Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Beschwerdekammer: Strafverfahren |
Fallnummer: | BG.2023.15 |
Datum: | 09.05.2023 |
Leitsatz/Stichwort: | |
Schlagwörter : | Gesuch; Kanton; Gerichtsstand; Kantons; Untersuchung; Taten; Über; Beschuldigte; Untersuchungsamt; Uznach; Gesuchsteller; Beschuldigten; Beschwerdekammer; Gesuchsgegner; Gallen; Hinweis; Delikt; Staatsanwaltschaft; Akten; Diebstahl; Verfahren; Verfahrens; Sammelverfahren; Behörden; Behörde |
Rechtskraft: | Kein Rechtsmittel gegeben |
Rechtsnorm: | Art. 14 StPO ; Art. 33 StPO ; Art. 34 StPO ; Art. 39 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 40 StPO ; Art. 423 StPO ; |
Referenz BGE: | 147 IV 176; ; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: BG.2023.17 |
Beschluss vom 9. Mai 2023 Beschwerdekammer | ||
Besetzung | Bundesstrafrichter Patrick Robert-Nicoud, Vorsitz, Miriam Forni und Felix Ulrich, Gerichtsschreiber Stefan Graf | |
Parteien | Kanton St. Gallen, Staatsanwaltschaft, Untersuchungsamt Uznach, Gesuchsteller | |
gegen | ||
Kanton Aargau, Oberstaatsanwaltschaft, Gesuchsgegner | ||
Gegenstand | Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO) |
Sachverhalt:
A. Zwischen dem 28. Juni 2021 und dem 6. Juli 2021 kam es auf dem Areal der A. AG in Z./AG zu einem Einbruchdiebstahl, bei welchem diverse Kupferkabel von insgesamt 1'340 Metern Länge und im Wert von Fr. 44'090.– entwendet wurden. In der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 2021 kam es am selben Ort erneut zu einem Diebstahl von Kupferkabel. Die ermittelnden Behörden gehen davon aus, dass für beide Einbruchdiebstähle die gleiche Tätergruppierung verantwortlich sei. Eine nach dem zweiten Einbruchdiebstahl am Tatort sichergestellte DNA-Spur konnte in der Folge B. zugeordnet werden. Am 16. November 2022 eröffnete die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg diesbezüglich die Strafuntersuchung mit der Verfahrensnummer STA6 ST.2022.4142 (vgl. zum Ganzen act. 3.1).
B. Über das Wochenende vom 23. bis 26. September 2022 sowie in der Nacht vom 27. auf den 28. September 2022 wurden auf dem Areal der C. AG in Y./SG Kupferkabel bzw. Kupferreste gestohlen. Erste Erkenntnisse der Kantonspolizei St. Gallen führten am 29. September 2022 zur vorläufigen Festnahme und anschliessenden Inhaftierung von B. und dessen Sohn D. Diesbezüglich übernahm das Untersuchungsamt Uznach die Leitung der Untersuchung mit der Verfahrensnummer ST.2022.33373 (vgl. hierzu act. 1.0, A/2). Die Ergebnisse zusätzlicher Ermittlungen deuten darauf hin, dass die beiden Beschuldigten auch an weiteren, zwischen dem 28. Oktober 2021 und dem 28. September 2022 in X./AR, W./SG und V./SG verübten Einbruchdiebstählen beteiligt gewesen sein könnten (siehe die Übersicht in act. 1, S. 3 f.).
C. Am 8. November 2022 bat das Untersuchungsamt Uznach die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg um Übernahme des bei ihm hängigen Verfahrens gegen B. und D. (act. 1.0, GS/2). Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg teilte hierzu am 17. November 2022 mit, die Zuständigkeit könne derzeit noch nicht abschliessend geklärt werden, weshalb sie die Übernahme des Verfahrens ST.2022.33373 «zum jetzigen Zeitpunkt» ablehne. Gleichzeitig ersuchte die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg um Aufnahme des von ihr geführten Verfahrens STA6 ST.2022.4142 in das bisher vom Untersuchungsamt Uznach geführte Sammelverfahren (act. 1.0, GS/3). Mit Schreiben vom 7. Dezember 2022 gelangte das Untersuchungsamt Uznach an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau (nachfolgend «OStA AG») und ersuchte diese um Übernahme des Strafverfahrens, da sich der erste nachweisliche Einbruchdiebstahl offensichtlich im Zuständigkeitsbereich des Kantons Aargau ereignet habe (act. 1.0, GS/4). Die OStA AG hielt am 23. Dezember 2022 fest, sie könne bei der derzeitigen Aktenlage die Zuständigkeit des Kantons Aargau nicht anerkennen (act. 1.0, GS/5).
D. Am 21. März 2023 gelangte das Untersuchungsamt Uznach unter Hinweis auf das mittlerweile abgeschlossene Sammelverfahren erneut an die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg und ersuchte dieses um Übernahme des Verfahrens (act. 1.0, GS/6). Dieses Ersuchen wurde am 27. März 2023 abgelehnt (act. 1.0, GS/7). Ebenso wurde die erneute Anfrage des Untersuchungsamts Uznach an die OStA AG vom 31. März 2023 mit Schreiben vom 5. April 2023 (Eingang beim Untersuchungsamt Uznach am 11. April 2023) abschlägig beantwortet (act. 1.0, GS/8 und GS/9).
E. Daraufhin gelangte das Untersuchungsamt Uznach mit Gesuch vom 21. April 2023 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (act. 1). Es beantragt, es seien die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Aargau für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die den Beschuldigten B. und D. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.
In ihrer Gesuchsantwort vom 27. April 2023 beantragt die OStA AG, auf das Gesuch sei nicht einzutreten, eventuell sei es abzuweisen und der Kanton St. Gallen sei zur Verfolgung und Beurteilung der Beschuldigten B. und D. berechtigt und verpflichtet zu erklären (act. 3). Die Gesuchsantwort wurde dem Untersuchungsamt Uznach am 2. Mai 2023 zur Kenntnisnahme übermittelt (act. 4).
Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter (Art. 39 Abs. 1 StPO). Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung (Art. 39 Abs. 2 StPO). Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid (Art. 40 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG). Hinsichtlich der Frist, innerhalb welcher die ersuchende Behörde ihr Gesuch einzureichen hat, ist im Normalfall die Frist von zehn Tagen gemäss Art. 396 Abs. 1 StPO analog anzuwenden (vgl. hierzu TPF 2019 62 E. 1; TPF 2011 94 E. 2.2 S. 96). Die Behörden, welche berechtigt sind, ihren Kanton im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten, bestimmen sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht (Art. 14 Abs. 4 StPO).
1.2 Das Untersuchungsamt Uznach ist berechtigt, den Gesuchsteller bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten vor der Beschwerdekammer zu vertreten (Art. 24 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung des Kantons St. Gallen vom 3. August 2010 [EG-StPO/SG; sGS 962.1]). Auf Seiten des Gesuchsgegners steht diese Befugnis der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau zu (§ 20 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung des Kantons Aargau vom 16. März 2010 [EG StPO/AG; SAR 251.200]).
1.3
1.3.1 Der Gesuchsgegner begründet seinen Nichteintretensantrag sinngemäss damit, dass der Gesuchsteller auch nach der ersten Ablehnung der Zuständigkeit durch die OStA AG vom 23. Dezember 2022 den von dieser geltend gemachten Hinweisen auf eine mutmasslich bereits vor Juni/Juli 2021 vorliegende deliktische Tätigkeit von B. nicht nachgegangen sei. Die erneute Gerichtsstandsanfrage an die OStA AG vom 31. März 2023 beruhe somit nicht auf neuen Tatsachen, weshalb der Gesuchsteller sein Gesuch an die Beschwerdekammer bereits innerhalb von zehn Tagen nach der ersten Ablehnung einer Verfahrensübernahme durch die OStA AG am 23. Dezember 2022 hätten stellen sollen (act. 3, Ziff. I).
1.3.2 Diesbezüglich trifft es zu, dass die OStA AG in ihrem Schreiben vom 23. Dezember 2022 an das Untersuchungsamt Uznach ausführte, es bestünden Anhaltspunkte für eine deliktische Tätigkeit vor dem 1. September 2021, welchen im Rahmen des laufenden Sammelverfahrens nachzugehen sei. Darüber hinaus aber verwies die OStA AG auch noch auf ausstehende Auswertungen (von Bankbelegen, Mobiltelefonen oder den Fahrtstrecken der Beschuldigten), welche weitere Hinweise auf die deliktische Tätigkeit und den entsprechenden Zeitraum ergeben würden. Mit Hinweis auf die vom Gesuchsteller in den Akten genannten «24 mehr oder weniger potentiell geeignete Tätbestände» im Kanton St. Gallen hielt sie zudem fest, nach Abschluss des Sammelverfahrens müsste gegebenenfalls auch die Frage nach einem Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit in einem der betroffenen Kantone gestellt werden (act. 1.0, GS/5).
1.3.3 Den vorliegenden Akten kann entnommen werden, dass im Zeitraum zwischen den beiden fraglichen Gerichtsstandsanfragen des Gesuchstellers an die OStA AG noch weitere Auswertungen und Ermittlungshandlungen erfolgt sind (z.B. act. 1.0, A/13 ff., E/1/5, E/1/6, E/2/5, E/2/6, S/9/1), welche schliesslich zum Nachtrag vom 19. April 2023 zum Sammelbericht Ermittlungsverfahren (act. 1.0, A/21) und zum entsprechend aktualisierten Deliktsverzeichnis führten (act. 1.0, A/22 bzw. act. 1, S. 3 f.).
1.3.4 Zum mutmasslichen Tatvorgehen von B. und D. hielt die Kantonspolizei St. Gallen in ihrem Nachtrag vom 19. April 2023 zum Sammelbericht Ermittlungsverfahren (act. 1.0, A/21, S. 20 f.) u.a. fest, es sei davon auszugehen, dass sich die beiden seit Jahren regelmässig in der Schweiz aufhalten, um Handel mit Klavieren und Fahrzeugen zu betreiben. Die beiden dürften die Anwesenheit in der Schweiz aber auch genutzt haben, um Buntmetall-Diebstähle zu begehen. Die dafür geeigneten Örtlichkeiten dürften sie zuvor umfassend ausgekundschaftet haben. In der Schweiz hätten sie sich vorwiegend mit gemieteten Fahrzeugen bewegt.
1.3.5 Zu den vom Gesuchsgegner angeführten weiteren Hinweisen auf deliktische Tätigkeit, welchen der Gesuchsteller nicht nachgegangen sei, hält Letzterer zusammengefasst fest, diese beruhten auf rein hypothetischen Überlegungen und Spekulationen, welche von keinerlei konkreten Hinweisen bzw. keinem konkreten Tatverdacht gestützt würden (act. 1, S. 6 f.).
Mit Nachtrag vom 19. April 2023 zum Sammelbericht Ermittlungsverfahren hielt die Kantonspolizei St. Gallen u.a. fest, dass die erhobenen Videodaten und weitere Ermittlungen den Schluss zulassen, dass E. am 8. und 14. September 2022 den beiden mit ihm verwandten Beschuldigten beim Entladen von kupferhaltigem Buntmetall bei der Firma F. AG behilflich war. Diese Person sei im Kanton St. Gallen im August 2015 im Rahmen einer Erkenntnisanfrage der Schaffhauser Polizei zu einem Buntmetall-Diebstahl in U./SH abgeklärt worden. Die entsprechenden Abklärungen zu E. und seinem damaligen (mutmasslichen) Komplizen G. seien jedoch negativ verlaufen. Ein Bezug von B. und/oder D. zu diesem Delikt könne im Nachgang nicht festgestellt werden. Hinsichtlich der vorliegenden Deliktsserie könne die Rolle von E. nicht zugeordnet werden. Das Aussageverhalten von B. und D. lasse den Schluss zu, dass es sich bei E. um einen Komplizen handeln könnte. Spurentechnisch könne ihm bisher aber keine Beteiligung an den eingangs erwähnten Diebstählen nachgewiesen werden (vgl. hierzu act. 1.0, A/21, S. 13 ff.).
Zutreffend ist, dass B. offenbar bereits in den Jahren vor dem Deliktszeitraum mehrmals Sachentransportanhänger bei der Firma H. AG gemietet hatte bzw. dass er ein langjähriger Kunde der Autovermietung I. (gewesen) sei (act. 1.0, A/9, S. 9). Der Gesuchsteller hält hierzu fest, dass allfällige frühere Mieten von Fahrzeugen auch mit den oben erwähnten legalen Tätigkeiten von B. in Verbindung stehen könnten. Die bekannten Lieferwagenmieten seien mit bisher ungeklärten Kupferdiebstählen mit unbekannter Täterschaft abgeglichen worden. Es hätten sich hierbei keine noch offenen Tatbestände ergeben, welche mit dem Zeitraum und der Örtlichkeit übereinstimmen würden (act. 1, S. 6).
Entsprechendes gilt auch für die Übernachtungen von B. und D. im Hotel J. (erstmals in der Nacht vom 26. auf den 27. Januar 2021; siehe act. 1.0, A/21, S. 17). Konnten die Strafverfolgungsbehörden einzelne dieser verschiedenen Aufenthalte in der Schweiz nicht mit konkreten Straftaten in Verbindung bringen, so liegt in einer Übernachtung im Hotel alleine ebenfalls noch kein Indiz für Straftaten im entsprechenden Zeitraum. Dem geschilderten Tatvorgehen (siehe E. 1.3.4) zufolge können Übernachtungen vor dem 28. Juni 2021 ebenso gut auf Anwesenheiten im Zusammenhang mit legalen Tätigkeiten oder aber auf Auskundschaftungen im Hinblick auf spätere Straftaten zurückzuführen sein. Dass vom 11. bis 13. Juli 2022 schliesslich ein Familienzimmer gebucht worden sein soll und auf dem Mobiltelefon von D. ein am 12. Juli 2022 in einem Lieferwagen gemachtes Foto von B. und D. mit E. sichergestellt wurde, ist für die vorliegende Gerichtsstandsfrage nicht von Bedeutung (vgl. hierzu unten E. 3.2.3).
1.3.6 Die vom Gesuchsgegner genannten Hinweise auf deliktische Tätigkeit vor dem 28. Juni 2021 bilden nach dem Gesagten für sich alleine keine ernsthaften Indizien, dass B. und D. andere als die ihnen momentan zur Last gelegten Straftaten begangen haben könnten. Entscheidend ist in dieser Hinsicht, dass die Zeiträume bekannter Anwesenheiten der Beschuldigten in der Schweiz keinen konkreten Straftaten zugeordnet werden können. Für weitere diesbezügliche Ermittlungsansätze finden sich in den Akten keine ernsthaften Stützen. Die entsprechenden Erwägungen des Gesuchsgegners beruhen letztlich überwiegend auf Spekulation.
1.4 Nach dem Gesagten lagen zwischen den beiden Gerichtsstandsanfragen des Gesuchstellers an die OStA AG noch weitere (vom Gesuchsgegner explizit verlangte) Ermittlungshandlungen der Behörden, mit welchen das Sammelverfahren abgeschlossen werden konnte. Insofern lagen entgegen den Vorbringen des Gesuchsgegners auch neue Erkenntnisse vor, womit dem Gesuchsteller nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, er hätte bereits im Anschluss an das Schreiben der OStA AG vom 23. Dezember 2022 die Beschwerdekammer anrufen sollen. Die vom Gesuchsgegner erwähnten Hinweise auf eine frühere deliktische Tätigkeit der Beschuldigten enthalten zudem keine ernsthaften Anhaltspunkte für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen im Rahmen des vorliegenden Sammelverfahrens. Die Gerichtsstandssache erweist sich als spruchreif. Auf das Gesuch ist einzutreten.
2. Zur Gerichtsstandsfrage selbst macht der Gesuchsgegner in erster Linie geltend, die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat habe sich im Kanton St. Gallen ereignet, ermittle dieser doch wegen bandenmässig begangenem Diebstahl, währenddem zu den im Kanton Aargau verübten Diebstählen keine Hinweise auf eine bandenmässige Tatbegehung durch B. und D. bestünden (act. 3, Ziff. II.A).
3.
3.1
3.1.1 Ist eine Straftat von mehreren Mittäterinnen oder Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 33 Abs. 2 StPO). Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO). Begehen mehrere Beschuldigte zusammen in verschiedenen Kantonen mehrere Delikte, so sind Art. 33 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1 StPO so miteinander zu kombinieren, dass in der Regel alle Mitwirkenden an dem Orte verfolgt werden, wo von einem Mittäter die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt worden ist. Bei gleich schweren Strafdrohungen bestimmt sich der Gerichtsstand für alle Beteiligten nach dem Ort, wo zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (TPF BG.2022.18 vom 24. Oktober 2022 E. 2.1, zur Publikation vorgesehen; Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2023.1 vom 2. März 2023 E. 3.1.1; BG.2022.29 vom 21. November 2022 E. 3.3; jeweils m.w.H.).
3.1.2 Die Beurteilung der Gerichtsstandsfrage richtet sich nach der aktuellen Verdachtslage. Massgeblich ist nicht, was dem Beschuldigten letztlich nachgewiesen werden kann, sondern der Tatbestand, der Gegenstand der Untersuchung bildet, es sei denn, dieser erweise sich von vornherein als haltlos oder als sicher ausgeschlossen. Der Gerichtsstand bestimmt sich also nicht nach dem, was der Täter begangen hat, sondern nach dem, was ihm vorgeworfen wird, das heisst, was aufgrund der Aktenlage überhaupt in Frage kommt. Dabei stützt sich die Beschwerdekammer auf Fakten, nicht auf Hypothesen. Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore, wonach im Zweifelsfall auf den für den Beschuldigten ungünstigeren Sachverhalt abzustellen bzw. das schwerere Delikt anzunehmen ist (TPF 2021 167 E. 3.2.3; TPF 2019 82 E. 2.4; TPF 2019 52 E. 2.1 S. 55 f.; TPF 2019 28 E. 2.2 S. 31; jeweils m.w.H.).
3.2
3.2.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist Bandenmässigkeit anzunehmen, wenn zwei oder mehr Täter sich mit dem ausdrücklich oder konkludent geäusserten Willen zusammenfinden, inskünftig zur Verübung mehrerer selbständiger im Einzelnen noch unbestimmter Straftaten zusammenzuwirken. Bandenmässige Tatbegehung ist nur anzunehmen, wenn der Wille der Täter auf die gemeinsame Verübung einer Mehrzahl von Delikten gerichtet ist (vgl. BGE 147 IV 176 E. 2.4.2 S. 181 m.w.H.). Als bandenmässig können dementsprechend nur Delikte gelten, welche tatsächlich von mehreren Tätern verübt wurden (vgl. hierzu die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2017.22 vom 9. Oktober 2017 E. 2.4; BG.2014.18 vom 21. August 2014 E. 2.2; BG.2013.8 vom 30. April 2013 E. 2.2).
3.2.2 Der Gesuchsteller bringt vor, es bestünde der dringende Verdacht, wonach B. und D. den Diebstahl in Z. in der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 2021 gemeinsam verübt haben. Ausgehend von dieser Annahme und mit Blick auf die übrigen Straftaten wäre auch dieser Diebstahl als bandenmässig begangenes Delikt zu qualifizieren. Beim fraglichen Diebstahl hinterliess B. am Tatort seine DNA. Zudem konnte er aufgrund der Bilder der Überwachungskamera identifiziert werden. Auf den Bildern der Überwachungskamera ist weiter ersichtlich, dass B. von einer zweiten Person begleitet wurde. Auf den entsprechenden Bildern kann nicht erkannt werden, ob es sich bei der zweiten Person um D. handelt (siehe u.a. act. 3.1). Aus Sicht des Gesuchstellers sprechen jedoch verschiedene Indizien für eine Beteiligung von D. auch an diesem Diebstahl. Namentlich die Tatsache, dass B. und D. vom 9. bis 11. Juli 2021 gemeinsam im Hotel J. einquartiert waren (siehe act. 1.0, A/21, S. 17), verdichtet den Verdacht einer gemeinsamen Tatbegehung durch die beiden Beschuldigten. Der identische modus operandi legt weiter nahe, dass dieselbe Tätergruppierung auch für den am selben Ort verübten Einbruchdiebstahl im Zeitraum vom 28. Juni bis 6. Juli 2021 verantwortlich zeichnet. Den Akten kann hierzu entnommen werden, dass B. und D. auch vom 28. bis 29. Juni 2021 im Hotel J. eingemietet waren (siehe act. 1.0, A/21, S. 17). Anders als der Gesuchsgegner in act. 3, Ziff. II.A ausführt und im Gegensatz zu den bereits erwähnten, früheren Übernachtungen der beiden Beschuldigten im Hotel J. lassen sich diese beiden Hotelaufenthalte gerade in zeitlicher aber auch in räumlicher Hinsicht sehr wohl zu konkreten Straftaten (zu den beiden Einbruchdiebstählen in Z.) in Verbindung stellen. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass auch die beiden in Z. verübten Einbruchdiebstähle (zumindest aber der zweite davon) ebenfalls bandenmässig begangen worden sind.
3.2.3 Aufgrund der Akten besteht demgegenüber kein sachlicher Konnex zwischen der vorliegend zur Diskussion stehenden Einbruchserie und dem allenfalls durch E. (als möglichem Komplizen der beiden vorliegend Beschuldigten) in Mittäterschaft mit G. im Jahr 2015 in U. verübten Diebstahl. Dieses Delikt sowie die mögliche Beteiligung von E. an den eingangs erwähnten, B. und D. zur Last gelegten Straftaten sind demnach für die Entscheidung der aufgeworfenen Gerichtsstandsfrage nicht von Relevanz.
3.3 Nach dem zuvor Ausgeführten liegt der gesetzliche Gerichtsstand hinsichtlich der B. und D. zur Last gelegten Straftaten gestützt auf Art. 33 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1 StPO im Kanton Aargau.
4. Den Akten sind keine Gründe zu entnehmen, welche vorliegend ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand aufdrängen würden. Namentlich begründet die Durchführung eines Sammelverfahrens durch einen Kanton keine Anerkennung des Gerichtsstandes (vgl. hierzu u.a. den Beschluss des Bundestrafgerichts BG.2012.49 vom 20. Dezember 2012 E. 3 mit Hinweis). Das Gesuch ist demnach gutzuheissen und es sind die Strafbehörden des Kantons Aargau für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die B. und D. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.
5. Praxisgemäss ist keine Gerichtsgebühr zu erheben (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO).
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Die Strafbehörden des Kantons Aargau sind berechtigt und verpflichtet, die B. und D. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.
2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
Bellinzona, 10. Mai 2023
Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Vizepräsident: Der Gerichtsschreiber:
Zustellung an
- Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen
- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
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