E. 3.2; 144 IV 332 E. 3.1.2). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.3.1). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zur Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB der Kriterienkatalog der Bestimmung über den «schwerwiegenden persönlichen Härtefall» in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 (VZAE; SR 142.201) heranziehen. Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der (persönlichen und wirtschaftlichen) Integration, die Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Respektierung der Werte der Bundesverfassung, die Sprachkompetenzen, die Teilnahme am Wirtschaftsleben oder am Erwerb von Bildung und die familiären Bindungen des Ausländers in der Schweiz beziehungsweise in der Heimat (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_780/2020 vom 2. Juni 2021 E. 1.3.1). Da die Landesverweisung strafrechtlicher Natur ist, sind auch strafrechtliche Elemente wie die Aussichten auf soziale Wiedereingliederung des Täters in die Interessenabwägung miteinzubeziehen (BGE 144 IV 332 E. 3.3.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_780/2020 vom 2. Juni 2021 E. 1.3.1). Die aufgrund des Freizügigkeitsabkommens (FZA; SR 0.142.112.681) eingeräumten Rechte dürfen nach Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA nur durch Massnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, eingeschränkt werden. Bei der strafrechtlichen Landesverweisung ist deshalb – soweit Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union betroffen sind – im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Massnahme zum Schutze der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verhältnismässig ist (BGE 145 IV 364 E. 3.5, 3.9; Urteil des Bundesgerichts 6B_445/2021 vom 6. September 2021 E. 2).

9.3 Beim Beschuldigten liegt kein Härtefall vor: Er ist weder in der Schweiz geboren noch aufgewachsen. Er hat nie in der Schweiz gewohnt und verfügt hier über keine Verwandten und Freunde. Darüber hinaus ging er nie einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz nach. Auch sonst verfügt er über keinerlei Bezug zur Schweiz. Nach eigenen Angaben im Vorverfahren sieht er seine Zukunft bei seiner Familie in Rumänien, welche er nicht mehr verlassen wolle (BA 13-03-0076). Dieses Anliegen bekräftigte er in der Einvernahme in der Hauptverhandlung (TPF 18.731.006; vgl. E. 8.5.1.1, zweiter Abschnitt). Nach dem Gesagten sind keine Gründe persönlicher Natur, die gegen die Anordnung der Landesverweisung sprechen könnten, ersichtlich, und solche werden seitens des Beschuldigten auch nicht vorgebracht. Im Übrigen ist eine Landesverweisung auch verhältnismässig.

9.4 Der Beschuldigte ist demnach des Landes zu verweisen. Angesichts des Vorliegens zweier Katalogtaten (E. 9.2.1), der Schwere des Verschuldens (vgl. E. 8.3.4; 8.4.2 a; 8.4.2.1 f.) sowie der mehrfachen Vorbestrafung des Beschuldigten (vgl. E. 9.5.1.1) ist die Landesverweisung auf die Dauer von 10 Jahren festzulegen.

9.5 Für den Vollzug der Landesverweisung ist der Kanton St. Gallen zuständig (Art. 74 Abs. 1 lit. gbis und Abs. 2 StBOG i.V.m. Art. 31 Abs. 2 StPO).

10. Zivilklagen

10.1 Rechtliches

Die geschädigte Person kann zivilrechtliche Ansprüche aus der Straftat als Privatklägerschaft adhäsionsweise im Strafverfahren geltend machen (Art. 122 Abs. 1 StPO). Wer von Gesetzes wegen in die Ansprüche der geschädigten Person eingetreten ist, ist nur zur Zivilklage berechtigt und hat nur jene Verfahrensrechte, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung der Zivilklage beziehen (Art. 121 Abs. 2 StPO). Die strafprozessrechtliche, auf den Zivilpunkt beschränkte Nachfolge erfolgt generell bei Subrogation in die privatrechtlichen, mit der Straftat konnexen Ansprüche. Als Nachfolge im strafprozessrechtlichen Sinne gelten Versicherungsunternehmen, die den Ersatz des vom Versicherten erlittenen Schadens übernommen haben (Art. 95c VVG). Art. 121 Abs. 2 StPO ist ferner auf kantonale Gebäudeversicherungen anwendbar, sofern die Subrogation in die Rechte der versicherten Person ausdrücklich vorgesehen ist (Mazzucchelli/Postizzi, Basler Kommentar, 3. Aufl. 2023, Art. 121 StPO N. 13). Die in der Zivilklage geltend gemachte Forderung ist zu beziffern und, unter Angabe der angerufenen Beweismittel, kurz schriftlich zu begründen; Bezifferung und Begründung haben spätestens im Parteivortrag zu erfolgen (Art. 123 StPO). Das Gericht entscheidet über die anhängig gemachte Zivilklage, wenn es die beschuldigte Person schuldig spricht oder freispricht und der Sachverhalt spruchreif ist (Art. 126 Abs. 1 StPO). Die Zivilklage wird unter anderem auf den Zivilweg verwiesen, wenn die Privatklägerschaft ihre Klage nicht hinreichend begründet oder beziffert hat (Art. 126 Abs. 2 lit. b StPO).

Anerkennt die beschuldigte Person die Zivilklage, so ist dies im verfahrenserledigenden Urteil im Dispositiv zu vermerken (Art. 124 Abs. 3 StPO; Dolge, Basler Kommentar, 3. Aufl. 2023, Art. 124 StPO N. 7). Die Erwähnung der Anerkennung der Zivilklage im Dispositiv führt dazu, dass diese als definitiver Rechtsöffnungstitel nach Art. 80 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 (SchKG, SR 281.1) gilt (vgl. Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, in: BBl 2006 1290 f.).

10.2 Vorab ist davon Vormerk zu nehmen, dass der Beschuldigte sämtliche adhäsionsweise geltend gemachten Zivilforderungen anerkennt (BA 15-03-0074 f.; vgl. Art. 124 Abs. 3 StPO). Die Haftungsvoraussetzungen von Art. 41 Abs. 1 OR ergeben sich ohne Weiteres gestützt auf die im Strafverfahren gemachten tatsächlichen Feststellungen: Danach war es der Beschuldigte, welcher am 12. und 20. Dezember 2019 die Schäden in Mittäterschaft verursacht hat (E. 4.3; 5.3) und somit passivlegitimiert ist. Der Beschuldigte ist wegen den zu den Sachschäden führenden Handlungen, unter anderem der mehrfachen qualifizierten Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB; siehe E. 6.3), schuldig zu sprechen (vgl. E. 6); die Widerrechtlichkeit und Kausalität sind demnach gegeben. Da er zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung urteilsfähig (Art. 16 ZGB) war und die Handlungen überdies vorsätzlich beging (vgl. E. 4.1.3; 5.1.4), liegt auch Verschulden vor. Die übrigen materiellen und formellen Voraussetzungen geben aufgrund der Forderungsanerkennungen keinen Anlass zu Bemerkungen. Die materiellen spezialgesetzlichen Anspruchsgrundlagen werden daher nachfolgend – sofern von Relevanz – lediglich erwähnt.

10.2.1 Zivilklage der C. AG

Die C. AG (Versicherer der B. Bank) machte mittels am 3. November 2020 ausgefülltem Formular «Erklärung betreffend Privatklage» eine Zivilforderung in der Höhe von Fr. 12'721.-- geltend (BA 15-03-3-0008 f.).

Es ist davon Vormerk zu nehmen, dass der Beschuldigte die Zivilforderung der C. AG in der Höhe von Fr. 12'721.-- anerkennt.

10.2.2 Zivilklagen der D. Versicherung

10.2.2.1 Die D. Versicherung ist die Versicherung der Stockwerkeigentümergemeinschaft der durch die Explosion beschädigten Liegenschaft an der J. Strasse in 9475 Sevelen SG. Sie konstituierte sich mit Erklärungen vom 28. November 2022 bzw. 2. Dezember 2022 als Privatklägerschaft im Zivilpunkt und macht eine Zivilforderung im Betrag von Fr. 57'641.55 zuzüglich Zins von 5% seit dem 10. Dezember 2020 geltend (BA 15-05-0012, -0014; 15-05-0047, -0049).

Die D. Versicherung begründet die in ihrem Namen geltend gemachte Forderung mit einem Anspruch aus Art. 41 OR, welcher gemäss Art. 51 des Gesetzes über die Gebäudeversicherung des Kantons St. Gallen vom 26. Dezember 1960 (GVG; sGS; 873.1) im Umfang der von ihr geleisteten Entschädigung im Betrag von Fr. 57'641.55 auf sie übergegangen ist. In diesem Umfang zuzüglich des beantragten Zinses von 5 % seit 10. Dezember 2020 (Jaun, 6. Kapitel: Schadensfall, Abschnitt 6: Regress, in: Glaus/Honsell [Hrsg.], Gebäudeversicherung, Systematischer Kommentar, Basel, S. 339 f. N. 108) ist sie zur adhäsionsweisen Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche legitimiert (Art. 121 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 51 OR und Art. 51 GVG).

Es ist davon Vormerk zu nehmen, dass der Beschuldigte die Zivilforderung der D. Versicherung in der Höhe von Fr. 57'641.55 zuzüglich 5 % Zins seit dem 10. Dezember 2020 anerkennt.

10.2.2.2 Darüber hinaus beantragt die D. Versicherung, der Beschuldigte sei zu verpflichten, der Feuerwehr H. den Betrag von Fr. 1'305.-- zu bezahlen (BA 15-02-0012, -0014).

Die D. Versicherung verweist zur Begründung der Forderung auf Art. 41 Abs. 1 des Gesetzes über den Feuerschutz des Kantons St. Gallen vom 28. Januar 2020 (FSG, sGS 871.1) und macht geltend, die Feuerwehr könne für ihre Auslagen Regress nehmen, wenn der Feuerwehreinsatz vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht worden sei (TPF 9.554.001 f.).

Die Klage der D. Versicherung zugunsten eines Dritten ist in dieser Form aus folgenden Gründen nicht möglich: Laut Art. 121 Abs. 2 StPO ist es zwar möglich, von Gesetzes wegen in die Ansprüche der geschädigten Person einzutreten. Unabhängig der Frage, ob die Regressforderung nach Art. 41 Abs. 1 FSG überhaupt adhäsionsweise durch die D. Versicherung im Strafverfahren geltend gemacht werden kann, ist die Zivilklage in diesem Punkt mangels substantiierter Begründung auf den Zivilweg zu verweisen. Die Begründung der Privatklägerschaft beschränkt sich auf eine Paraphrasierung des (zum Tatzeitpunkt noch nicht in Kraft gewesenen) Art. 41 Abs. 1 FSG. Ob der Beschuldigte durch seine Handlungen einen Feuerwehreinsatz verursacht hat, war indes nicht Gegenstand des vorliegenden Strafverfahrens. Folglich wäre es an der Privatklägerschaft gewesen, sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen zu substantiieren und zu beweisen. Mangels eines solchen Vorbringens ist die Zivilklage in diesem Punkt auf den Zivilweg zu verweisen (Art. 126 Abs. 2 lit. b StPO).

10.2.3 Zivilklage der E. Versicherung

Die E. Versicherung (Versicherer der L. AG [heute. L. Genossenschaft]) konstituierte sich mit Erklärung vom 2. Dezember 2022 als Privatklägerschaft im Zivilpunkt. Sie macht eine Schadenersatzforderung von Fr. 74'976.25 geltend (BA 15-02-2-0020, -0022; 15-02-2-0024, -0026).

Anspruchsgrundlage bildet § 72 Abs. 1 des Gesetzes über Gebäudeversicherung des Kantons Zürich vom 2. März 1975 (GebVG; 862.1), wonach die Schadenersatzansprüche des Versicherten auf die Anstalt übergehen, soweit sie Entschädigung leistet und der Schaden durch einen Dritten vorsätzlich oder fahrlässig verursacht worden ist. Die E. Versicherung ist somit zur adhäsionsweisen Geltendmachung des privatrechtlichen Anspruchs im Umfang der von ihr geleisteten Zahlung von Fr. 74'976.25 legitimiert (Art. 121 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 51 OR und § 72 Abs. 1 GebGVG).

Es ist davon Vormerk zu nehmen, dass der Beschuldigte die Zivilforderung der E. Versicherung in der Höhe von Fr. 74'976.25 anerkennt.

11. Verfahrenskosten

11.1 Die Verfahrenskosten setzen sich zusammen aus den Gebühren zur Deckung des Aufwands und den Auslagen im konkreten Straffall (Art. 422 Abs. 1 StPO; Art. 1 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]). Die Gebühren sind für die Verfahrenshandlungen geschuldet, die im Vorverfahren von der Bundeskriminalpolizei und von der Bundesanwaltschaft sowie im erstinstanzlichen Hauptverfahren von der Strafkammer durchgeführt oder angeordnet worden sind (Art. 1 Abs. 2 BStKR). Die Höhe der Gebühr richtet sich nach Bedeutung und Schwierigkeit der Sache, der Vorgehensweise der Parteien, ihrer finanziellen Situation und dem Kanzleiaufwand (Art. 5 BStKR); sie bemisst sich nach Art. 6 und Art. 7 BStKR. Die Auslagen umfassen die vom Bund vorausbezahlten Beträge, namentlich die Kosten für die amtliche Verteidigung, Übersetzungen, Gutachten, Mitwirkung anderer Behörden, Porti, Telefonspesen und andere entsprechende Kosten (Art. 422 Abs. 2 StPO; Art. 1 Abs. 3 BStKR).

11.2

11.2.1 Die Bundesanwaltschaft macht für das Vorverfahren eine Gebühr von Fr. 10'000.-- geltend. Die Gebühr liegt innerhalb des gesetzlichen Gebührenrahmens von Art. 6 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 lit. c BStKR und ist angemessen.

11.2.2 Die Bundesanwaltschaft bezifferte die auferlegbaren Auslagen mit Fr. 37'392.40. Die Auslagen sind ausgewiesen (BA 24-01-0086, -0105) und stehen im Zusammenhang mit den Untersuchungshandlungen (Art. 422 Abs. 2 StPO). Die übrigen Auslagen in der Höhe von Fr.14'901.90 (Haft-, Transport-, Gesundheitskosten, Dolmetscher- und Übersetzungskosten) sind nicht auferlegbar und werden von der Bundesanwaltschaft zu Recht nicht in Rechnung gestellt.

11.2.3 Im Hauptverfahren vor dem Kollegialgericht beträgt die Gebühr Fr. 1'000.-- bis Fr. 100'000.-- (Art. 7 lit. b BStKR). Die Gebühr für das erstinstanzliche Hauptverfahren ist auf Grund der Bedeutung und Schwierigkeit der Sache in tatsächlicher Hinsicht sowie des angefallenen Aufwands auf Fr. 4'000.-- festzusetzen (Art. 5 i.V.m. Art. 7 lit. b BStKR).

11.2.4 Die auferlegbaren Auslagen des Gerichts (Porti, Telefonspesen) betragen Fr. 50.--. Die Dolmetscherkosten im Gerichtsverfahren wie auch die weiteren, seit Anklageerhebung im Zusammenhang mit der Haft entstandenen Kosten können dem Beschuldigten nicht auferlegt werden (Art. 426 Abs. 3 lit. b StPO).

11.2.5 Nach dem Gesagten betragen die Verfahrenskosten (ohne Kosten der amtlichen Verteidigung; hierzu E. 13) insgesamt Fr. 51'442.40 (Vorverfahren: Gebühr Fr. 10'000.--, Auslagen Fr. 37'392.40; Gerichtsgebühr Fr. 4'000.--, Auslagen Fr. 50.--).

11.3 Forderungen aus Verfahrenskosten können von der Strafbehörde gestundet oder unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person herabgesetzt oder erlassen werden (Art. 425 StPO). Diese Bestimmung ist auch bei der Festsetzung bzw. Auferlegung der Verfahrenskosten anwendbar.

Angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse und Haftsituation des Beschuldigten ist es angezeigt, ihm die Verfahrenskosten nur zu einem Teil aufzuerlegen. Angemessen erscheint, dem Beschuldigten im reduzierten Umfang Fr. 15'000.-- aufzuerlegen.

12. Entschädigung der beschuldigten Person und der Privatklägerschaft

12.1 Angesichts des Verfahrensausgangs hat der Beschuldigte weder einen Anspruch auf Entschädigung noch Genugtuung (Art. 429 Abs. 1 StPO e contrario).

12.2 Die Privatklägerschaft hat keine Entschädigung beantragt; eine solche ist ihr somit nicht zuzusprechen (Art. 433 Abs. 2 StPO).

13. Entschädigungen des amtlichen Verteidigers

13.1 Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung wird in Bundesstrafverfahren nach dem Anwaltstarif des Bundes – gemäss BStKR – festgesetzt (Art. 135 Abs. 1 StPO). Die Entschädigung wird durch die Staatsanwaltschaft des Bundes oder das urteilende Gericht am Ende des Verfahrens festgelegt (Art. 135 Abs. 2 StPO). Die Anwaltskosten umfassen das Honorar und die notwendigen Auslagen, namentlich für Reise, Verpflegung und Unterkunft sowie Porti und Telefonspesen (Art. 11 Abs. 1 BStKR). Das Honorar wird nach dem notwendigen und ausgewiesenen Zeitaufwand bemessen. Der Stundenansatz beträgt mindestens Fr. 200.-- und höchstens Fr. 300.-- (Art. 12 Abs. 1 BStKR). Bei Fällen im ordentlichen Schwierigkeitsbereich, d.h. für Verfahren ohne hohe sachliche oder rechtliche Komplexität, beträgt der Stundenansatz gemäss ständiger Praxis der Strafkammer Fr. 230.-- für Arbeitszeit und Fr. 200.-- für Reise- und Wartezeit (Beschluss des Bundesstrafgerichts BK.2011.21 vom 24. April 2012 E. 2.1; Urteil des Bundesstrafgerichts SN.2011.16 vom 5. Oktober 2011 E. 4.1). Der Stundenansatz für Praktikanten beträgt praxisgemäss Fr. 100.-- (Urteil des Bundesstrafgerichts SK.2015.4 vom 18. März 2015 E. 9.2). Die Auslagen werden im Rahmen der Höchstansätze aufgrund der tatsächlichen Kosten vergütet (Art. 13 BStKR). Gemäss Art. 14 BStKR kommt die Mehrwertsteuer zum Honorar und den Auslagen hinzu.

13.2 Das vorliegende Verfahren stellte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine überdurchschnittlichen Anforderungen an die Verteidigung. Der Stundenansatz ist daher praxisgemäss für die anwaltliche Tätigkeit auf Fr. 230.--, für die Tätigkeit der Praktikanten auf Fr. 100.-- sowie auf Fr. 200.-- für die Reisezeit festzusetzen (vgl. E. 13.1).

13.3

13.3.1 Mit Verfügung der Bundesanwaltschaft vom 17. Juni 2021 wurde Rechtsanwalt Andrea Janggen in Anwendung von Art. 130 lit. b i.V.m. Art. 131 Abs. 1 und Art. 133 StPO rückwirkend per 11. Juni 2021 als amtlicher Verteidiger des Beschuldigten bestellt (BA 16-03-0002 f.). Die amtliche Verteidigung im Vorverfahren erstreckt sich auf das gerichtliche Verfahren (in fine Art. 134 StPO). Die Strafkammer ist zur Festlegung der amtlichen Verteidigung zuständig (Art. 135 Abs. 2 StPO).

13.3.2 Der Verteidiger beantragt mit Kostennote vom 10. November 2023 die Ausrichtung eines Honorars von Fr. 29'756.80 (inkl. MWST), inklusive dem geschätzten Aufwand für die Teilnahme an der Hauptverhandlung (TPF 18.821.004, -013). Das geltend gemachte Honorar setzt sich aus einem Zeitaufwand von 95 Stunden Arbeitszeit zu einem Ansatz von Fr. 230.--, 3.15 Stunden Arbeitsaufwand zu einem Ansatz von Fr. 100.-- und 14.15 Stunden Reisezeit zu einem Ansatz von Fr. 200.--, 6 Stunden Reisezeit zu einem Ansatz von Fr. 100.--, Auslagen von Fr. 2'004.35 (Porti Fr. 80.--; Telefonkosten Fr. 28.--; Kosten für Kopien Fr. 21.--; Bahnspesen Fr. 381.--; Übernachtungskosten Fr. 163.--; Übersetzungskosten Fr. 1'330.70) sowie der Mehrwertsteuer (7.7%) von Fr. 2'127.45 zusammen. Der ausgewiesene Zeitaufwand erscheint, mit folgender Berichtigung, gerechtfertigt: Die geschätzten 8 ½ Stunden Arbeitsaufwand für die Teilnahme an der Hauptverhandlung inkl. Nachbesprechung sind entsprechend dem effektiven Aufwand für die Hauptverhandlung um 1 ½ Stunden zu erhöhen. Die geltend gemachten Auslagen sind angemessen.

13.3.3 Im Ergebnis resultiert demnach ein Betrag von Fr. 30'128.40 (inkl. MWST). Rechtsanwalt Andrea Janggen ist in diesem Umfang für die amtliche Verteidigung des Beschuldigten durch die Eidgenossenschaft zu entschädigen.

13.4 Der Beschuldigte hat der Eidgenossenschaft für die Entschädigung der amtlichen Verteidigung Ersatz zu leisen, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO).

Die Strafkammer erkennt:

I.

1. A. wird schuldig gesprochen:

- der mehrfachen Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht gemäss Art. 224 Abs. 1 StGB;

- des mehrfachen qualifizierten Diebstahls gemäss Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 3 Abs. 4 StGB;

- der mehrfachen qualifizierten Sachbeschädigung gemäss Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB;

- des Hausfriedensbruchs gemäss Art. 186 StGB.

2. A. wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 64 Monaten.

Es wird davon Vormerk genommen, dass die ausgestandene Haft in der Schweiz (bis zum Urteilstag vom 16. November 2023: 310 Tage) nicht an die vorliegende Strafe angerechnet wird, sondern gestützt auf die mit Erklärung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 13. September 2022 gegenüber Dänemark eingegangene Verpflichtung im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1) an die mit Urteil des dänischen U. Landsret vom 17. Juni 2022 gegen A. ausgesprochene Strafe.

3.       Der Kanton St. Gallen wird als Vollzugskanton bestimmt.

4.       A. wird für die Dauer von 10 Jahren des Landes verwiesen.

5.       Zivilklagen

5.1     Es wird davon Vormerk genommen, dass A. die folgenden Zivilansprüche anerkennt:

5.1.1  Die Zivilforderung der C. AG in der Höhe von Fr. 12'721.--;

5.1.2  Die Zivilforderung der D. Versicherung in der Höhe von Fr. 57'641.55 zuzüglich 5 % Zins seit dem 10. Dezember 2020;

5.1.3  Die Zivilforderung der E. Versicherung in der Höhe von Fr. 74'876.25.

5.2     Die Zivilklage der D. Versicherung im Zusammenhang mit dem Feuerwehreinsatz der Feuerwehr H. in der Höhe von Fr. 1'305.-- wird auf den Zivilweg verwiesen.

6.       Die Verfahrenskosten betragen insgesamt Fr. 51'442.40 (inkl. Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- und Auslagen des Gerichts von Fr. 50.--) und werden im reduzierten Umfang von Fr. 15'000.-- A. auferlegt.

7.       Entschädigungen

7.1     Der Privatklägerschaft werden keine Entschädigungen zugesprochen.

7.2     A. wird keine Entschädigung und keine Genugtuung zugesprochen.

8.       Amtliche Verteidigung

8.1     Rechtsanwalt Andrea Janggen wird für die amtliche Verteidigung von A. mit Fr. 30'128.40 (inkl. MWST) durch die Eidgenossenschaft entschädigt.

8.2     A. hat der Eidgenossenschaft für die Entschädigung der amtlichen Verteidigung Ersatz zu leisten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

II.

Dieses Urteil wird in der Hauptverhandlung eröffnet und durch den Vorsitzenden mündlich begründet. Den anwesenden Parteien wird das Urteilsdispositiv ausgehändigt; der nicht anwesenden Privatklägerschaft wird es zugestellt.

Im Namen der Strafkammer

des Bundesstrafgerichts

Der Vorsitzende                                                                Der Gerichtsschreiber

Eine vollständige schriftliche Ausfertigung wird zugestellt an

- Bundesanwaltschaft

- Rechtsanwalt Andrea Janggen, amtlicher Verteidiger von A.

- B. Bank, Privatklägerin

- C. AG (ad Schaden Nrn. 2 und 3), Privatklägerin

- D. Versicherung (ad Schaden Nr. 1), Privatklägerin

- F. Bank, Privatklägerin

- E. Versicherung (ad Schaden Nr. 4), Privatklägerin

- G., Privatklägerin

Nach Eintritt der Rechtskraft mitzuteilen an

- Bundesanwaltschaft als Vollzugsbehörde (vollständig)

- Bundesamt für Polizei (vollständig; gestützt auf Art. 68 Abs. 1 StBOG und Art. 20 des Bundesgesetzes über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe vom 25. September 2020 [Vorläufergesetz, VSG; SR 941.42])

- Migrationsamt des Kantons St. Gallen (vollständig; gestützt auf Art. 68 Abs. 1 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. gbis StBOG; Art. 82 VZAE)

- Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD, Bundesamt für Justiz BJ, Direktionsbereich Internationale Rechtshilfe, Fachbereich Auslieferung (vollständig; mit Hinweis auf das Schreiben des Bundesamtes für Justiz BJ vom 31. Oktober 2023 [Zeichen B-20-2256-3])

- Amt für Justizvollzug des Kantons St. Gallen, Straf- und Massnahmenvollzug (vollständig; unter Beilage des Schreibens des Bundesamtes für Justiz BJ vom 31. Oktober 2023 [Zeichen B-20-2256-3])

Rechtsmittelbelehrung

Berufung an die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts

Gegen Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichts, die das Verfahren ganz oder teilweise abschliessen, kann innert 10 Tagen seit Eröffnung des Urteils bei der Strafkammer des Bundesstrafgerichts mündlich oder schriftlich Berufung angemeldet werden (Art. 399 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 1 StPO; Art. 38a StBOG).

Mit der Berufung kann das Urteil in allen Punkten umfassend angefochten werden. Mit der Berufung können gerügt werden: Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhaltes sowie Unangemessenheit (Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO).

Beschränkt sich die Berufung auf den Zivilpunkt, so wird das Urteil der Strafkammer nur so weit überprüft, als es das am Gerichtsstand anwendbare Zivilprozessrecht vorsehen würde (Art. 398 Abs. 5 StPO).

Die Berufung erhebende Partei hat innert 20 Tagen nach Zustellung des begründeten Urteils der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts eine schriftliche Berufungserklärung einzureichen. Sie hat darin anzugeben, ob sie das Urteil vollumfänglich oder nur in Teilen anficht, welche Abänderungen des erstinstanzlichen Urteils sie verlangt und welche Beweisanträge sie stellt. Werden nur Teile des Urteils angefochten, ist verbindlich anzugeben, auf welche sich die Berufung beschränkt (Art. 399 Abs. 3 und 4 StPO).

Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Gegen Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der Strafkammer des Bundesstrafgerichts als erstinstanzliches Gericht, ausgenommen verfahrensleitende Entscheide, kann innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts geführt werden (Art. 393 Abs. 1 lit. b und Art. 396 Abs. 1 StPO; Art. 37 Abs. 1 StBOG).

Gegen den Entschädigungsentscheid kann die amtliche Verteidigung innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts führen (Art. 135 Abs. 3 lit. a und Art. 396 Abs. 1 StPO; Art. 37 Abs. 1 StBOG).

Mit der Beschwerde können gerügt werden: a. Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung; b. die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts; c. Unangemessenheit (Art. 393 Abs. 2 StPO).

Einhaltung der Fristen

Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist bei der Strafbehörde abgegeben oder zu deren Handen der Schweizerischen Post, einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung oder, im Falle von inhaftierten Personen, der Anstaltsleitung übergeben werden (Art. 91 Abs. 2 StPO).

Versand:19. Dezember 2023

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