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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BB.2023.66, BP.2023.38
Datum:12.04.2023
Leitsatz/Stichwort:
Schlagwörter : Bundes; Sicherheit; Anzeige; Anzeigeerstatter; Person; Sicherheitsdienst; Verordnung; Transport; Bundesanwaltschaft; Personen; Securitas; Mitarbeiter; Aufgabe; Verkehr; Aufgaben; Recht; Maske; Sicherheitsorgane; Daten; Kontrolle; Covid-; -Verordnung; Transportunternehmen; Angestellte; Anzeigeerstatters; Verfahren; Amtsmissbrauch; Bundesgericht; Sicherheitsdienstes
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 1 StGB ; Art. 104 StPO ; Art. 115 StPO ; Art. 118 StPO ; Art. 17 DSG ; Art. 179 StGB ; Art. 18 StGB ; Art. 23 StPO ; Art. 285 StGB ; Art. 3 DSG ; Art. 31 StGB ; Art. 322 StPO ; Art. 390 StPO ; Art. 393 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 7 BGG ;
Referenz BGE:137 IV 246; 138 IV 258; 141 IV 329; 148 I 89; ;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

BB.2022.83

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2022.83

Beschluss vom 12. April 2023 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Daniel Kipfer Fasciati und Patrick Robert-Nicoud,

Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

A.,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Nichtanhandnahmeverfügung (Art. 310 i.V.m. Art. 322 Abs. 2 StPO)

Sachverhalt:

A. A. (nachfolgend «A.» oder «Anzeigeerstatter») reichte am 21. April 2022 bei der Kantonspolizei Glarus eine Strafanzeige ein gegen die Mitarbeiter der Securitas AG B. und C. wegen Nötigung (Art. 181 StGB) sowie Unbefugten Beschaffens von Personendaten (Art. 179Novies StGB).

Es ging gemäss Strafanzeige von A. vom 21. April 2022 zusammengefasst um einen Vorfall, der sich am 1. Februar 2022, zwischen 15.00 und 15.30, in der S-Bahn zwischen Dietikon und Zürich ereignet habe. Demnach sprachen die beiden Mitarbeiter von Securitrans [richtig der Securitas AG] A. darauf an, dass er keine Maske trage. A. habe geantwortet, aus besonderen und medizinischen Gründen keine zu tragen. Er konnte kein Attest vorweisen und habe sich auf «besondere Gründe» berufen, die sich aus der COVID-Verordnung ergäben. A. konnte oder wollte sich in der Folge nicht ausweisen. Die Mitarbeiter von Securitrans [richtig der Securitas AG] hätten die Angaben in der Folge von den SBB-Billetkontrolleuren (Generalabonnement von A.) erhalten. An seiner Ausstiegsstelle Zürich-Hardbrücke habe A. warten müssen, bis der Rapport ausgefüllt worden sei und er habe dabei sein Generalabonnement nicht zurückerhalten.

B. Die Staatsanwaltschaft Glarus führte ab dem 4. Mai 2022 einen Meinungsaustausch zur Zuständigkeit mit dem Kanton Zürich und der Bundesanwaltschaft durch, worauf die Bundesanwaltschaft das Verfahren am 17. Mai 2022 übernahm.

C. Am 22. Juni 2022 nahm die Bundesanwaltschaft das Verfahren nicht an die Hand (act. 2 Nichtanhandnahmeverfügung).

D. Dagegen erhob A. am 30. Juni 2022 Beschwerde (act. 1). Er verlangt, die Nichtanhandnahmeverfügung sei aufzuheben und es sei ein Strafverfahren gegen die obgenannten Mitarbeiter (vgl. obige litera A) der Securitrans [richtig Securitas AG] durchzuführen.

Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt (vgl. Art. 390 Abs. 2 StPO im Umkehrschluss).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Bundesanwaltschaft kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde erhoben werden (Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG). Zur Beschwerde berechtigt ist jede Partei oder jeder andere Verfahrensbeteiligte mit einem rechtlich geschützten Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides (Art. 382 Abs. 1 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 StPO). Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO). Mit ihr können Rechtsverletzungen gerügt werden, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (Art. 393 Abs. 2 lit. a StPO), wie auch die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Art. 393 Abs. 2 lit. b StPO) und die Unangemessenheit (Art. 393 Abs. 2 lit. c StPO).

1.2 Als Privatklägerschaft am Strafverfahren beteiligt sich diejenige geschädigte Person, die ausdrücklich die Absicht erklärt hat, als Straf- oder Zivilklägerin teilzunehmen (Art. 118 Abs. 1 StPO; sog. Konstituierung). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt wurde (Art. 115 Abs. 1 StPO; BGE 138 IV 258 E. 2.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_96/2017 vom 16. Oktober 2017 E. 2). An die Konstituierung der Privatklägerschaft sind in einem frühen Stadium des Verfahrens keine hohen Anforderungen zu stellen (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1).

1.3 Der vom Beschwerdeführer und Anzeigeerstatter gegen die Nichtanhandnahmeverfügung geschilderte Sachverhalt, den die Bundesanwaltschaft unter Art. 312 StGB (Amtsmissbrauch) fasst, kann grundsätzlich eine Schädigung und damit Beschwerdelegitimation begründen (vgl. Heimgartner, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 312 StGB N. 30). Die weiteren Voraussetzungen für einen Sachentscheid (anfechtbarer Entscheid einer Vor—instanz; Einhaltung der Frist- und Formerfordernisse) sind ebenfalls erfüllt (zu den Voraussetzungen vgl. den Entscheid des Bundesstrafgerichts BB.2011.120 vom 20. April 2012 E. 1). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

2.1 Am 1. Februar 2022 war die ab 26. Juni 2021 gültige Verordnung vom 23. Juni 2021 über Massnahmen in der besonderen Lage zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Verordnung besondere Lage; SR 818.101.26, aufgehoben am 17. Februar 2022) in der damals geltenden aktualisierten Fassung anwendbar. Reisende in Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs wie Zügen, Strassenbahnen, Bussen, Schiffen, Luftfahrzeugen und Seilbahnen mussten im geschlossenen Bereich der Fahrzeuge eine Gesichtsmaske tragen. Davon ausgenommen waren Personen, die nachweisen konnten, dass sie aus besonderen Gründen, insbesondere medizinischen, keine Gesichtsmasken tragen konnten (Art. 5 Abs. 1 lit. b). Nach Art. 28 der Covid-19-Verordnung besondere Lage wurde mit Busse bestraft, wer (lit. e) entgegen Art. 5 Abs. 1 in geschlossenen Bereichen von Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs vorsätzlich oder fahrlässig keine Gesichtsmaske trug, sofern nicht eine Ausnahme nach Artikel 5 Abs. 1 gegeben war. Die Pflicht zum Tragen von Gesichtsmasken war auch in kantonalen Verordnungen vorgesehen. Das Bundesgericht hat die Pflicht zum Tragen einer Maske verschiedentlich beurteilt und geschützt (BGE 148 I 89 E. 7; 147 I 478 E. 3.8; 147 I 393 E. 5).

2.2 Nach dem Bundesgesetz vom 18. Juni 2010 über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr (BGST; SR 745.2) unterhalten die Transportunternehmen Sicherheitsorgane, soweit es zum Schutz der Reisenden, der Angestellten, der transportierten Güter, der Infrastruktur und der Fahrzeuge sowie zur Gewährleistung eines ordnungsgemässen Betriebs erforderlich ist (Art. 2 Abs. 1 BGST). Die Sicherheitsorgane sorgen namentlich für die Beachtung der Transport- und Benützungsvorschriften (Art. 3 Abs. 1 BGST). Dabei gibt es zwei Arten von Sicherheitsorganen: den Sicherheitsdienst und die Transportpolizei. Die Transportpolizei hat namentlich zusätzliche Aufgaben und Befugnisse (Art. 2 Abs. 2 und 3 BGST).

2.3 Transportunternehmen können Aufgaben des Sicherheitsdienstes einer privaten Organisation übertragen, die ihren Sitz in der Schweiz hat und mehrheitlich in schweizerischem Besitz ist. Die Bewilligung wird erteilt, wenn die private Organisation für die Einhaltung der massgebenden Vorschriften Gewähr bietet. Die Transportunternehmen bleiben für die ordnungsgemässe Erfüllung der übertragenen Aufgaben verantwortlich (Art. 5 Abs. 3 BGST). Gemäss Art. 7 Abs. 1 der Verordnung vom 17. August 2011 über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr (VST; SR 745.21) erteilt das Bundesamt für Verkehr BAV Transportunternehmen die Bewilligung zur Übertragung von Aufgaben des Sicherheitsdienstes auf ein Sicherheitsunternehmen, wenn das Transportunternehmen nachweist, dass das Sicherheitsunternehmen die Voraussetzungen nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung vom 31. Oktober 2007 über den Einsatz privater Sicherheitsfirmen erfüllt und über eine Zulassung als Sicherheitsunternehmen nach kantonalem Recht verfügt, soweit das kantonale Recht eine solche Zulassung vorsieht.

Das Bundesamt für Verkehr BAV nennt auf seiner Webseite die Sicherheitsorgane im öffentlichen Verkehr mit hoheitlichen Befugnissen (https://www.bav.admin.ch/bav/de/home/allgemeine-themen/sicherheit/sicherheitsdienste-im-oeffentlichen-verkehr/sicherheitsorgane-im-oev-mit-hoheitlichen-befugnissen.html). Zu den Sicherheitsdiensten, die mit Bewilligung des BAV für Transportunternehmen tätig sind, gehört auch die vorliegend eingesetzte Securitas AG.

2.4 Nach der Rechtsprechung erfasst der strafrechtliche Beamtenbegriff sowohl institutionelle als auch funktionelle Beamte. Erstere sind die Beamten im öffentlich-rechtlichen Sinn sowie Angestellte im öffentlichen Dienst. Bei Letzteren ist es nicht von Bedeutung, in welcher Rechtsform diese für das Gemeinwesen tätig sind. Das Verhältnis kann öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich sein. Entscheidend ist vielmehr die Funktion der Verrichtungen. Bestehen diese in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, so sind die Tätigkeiten amtlich und die sie verrichtenden Personen Beamte im Sinne des Strafrechts (BGE 141 IV 329 E. 1.3; 135 IV 198 E. 3.3). 

Gestützt auf diese Definition hat das Bundesgericht etwa den Beamtenstatuts eines privatrechtlichen Angestellten einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft verneint, die im Auftrag der SBB einen Bahnhof überwachte, weil dieser kein Bahnpolizeibeamter im Sinne des damals noch anwendbaren Bundesgesetzes vom 18. Februar 1978 betreffend Handhabung der Bahnpolizei (AS 3 422) war und für die Durchführung polizeilicher Aufgaben durch die SBB ausserhalb der Bahnpolizei keine gesetzliche Grundlage bestand (Urteil des Bundesgerichts 1B_443/2011 vom 28. November 2011 E. 2). Gemäss dem heute in Kraft stehenden zweiten Absatz von Art. 285 Ziff. 1 StGB gelten als Beamte auch Angestellte von Unternehmen nach dem Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (SR 742.101), dem Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 2009 (SR 745.1) und dem Gütertransportgesetz vom 19. Dezember 2008 (siehe heute Bundesgesetz vom 25. September 2015 über den Gütertransport durch Bahn- und Schifffahrtsunternehmen [SR 742.41]) sowie Angestellte der nach dem BGST mit Bewilligung des Bundesamts für Verkehr beauftragten Organisationen (zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 6B_947/2022 vom 6. Dezember 2022 E. 3.1).

3.

3.1 Der Sicherheitsorgane (d.h. der Sicherheitsdienst und die Transportpolizei) können Personen befragen und Ausweiskontrollen vornehmen sowie Personen, die sich vorschriftswidrig verhalten, anhalten, kontrollieren und wegweisen (Art. 4 Abs. 1 lit. a und b BGST). Sicherheitsorgane können zur Erfüllung ihrer Aufgaben Daten bearbeiten zur Feststellung der Identität einer Person und um Angaben zu Verstössen einer Person namentlich gegen Vorschriften zum Schutz der Reisenden und der Angestellten zu erheben (Art. 6 Abs. 1 BGST).

Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 312 StGB). Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat mit Strafe bedroht ist (Art. 14 StGB).

Der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen folgende Straftaten des StGB: die Straftaten des achtzehnten (Strafbare Handlungen gegen die Amts- und Berufspflicht) und neunzehnten Titels (Bestechung), sofern sie von einem Behördenmitglied oder Angestellten des Bundes oder gegen den Bund verübt wurden (Art. 23 Abs. 1 lit. j StPO).

3.2 Die Bundesanwaltschaft geht in ihrer Nichtanhandnahmeverfügung vom 22. Juni 2022 davon aus, dass der Anzeigeerstatter sinngemäss Amtsmissbrauch (Art. 312 StGB) geltend mache. Sie geht davon aus, dass gemäss Art. 23 Abs. 1 lit. j StPO Bundeskompetenz bestehe, da die Angestellten der Securitas AG vorliegend im Auftrag der SBB bzw. der Transportpolizei öffentliche Aufgaben wahrnehmen und entsprechend als funktionale Bundesbeamte gälten. Die Kontrolle des Anzeigeerstatters habe sowohl seiner Erkennung als auch einer Verhinderung von Straftaten nach der Covid-19-Verordnung besondere Lage gedient. Demnach sei es zulässig gewesen, den Anzeigeerstatter auf die gesetzliche Lage aufmerksam zu machen, seine Personalien aufzunehmen wie auch ihn zum Tragen einer Maske in den öffentlichen Verkehrsmitteln aufzufordern. Gebe es so keine Hinweise darauf, dass Machtbefugnisse pflichtwidrig ausgeübt wurden, liege auch kein Verstoss gegen Art. 312 StGB vor, wobei auch keine Absicht erkennbar sei, dem Anzeigeerstatter einen Nachteil zuzufügen (act. 2 S. 2 f.).

3.3 Gemäss der Anzeige der Securitas AG vom 1. Februar 2022 (gemäss Kopf des Formulars im Auftrag der SBB AG, Transportpolizei) verweigerte der Anzeigeerstatter Angaben zu Nationalität, Heimatort, Geburtsname, Aufenthaltsstatus und Beruf. Die Securitas AG merkte im Wesentlichen an, dass der Anzeigeerstatter seinen kompletten Namen vom SwissPass weggekratzt hatte, weshalb nur durch den Kontrolleur die Personalien festgestellt werden konnten. Der Anzeigeerstatter hatte seinerseits der Anzeige beifügen lassen, dass «sie die Verordnung ignorieren».

3.4 Der Anzeigeerstatter macht geltend (act. 1), er habe neben dem unbefugten Beschaffen von Personendaten Strafanzeige wegen Nötigung, nicht Amtsmissbrauchs eingereicht. Die privaten Sicherheitsmitarbeiter seien keine Mitarbeiter des Bundes und schon gar nicht Teil der Transportpolizei, was die BA in ihrer Verfügung aber annehme. Die Mitarbeiter der Securitas hätten als Privatpersonen für ihre eigenen Taten die volle Verantwortung zu tragen. Er habe sie ausdrücklich auf die nicht-medizinischen Gründe für das Nichttragen der Maske hingewiesen. Er habe sie auch darauf aufmerksam gemacht, dass nur öffentliche Verkehrsbetriebe mit einer Konzession durch den Bund und alleine zum Zwecke der genehmigten Beförderung von Menschen Daten austauschen dürften. Die Mitarbeiter hätten auch nicht nachweisen können, dass der ordnungsgemässe Betrieb oder die Sicherheit gefährdet gewesen seien. Sie seien auch nicht kompetent zu beurteilen, ob besondere Gründe oder medizinische Gründe ordnungsgemäss seien. Da gehe der Grundsatz von Treu und Glauben vor.

Selbst bei Anwendung von Art. 312 StGB sei er jedoch geschädigt, wie in der Bewegungsfreiheit, der Atmungsfreiheit, der persönlichen Freiheit, durch die Umtriebe in finanzieller Hinsicht und an der Psyche. Zudem sei die Covid-19-Verordnung besondere Lage zu diesem Zeitpunkt nicht mehr anwendbar gewesen, da das Vorgehen mit der Änderung der immergleichen Verordnung gegen die Gültigkeitsgrenze des Art. 7d RVOG von sechs Monaten verstosse und die Verordnung daher rechtswidrig sei. Zudem habe der Bundesrat in seiner Verordnungsmitteilung vom 28. Oktober 2020 auf eine Pönalisierung verzichtet.

3.5 Der Anzeigeerstatter weist zurecht auf gewisse formale Unebenheiten in der Nichtanhandnahmeverfügung hin, z.B. im Ausdruck «die transportpolizeiliche Kontrolle des Anzeigeerstatters» [richtig im Sinne des BGST: sicherheitsdienstliche], des Hinweises auf Art. 13 lit. f der Covid-19-Verordnung besondere Lage, den es am 1. Februar 2022 nicht gab oder in der Bezeichnung des Anzeigeerstatters auch als «Beschwerdeführer» (S. 3 oben, 2. Aufzählungsstrich). Ausschlaggebend ist jedoch, was folgt:

3.6 Die Bundesanwaltschaft hat zu prüfen, ob der vom Anzeigeerstatter geschilderte Sachverhalt eine Strafnorm erfülle und welche. Wie obige Erwägungen 2.2–2.4 zeigen, üben vorliegend die Mitarbeiter der Securitas AG zulässigerweise Aufgaben des Sicherheitsdienstes aus und sind damit im Sinne des Strafrechts in der Tat Bundesbeamte. Die Bundesanwaltschaft hat daher ihre Zuständigkeit gestützt auf Art. 23 Abs. 1 lit. j StPO zurecht bejaht. Der angezeigte Sachverhalt ereignete sich bei einer Kontrolle im fahrenden Zug und auf dem Perron. In dieser Situation konsumiert Art. 312 StGB (Amtsmissbrauch) eine Nötigung nach Art. 181 StGB (ähnlich Heimgartner, a.a.O., Art. 312 StGB N. 26; Trechsel/Vest, StGB Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 312 N. 10). Damit hat die Bundesanwaltschaft zurecht geprüft, ob ein Amtsmissbrauch nach Art. 312 StGB vorliege.

3.7 Der Sicherheitsdienst kann Personen befragen und Ausweiskontrollen vornehmen (Art. 4 Abs. 1 lit. a BGST). Ist zu entscheiden, ob der Sicherheitsdienst Amtsmissbrauch beging, so ist dafür nicht ausschlaggebend, ob die Maskenpflicht (das Bundesgericht schützte sie, vgl. obige Erwägung 2.1) oder die Covid-19-Verordnung besondere Lage rechtmässig waren. Dies deshalb, da der Sicherheitsdienst die geltende Gesetzgebung anzuwenden und die Pflicht zum Tragen einer Maske umzusetzen hatte. Seine Kontrolle im fahrenden Zug dient der Beachtung der Transport- und Benützungsvorschriften. Dazu gehört, die Nachweise gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. b Covid-19-Verordnung besondere Lage für Ausnahmen von der Maskenpflicht zu verlangen. Dabei eine Kontrolle der Personalien des maskenlosen Anzeigeerstatters mit beschädigtem SwissPass (ausgekratzter Name) vorzunehmen und den Anzeigeerstatter an seinem Ausstiegsort kurz auf das Protokoll warten zu lassen, ist zumutbar und rechtmässig. Im Übrigen setzt die vorliegende Kontrolle keine Maskenpflicht voraus: Der Sicherheitsdienst kann Personen befragen und Ausweiskontrollen vornehmen, ohne dass Personen sich strafbar machen oder auch nur vorschriftswidrig verhalten müssten (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. a i.V.m. lit. b BGST). Dass der Anzeigeerstatter unzulässigerweise keine Maske getragen habe, war also keine Voraussetzung für eine rechtmässige Identitätskontrolle. Er musste sich der Identitätskontrolle jedenfalls unterziehen. Der Sicherheitsdienst hat die ihm gestellte Aufgabe verhältnismässig erfüllt. Dies ist offensichtlich nicht strafbar (vgl. Art. 14 StGB).

Wie die Bundesanwaltschaft sieht sodann auch die Beschwerdekammer bei den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes keinen durch die Kontrolle erlangten unrechtmässigen Vorteil und der Anzeigeerstatter schildert keinen durch die Kontrolle verursachten massgeblichen Nachteil. Noch sind auch nur entsprechende Absichten des Sicherheitsdienstes ersichtlich. Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes haben vielmehr die für sie geltenden Pflichten erfüllt. Die Bundesanwaltschaft hat damit zurecht kein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauchs (Art. 312 StGB) eröffnet. Die Rüge des Anzeigeerstatters ist unbegründet.

3.8 Wer unbefugt besonders schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile, die nicht frei zugänglich sind, aus einer Datensammlung beschafft, wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 179Novies StGB).

Sicherheitsorgane können zur Erfüllung ihrer Aufgaben Daten (vgl. vorstehende Erwägung 3.7) bearbeiten zur Feststellung der Identität einer Person (Art. 6 Abs. 1 lit. a BGST i.V.m. Art. 17 Abs. 1 DSG). Damit liegt eine gesetzliche Grundlage für die Datenerhebung durch die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes vor. Sie waren dazu befugt (vgl. vorstehende Erwägung 3.7). War der Anzeigeerstatter namenlos unterwegs – mit ausgekratztem Namen auf dem SwissPass und ohne eine ID zu zeigen – so war die Datenerhebung bei den Billetkontrolleuren für den Sicherheitsdienst das mildeste Mittel. Hätte zur Identitätsfeststellung die Kantonspolizei kontaktiert werden müssen, hätte dies die Reise des Anzeigeerstatters wohl länger unterbrochen. Die durch den Sicherheitsdienst vorgenommene Identitätsfeststellung war zulässig.

Im Übrigen sind in Art. 3 lit. c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) die besonders schützenswerten Personendaten abschliessend definiert. Es handelt sich um Daten über (1.) die religiösen, weltanschaulichen, politischen oder gewerkschaftlichen Ansichten oder Tätigkeiten, (2.) die Gesundheit, die Intimsphäre oder die Rassenzugehörigkeit, (3.) Massnahmen der sozialen Hilfe und (4.) administrative oder strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen. Ein Persönlichkeitsprofil wiederum ist eine Zusammenstellung von Daten, die eine Beurteilung wesentlicher Aspekte der Persönlichkeit einer natürlichen Person erlaubt (Art. 3 lit. d DSG). Reine Identitätsdaten stellen keine besonders schützenswerten Personendaten oder Persönlichkeitsprofile dar. Auch deshalb fehlt es an einer Strafbarkeit nach (Art. 179Novies StGB). Die Bundesanwaltschaft hat damit zurecht kein Strafverfahren wegen Unbefugten Beschaffens von Personendaten (Art. 179Novies StGB) eröffnet. Auch diese Rüge des Anzeigeerstatters ist unbegründet.

3.9 Gehen die Rügen des Anzeigeerstatters fehl, ist die Beschwerde abzuweisen.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (vgl. Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 2'000.-- festzusetzen (vgl. Art. 73 StBOG i.V.m. Art. 5 und 8 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 13. April 2023

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                            Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- A.

- Bundesanwaltschaft (unter gleichzeitiger Rücksendung der eingereichten Verfahrensakten sowie unter Beilage eines Exemplars der Beschwerde)

- B., c/o Securitas AG

- C., c/o Securitas AG

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben (vgl. Art. 79 BGG; SR 173.110). 

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