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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BB.2023.45, BB.2023.46, BB.2023.47, BB.2023.49, BB.2023.55, BB.2023.56
Datum:03.05.2023
Leitsatz/Stichwort:
Schlagwörter : Gesuch; Bundes; Beschwerde; Verfahren; Bundesstrafgerichts; Gesuchsteller; Beschwerdekammer; Betreibung; Gericht; Stundung; Erlass; Verfahrenskosten; Verfahren; Recht; Gerichtsgeb?hr; Gerichtsgeb?hren; Finanzdienst; Eingabe; Entscheid; Betreibungsverfahren; Kanton; Kostenerlass; Bundesgericht; Kostenauflage; Forderungen; Beh?rde; Urteil; Verh?ltnisse; Gesuche
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 395 StPO ; Art. 42 StPO ; Art. 5 BV ; Art. 78 BGG ; Art. 8 KG ; Art. 81 StPO ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

BB.2023.81

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2023.81

 

Beschluss vom 3. Mai 2023 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Roy Garré, Vorsitz,

Miriam Forni und Patrick Robert-Nicoud,

Gerichtsschreiberin Santina Pizzonia

Parteien

A.,

Gesuchsteller

Gegenstand

Stundung und Erlass (Art. 425 StPO)

Die Beschwerdekammer hält fest, dass:

-        mit Schreiben vom 10. März 2023 A. an den Präsidenten des Bundesstrafgerichts gelangte und darum bat, «sämtliche Betreibungen, Fortsetzungsbegehren und Pfändungen» des Bundesstrafgerichts zu suspendieren, bis die «Forderungen rechtskräftig werden» (act. 4);

-        der Finanzdienst des Bundesstrafgerichts mit Antwortschreiben vom 23. März 2023 A. mitteilte, dass die von diesem angesprochenen, laufenden Betreibungsverfahren rechtskräftige und vollstreckbare Entscheide des Bundesstrafgerichts betreffen; A. weiter darüber informiert wurde, dass praxisgemäss die Betreibungsverfahren fortgesetzt werden, bis die ausstehenden Forderungen (Gerichtsgebühren) gedeckt sind oder bis diesbezüglich Verlustscheine ausgestellt werden (act. 5);

-        mit Eingabe vom 29. März 2023 A. wiederum an den Präsidenten des Bundesstrafgerichts gelangte und die «Einstellung sämtlicher Betreibungshandlungen und Pfändungsbegehren» des Bundesstrafgerichts unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Eidgenossenschaft verlangte (act. 1);

-        in der Folge der Generalsekretär des Bundesstrafgerichts den Präsidenten der Strafkammer, der Berufungskammer und der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts je eine Kopie der Eingabe von A. unter Hinweis auf Art. 425 StPO zuständigkeitshalber weiterleitete (act. 2);

-        dem Begleitschreiben des Generalsekretärs an die Beschwerdekammer eine zweiseitige Übersicht über die gegen A. eingeleiteten Betreibungsverfahren im Nachgang zu den Verfahren vor der Beschwerdekammer beigelegt war (act. 2);

-        der ersten Seite zufolge A. im Rahmen der von ihm bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts eingeleiteten Verfahren BB.2021.52, BB.2021.55, BB.2021.56, BB.2021.57, BB.2021.58, BB.2021.53, BB.2021.119-124, BB.2021.125-126, BB.2021.145, BB.2021.171, BB.2021.151-152, BB.2021.188, BB.2021.183, BB.2021.17-18, BB.2021.234, BB.2021.219, BB.2021.228, BB.2021.231 und BB.2021.233 ausgangsgemäss Gerichtsgebühren von insgesamt Fr. 25'800.-- auferlegt worden waren (act. 2.1); gemäss den Unterlagen des Finanzdienstes des Bundesstrafgerichts bezüglich dieser Gesamtforderung am 21. Februar 2022 das Betreibungsverfahren eingeleitet worden war; die Beschwerde von A. gegen den definitiven Rechtsöffnungsentscheid am 24.Oktober 2022 abgewiesen worden war; am 12. Januar 2023 die Pfändungsurkunde ausgestellt worden war;

-        gemäss der zweiten Seite A. in den weiteren von ihm eingeleiteten Verfahren BB.2021.249, BB.2021.256, BB.2021.261, BB.2021.248, BB.2022.19, BB.2021.213+215, BB.2021.265, BB.2022.14, BB.2021.252, BB.2022.32, BB.2022.13 und BB.2021.209 ausgangsgemäss Gerichtsgebühren von insgesamt Fr. 17'000.-- auferlegt worden waren (act. 2.2); gemäss den Unterlagen des Finanzdienstes des Bundesstrafgerichts bezüglich dieser Gesamtforderung am 23. August 2022 das Betreibungsverfahren eingeleitet worden war; A. ebenfalls Beschwerde gegen den definitiven Rechtsöffnungsentscheid erhoben hatte; die Beschwerde von A. gegen den definitiven Rechtsöffnungsentscheid zwischenzeitlich abgewiesen wurde;

-        mit Schreiben vom 7. April 2023 A. seine Begehren vom 29. März 2023 wiederholt und zusätzlich ein Arztzeugnis vom 6. April 2023 einreicht (act. 3).

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:

-        Forderungen aus Verfahrenskosten von der Strafbehörde gestundet oder unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person herabgesetzt oder erlassen werden können (Art. 425 StPO);

-        nach einem Teil der Lehre (s. Schmid/Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 425 StPO N. 1; Domeisen, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 425 StPO N. 2) sowie der kantonalen Behördenorganisation und Praxis auch anderen Behörden oder Dienststellen wie beispielsweise Gerichtsverwaltungen oder Inkassostellen der Strafbehörden die Befugnis der Stundung und des Erlasses einzuräumen ist bzw. zusteht (s. zum Beispiel die Zentrale Inkassostelle der Gerichte im Kanton Zürich mit der Rekursmöglichkeit an die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich und die Rekurskommission [Urteil der Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Zürich KD220002 vom 20. Juni 2022]); dies in der Lehre damit begründet wird, dass es sich bei Stundung und Erlass um einen Akt der Justizverwaltung und nicht der Rechtsprechung handle (s. Schmid/Jositsch, a.a.O.);

-        davon ausgehend das Bundesgericht Beschwerden gegen entsprechende kantonale Entscheide über den Erlass von Verfahrenskosten aus Strafverfahren als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegennimmt mit der Begründung, dass die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 83 lit. m Teilsatz 1 BGG unzulässig gegen Entscheide über die Stundung oder den Erlass von Abgaben ist, wozu auch der Erlass von Verfahrenskosten gehört (Urteile des Bundesgerichts 2D_28/2021 vom 12. Juli 2021 E. 3; 2D_23/2021 vom 16. Juni 2021 E. 2; beide Urteile Kanton Zürich betreffend; anders zuletzt mit Urteil des Bundesgerichts 1B_385/2022 vom 27. September 2022 E. 2.1 [ebenfalls Kanton Zürich betreffend], wo die Eingabe ans Bundesgericht nicht als subsidiäre Verfassungsbeschwerde, sondern unter Hinweis auf Art. 425 StPO als Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG behandelt wurde);

-        das Bundesgericht Beschwerden gegen andere kantonale letztinstanzliche Entscheide im Rahmen von Gesuchen um Kostenerlass gemäss Art. 425 StPO als Beschwerden in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG entgegennimmt (an Stelle vieler: Urteile des Bundesgerichts 6B_1162/2021 vom 17. November 2021 E. 2 [Kanton Bern betreffend]; 6B_1523/2022 vom 16. Februar 2023 E. 2 [Kanton Basel-Landschaft betreffend]);

-        sich aus den Materialen nicht ergibt, dass mit der Einführung der Eidgenössischen Strafprozessordnung gleichzeitig die zuvor von der Justizverwaltung von Bund und Kantonen übernommene Aufgabe der Stundung, Herabsetzung und Erlass von Verfahrenskosten ausgeschlossen wurde (s. Begleitbericht zum Vorentwurf für eine schweizerische Strafprozessordnung, Juni 2001 S. 299 f.; Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1326; vgl. auch Bundesamt für Justiz, Erläuternder Bericht zum Vorentwurf vom 21. September 2007 zum StBOG, S. 42 ff.); selbst nach einem nachträglichen Kostenentscheid im Sinne von Art. 425 i.V.m. Art. 81 Abs. 4 lit. d StPO, verstanden als Akt der Rechtsprechung, die Justizverwaltung unmittelbar mit Vollstreckungsfragen konfrontiert bleibt, weshalb zur sachgerechten Aufgabenerfüllung entsprechende Vollstreckungsakte der Justizverwaltung auch ausserhalb von Art. 425 StPO möglich sein müssen;

-        grundsätzlich die Beschwerdekammer zuständig ist zur Behandlung von Gesuchen gemäss Art. 425 StPO um Erlass und Stundung von Verfahrenskosten, welche ein rechtskräftig abgeschlossenes Beschwerdeverfahren betreffen (vgl. TPF 2019 35 E. 1.1 m.w.H.);

-        die Beschwerdeinstanz als Einzelgericht über Gesuche um Erlass oder Stundung der Verfahrenskosten entscheidet, sofern der Schwellenwert von 5000 Franken gemäss Art. 395 lit. b StPO nicht überschritten wird (vgl. TPF 2019 35 E. 1);

-        Stundungen und Erlass von Forderungen aus Verfahrenskosten der Resozialisierung vorab der beschuldigten Person dienen, denn die Kostenauflage kann sie in Anbetracht der mitunter sehr hohen Auslagen erheblich finanziell belasten und eine Rückkehr in geordnete Verhältnisse erschweren; die Anwendung von Art. 425 StPO voraussetzt, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person derart angespannt sein müssen, dass eine (ganze oder teilweise) Kostenauflage als unbillig erscheint; das dann der Fall ist, wenn die Höhe der auferlegten Kosten unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der kostenpflichtigen Person deren Resozialisierung bzw. finanzielles Weiterkommen ernsthaft gefährden kann (Urteil des Bundesgerichts 6B_610/2014 vom 28. August 2014 E. 3; Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2018.133 vom 15. Februar 2019 E. 2.1, nicht publiziert in TPF 2019 35; je m.w.H.); dabei das Kriterium der Resozialisierung primär an die Strafverfolgungsbehörde und das erkennende Sachgericht (erster sowie zweiter Instanz) und nicht an die Beschwerdeinstanz gerichtet ist;

-        mit der Konzipierung von Art. 425 StPO als Kann-Bestimmung der Gesetzgeber der Strafbehörde beim Kostenentscheid einen grossen Ermessens- und Beurteilungsspielraum belässt (Urteil des Bundesgerichts 6B_610/2014 vom 28. August 2014 E. 3; Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2018.133 vom 15. Februar 2019 E. 2.2, nicht publiziert in TPF 2019 35; je m.w.H.);

-        das Institut des Kostenerlasses nicht dazu da ist, frühere Entscheide zur Kostenauflage zu korrigieren; Kostenauflagen auf dem, soweit vorgesehen, ordentlichen Rechtsmittelweg und nicht in einem Kostenerlassverfahren anzufechten sind;

-        es grundsätzlich keinen Anspruch auf eine erneute Prüfung eines Gesuchs um Erlass der Verfahrenskosten gibt, wenn der Erlass eben dieser Verfahrenskosten bereits einmal verbindlich verweigert wurde und seither keine neuen Umstände eingetreten sind;

-        ein Kostenerlass auch nicht zulässig ist, wenn der betreffende Gesuchsteller nicht erst nach der Kostenauflage in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist;

-        das Kostenerlassverfahren ebenso wenig dazu dient, prozessuale Versäumnisse eines Gesuchstellers aus früheren Verfahren zu berichtigen (Verfügung der Beschwerdekammer BB.2022.32 vom 2. Juni 2022);

-        bei der Prüfung eines Gesuchs um Kostenerlass der Umstand mitzuberücksichtigen ist, ob dem betreffenden Gesuchsteller im früheren Verfahren die unentgeltliche Prozessführung verweigert wurde, weil sein Standpunkt aussichtlos war; es in diesem Zusammenhang zu bedenken gilt, dass im Falle eines Kostenerlasses der Wille des Gesetzgebers, wonach eine Partei nicht auf Staatskosten prozessieren können soll, wenn ihre Sache aussichtslos ist, unterlaufen werden könnte; im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung nach Art. 425 StPO daher zu vermeiden ist, dass selbst bei dauerhafter Mittellosigkeit bzw. bei entsprechendem Nachweis ein Kostenerlass dazu führt, aussichtslose Prozesse zu finanzieren;

-        der Gesuchsteller vorliegend ausschliesslich die Einstellung der gegen ihn eingeleiteten Betreibungen beantragt (act. 1);

-        sich aus Art. 425 StPO keine Zuständigkeit der Beschwerdekammer ergibt, selber die Einstellung der Betreibungen zu verfügen oder zu beantragen, welche zum Inkasso der Gerichtsgebühren aus den Verfahren vor der Beschwerdekammer eingeleitet wurden;

-        gemäss Art. 85 SchKG der Gesuchsteller beim Gericht des Betreibungsortes die Einstellung der Betreibung verlangen kann, wenn er durch Urkunden beweist, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten gestundet ist;

-        wie einleitend festgehalten, Forderungen aus Verfahrenskosten von der Strafbehörde erlassen oder gestundet werden, wenn gestützt auf Art. 425 StPO ein entsprechendes Gesuch gestellt wird;

-        allerdings die Bundesstrafgerichtskasse bzw. der Finanzdienst des Bundesstrafgerichts für das Inkasso der Gerichtsgebühren der Beschwerdekammer zuständig ist; der Finanzdienst namentlich über die Einleitung sowie Fortsetzung von Betreibungen entscheidet (Art. 68 Abs. 2 der Finanzhaushaltverordnung vom 5. April 2005 [FHV; SR 611.01] i.V.m. Art. 60 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Organisation der Strafbehörden des Bundes [StBOG; SR 173.71] und Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 des Reglements des Bundesstrafgerichts über die Kosten und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren vom 31. August 2020 [BStKR; SR 173.713.162]);

-        für die Vereinbarung von Ratenzahlungen und/oder Stundungen der jeweils vom Finanzdienst in Rechnung gestellten und in Betreibung gesetzten Gerichtsgebühren der Beschwerdekammer praxisgemäss der Finanzdienst des Bundesstrafgerichts zuständig ist; der Finanzdienst dem Generalsekretär des Bundesstrafgerichts untersteht (Art. 61 StBOG); die Buchhaltung und die Finanzen des Bundesstrafgerichts in den Verantwortungsbereich der Verwaltungskommission des Bundesstrafgerichts fallen (Art. 54 Abs. 4 lit. a und g StBOG [Verabschiedung des Entwurfs des Voranschlags und der Rechnung zuhanden der Bundesversammlung für sämtliche weiteren Verwaltungsgeschäfte, die nicht in die Zuständigkeit des Gesamtgerichts fallen]);

-        entsprechend nicht die Beschwerdekammer über die Frage der Stundung zu befinden hat, sondern der Finanzdienst des Bundesstrafgerichts (je nach Zuständigkeitsbereich allenfalls dessen übergeordnete Stelle), wenn ein Gesuchsteller sich nicht auf Art. 425 StPO beruft, sondern ausschliesslich einen Antrag auf Einstellung des Betreibungsverfahrens stellt, soweit darin überhaupt auch ein Antrag auf Stundung der in Betreibung gesetzten Gerichtsgebühren zu erblicken ist;

-        ausserdem mit Blick auf die konkrete Natur und die praktischen Konsequenzen einer Stundung selbst bei Vorliegen eines Gesuchs gemäss Art. 425 StPO es als angezeigt erschiene, den Entscheid über die Stundung (inkl. Vereinbarung von Ratenzahlungen) dem Finanzdienst aufgrund von dessen Sachnähe zu überlassen; nicht ersichtlich ist, inwiefern sich aus den Kernaufgaben der Beschwerdekammer als Gerichtsbehörde deren Zuständigkeit für typische Inkassoangelegenheiten ergeben könnte;

-        vorliegend zu betonen ist, dass der Gesuchsteller sich in seiner Eingabe vom 29. März 2023 weder auf Art. 425 StPO beruft noch ausdrücklich um Stundung der in Betreibung gesetzten Verfahrenskosten ersucht;

-        der Gesuchsteller zur Begründung seiner Eingabe vom 29. März 2023 im Einzelnen ausführte, er sei 2017 an Krebs erkrankt, kämpfe um sein Überleben, werde in zwei Jahren das AHV-Alter erreichen und möchte vor seinem Ableben seinen Betreibungsregisterauszug bereinigen und entsprechende Vorsorge für seine Familie treffen (act. 1 S. 2);

-        er geltend machte, eines seiner existentiellen Verfassungsrechte sei, dass er im Hinblick auf die laufenden Revisionsverfahren, sein fortgeschrittenes Alter und seine schwere Krebserkrankung bzw. eingeschränkte Lebenserwartung nicht mehr weiter «durch unnötige Zwangsmassnahmen von Ihrem Gericht respektive der Bundesanwaltschaft für nicht rechtskräftige Forderungen belästigt und gequält werde»; er dem Gericht bereits mehrfach mitgeteilt habe, dass die fälligen Verfahrenskosten zulasten seines seit 2009 blockierten Erspartes abgebucht werden können (act. 1 S. 2);

-        demnach der Gesuchsteller mit keinem seiner Vorbringen mit Blick auf Art. 425 StPO direkt oder sinngemäss geltend machte, seine Resozialisierung sei aufgrund der Kostenauflage gefährdet und seine wirtschaftlichen Verhältnisse seien angespannt; er auch nicht vorbrachte, er sei nach den Kostenauflagen in finanzielle Schwierigkeiten geraten;

-        der Gesuchsteller sich darauf beschränkte, seiner Eingabe eine Liste der aktuell offenen Betreibungen über ein Total über gerundet Fr. 4,8 Mio. beizulegen (act. 1.1); er damit seine finanziellen Verhältnisse in seiner Gesamtheit indes nicht offengelegt hat;

-        dem Gesuchsteller das Verfahren um Erlass und Stundung der Verfahrenskosten gemäss Art. 425 StPO dabei seit Jahren aus eigener Erfahrung bereits bekannt ist (s. Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BB.2015.99 vom 22. März 2016 und BB.2015.51 vom 11. Juni 2015);

-        der Gesuchsteller seit Jahren in den bisherigen Verfahren vor der Beschwerdekammer trotz wiederholten Aufforderungen zur Offenlegung der finanziellen Verhältnisse seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt (s. Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2020.212 [BP.2020.68] vom 9. September 2020 E. 6.2);

-        der Gesuchsteller weiss, dass aufgrund dessen die Beschwerdekammer ihn nicht mehr zur Nachreichung von Unterlagen zur Offenlegung seiner finanziellen Verhältnisse auffordert (s. Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2020.212 [BP.2020.68] vom 9. September 2020 E. 6.2);

-        mit Blick auf die nachfolgenden Erwägungen hier offen bleiben kann, ob im Gesuch um Einstellung der Betreibungen auch ein Gesuch um Stundung der in Betreibung gesetzten Gerichtsgebühren der Beschwerdekammer mitenthalten ist und dieses – ungeachtet der dargelegten Umstände – als Gesuch im Sinne von Art. 425 StPO entgegenzunehmen ist;

-        der vorliegende Entscheid in der Zuständigkeit des Kollegialgerichts liegt, soweit die Eingabe des Gesuchstellers vom 29. März 2023 als Gesuch um Stundung der Verfahrenskosten im Sinne von Art. 425 StPO durch die Beschwerdekammer zu beurteilen ist; 

-        der Gesuchsteller von 2009 bis Anfang 2023 über 120 Verfahren bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts eingeleitet hat; er in diesen Verfahren jeweils unterlag und zur Bezahlung von Gerichtsgebühren von gesamthaft über Fr. 150'000.-- verpflichtet wurde; diese Entscheide allesamt rechtskräftig und vollstreckbar sind; davon der Gesuchsteller bisher insgesamt lediglich Fr. 5'400.-- (für die Verfahren BH.2009.12, BH.2009.15, BB.2010.104, BB.2011.75, BB.2011.65 und zusammen mit der B. AG für das Verfahren BB.2021.125-126) beglichen hat (act. 6);

-        dabei die Gesuche des Gesuchstellers um unentgeltliche Rechtspflege (so BP.2022.11, BP.2021.115, BP.2021.97, BP.2021.96, BP.2021.70, BP.2020.107, BP.2020.5, BP.2019.53, BP.2019.13, BP.2018.59, BP.2016.17, BP.2016.16, BP.2016.5, BP.2015.50, BP.2015.3, BP.2011.23), um amtliche Verteidigung im Beschwerdeverfahren (so BP.2022.83, BP.2021.114, BP.2021.93, BP.2021.86, BP.2021.85, BP.2021.84, BP.2021.78, BP.2021.77, BP.2021.74, BP.2021.9, BP.2020.107, BP.2020.102, BP.2020.68, BP.2020.63, BP.2020.6, BP.2019.91, BP.2019.53, BP.2019.38, BP.2015.41, BP.2015.40, BP.2014.58) und um unentgeltliche Rechtspflege für die Privatklägerschaft im Beschwerdeverfahren (so BP.2021.47, BP.2021.80, BP.2022.30, BP.2023.7) jeweils abgewiesen (in zwei Fällen abgeschrieben) wurden (act. 8);

-        betreffend die Gerichtsgebühren aus den Verfahren bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts bis dato gegen den Gesuchsteller ein erstes Betreibungsverfahren über die Forderungssumme von gesamthaft Fr. 25'800.-- und ein zweites Betreibungsverfahren über die Forderungssumme von gesamthaft Fr. 17'000.-- eingeleitet wurden (s.o.);

-        der Gesuchsteller bisher (ohne das vorliegende Verfahren) bei der Beschwerdekammer insgesamt 15 Verfahren um Erlass der Verfahrenskosten im Sinne von Art. 425 StPO eingeleitet hat (BB.2022.122, BB.2022.51, BB.2022.50, BB.2022.32, BB.2022.19, BB.2022.13, BB.2021.261, BB.2021.125, BB.2021.124, BB.2021.123, BB.2021.122, BB.2021.121, BB.2021.119, BB.2015.99 und BB.2015.52); in einem Fall auf sein Gesuch nicht eingetreten wurde; alle anderen Gesuche jeweils abgewiesen wurden (act. 7);

-        zu den in Betreibung gesetzten Forderungen insbesondere festzuhalten ist, dass der Gesuchsteller mit den Verfahren BB.2021.119-124, BB.2021.261, BB.2022.19, BB.2022.32, BB.2022.13 bereits – zum Teil mehrfach – um Erlass gemäss Art. 425 StPO der Gerichtsgebühren aus den Verfahren BB.2021.52, BB.2021.55, BB.2021.56, BB.2021.57, BB.2021.58, BB.2021.248, BB.2021.261, BB.2021.209, BB.2022.19 ersucht hat; wie bereits ausgeführt, auch diese Gesuche jeweils abgewiesen wurden;

-        ein Recht entfällt, wenn sich ein Bürger missbräuchlich auf diese ihm formal an sich zustehende Rechtsposition beruft (Hausheer/Aebi-Müller, Berner Kommentar, 2012, N. 321 zu Art. 2 ZGB unter Hinweis auf Art. 5 Abs. 3 BV);

-        Rechtsbegehren und Rechtsmittel als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sind, wenn sie sich auf längst erledigte Prozesse beziehen, welche der Rechtssuchende immer wieder neu aufzurollen versucht (s. Hauser/Schweri/Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2005, S. 476 f.);

-        unter Berücksichtigung der bisherigen zahlreichen Gesuche des Gesuchstellers um Erlass der Verfahrenskosten sein allfälliges Gesuch vom 29. März 2023 neu um Stundung statt Erlass der Verfahrenskosten aus über 30 Verfahren vor der Beschwerdekammer mit einer Begründung und Beilagen, welche allesamt wie bis anhin an den ihm bereits mehrfach erläuterten Voraussetzungen von Art. 425 StPO vorbeizielen, unter den vorstehend erläuterten Umständen als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist, soweit der Beschwerdeführer sich dabei wiederum auf Art. 425 StPO berufen wollte;

-        der Gesuchsteller insbesondere wiederholt die Neubeurteilung der zum Teil bereits mehrfach beurteilten Kostenauflage – neu im Hinblick auf eine Stundung – beantragen und damit das Institut von Art. 425 StPO offensichtlich missbrauchen würde;

-        nach dem Gesagten wegen Rechtsmissbrauchs auf das allenfalls auf Art. 425 StPO gestützte Gesuch um Stundung nicht einzutreten ist, soweit ein solches Gesuch gestellt worden sein sollte, welches mangels ausreichender Substantiierung und Bedürftigkeitsnachweises sich ohnehin als unbegründet erwiesen hätte und abzuweisen gewesen wäre;

-        im Übrigen nicht erkennbar ist, dass der Gesuchsteller vom Einleiten aussichtsloser Verfahren bei der Beschwerdekammer auf Kosten der Allgemeinheit künftig absehen wird, was weitere Kostenschulden generieren wird; auch dies vorliegend nicht nur gegen einen Erlass, sondern auch gegen eine Stundung gesprochen hätte;

-        unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles ausnahmsweise keine Gerichtsgebühr zu erheben ist und die Eingaben des Gesuchstellers (act. 1 und 3) dem Generalsekretär des Bundesstrafgerichts zuständigkeitshalber zurückzusenden sind.

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

 

3. Die Eingaben des Gesuchstellers werden dem Generalsekretär des Bundesstrafgerichts zuständigkeitshalber zurückgesandt.

Bellinzona, 3. Mai 2023

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident:                                                            Die Gerichtsschreiberin:

Zustellung an

- A.

- Bundesstrafgericht, Generalsekretär

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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