Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts
Instanz: | Bundesstrafgericht |
Abteilung: | Berufungskammer |
Fallnummer: | SK.2022.53 |
Datum: | 06.10.2022 |
Leitsatz/Stichwort: | |
Schlagwörter | Beschuldigte; Beschuldigten; Berufung; Recht; Apos;; Staat; Verfahren; Verfahren; Schweiz; Richt; Urteil; Handlung; Busse; Bundes; Verfahrens; Kammer; Berufungsverhandlung; Inkasso; Beweis; Handlungen; Ziffer; Entschädigung; Zahlung; Täter; Mahnung; Bussen; Geldstrafe; Verfahrenskosten; ührt |
Rechtskraft: | Weiterzug |
Rechtsgrundlagen des Urteils: | Art. 1 StGB ;Art. 106 StGB ;Art. 12 StGB ;Art. 13 StPO ;Art. 139 StPO ;Art. 14 StPO ;Art. 15 StGB ;Art. 2 Or;Art. 2 StGB ;Art. 21 StGB ;Art. 21 StPO ;Art. 23 StPO ;Art. 27 StGB ;Art. 271 StGB ;Art. 28 StGB ;Art. 3 Or;Art. 3 StGB ;Art. 34 StGB ;Art. 35 StGB ;Art. 355 StPO ;Art. 356 StPO ;Art. 36 StGB ;Art. 38 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 391 StPO ;Art. 399 StPO ;Art. 4 StGB ;Art. 40 StPO ;Art. 406 StPO ;Art. 41 StPO ;Art. 42 StGB ;Art. 426 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 436 StPO ;Art. 47 StGB ;Art. 48 BGG ;Art. 49 StGB ;Art. 5 StGB ;Art. 6 OBG ;Art. 8 StPO ;Art. 82 StPO ; |
Referenz BGE: | 113 IV 56; 114 IV 128; 129 IV 238; 129 IV 6; 134 IV 17; 134 IV 56; 134 IV 60; 136 IV 55; 139 IV 282; 142 IV 315; 148 IV 66; 72 IV 155; ; |
Kommentar: | Heim, Heimgartner, Basler Kommentar Internationales Strafrecht, Art. 94 IRSG , 2015 |
Entscheid des Bundesstrafgerichts
CA.2022.1
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: CA.2022.1 |
Urteil vom 6. Oktober 2022 Berufungskammer | ||
Besetzung | Richter Olivier Thormann, Vorsitzender Marcia Stucki und Petra Venetz Gerichtsschreiber Franz Aschwanden | |
Parteien | 1. A., erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt Patrik Salzmann, Berufungsführer / Beschuldigter 2. B., erbeten verteidigt durch Rechts——anwalt Nathan Landshut, Berufungsführer / Beschuldigter 3. C. AG, vertreten durch Rechtsanwalt Mauro Lardi, Drittbetroffene | |
gegen | ||
Bundesanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwalt des Bundes Johannes Rinnerthaler, Berufungsgegnerin / Anklagebehörde
| ||
Gegenstand | Mehrfache verbotene Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziffer 1 StGB) Berufungen (je teilweise) des Beschuldigten B. vom 10. Februar 2022 und des Beschuldigten A. vom 11. Februar 2022 gegen das Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2021.34 vom 15. Dezember 2021 |
Sachverhalt:
A. Prozessgeschichte und erstinstanzliches Urteil
A.1 Die C. AG mit Sitz in Chur forderte zwischen Januar 2018 und Januar 2019 diverse natürliche und juristische Personen in der Schweiz zur Zahlung von Bussen wegen Verkehrsregelverletzungen in Italien auf. Auf entsprechende Anzeigen der betroffenen Personen eröffnete die Bundesanwaltschaft (nachfolgend: BA) am 19. März 2019 ein Strafverfahren gegen Unbekannt wegen mehrfacher verbotener Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziffer 1 StGB) und Erpressung (Art. 156 StGB; BA pag. 01-01-0001).
A.2 Am 29. April 2019 erteilte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) auf Antrag der BA die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Unbekannt bzw. diejenigen natürlichen Personen, welche im Namen der C. AG verbotene Handlungen für einen fremden Staat begangen oder daran teilgenommen haben sollen (BA pag. 01-02-0006 ff.).
A.3 Am 20. Mai 2019 und 28. September 2020 dehnte die BA das Strafverfahren auf die Direktorin der C. AG, E., und die beiden Verwaltungsräte dieser Gesellschaft, A. und B., aus (BA pag. 01-01-0002 f.). In Bezug auf E. wurde das Verfahren am 15. Juli 2021 eingestellt (BA pag. 03-03-0001 ff.).
A.4 Im Verlaufe des Verfahrens führte die BA verschiedene Beweismassnahmen durch. Die in Deutschland wohnhaften Beschuldigten A. und B. liessen sich indes nicht einvernehmen (vgl. BA pag. 10-01-0174 ff.; 12-01-0001 ff.).
A.5 Mit Verfügung vom 21. Mai 2019 beschlagnahmte die BA das Konto 1, lautend auf C. AG, bei der Bank D. (BA pag. 07-02-0014 ff.).
A.6 Am 15. Juli 2021 erliess die BA gegen A. und B. je einen Strafbefehl. Sie verurteilte die beiden Beschuldigten wegen mehrfacher verbotener Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziffer 1 StGB) je zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à Fr. 200.--, bei einer Probezeit von 2 Jahren, und auferlegte ihnen Verfahrenskosten von je Fr. 3'500.-- unter solidarischer Haftung. Zudem begründete die BA zulasten der C. AG und zugunsten der Eidgenossenschaft eine Ersatzforderung in Höhe von Fr. 1'601'940.--. Zur Sicherung der Ersatzforderung ordnete die BA die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme des erwähnten Kontos der C. AG bei der Bank D. an (BA pag. 03-01-0001 ff.; 03-02-0001 ff.).
A.7 A., B. und die C. AG erhoben jeweils fristgerecht Einsprache gegen die sie betreffenden Strafbefehle (BA pag. 03-01-0008 ff.; 03-02-0008 f.).
A.8 Die BA hielt an den Strafbefehlen fest (Art. 355 Abs. 3 lit. a StPO) und überwies sie am 26. Juli 2021 jeweils als Anklageschrift zwecks Durchführung eines Hauptverfahrens (Art. 356 Abs. 1 StPO) an die Strafkammer des Bundesstrafgerichts (nachfolgend: Strafkammer). Gleichzeitig gab sie bekannt, auf eine Teilnahme an der Hauptverhandlung zu verzichten (TPF pag. 4.100.002 ff.).
A.9 Nach Eingang der Akten eröffnete die Strafkammer gegen A. und B. je ein separates Verfahren mit der Geschäftsnummer SK.2021.34 bzw. SK.2021.35. Mit Verfügung vom 1. September 2021 vereinigte der Einzelrichter die beiden Verfahren unter der Geschäftsnummer SK.2021.34 (TPF pag. 4.931.001 f.).
A.10 Mit Verfügungen des Einzelrichters vom 24. November 2021 wurden die Beschuldigten A. und B. auf Ersuchen hin je von der persönlichen Teilnahme an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung dispensiert (TPF pag. 4.250.001 ff.).
A.11 Am 30. November 2021 fand die erstinstanzliche Hauptverhandlung in Anwesenheit der Verteidiger von A. und B. sowie des Rechtsvertreters der C. AG am Sitz des Bundesstrafgerichts in Bellinzona statt (vgl. TPF pag. 4.720.001 ff.). Das Urteil der Strafkammer SK.2021.34 wurde am 15. Dezember 2021 mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten (TPF pag. 4.720.007) schriftlich eröffnet. A. wurde der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen frem—den Staat (Art. 271 Ziffer 1 StGB) schuldig gesprochen und bestraft mit einer Geldstrafe von 150 Tages—sätzen à Fr. 300.–, bedingt vollziehbar, bei einer Probezeit von 2 Jahren, und einer Busse von Fr. 9'000.– (bei schuldhafter Nichtbezahlung der Busse mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen). B. wurde ebenfalls der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziffer 1 StGB) schuldig gesprochen und bestraft mit einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à Fr. 300.–, bedingt vollziehbar, bei einer Probezeit von 2 Jahren, und einer Busse von Fr. 9'000.– (bei schuldhafter Nichtbezahlung der Busse mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen). Der Antrag der BA auf Begründung einer Ersatzforderung zugunsten der Eidgenossenschaft und zulasten der C. AG wurde abgewiesen. Die Beschlagnahme des Kontos 1. bei der Bank D., lautend auf die C. AG, wurde aufgehoben (TPF pag. 4.930.001 ff.).
A.12 Am 17. Dezember 2021 meldeten A. und am 21. Dezember 2021 B. je Berufung an und ersuchten um Zustellung der Urteilsbegründung (TPF pag. 4.940.001 f.; CAR pag. 1.100.001; -028 f.). Das begründete Urteil (TPF pag. 4.930.010 ff.; CAR pag. 1.100.005 ff.) wurde am 26. Januar 2022 an die Parteien versandt (TPF pag. 4.930.032 ff.; CAR pag. 1.100.027, -030). Am 27. Januar 2022 wurde es A.s Verteidiger und dem Rechtsvertreter der C. AG, am 28. Januar 2022 B.s Verteidiger sowie am 31. Januar 2022 der BA zugestellt (TPF pag. 4.930.033 ff.; CAR pag. 1.100.031 f.).
B. Verfahren vor der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts
B.1 Mit Berufungserklärung vom 10. Februar 2022 stellte der Beschuldigte B. folgende Anträge (CAR pag. 1.100.039 f.):
2. Änderung des Dispositivs
2.1 Ziff. II.1. des Dispositivs des Urteils des Bundesstrafgerichts vom 15. Dezember 2021 (SK.2021.34) sei aufzuheben und der Beschuldigte B. sei freizusprechen.
2.2 Ziff. II.2. des Dispositivs des Urteils des Bundesstrafgerichts vom 15. Dezember 2021 (SK.2021.34) sei aufzuheben.
2.3 Ziff. IV.2. des Dispositivs des Urteils des Bundesstrafgerichts vom 15. Dezember 2021 (SK.2021.34) sei aufzuheben und die Verfahrenskosten seien auf die Staatskasse zu nehmen.
2.4 Ziff. V.1. des Dispositivs des Urteils des Bundesstrafgerichts vom 15. Dezember 2021 (SK.2021.34) sei aufzuheben und dem Beschuldigten B. sei eine angemessene Entschädigung zu bezahlen.
Mit Berufungserklärung vom 11. Februar 2022 stellte der Beschuldigte A. folgende Anträge (CAR pag. 1.100.041 ff.):
Es sei das Urteil SK.2021.34 vom 15. Dezember 2021 teilweise aufzuheben und wie folgt abzuändern:
1. es seien die Dispositivziffern I.1. und I.2. aufzuheben und es sei der Beschuldigte A. von Schuld und Strafe freizusprechen;
2. es sei die Dispositivziffer IV.2. aufzuheben und es seien die Verfahrenskosten der Staatskasse aufzuerlegen;
3. es sei die Dispositivziffer V.1. aufzuheben und es sei dem Beschuldigten A. eine angemessene Entschädigung zuzusprechen;
eventualiter sei die Sache zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
B.2 Mit Eingabe vom 25. Februar 2022 verzichtete die BA auf eine Anschlussberufungserklärung sowie auf die persönliche Teilnahme an einer allfälligen mündlichen Berufungsverhandlung (CAR pag. 1.400.005). Der Rechtsvertreter der C. AG verzichtete mit Eingabe vom 5. April 2022 auf die Teilnahme an der mündlichen Berufungsverhandlung (CAR pag. 4.200.003).
B.3 Gemäss Antrag der C. AG vom 27. Januar / 28. Februar 2022 bestätigte der Vorsitzende der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts (nach—folgend: Berufungskammer) mit Verfügung vom 10. März 2022 die Rechtskraft der Dispositivziffern III. 1 und 2 sowie V. 2 des Urteils der Strafkammer SK.2021.34 vom 15. Dezember 2021 (CAR pag. 1.100.036 ff., 2.201.001 ff., 10.200.001 f.).
B.4 Gemäss Verfügung des Vorsitzenden der Berufungskammer vom 1. April 2022 wurden betreffend die beiden Beschuldigten von Amtes wegen je Auszüge aus dem schweizerischen Strafregister und dem deutschen Zentralregister ediert (CAR pag. 4.200.001 f.; 4.401.001 - 4.402.006). Die beiden Beschuldigten wurden mit Schreiben vom 6. April 2022 zur Berufungsverhandlung vom 13. Mai 2022 vorgeladen (CAR pag. 4.301.001 ff.). An ihre Verteidiger sowie an die Vertreter der weiteren Parteien wurde je eine Einladung zur Berufungsverhandlung versandt (CAR pag. 4.301.004 f.).
B.5 Mit Eingaben vom 12. April 2022 stellten die beiden Beschuldigten je im Wesentlichen gleichlautende Dispensationsgesuche betreffend die Berufungsverhandlung vom 13. Mai 2022. Zudem erklärten sie, dass sie damit einverstanden seien, das Berufungsverfahren schriftlich durchzuführen (CAR pag. 4.200.006 ff.). Die Dispensationsgesuche wurden je mit prozessleitender Verfügung des Vorsitzenden der Berufungskammer vom 20. April 2022 abgewiesen. Im Übrigen wurde daran festgehalten, dass ein mündliches Berufungsverfahren durchgeführt werde respektive dass die mündliche Berufungsverhandlung gemäss den versandten Vor—ladungen bzw. Einladungen am 13. Mai 2022 stattfinde (CAR pag. 8.101.001 ff.).
B.6 Die BA stellte, im Nachgang zum Verzicht auf eine persönliche Teilnahme (oben lit. B.2), mit Eingabe vom 3. Mai 2022 folgende schriftlichen Anträge für die Berufungsverhandlung (CAR pag. 4.200.010 ff.):
A. und B. seien unter Abweisung der Berufung wie folgt (gemäss Urteil SK.2021.34 der Strafkammer des Bundesstrafgerichts vom 15. Dezember 2021) zu verurteilen und schuldig zu sprechen:
I.
1. A. sei schuldig zu sprechen der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziff. 1 StGB).
2. A. sei zu bestrafen mit einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à CHF 300.00, bedingt vollziehbar, bei einer Probezeit von 2 Jahren, und einer Busse von CHF 9'000.00.
Bezahlt A. die Busse schuldhaft nicht, so habe an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen zu treten.
3. Von den vorinstanzlichen Verfahrenskosten in der Höhe von CHF 10'000.00 seien A. CHF 5'000.00 aufzuerlegen.
4. Die oberinstanzlichen Verfahrenskosten seien A. zur Hälfte aufzuerlegen.
5. Es sei A. keine Entschädigung auszurichten.
II.
1. B. sei schuldig zu sprechen der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziff. 1 StGB).
2. B. sei zu bestrafen mit einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à CHF 300.00, bedingt vollziehbar, bei einer Probezeit von 2 Jahren, und einer Busse von CHF 9'000.00.
Bezahlt B. die Busse schuldhaft nicht, so habe an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen zu treten.
3. Von den vorinstanzlichen Verfahrenskosten in der Höhe von CHF 10'000.00 seien
B. CHF 5'000.00 aufzuerlegen.
4. Die oberinstanzlichen Verfahrenskosten seien B. zur Hälfte aufzuerlegen.
5. Es sei B. keine Entschädigung auszurichten
III.
1. Der Kanton Graubünden sei als Vollzugskanton zu bestimmen.
2. Die weiteren Verfügungen seien von Amtes wegen zu treffen.
B.7 Mit Eingaben vom 10. Mai 2022 teilten die beiden Beschuldigten je insbesondere mit, dass sie an der Berufungsverhandlung vom 13. Mai 2022 nicht teilnehmen würden (CAR pag. 2.102.001 ff.; 2.103.001 f.). Mit Schreiben vom 11. Mai 2022 antwortete der Vorsitzende der Berufungskammer, man stelle mit einigem Erstaunen fest, dass die beiden Beschuldigten – trotz Vorladung vom 6. April 2022, und obwohl deren Dispensationsgesuche vom 12. April 2022 mit begründeter prozessleitender Verfügung vom 20. April 2022 abgewiesen wurden – sich der mündlichen Berufungsverhandlung vom 13. Mai 2022 offenbar entziehen wollten. Trotz der beiden Eingaben vom 10. Mai 2022 finde die mündliche Berufungsverhandlung wie angekündigt am 13. Mai 2022 statt. An der entsprechenden Vorladung vom 6. April 2022, inklusive der Beweisabnahmen, werde festgehalten. Im Falle der Abwesenheit der Beschuldigten werde das Gericht vorfrageweise über das weitere Vorgehen beraten und entscheiden. Der antizipierte Parteivortrag (CAR pag. 2.102.001 ff.) sei zu den Hauptverhandlungsakten erkannt worden (CAR pag. 2.100.001 f.).
B.8 Zur Berufungsverhandlung vom 13. Mai 2022 erschienen die beiden Beschuldigten – trotz ordnungsgemässer Vorladung und ausdrücklicher Ablehnung der Dispensationsgesuche – unentschuldigt nicht. Die beiden Verteidiger waren anwesend. Die Berufungskammer beschloss deshalb, die Berufungsverhandlung abzubrechen und zu einer neuen Berufungsverhandlung vorzuladen (CAR pag. 5.100.002 f.).
Nach Diskussion von prozessualen Fragen (vgl. CAR pag. 2.100.003 ff., 2.102.032 ff., 2.103.003 ff.) wurden die beiden Beschuldigten mit Schreiben vom 21. Juli 2022 zur (neu angesetzten) Berufungsverhandlung vom 5. Oktober 2022 vorgeladen (CAR pag. 4.301.006 ff.). An ihre Verteidiger sowie an die Vertreter der weiteren Parteien wurde je eine Einladung zur Berufungsverhandlung versandt (CAR pag. 4.301.009 f.).
B.9 Zur Berufungsverhandlung vom 5. Oktober 2022 erschienen die beiden Beschuldigten – trotz ordnungsgemässer Vorladung und Ablehnung der Dispensationsgesuche – erneut unentschuldigt nicht. Die beiden Verteidiger waren anwesend. Sie stellten beide je den Antrag, die Berufungsverhandlung sei ohne die Beschuldigten durchzuführen. Die Berufungskammer nahm zur Kenntnis, dass sowohl die Berufungsführer als auch deren Rechtsvertreter der Überzeugung seien, dass das rechtliche Gehör über das gesamte Verfahren hin rechtsgenügend gewahrt worden war, sodass insofern keine Bedenken bestünden und auf eine Gewährung im zweitinstanzlichen Verfahren dies—bezüglich verzichtet werde. Die entsprechende Erklärung wurde gleichzeitig als künftiger Rügeverzicht entgegengenommen, weshalb die Berufungsverhandlung durchgeführt wurde. Der Beweisantrag bzw. Eventualbeweisantrag der beiden Verteidiger, dass die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der F. S.r.l. und den italienischen Kommunen Mailand und Florenz zu den Akten zu erheben seien, wurde abgewiesen (vgl. CAR pag. 5.100.005-008).
Der Verteidiger von A. stellte im Rahmen des Parteivortrags folgende Anträge (CAR pag. 5.200.001 f.; vgl. oben lit. B.1):
Es sei das Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2021.34 vom 15. Dezember 2021 teilweise aufzuheben und wie folgt abzuändern:
1. es seien die Dispositivziffern I.1. und I.2. aufzuheben und es sei der Beschuldigte A. von Schuld und Strafe freizusprechen;
2. es sei die Dispositivziffer IV.2. aufzuheben und es seien die erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten der Staatskasse aufzuerlegen;
3. es sei die Dispositivziffer V.1. aufzuheben und es sei dem Beschuldigten A. für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren eine Entschädigung gemäss den eingereichten Honorarnoten für die Aufwendungen und Auslagen der erbetenen Verteidigung zuzusprechen;
eventualiter sei die Sache zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen;
alles unter Kosten und Entschädigungsfolgen (zzgl. MWSt.) zulasten der Staatskasse.
Der Verteidiger von B. bestätigte während des Parteivortrags seine Anträge vom 10. Februar 2022 (CAR pag. 5.100.009; vgl. oben lit. B.1).
Die beiden Verteidiger verzichteten je auf eine mündliche Urteilseröffnung (CAR pag. 7.200.009).
B.10 Das Urteilsdispositiv CA.2022.1 vom 6. Oktober 2022 wurde am 10. Oktober 2022 an die Parteien versandt (CAR pag. 9.100.001 ff.).
Auf die Ausführungen der Parteien wird – soweit erforderlich – in den Erwägun-gen eingegangen.
Die Berufungskammer erwägt:
I. Formelle Erwägungen
1. Eintreten / Fristen
1.1 Die Berufungsanmeldungen und -erklärungen der beiden Beschuldigten erfolgten jeweils fristgerecht (Art. 399 Abs. 1 - 3 StPO). Die Berufungen richten sich gegen das Urteil der Strafkammer SK.2021.34 vom 15. Dezember 2021, mit dem die beiden Beschuldigten je der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen frem—den Staat (Art. 271 Ziffer 1 StGB) schuldig gesprochen und je mit einer Geldstrafe von 150 Tages—sätzen à Fr. 300.--, bedingt vollziehbar, bei einer Probezeit von 2 Jahren, und einer Busse von Fr. 9'000.-- (bei schuldhafter Nichtbezahlung der Busse mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen) bestraft wurden.
1.2 Das angeklagte Delikt der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziffer 1 StGB) fällt in die Bundeszuständigkeit (Art. 23 Abs. 1 lit. h StPO). Die gerichtliche Verfolgung politischer Delikte, zu denen Art. 271 StGB gehört, setzt gemäss Art. 66 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71) eine Ermächtigung des Bundesrates voraus. Der diesbezügliche Entscheid obliegt dem EJPD (Art. 3 lit. a der Organisationsverordnung für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement vom 17. November 1999, OV-EJPD; SR 172.213.1). Die erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung liegt vor (BA pag. 01-02-0006 ff.).
1.3 Die beiden Beschuldigten sind durch den vor—instanzlichen Entscheid je beschwert und haben ein rechtlich geschütztes Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (Art. 104 Abs. 1 lit. a, Art. 111 Abs. 1 und Art. 382 Abs. 1 StPO). Die Berufungskammer ist in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen für die Beurteilung der eingereichten Berufungen sachlich und örtlich zuständig (Art. 21 Abs. 1 lit. a StPO; Art. 33 lit. c, Art. 38a und Art. 38b StBOG). Sämtliche Voraussetzungen, um auf die Berufungen einzutreten, sind erfüllt. Verfahrenshindernisse liegen keine vor. Auf die Berufungen ist somit einzutreten.
2. Mündliches Verfahren
Vorliegend ist – wie es der Regelfall ist – ein mündliches Berufungsverfahren (Art. 405 StPO) durchzuführen. Dies insbesondere auch, weil die beiden Beschuldigten im bisherigen, gesamten Verfahren nie einvernommen wurden. Die Voraussetzungen von Art. 406 Abs. 1 bzw. 2 StPO für ein schriftliches Verfahren sind nicht erfüllt. Diesbezüglich kann auf die E. 6 f. der prozessleitenden Verfügung des Vorsitzenden der Berufungskammer vom 20. April 2022 verwiesen werden (CAR pag. 8.101.003 f.). Infolge des erwähnten Rügeverzichts (oben Sachverhalt [SV] lit. B.9 Abs. 1) wurde die erneut angesetzte Berufungsverhandlung vom 5. Oktober 2022 durchgeführt, obwohl die beiden Beschuldigten – trotz ordnungsgemässer Vorladung und Ablehnung der Dispensationsgesuche – wiederum unentschuldigt nicht erschienen waren.
3. Verfahrensgegenstand und Kognition / Verbot der reformatio in peius
3.1 Die Berufungen der beiden Beschuldigten richten sich je gegen das Urteil der Strafkammer SK.2021.34 vom 15. Dezember 2021. Beide Berufungen sind teilweiser Art. Gemäss den gestellten Anträgen (oben SV lit. B.6 bzw. B.1) ist festzustellen, dass das Urteil SK.2021.34 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:
- III. 1. Der Antrag der Bundesanwaltschaft auf Begründung einer Ersatzforderung zugunsten der Eidgenossenschaft und zulasten der C. AG wird abgewiesen.
2. Die Beschlagnahme des Kontos 1., lautend auf C. AG, bei der Bank D. wird aufgehoben.
- IV. 1. Die Verfahrenskosten betragen Fr. 10'000.– (Gebühren für das Vorverfahren: Fr. 7'000.–; Gerichtsgebühr: Fr. 3'000.–).
- V. 2. Die C. AG wird von der Eidgenossenschaft mit Fr. 13'615.50 entschädigt.
3.2 Die BA hat weder Berufung noch Anschlussberufung erklärt. Wegen des Verbots der reformatio in peius (Art. 391 Abs. 2 StPO; vgl. BGE 139 IV 282 E. 2.3 ff.) ist deshalb Folgendes zu beachten:
3.2.1 Aufgrund der ihres Erachtens ungenügenden Anklageschrift beschränkte die Vor—instanz die Schuldsprüche ausschliess—lich auf die angezeigten und entsprechend detailliert dokumentierten Sachverhalte (vgl. Urteil SK.2021.34 E. 2.1, 3.1 f., 3.4, 4.1.3 und 4.4). Dadurch bindet die Vorinstanz die Berufungskammer in Bezug auf den zu überprüfenden Sachverhalt und demzufolge auch betreffend eine allfällige Subsumtion des (objektiven und subjektiven) Tatbestands und eine allfällige Strafzumessung.
3.2.2 Als Teilaspekt davon ist zu erwähnen, dass die vorinstanzliche juristische Qualifikation, wonach die «im Abstand von ca. 20 Tagen jeweils an die gleiche Adressatin (G. SA, K.) zugestellten Mahnungen» «aufgrund der zeitlichen und persönlichen Konnexität als in Tateinheit begangen zu betrachten» seien, «sodass die Beschuldigten den Tatbestand in objektiver Hinsicht siebenfach erfüllt haben» (Urteil SK.2021.34 E. 4.1.3; Hervorhebungen hinzugefügt), die Berufungskammer – im Sinne eines nicht zu überschreitenden Maximums – ebenfalls bindet. Entsprechendes gilt für die vorinstanzliche Feststellung, zugunsten der Beschuldigten sei davon auszugehen, dass sie lediglich eventualvorsätzlich gehandelt hätten (Urteil SK.2021.34 E. 5.2.1).
3.2.3 Das jeweilige vorinstanzlich festgelegte Strafmass (Geldstrafe von 150 Tages—sätzen à Fr. 300.--, bedingt vollziehbar, bei einer Probezeit von 2 Jahren, und Busse von Fr. 9'000.-- [bei schuldhafter Nichtbezahlung der Busse: Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen]) darf im vorliegenden Berufungsverfahren nicht erhöht bzw. verschärft werden.
3.2.4 In diesem Zusammenhang ist betreffend obige E. I. 3.2.1 darauf hinzuweisen, dass der Sachverhalt, in Bezug auf die angeklagten Deliktssumme von «total (mindestens) = EUR 1'466'479.89 = CHF 1'601'940.00» (TPF pag. 4.100.006, -021), im Vorverfahren ungenügend untersucht wurde (siehe dazu auch unten E. II. 1.4.1).
II. Materielle Erwägungen
1. Mehrfache verbotene Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziffer 1 StGB)
1.1 Anklagevorwurf / Standpunkte der beiden Beschuldigten und der Vorinstanz
1.1.1 Gemäss Anklagevorwurf der BA (unter Berücksichtigung des Verbots der reformatio in peius; oben E. I. 3.2) sollen der Beschuldigte A. und der Beschuldigte B. von Januar 2018 bis Januar 2019 als Verwaltungsräte der C. AG mit Sitz in Chur auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung Inkassohandlungen betreffend Verkehrsbussen des italienischen Staates vorgenommen haben. Die Beschuldigten hätten unter Verwendung von Inkassoschreiben (Zahlungsaufforderungen und Mahnungen) der C. AG bei in der Schweiz wohnhaften Fahrzeughaltern Bussgelder (inkl. «Kosten») eingetrieben. Diese Bussgelder hätten sie in der Folge abzüglich einer Provision von ca. 13 % der F. S.r.l. zugunsten der italienischen Gemeindepolizeibehörden weitergeleitet. Konkret sollen die Beschuldigten mehrere Mitarbeiterinnen in Köln bzw. Leverkusen angewiesen haben, die in der nachstehenden Tabelle aufgeführten Inkassoschreiben zu verfassen und an Adressaten in der Schweiz per Post zuzusenden.
Datum | Bussgeld (inkl. "Kosten") | Adressat | Polizeibehörde |
10.01.2018 | Fr. 922.43 | unbekannt | Comune di Milano, Polizia Locale |
26.01.2018 15.02.2018 | Fr. 1'251.38 | G. SA 6900 Lugano | |
14.01.2019 | Fr. 477.14 | H. 8645 Jona | |
24.10.2018 | Fr. 717.59 | I. 1868 Collombey | Polizia Municipale di Firenze |
29.10.2018 | Fr. 797.46 | J. GmbH 4332 Stein | |
29.10.2018 19.11.2018 | Fr. 1'479.15 | K. 6340 Baar | |
17.12.2018 | Fr. 797.46 | L. 8122 Binz |
In den betreffenden Schreiben soll die C. AG angegeben haben, dass sie von der F. S.r.l. mit dem Inkasso der Verkehrsbussen für italienische Polizeibehörden beauftragt worden sei. Dabei habe sie die Überweisung eines Geldbetrags für Bussen, Kosten und juristische Dienstleistungen auf das angegebene Konto der C. AG verlangt. Für den Fall, dass keine Zahlung erfolgen sollte, habe die C. AG darauf hingewiesen, dass die italienischen Behörden die Fahrzeughalter bei der nächsten Reise nach Italien anhalten und für den geschuldeten Betrag die Zwangsvollstreckung nach italienischem Recht durchführen könnten. Weiter sei darauf hingewiesen worden, dass diesfalls ein signifikant höherer Betrag geschuldet wäre und die vorgesehenen Massnahmen weit drastischer ausfallen würden als in der Schweiz. Weitere Kosten würden nur durch die geforderte Geldüberweisung verhindert (vgl. TPF pag. 4.100.005 ff., -020 ff.).
1.1.2 Die beiden Beschuldigten bestreiten je die Vorwürfe. Auf einzelne Aspekte der Bestreitungen wird nachfolgend (E. II. 1.4 ff.) eingegangen.
1.1.3 Die Vorinstanz erachtete die angeklagten Tatvorwürfe als erstellt, soweit es sich um die angezeigten und entsprechend detailliert dokumentierten Sachverhalte handelt (oben E. I. 3.2 und II. 1.1.1; Urteil SK.2021.34 E. 3.1 - 3.4, 4.1.3 und 4.4).
1.2 Rechtliches
1.2.1 Gemäss Art. 271 Ziffer 1 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die gemäss dem schweizerischen Rechtsverständnis einer Behörde oder einem Beamten vorbehalten sind. Durch die Bestimmung sollen die Ausübung fremder Staatsgewalt auf dem Gebiet der Schweiz verhindert und das staatliche Machtmonopol und die schweizerische Souveränität geschützt werden (Urteil des BGer 6B_402/2008 vom 6. November 2008, E. 2.3.2 m.w.H.). «Im Rechtsstaat dürfen die Rechtsunterworfenen darauf vertrauen, dass hoheitliche Befugnisse (z.B. Verhaftungen, Untersuchungshandlungen zu straf- und steuerrechtlichen Zwecken) nur durch die dafür zuständigen Staatsorgane und rechtmässig ausgeübt werden» (Markus Husmann, «Art. 271 Strafgesetzbuch – Dreh- und Angelpunkt im Steuerstreit, zu Recht?», AJP 5/2014). Art. 271 StGB bewirkt somit auch, gewissermassen als Nebeneffekt, dass Rechtsindividuen bezüglich Eingriffe in ihre Rechte auf rechtsstaatliches Handeln vertrauen dürfen.
1.2.2 Verboten ist jede einer Behörde oder einem Beamten zukommende Handlung – unbekümmert, ob ein Beamter dabei tätig wurde. Tatbestandsmässig ist somit jede Handlung, die für sich betrachtet, d.h. nach ihrem Wesen und Zweck, sich als Amtstätigkeit charakterisiert. Entscheidend ist dabei nicht die Person des Täters, sondern einzig der amtliche Charakter der Handlung (BGE 114 IV 128 E. 2b S. 130 mit Hinweisen; Gauthey/Markus, «Zivile Rechtshilfe und Artikel 271 Strafgesetzbuch», ZSR 2015 I, S. 367: Art. 271 Ziffer 1 StGB stellt kein Sonderdelikt dar; beim Täter muss es sich daher nicht notwendigerweise um eine Amtsperson handeln). Massgebend ist dabei die schweizerische Rechtsauffassung, wonach die Handlung in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Funktion erfolgt (Rosen—thal, in: Handkommentar zum Datenschutzgesetz sowie weiteren ausgewählten Bestimmungen, 2008, Art. 271 StGB N. 6; Gauthey/Markus, a.a.O., S. 369). Unbestritten ist, dass Rechts- und Amtshilfehandlungen unter diese Definition fallen und damit den Schutz der Strafnorm geniessen, da diese Normen die Gebietshoheit der Schweiz schützen und verhindert werden soll, dass die schweizerischen Be—stimmungen über die internationale Rechtshilfe in Straf- und Zivilsachen umgangen werden (Rosenthal, a.a.O., Art. 271 StGB N. 1 und 7; vgl. auch die Dissertation von Claudio Bazzi, «Internationale Wirtschaftsspionage: eine Analyse des strafrechtlichen Abwehrdispositivs der Schweiz»; Serie Zürcher Studien zum Strafrecht, Band 81, 2015, N. 373, betreffend die «staatliche Steuerung»). Dabei ist eine Umgehung der Rechtshilfe durch eine schweizerische Partei kein Vorschubleisten im Sinne einer Gehilfenschaft, sondern die originäre Handlung im Sinne von Art. 271 Ziffer 1 Abs. 1 StGB (Graf, «Mitwirkung in ausländischen Verfahren im Spannungsfeld mit Art. 271 StGB. Unter Berücksichtigung der jüngsten Bewilligungspraxis von EJPD und EFD», in: GesKR 2/2016, S. 178 Ziffer 3.1).
1.2.3 Aufgrund des geschützten Rechtsguts muss ein Binnenbezug bestehen. Die Tathandlung muss auf Schweizer Staatsgebiet ausgeführt werden, wobei es sich um ein Tätigkeitsdelikt handelt, sodass lediglich auf den Handlungsort abzustellen ist (Graf, a.a.O., S. 172). Dabei genügt es, wenn nur ein Teil der Tat der strafbaren Handlung in der Schweiz vorgenommen wird (Fischer/Richa, Commentaire romand, 2017, Art. 271 StGB N. 13). Die Strafbarkeit der Handlung lässt sich somit nicht dadurch vermeiden, dass der abschliessende Formalakt im Ausland vorgenommen wird. Nicht von Art. 271 StGB erfasst sind demnach nur jene Personen, welche amtliche Tathandlungen vollumfänglich im Ausland erbringen. Somit schützt alleine der Umstand, dass die letzte formelle Handlung auf ausländischem Gebiet erfolgt, obwohl dies zuweilen vermutet wird, nicht vor Strafe (Gauthey/Markus, a.a.O., S. 134, 382 f.; ebenso Husmann, Basler Kommentar, 3. Aufl., Art. 271 StGB N. 64). Ebenso wenig tatbestandsausschliessend ist folgerichtig das Dazwischenschalten eines privaten Intermediärs (Husmann, Basler Kommentar, 3. Aufl., Art. 271 StGB N. 64).
1.2.4 Die Tathandlung muss sodann für einen fremden Staat erfolgen.
1.2.4.1 Nicht vorausgesetzt wird dabei, dass die Handlung für den fremden Staat nützlich ist; es reicht aus, dass sie für diesen bestimmt ist (Gauthey/Markus, a.a.O., S. 382), mithin in seinem Interesse erfolgte (BGE 114 IV 128, E. 3b). Dass der fremde Staat den Auftrag dazu erteilt, ist keine conditio sine qua non (Graf, a.a.O., S. 176 ff. Ziffer 2.3., m.w.H.), doch kann diese Auftragserteilung bei der Beurteilung der Frage einer hoheitlichen Handlung Bedeutung erlangen (Gauthey/Markus, a.a.O., S. 381).
1.2.4.2 Was (nicht rechtshilfekonforme) Zustellungen von Schriftstücken im Besonderen betrifft, ist in der Lehre umstritten, ob diese für eine Tatbestandsmässigkeit gemäss Art. 271 StGB Rechtswirkungen in der Schweiz auszulösen vermögen müssen (so Mc Gough, Verbotene Handlungen für einen fremden Staat, Diss. ZH 2018, 86; a.A. Fischer/Richa, a.a.O., Art. 271 StGB N. 30). Richtigerweise stellt es eine tatbestandsmässige Souveränitätsverletzung dar, wenn mittels Zustellungen vorgegeben wird, Rechtsfolgen zu bewirken (vgl. dazu Verfügung der Strafkammer des BStGer SK.2017.16 vom 6. Oktober 2017 E. 4.3; Urteil der Strafkammer des BStGer SK.2018.28 vom 18. Dezember 2018 E. 5.3.1), oder indem in zugestellten Schriftstücken im Hinblick auf den Fall der Nichtbefolgung von Anweisungen massiver Druck ausgeübt wird (vgl. Husmann, Basler Kommentar, 4. Aufl., Art. 271 StGB N. 37 in fine; bei dieser Kommentarstelle ist allerdings nicht ganz klar, inwieweit sie sich auf die Rechtshilfe in Strafsachen, oder – primär wohl eher – in Zivilsachen bezieht. Sodann geht es in der vorliegenden Konstellation nicht um einfache Schriftstücke, sondern um den Vollzug eines Strafentscheids. Diesbezüglich sieht das Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen [Rechtshilfegesetz, IRSG; SR 351.1] bzw. die Verordnung über internationale Rechtshilfe in Strafsachen [Rechtshilfeverordnung, IRSV; SR 351.11] ein Exequaturverfahren vor [dazu unten E. II. 1.6.3.1]).
1.2.5 Aufgrund des klaren Wortlauts von Art. 271 StGB ist eine allfällige staatliche Bewilligung tatbestandsausschliessend. Mit einer solchen gestattet der Staat ausdrücklich Handlungen, welche die schweizerische Souveränität beeinträchtigen (Husmann, Basler Kommentar, 4. Aufl., Art. 271 StGB N. 78 f.; vgl. zu E. 1.2.1 - 1.2.5 auch Urteil der Berufungskammer des BStGer CA.2019.6 vom 5. Dezember 2019 E. 1.1.1.1 ff., sowie das diesbezüglich bestätigende Urteil des BGer 6B_216/2020 vom 1. November 2021 bzw. BGE 148 IV 66).
1.2.6 Art. 271 Ziffer 1 StGB umschreibt Vorsatzdelikte, wobei Eventualvorsatz genügt. Der Täter muss demnach wissen oder in Kauf nehmen, dass er eine Handlung für eine der im Gesetz genannten Destinationen vornimmt (bzw. dafür Vorschub leistet), dass diese Handlung einer Behörde oder einem Beamten zusteht, dass keine einzel- oder generelle Bewilligung vorliegt und dass er sich, soweit eine Haupttat in Frage steht, im Gebiet der Schweiz befindet (Husmann, Basler Kommentar, 4. Aufl., Art. 271 StGB N. 107, m.w.H.). Versteht der Täter in laienhafter Anschauung die soziale Bedeutung des von ihm verwirklichten Sachverhalts, so handelt er mit Vorsatz, auch wenn er über die genaue rechtliche Qualifikation irrt, was als rechtlich unbeachtlicher Subsumtionsirrtum anzusehen ist (vgl. Urteil des BGer 6B_804/2018 vom 4. Dezember 2018 E. 3.1.1; BGE 129 IV 238 E. 3.2.2 S. 243 mit Hinweisen).
1.3 Beweisgrundsätze / Beweisthema
1.3.1 Das Rechtsmittelverfahren beruht auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind. Beweisabnahmen des erstinstanzlichen Gerichts werden nur wiederholt, wenn: a. Beweisvorschriften verletzt worden sind; b. die Beweiserhebungen unvollständig waren; c. die Akten über die Beweiserhebungen unzuverlässig erscheinen. Die Rechts—mittelinstanz erhebt von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei die erforderlichen zusätzlichen Beweise (Art. 389 StPO). Die Strafbehörden setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind. Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt (Art. 139 Abs. 1 und 2 StPO). Art. 139 Abs. 2 StPO schränkt die gerichtliche Pflicht zur förmlichen Beweisführung wieder in engen Grenzen ein. Bestimmte Tatsachen müssen nicht bewiesen werden oder dürfen bereits vor dem Verfahren als bewiesen gelten. Art. 139 Abs. 2 StPO erlaubt damit in gewissem Umfang auch eine antizipierte Beweiswürdigung vor allem aus prozessökonomischen Gründen (Gleiss, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 139 StPO N. 31).
1.3.2 Im Rechtsmittelverfahren kann das Gericht für die tatsächliche und rechtliche Würdigung des angeklagten Sachverhalts auf die Begründung der Vorinstanz verweisen (Art. 82 Abs. 4 StPO). Diese Bestimmung dient der Prozessökonomie. Werden jedoch im Rechtsmittelverfahren erhebliche Einwände vorgebracht, welche nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens bildeten, entfällt die Möglichkeit der Verweisung (vgl. Stohner, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 82 StPO N. 9, mit Hinweisen).
1.3.3 Betreffend Beweisthema wird auf die obigen E. I. 3.2 und II. 1.1.1 ff. verwiesen.
1.4 Beweismittel
1.4.1 Das Beweismaterial für die Abklärung des Anklagesachverhalts besteht vorliegend insbesondere aus den im Vorverfahren erhobenen Akten, welche für die angezeigten und entsprechend detailliert dokumentierten Sachverhalte relevant sind. Aussagen der beiden Beschuldigten liegen, wie erwähnt, keine vor. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass im Vorverfahren mit den beiden Beschuldigten – spätestens nach den Einsprachen gegen die Strafbefehle – je eine Einvernahme hätte durchgeführt werden müssen. Die Konstellation, dass gemäss Art. 145 StPO (Variante 1) die Strafbehörde die einzuvernehmenden Personen einladen kann, «an Stelle einer Einvernahme einen schriftlichen Bericht abzugeben», lag grundsätzlich nicht vor (vgl. BA pag. 16-02-0006).
1.4.2 Die beiden Verteidiger stellten anlässlich der Berufungsverhandlung vom 5. Oktober 2022 den Beweisantrag bzw. Eventualbeweisantrag, die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der F. S.r.l. und den italienischen Kommunen Mailand und Florenz seien zu den Akten zu erheben. Als Begründung wurde vorgebracht, in den Akten seien keine Beweise erhoben worden zum Rechtsverhältnis zwischen der F. S.r.l. und den italienischen Kommunen Mailand und Florenz. Ein entsprechender Beweisantrag sei im Vorverfahren gestellt, jedoch abgewiesen worden. Es sei davon auszugehen, dass die italienischen Kommunen ihre Forderungen der F. S.r.l. abgetreten hätten. Ein Verkauf von Forderungen komme im Inkassowesen oft vor. Sollte dieser Auffassung nicht gefolgt werden, gehe man davon aus, dass diese Beweise zu erheben wären (vgl. CAR pag. 5.100.007; unten E. II. 1.6.4.6). Dieser Beweisantrag bzw. Eventualbeweisantrag wurde mit folgender Begründung abgewiesen: Die Berufungskammer verfüge in den Akten über mehrere Aktenstücke der C. AG, welche die aufgeworfene Frage klären bzw. als Beweise zur Klärung dieser Frage beigezogen werden könnten, z.B. BA pag. 05-00-0012, 10-01-0110, 13-01-0017 (Art. 139 Abs. 2 StPO; vgl. CAR pag. 5.100.005-008; oben E. II. 1.3.1, unten E. II. 1.6.4.6).
1.5 Beweiswürdigung; Beweisergebnis
1.5.1 Aktenmässig ist erstellt, dass aus Zweigstellen der C. AG in Köln bzw. Leverkusen in deren Namen und unter Angabe des schweizerischen Domizils folgende «Zahlungsaufforderungen» bzw. «Mahnungen»/«letzte Mahnungen» versandt wurden (vgl. oben E. II. 1.1.1): am 10. Januar 2018 an Unbekannt (BA pag. 05-00-0034; die Adressdaten des Empfängers / Fahrzeughalters wurden durch die Anzeigeerstatterin Organisation Q. Ticino anonymisiert); am 26. Januar / 15. Fe—bruar 2018 an die G. SA in Lugano/TI (BA pag. 05-00-0024 ff.; diese beiden Schreiben sind als in Tateinheit begangen zu betrachten, vgl. oben E. I. 3.2.2 und unten E. II. 1.6.4.7); am 24. Oktober 2018 an I. in Collombey/VS (BA pag. 05-00-0003 ff.); am 29. Oktober 2018 an die J. GmbH in Stein/AG (BA pag. 05-00-0016 f.); am 29. Oktober (BA pag. 05-00-0012 ff.) / 19. November 2018 (BA pag. 05-00-00-0015) an K. in Baar/ZG (diese beiden Schreiben sind ebenfalls als in Tateinheit begangen zu betrachten, E. I. 3.2.2 und E. II. 1.6.4.7); am 17. Dezember 2018 an L. in Binz/ZH (BA pag. 05-00-0009 ff.) und am 14. Januar 2019 an H. in Jona/SG (BA pag. 05-00-0018 f.). Soweit A. betreffend das anonymisierte Schreiben vom 10. Januar 2018 geltend macht, es stehe nicht fest, dass das entsprechende Schreiben an eine Person in der Schweiz versandt worden sei (TPF pag. 4.721.037), ist darauf hinzuweisen, dass der Betrag in Franken in Rechnung gestellt wurde. Damit handelte es sich auch in diesem Fall zweifellos um einen in der Schweiz domizilierten Fahrzeughalter. Der Versand der Schreiben erfolgte jeweils aufgrund eines Auftrags der F. S.r.l.; letztere handelte ihrerseits im Auftrag der Polizeibehörden der italienischen Gemeinden Mailand und Florenz (Comune di Milano, Polizia Locale; Polizia Municipale di Firenze; vgl. z.B. BA pag. 05-00-0012, 10-01-0110, 13-01-0017; oben E. II. 1.4.2 sowie unten E. II. 1.6.4.6).
1.5.2 Der Beschuldigte A. machte vorinstanzlich geltend, die Anklage lege nicht im Einzelnen dar, welche konkreten Handlungen A. und B. gestützt auf welche Beweise zugerechnet werden könnten (TPF pag. 4.721.032 f. Ziffern 2 und 4).
1.5.2.1 Aus dem vorliegenden Handelsregisterauszug (BA pag. 05-000-0027) geht hervor, dass im Tatzeitraum der Beschuldigte A. Verwaltungsratspräsident und der Beschuldigte B. Mitglied des Verwaltungsrats der C. AG waren. Die C. AG hat ihren Firmensitz in den Geschäftsräumlichkeiten der M. AG in Chur, welche im Tatzeitraum zugleich Revisionsstelle der C. AG war (BA pag. 12-03-0030, -0061 f.). Die als Direktorin der C. AG aufgeführte E. mit Wohnsitz in der Schweiz gab anlässlich ihrer Einvernahme sinngemäss an, lediglich als Strohperson fungiert zu haben und in keiner Weise in «Inkasso»-Geschäfte involviert gewesen zu sein (BA pag. 13-01-0007) – was von den beiden Beschuldigten im Wesentlichen auch schriftlich bestätigt wurde (BA pag. 13-01-0017).
1.5.2.2 Aus den bei der M. AG edierten Unterlagen der C. AG geht weiter hervor, dass Letztere in den Räumlichkeiten der M. AG (ausser der ausgegliederten Buchhaltung, die an diese übertragen worden war) keine operativen Tätigkeiten an der Domiziladresse in Chur ausübte und die an die C. AG adressierte Korrespondenz ungeöffnet an eine Adresse einer Zweigniederlassung in Köln weitergeleitet wurde (vgl. BA pag. 07-01-0012). Gemäss den glaubhaften Aussagen der Auskunftsperson N. (Buchhalter / Inhaber der M. AG) oblag die Geschäftsführung der C. AG anfänglich B. Nachdem dieser habe kürzertreten wollen, habe A. immer mehr Aufgaben in der Geschäftsführung übernommen (vgl. BA pag. 10-01-0191; -0192; 12-03-0005, -0013, -0015). N., der ausschliesslich mit den beiden Beschuldigten sowie deren Chefbuchhalter im Kontakt stand, sagte zudem aus, dass er von B. und A. auch die operativen Anweisungen bekommen habe, wie bspw. betreffend Weiterleiten der Post nach Deutschland, wo die effektive Tätigkeit stattgefunden habe. Insbesondere geht aus der bei der M. AG beschlagnahmten Geschäftskorrespondenz bzw. dem Mailverkehr und den Aussagen der Auskunftspersonen zweifelsfrei hervor, dass die Beschuldigten federführend bei Inkassogeschäften betreffend italienische Verkehrsbussengelder waren; sie haben die Aufträge von der F. S.r.l. akquiriert und deren Umsetzung als weisungsberechtigte Eigentümer/Vorgesetzte organisiert. Die C. AG ist in diesem Sinne eine reine Domizilgesellschaft in der Schweiz, die im Tatzeitraum von B. und A. organisiert und geführt wurde (vgl. z.B. BA pag. 05-00-0012 ff.; 10-01-0088, -0106 ff., -0110; 12-03-0003 ff., -0005 ff., -0034; 13-01-0007, -0017).
1.5.2.3 Gemäss diesen Ausführungen ist erstellt, dass die oben (E. II. 1.1.1 und 1.5.1) aufgeführten und konkretisierten Schreiben in der Verantwortung und auf Veranlassung von A. und B. versandt wurden.
1.5.3 A. rügte vorinstanzlich zudem, es sei auch nicht erstellt, dass in der Schweiz domizilierte Schuldner entsprechende Zahlungsaufforderungen oder Mahnungen erhalten hätten (TPF pag. 4.721.033 Rz. 4). Dieser Vorwurf ist haltlos und aktenwidrig, da die Adressaten der oben (E. II. 1.1.1 und 1.5.1) aufgeführten Schrei—ben im Tatzeitraum nachweislich in der Schweiz domiziliert waren und aufgrund der eingereichten Strafanzeigen bzw. Meldungen an die Behörden (BA, BJ) auch erstellt ist, dass diese Schreiben den Adressaten bzw. Fahrzeughaltern zugestellt wurden (vgl. insbesondere BA pag. 05-00-0001 bis -0026; 05-00-0031 ff.).
1.5.4 Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die in Deutschland die Schreiben verfassenden (und jeweils «i.V.», nicht handschriftlich unterzeichnenden) Mitarbeiterinnen der C. AG («O.» und «P.») willenlos handelten bzw. in Ermangelung einer Kenntnis der Sach- und Rechtslage als vorsatzlose Tatwerkzeuge der beiden Beschuldigten fungiert haben – oder ob sie diesbezüglich allenfalls in Form der Mittäterschaft oder Gehilfenschaft tätig waren. (Immerhin wussten sie, dass sie Bussgelder auf dem Gebiet der Schweiz einforderten, da offenbar Telefonate auf sie umgeleitet wurden.) Auf jeden Fall sind ihre entsprechenden Handlungen den beiden Beschuldigten zuzurechnen.
1.5.5 Was den Inhalt der oben (E. II. 1.1.1; 1.5.1) aufgeführten Schreiben betrifft, sind diese als «Zahlungsaufforderung» bzw. «Mahnung»/«letzte Mahnung» betitelt und enthalten jeweils die Aufforderung, die Bussen (inklusive der diese um ein Vielfaches übertreffenden Kosten etc.) zu bezahlen.
1.5.5.1 Die als «Zahlungsaufforderung» betitelten Schreiben halten nach der Grussformell fest, dass sich die adressierte Person in Italien eines Verkehrsvergehens schuldig gemacht habe und die C. AG mit dem Inkasso beauftragt worden sei, die Forderung «bei ihnen» einzuziehen. Weiter wird ausgeführt, dass die italienische F. S.r.l. den betreffenden Halter bereits mehrfach angeschrieben habe, indes noch keinen Zahlungseingang registriert habe. Zudem halten die Schreiben wörtlich fest: «Ihre offene Forderung ist in den Datensystemen in Italien vermerkt. Die italienischen Behörden können Sie bei Ihrer nächsten Einreise nach Italien belangen, wenn Sie der Zahlung nicht nachkommen. Soweit der Verstoss nicht verjährt (Verjährungsfrist 5 Jahre) ist, müssen Sie mit einer Vollstreckung des Bescheides nach italienischem Recht eventuell direkt vor Ort rechnen. Der Forderungsbetrag kann dann deutlich höher sein. Massnahmen im Ausland können insofern weit drastischer sein als in der Schweiz. Nur Ihre fristgerechte Überweisung erspart Ihnen weitere Kosten. Weitere Schritte von unserer Seite sind für Sie jeweils mit höheren Kosten verbunden» (BA pag. 05-00-0012, -0016).
1.5.5.2 Die als «Mahnung»/«letzte Mahnung» betitelten Schreiben halten fest: «Grundlegend ist an Sanktionsmöglichkeiten bei einer nächsten Einreise nach Italien zu denken. Die Zahlungsverweigerung bzw. offene Forderung ist in den Datensystemen in Italien vermerkt. Soweit der Verstoss nicht verjährt ist, ist mit einer Vollstreckung des alten Bescheides inklusive weiterer Kosten und Nebenforderungen nach italienischem Recht, also einem weit höheren Betrag als derzeit, u.U. direkt vor Ort zu rechnen. Massnahmen im Ausland können insofern weit drastischer sein als in der Schweiz» (BA pag. 05-00-0009).
1.5.6 Zusammenfassend steht in Bezug auf den Sachverhalt fest, dass zwischen Januar 2018 und Januar 2019 aus Zweigstellen der C. AG in Köln bzw. Leverkusen in deren Namen und unter Angabe des schweizerischen Domizils die umschriebenen insgesamt neun Schreiben («Zahlungsaufforderungen» bzw. «Mahnungen»/«letzte Mahnungen») an sieben Fahrzeughalter in der Schweiz versandt und zugestellt wurden (E. II. 1.5.1, 1.5.3, 1.5.5 - 1.5.5.2; vgl. dazu auch unten E. II. 1.6.4.7). Der Versand dieser Schreiben erfolgte jeweils unter (geteilter bzw. gemeinsamer) Verantwortung der Beschuldigten A. (Verwaltungsratspräsident der C. AG) und B. (Mitglied des Verwaltungsrats der C. AG) bzw. gestützt auf deren Anweisung (E. II. 1.5.2 - 1.5.4). Zudem erfolgte der Versand der Schreiben jeweils aufgrund eines Auftrags der F. S.r.l.; Letztere handelte ihrerseits im Auftrag der Polizeibehörden der italienischen Gemeinden Mailand und Florenz (Comune di Milano, Polizia Locale; Polizia Municipale di Firenze; E. II.1.5.1; unten E. II. 1.6.4.6).
1.5.7 Auf weitere spezifische Elemente oder Details des Sachverhalts ist nachfolgend – soweit erforderlich und um Wiederholungen zu vermeiden – im Rahmen der Subsumtion des objektiven und subjektiven Tatbestands bzw. zu prüfender Rechtfertigungs- / Schuldausschlussgründe einzugehen.
1.6 Subsumtion des objektiven Tatbestands
1.6.1 Die erwähnten Schreiben wurden jeweils schweizerischen Adressaten zugestellt. Dadurch fanden die inkriminierten Handlungen unabhängig vom Absendeort ohne Weiteres in der Schweiz statt. Der notwendige Binnenbezug ist demnach gegeben (oben E. II. 1.2.3).
1.6.2 Zu prüfen ist weiter, ob nach schweizerischer Rechtsordnung die Zustellungen der inkriminierten Schreiben Handlungen darstellen, die einer Behörde oder Beamten zukommen (oben E. II. 1.2.2).
1.6.2.1 Den Schreiben liegen (angeblich) rechtskräftige Bussenverfügungen zugrunde. Das Ausstellen von Ordnungs- und Übertretungsbussen stellt eine hoheitliche Handlung dar. Öffentliches Strafen stellt genuin staatliche hoheitliche Tätigkeit dar, welches nicht an Private delegiert werden kann (vgl. Art. 2 Abs. 1 Ordnungsbussengesetz vom 18. März 2016 [OBG; SR 314.1]). Vorliegend geht es allerdings nicht um die Zustellung der Bussenverfügungen an sich, sondern um das In-Rechnung-Stellen derartiger Verfügungen. Im Unterschied zu Rechnungen mit privatrechtlichem Charakter, die mittels Inkasso/Betreibung vollstreckt werden können, besteht betreffend Bussen ein spezielles Vollzugsverfahren. Werden Bussen im Ordnungsbussenverfahren nicht bezahlt, wird ein ordentliches Verfahren ausgelöst (Art. 6 Abs. 4 OBG). Rechtskräftige Verfügungen der zuständigen Übertretungsstrafbehörden werden durch die zuständige Vollzugsbehörde vollstreckt (Art. 106 Abs. 5 i.V.m. Art. 35 und Art. 36 Abs. 2 StGB). Letztere kann insbesondere Zahlungsfristen einräumen (Art. 35 Abs. 1 StGB), die Betreibung anordnen (Art. 35 Abs. 3 StGB) oder dem Gericht Antrag stellen, eine Ersatzfreiheitsstrafe auszusprechen (Art. 36 Abs. 2 StGB). Demzufolge handelt es sich um eine Handlung, die nach der gesetzlichen Ordnung in die ausschliessliche Zuständigkeit einer Behörde fällt. Selbst wenn in einzelnen Kantonen oder Gemeinden der Vollzug gestützt auf eine entsprechende Grundlage an privatrechtliche juristische Personen ausgelagert werden kann, wie es A. geltend macht (TPF pag. 4.521.008 ff.; 4.721.040 Rz. 32 f.), ändert dies nichts am genuin hoheitlichen Charakter von derartigen Inkassohandlungen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein sogenanntes vorrechtliches Inkasso (private Zahlungsaufforderungen / Mahnschreiben mit Vorbehalt von rechtlichen Konsequenzen) oder um ein Inkasso mittels Betreibung handelt. Abgesehen davon verkennt A. mit seiner Argumentation, wonach Ordnungsbussen in der Schweiz an Private delegiert werden könnten, dass in der Schweiz erstens auch die Delegation der rechtshilfeweisen Einforderung exklusiv dem Staat zustehen würde (vgl. nachfolgend E. II. 1.6.3.1 ff.), und dass eine solche Delegation zweitens nicht erfolgte.
1.6.2.2 Unbehelflich ist A.s Argumentation, es sei erforderlich, dass die fragliche Handlung als «Amtsanmassung i.S.v. Art. 287 StGB» zu qualifizieren wäre (CAR pag. 5.200.008 Rz. 21), bzw. die fraglichen Schreiben würden «nicht den objektiven Tatbestand der Amtsanmassung i.S.v. Art. 287 StGB» erfüllen (CAR pag. 5.200.007 Rz. 26). Darum geht es vorliegend gerade nicht; dieser Tatbestand ist nicht angeklagt.
1.6.2.3 Ebenso fehl geht A.s Argumentation, der Adressat des fraglichen Schreibens könne klar erkennen, dass die C. AG als privates Inkassounternehmen «ohne jegliche Zwangsgewalt» auftrete (CAR pag. 5.200.006 Rz. 14); es würden «keinesfalls Macht- oder Gewaltbefugnisse vorgespiegelt»; eine «Ausübung von Gewaltbefugnissen in der Schweiz» werde «nicht einmal suggeriert» (CAR pag. 5.200.007 Rz. 18 f.; vgl. auch die vorinstanzlichen Ausführungen in TPF pag. 4.721.038 f. sowie die entsprechenden Vorbringen B.s [CAR pag. 5.100.009; -010 Ziffer 2; TPF pag. 4.720.006]). Entgegen der Auffassung der Beschuldigten ist auch dies kein entscheidendes Kriterium und entlastet sie nicht. Entscheidend ist vielmehr der amtliche Charakter der Handlung bzw. dass es um eine hoheitliche Aufgabe geht, die zu Gunsten des ausländischen Staates vorgenommen wird – in welcher Form auch immer. Der vorliegende Fall dreht sich nicht um die Frage von Zwangsmassnahmen, sondern von Inkassohandlungen: Die auf den erwähnten Schreiben aufgeführten Beträge sollten gemäss dem Plan der Beschuldigten auf das Konto der C. AG einbezahlt werden; d.h. A. und B. beabsichtigten, die entsprechenden Gelder für den italienischen Staat (bzw. gewisse italienische Gemeinden) einzukassieren. Das Inkasso entspricht dabei der (ersten) Vollstreckungshandlung des italienischen strafrechtlichen Urteils bzw. der Bussenverfügung. Die Beschuldigten blenden in diesem Zusammenhang aus, dass der Staat auch Handlungen ohne Zwang vornimmt – insbesondere, wenn er über ein entsprechendes Monopol verfügt. Das inkriminierte Verhalten der Beschuldigten wies gerade dadurch einen perfiden Charakter auf, dass sie mit ihren Schreiben gegenüber den Adressaten jeweils das härteste Mittel wählten, ohne sich auf einen schweizerischen (Zwangs-)Vollstreckungstitel abstützen zu können (vgl. dazu auch nachfolgend E. II. 1.6.4). Mithin boten sie den Adressaten jeweils eine teurere Lösung an, obwohl die billigere (d.h. eine Zahlung direkt an die italienischen Behörden) ebenfalls noch zur Verfügung stand.
1.6.2.4 Gemäss diesen Ausführungen stellen die Zustellungen der inkriminierten Schreiben nach schweizerischer Rechtsordnung Handlungen dar, die einer Behörde oder Beamten zukommen.
1.6.3 Eine allfällige staatliche Bewilligung ist gemäss Art. 271 Ziffer 1 Abs. 1 StGB (e contrario) tatbestandsausschliessend (oben E. II. 1.2.5). Was das vorliegend infrage stehende Inkasso ausländischer Bussen betrifft, ist deshalb nachfolgend zu prüfen, ob das massgebende schweizerische Recht bzw. das anwendbare Staatsvertragsrecht ein solches durch ausländische Staaten respektive durch Private erlaubt.
1.6.3.1 Wie aus Art. 94 Abs. 4 IRSG hervorgeht, können auch Bussen von sich in der Schweiz aufhaltenden bzw. über Vermögenswerte in der Schweiz verfügenden Personen über den Rechtshilfeweg vollstreckt werden. Dabei sind zwei Aspekte klar zu unterscheiden: Einerseits die Vollstreckung, welche in der Schweiz (mit Ausnahme der mit gewissen Staaten abgeschlossenen bilateralen Verträge) auch für Bussen das Exequaturverfahren (Art. 105 f. IRSG, Art. 44 IRSV; vgl. Donatsch/Heimgartner/Meyer/Simonek, Internationale Rechtshilfe unter Einbezug der Amtshilfe im Steuerrecht, 2. Aufl. 2015, § 13 Ziffer 2, S. 72 f.) bedingt. Und andererseits die vorgelagerte, allenfalls direkte Zustellung des Strafentscheids (bzw. der Bussenverfügung / des Urteils).
Das für die Schweiz geltende Staatsvertragsrecht sieht in diesem Zusammenhang Ausnahmen vor. Art. 52 des Schengener Durchführungsübereinkommen vom 19. Sep—tember 1990 (SDÜ) erlaubt den Vertragsstaaten die direkte postalische Zustellung von Gerichtsurkunden. Dasselbe gilt in Bezug auf Schriftstücke betreffend Verkehrsübertretungen im Allgemeinen gestützt auf Art. 30 Abs. 2 IRSV. Demzufolge ist die Zustellung von Bussenverfügungen und diesbezüglichen Zahlungsaufforderungen bzw. Mahnungen durch ausländische Strafbehörden an Personen in der Schweiz grundsätzlich zulässig. Im Sinne der oben (E. II. 1.6.3.1 Abs. 1) vorgenommenen Unterscheidung ist insofern massgebend, dass Art. 30 Abs. 2 IRSV nicht im 5. Kapitel («Vollstreckung von Strafentscheiden», Art. 38 ff.) angesiedelt ist, sondern im 3. Kapitel («Andere Rechtshilfe» / 2. Abschnitt «Einzelne Rechtshilfemassnahmen»). Demzufolge ist die Zahlungsaufforderung bzw. Mahnung, welche wohl nach Eintritt der Rechtskraft erfolgt, bereits je eine Vollstreckungshandlung.
1.6.3.2 Bilaterale Regelungen betreffend Vollstreckung von Bussen aus Strassenverkehrsdelikten enthalten die Polizeiverträge mit Frankreich und Deutschland (vgl. Abo Youssef/Heimgartner, Basler Kommentar, Internationales Strafrecht, 2015, Art. 94 IRSG N. 31 ff.). Die betreffenden Bestimmungen enthalten gewisse Erleichterungen in Bezug auf die Gewährung der Vollstreckungshilfe, indes keine Handhabe, die Vollstreckung durch den ersuchenden Staat auf dem Staatsgebiet des ersuchten Staates selbstständig durchzusetzen. Selbst in diesen Konstellationen ist nicht vorgesehen, dass die stellvertretend vollstreckten Bussenbeträge an den ersuchenden Staat fliessen; im Gegenteil verbleiben diese beim ersuchten Staat (vgl. Art. 50 des Abkommens vom 9. Oktober 2007 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Justiz-, Polizei- und Zollsachen [SR 0.360.349.1]).
1.6.3.3 Übereinkommen, an denen die Schweiz und Italien beteiligt wären und aufgrund derer die Schweiz auf ihre Souveränität in diesem Bereich verzichtet hätte, bestehen nicht. So hat die Schweiz das Europarat-Übereinkommen über die Ahndung von Zuwiderhandlungen im Strassenverkehr vom 30. November 1964 (SEV Nr. 52; https://rm.coe.int/168006ff77) nicht ratifiziert. Indes sieht auch dieses Übereinkommen nicht vor, dass Staaten direkt Bussen in anderen Staaten vollstrecken können.
1.6.3.4 Die Beschuldigten bringen in pauschaler Weise vor, was eine ausländische Behörde dürfe, könne auch an Privatpersonen delegiert werden. Die Bestimmungen zur internationalen Kooperation gemäss IRSV und SDÜ erlaubten die hier in Frage stehenden Schreiben (B.; CAR pag. 5.100.010 Ziffer 3). Bei diesen generellen Erlaubnistatbeständen spiele es keine Rolle, ob die Zustellung einer Bussenverfügung oder deren Mahnung durch eine ausländische Behörde oder aber durch einen beauftragten Privaten erfolge. Die fraglichen Schreiben könnten keinen Angriff auf das staatliche Machtmonopol der Schweiz darstellen (A.; CAR pag. 5.200.009 f. Rz. 27 - 32; vgl. auch TPF 4.521.012 ff.; 4.721.040 Rz. 34 ff.).
1.6.3.5 Diese Argumentation der Beschuldigten greift in Anbetracht der obigen Ausführungen (E. II. 1.6.3.1 ff., insbesondere 1.6.3.3) offenkundig zu kurz; sie entspricht nicht dem mass—gebenden schweizerischen Recht respektive anwendbaren Staats——vertragsrecht und vermag deshalb nicht zu überzeugen. Der Sinn der Rechtshilfe ist im vorliegenden Zusammenhang gerade, dass der schweizerische Staat überprüft, ob die Vollstreckung in Ordnung ist oder nicht. Mit Italien gibt es aber kein entsprechendes Übereinkommen. Dies wird von den Beschuldigten in ihren Ausführungen nicht berücksichtigt. Abgesehen davon verkennen die Beschuldigten auch, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob eine Bussenverfügung versandt wird oder eine Zahlungsaufforderung bzw. Mahnung: In den letzteren beiden Fällen geht es jeweils um eine neue Forderung, inkl. Inkassogebühren, wie aus den erwähnten Schreiben (E. II. 1.5.1) ersichtlich ist.
1.6.3.6 Zusammenfassend können sich die Beschuldigten auf keine staatliche Bewilligung bzw. Erlaubnis im Sinne von Art. 271 Ziffer 1 Abs. 1 StGB (e contrario) berufen.
1.6.4 Nachfolgend ist zu prüfen, ob die Tathandlungen für einen fremden Staat erfolgten (oben E. II. 1.2.4 - 1.2.4.2).
1.6.4.1 Die inkriminierten Schreiben der C. AG (E. II. 1.5.1) führen aus, dass sie im Rahmen eines Auftrags zum «Inkasso» erfolgen. Aufgrund des Sitzes der C. AG in der Schweiz wird zudem impliziert, dass eine Handhabe bestehe, in der Schweiz «bei Ihnen» bzw. «direkt vor Ort», d.h. am Wohnort der adressierten Fahrzeughalter, die Forderung «einzuziehen». Daran ändert auch der explizite Hinweis auf die möglichen Massnahmen in Italien nach italienischem Recht nichts. Endet doch der entsprechende Hinweis damit, dass Mass——nahmen im Ausland «weit drastischer» sein könnten als in der Schweiz.
1.6.4.2 Wie erwähnt, ist der amtliche Charakter der Handlung entscheidend, bzw. dass es um eine hoheitliche Aufgabe geht, die, in welcher Form auch immer, zu Gunsten des ausländischen Staates vorgenommen wird. In diesem Sinne ist somit nicht relevant oder entscheidend, wie weit man insofern geht bzw. etwas androht; sobald in der vorliegenden Konstellation Inkassohandlungen vorgenommen werden, wird bereits dadurch Art. 271 Ziffer 1 StGB verletzt. Dies wird von den Beschuldigten verkannt (vgl. oben E. II. 1.6.2.3).
Abgesehen davon wird durch die erwähnten Hinweise in den inkriminierten Schreiben (oben E. II. 1.6.4.1) – entgegen der Auffassung der Beschuldigten (CAR pag. 5.100.009 f.; 5.200.005 ff.) – sehr wohl suggeriert, dass unter Umständen auch mit Massnahmen in der Schweiz, d.h. einer Betreibung, zu rechnen ist. Dasselbe gilt für die Betitelung der zweiten Schreiben mit «Mahnung» bzw. «letzte Mahnung». Die zugestellten Schreiben geben mithin vor, dass die C. AG befugt sei, betreffende Rechnungen in der Schweiz zu vollstrecken, und dass für den Fall der Nichtbezahlung einschneidende Konsequenzen, wie Zwangsvollstreckung, im In- oder Ausland drohen. Damit werden implizit in der Schweiz die Vollstreckung bzw. die Betreibung und explizit im Ausland erhebliche Nachteile in Aussicht gestellt für den Fall, dass die Rechnungen nicht bezahlt werden. Die Handlungen der Beschuldigten gehen damit sogar weit über das beschriebene Minimum (oben E. II. 1.6.4.2 Abs. 1) hinaus, welches zur Erfüllung des Tatbestands erforderlich ist.
1.6.4.3 Die Beschuldigten bringen insbesondere vor, die Empfänger der Schreiben könnten nicht zum Schluss kommen, dass eine Betreibung überhaupt in Betracht gezogen werde. Die Schreiben seien einfache Zahlungsaufforderungen, nicht mehr. Erhebliche Nachteile würden darin nicht in Aussicht gestellt. Es seien Erinnerungsschreiben ohne rechtliche Relevanz (B.; vgl. CAR pag. 5.100.010 Ziffer 2). Den Schreiben könne auch nicht entnommen werden, dass die C. AG über irgendwelche Kompetenzen verfügen würde, welche über das Versenden der Zahlungsaufforderungen oder Mahnungen hinausgehen würden. Aus einem blossen Hinweis auf höhere Kosten ergebe sich jedenfalls noch keine Betreibungsandrohung (A.; vgl. CAR pag. 5.200.005 Rz. 11 ff.).
1.6.4.4 Die Argumentation der Beschuldigten ist massiv beschönigend. Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf den verharmlosend interpretierten Wortlaut gewisser Textteile der versandten Schreiben. Der Gesamtzusammenhang bzw. der teilweise implizite, teilweise explizite drohende Charakter der in den Schreiben enthaltenen Aussagen wird von den Beschuldigten systematisch ausgeblendet. Sie verdrängen, dass die gewählten Formulierungen und der strukturelle Aufbau der Schreiben einen gezielt einschüchternden Charakter aufweisen («kann dann deutlich höher sein», «können insofern weit drastischer sein», etc.), wobei die diversen vagen Hinweise in ihrer Kombination offensichtlich darauf abzielen, diesen Effekt zu maxi—mieren. Zu dieser Strategie der Beschuldigten gehört auch, dass – nach der einleitenden, halbwegs konkreten Erwähnung der (angeblich) begangenen Verkehrsregelverletzung – in allen vorliegenden Schreiben jeweils pauschal und ohne jede Substanziierung auf angebliche «weitere» (autre / altri) Verstösse hingewiesen wird.
Entgegen der Auffassung der Beschuldigten werden in den Schreiben sehr wohl erhebliche Nachteile in Aussicht gestellt, wozu im erwähnten Gesamtkontext u.a. auch die Vollstreckung bzw. Betreibung von Forderungen in der Schweiz gehören. Soweit sich die Beschuldigten betreffend die Schreiben auf «Empfehlungen des BJ» berufen wollen (vgl. CAR pag. 5.200.006 Rz. 15 / Fn. 5), blenden sie aus, dass es darin nicht um Zahlungsaufforderungen bzw. Mahnungen durch Private geht. Weiter wollen die Beschuldigten glauben machen, es bestehe «kein kausaler Zusammenhang zwischen den zu beurteilenden Schreiben und allfälligen Zwangsmassnahmen oder Säumnisfolgen» (CAR pag. 5.200.007 Rz. 17). Diese Behauptung ist aktenwidrig. In den Schreiben bzw. Zahlungsaufforderungen steht insbesondere: «Die italienischen Behörden können Sie bei Ihrer nächsten Einreise nach Italien belangen, wenn Sie der Zahlung nicht nachkommen» (BA pag. 05-00-0012, -0016, -0024 f., -0034; Hervorhebung hinzugefügt). Zudem bringen die Beschuldigten vor, es sei zu berücksichtigen, dass der Hinweis «weitere Schritte von unserer Seite sind für Sie jeweils mit höheren Kosten verbunden» nur in den Zahlungsaufforderungen, nicht aber in den «Mahnungen» oder «letzten Mahnungen» enthalten sei. Die «Mahnungen» bzw. «letzten Mahnungen» würden nur noch auf mögliche Massnahmen im Ausland verweisen, ohne weitere Massnahmen oder Kostenfolgen in der Schweiz zu erwähnen (CAR pag. 5.200.005 Rz. 13). Diese Argumentation ist sophistisch und lebensfremd. Dadurch, dass nach den «Zahlungsaufforderungen» zusätzlich «Mahnungen» / «letzten Mahnungen» versandt wurden, konnten die Empfänger selbstredend nicht davon ausgehen, dass die (nur, aber immerhin) in den «Zahlungsaufforderungen» klar in Aussicht gestellten Nachteile nicht mehr relevant gewesen wären. Es ist gerichtsnotorisch, dass Mahnschreiben nicht so funktionieren, wie es die Beschuldigten darzustellen versuchen. Entgegen der Ansicht der Beschuldigten (CAR pag. 5.200.007 Rz. 19) besteht im vorliegenden Zusammenhang schliesslich auch kein Raum für eine Anwendung des Prinzips «in dubio pro reo».
1.6.4.5 Unerheblich ist, dass die Beschuldigten nicht unmittelbar im Auftrag der ausländischen Behörden, sondern lediglich im Auftrag einer ausländischen juristischen Person des Privatrechts (F. S.r.l.) gehandelt haben. Nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung genügt es, dass der Täter im Interesse eines fremden Staates bzw. ausländischen Verfahrens gehandelt hat, was vorliegend der Fall war. Es bedarf weder eines Auftrags noch eines Wollens des betreffenden Staates (oben E. II. 1.2.4.1 m.w.H.; vgl. dazu auch E. II. 1.6.4.6).
1.6.4.6 A. machte vorinstanzlich geltend, es sei fraglich, ob die zu beurteilenden Schreiben tatsächlich im Interesse des italienischen Staates erfolgt seien. Trotz eines entsprechenden Beweisantrags (BA pag. 19-01-0001 ff.; 19-02-0001) habe es die BA versäumt, die vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen des Rechtsverhältnisses zwischen der F. S.r.l. und ihren italienischen Auftraggebern zu erheben. Damit sei unklar, ob die italienischen Auftraggeber ihre Forderungen an die F. S.r.l. abgetreten hätten, was im Inkassogeschäft häufig vorkomme (Forderungskauf). Falls die F. S.r.l. die Forderung ihrer Auftraggeber gekauft habe, würde sie als privates Unternehmen das Inkassorisiko tragen. Die strittigen Zahlungsaufforderungen würden in diesem Fall zweifelsfrei nur dem Interesse von F. S.r.l. dienen (TPF pag. 4.721.037). Die BA hatte den entsprechenden Beweisantrag der beiden Beschuldigten vom 30. Juni 2021 am 15. Juli 2021 mit der Begründung abgewiesen, die vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen des (Innen-)Verhältnisses zwischen der F. S.r.l. und den italienischen Behörden seien für das vorliegende Strafverfahren unerheblich (BA pag. 19-01-0004 f.; 19-02-0002 f.).
Auch anlässlich der Berufungsverhandlung vom 5. Oktober 2022 stellten die beiden Verteidiger den Beweisantrag bzw. Eventualbeweisantrag, die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der F. S.r.l. und den italienischen Kommunen Mailand und Florenz seien zu den Akten zu erheben. Als Begründung wurde insbesondere vorgebracht, in den Akten seien keine Beweise erhoben worden zum Rechtsverhältnis zwischen der F. S.r.l. und den italienischen Kommunen Mailand und Florenz. Es sei davon auszugehen, dass die italienischen Kommunen ihre Forderungen der F. S.r.l. abgetreten hätten. Ein Verkauf von Forderungen komme im Inkassowesen oft vor. Sollte dieser Auffassung nicht gefolgt werden, gehe man davon aus, dass diese Beweise zu erheben seien (vgl. CAR pag. 5.100.007; oben E. II. 1.4.2). Dieser Beweisantrag bzw. Eventualbeweisantrag wurde ebenfalls abgewiesen (CAR pag. 5.100.008; oben E. II. 1.4.2).
Hierzu ist auszuführen, dass die von den Beschuldigten vorgebrachte These der abgetretenen Forderungen im klaren Widerspruch zu den aktenkundigen «Sondervollmachten» von italienischen Gemeinden (insbesondere Florenz) zu Gunsten der F. S.r.l. steht (vgl. z.B. BA pag. 10-01-0112 ff., -0118, -0123 ff., -0131 ff., -0135 ff., -0138 ff.), wie auch zu den eigenen Auskünften der Beschuldigten (z.B. Mail von B. an N. vom 27. Januar 2016: BA pag. 10-01-0104). Des Weiteren wäre auch nicht nachvollziehbar, weshalb in den erwähnten Briefen der C. AG (E. II. 1.5.1) explizit darauf hingewiesen wird, die italienischen Behörden könnten die Fahrzeughalter bei ihrer nächsten Einreise nach Italien belangen (etc.), wenn die italienischen Auftraggeber ihre Forderungen tatsächlich an die F. S.r.l. abgetreten hätten. Die These der Beschuldigten ist auch unter diesen Gesichtspunkten haltlos. Die Beschuldigten sind offenkundig im Interesse des italienischen Staates tätig geworden.
1.6.4.7 Gemäss diesen Ausführungen (E. II. 1.6.4 - 1.6.4.6) liegt klarerweise eine tatbestandsmässige Handlung für einen fremden Staat vor (vgl. E. II. 1.2.4 - 1.2.4.2). Insgesamt haben die Beschuldigten bei vorliegender Anklage- und Aktenlage neun diesbezügliche Schreiben an sieben Adressaten versendet. Die im Abstand von ca. 20 Tagen jeweils an die gleiche Adressatin (G. SA, K.) zugestellten Mahnungen sind aufgrund der zeitlichen und persönlichen Konnexität als in Tateinheit begangen zu betrachten, sodass die Beschuldigten den Tatbestand in objektiver Hinsicht je siebenfach erfüllt haben (oben E. I. 3.2.2).
1.7 Subsumtion des subjektiven Tatbestands
1.7.1 Aufgrund der dargelegten Tatumstände ist auf das diesbezügliche Wissen der beiden Beschuldigten zu schliessen. Die italienische F. S.r.l. bediente sich mit der C. AG keines in der Schweiz ansässigen operativ tätigen Inkasso-Unternehmens. Bereits aus diesem Grund musste sich den Beschuldigten – als Profis im Inkassowesen – die Frage aufdrängen, ob die Tätigkeit mit dem Schweizer Recht vereinbar ist. Darauf deuten im Übrigen auch die Abklärungen im transnationalen Bereich hin: Den Beschuldigten war offensichtlich bewusst, dass sie vorliegend eine Schweizer Firma benötigen würden, d.h. dass sie nicht direkt bzw. ausschliesslich von Deutschland aus handeln dürften (vgl. dazu auch die Aussagen von E., BA pag. 13-01-0007). N. sagte dazu aus, er denke, dass seitens der C. AG bei Rechtsanwalt Lardi vor Aufnahme der fraglichen Inkassotätigkeit rechtliche Abklärungen betreffend die Inkassogeschäfte im Auftrag der F. getätigt worden seien (BA pag. 12-03-0012 Rz. 20 ff.); auf entsprechende Abklärungen der beiden Beschuldigten deuten weitere Aussagen von N. hin (BA pag. 12-03-0017 Rz. 5 ff.). B. erkundigte sich zudem bei N. nach einem Rechts—anwalt für eine Rechtsexpertise betreffend das Inkasso von Schweizer Bussen in Deutschland (BA 10-01-0168 f.).
1.7.2 Zudem hat das Bundesamt für Justiz (fortan: BJ) die C. AG (und damit die beiden Beschuldigten) wiederholt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Busseninkasso zugunsten von ausländischen Behörden in der Schweiz nicht erlaubt sei und die C. AG davon abzusehen habe. Die entsprechenden Ermahnungen des BJ datieren vom 26. März 2018 (BA pag. 18-02-0002 f.), 9. November 2018 (BA pag. 05-00-0007) und 16. November 2018 (BA pag. 05-00-0006; letztere Nachricht des BJ enthielt zudem einen ausdrücklichen Hinweis betreffend eine allfällige Verletzung von Art. 271 StGB).
1.7.3 Soweit A. dagegen vorbringen lässt, dass «eine E-Mail einer Mitarbeiterin des BJ, die offensichtlich im Interesse eines in Italien gebüssten Kollegen» gehandelt habe, «für die Beurteilung der Rechtmässigkeit der fraglichen Handlungen nicht relevant sein» könne (CAR pag. 5.200.001 Rz. 38; vgl. dazu auch TPF pag. 4.721.041), erscheint diese Rüge als unsubstanziiert und haltlos: So ging es nicht nur um eine, sondern um drei E-Mails. Dass die Mitarbeiterin des BJ bezüglich der E-Mail vom 26. März 2018 (BA pag. 18-02-0002 f.) «im Interesse eines in Italien gebüssten Kollegen» gehandelt habe, bringt A. selbst nicht vor – diesbezüglich ging es nämlich um die G. SA. Aber auch hinsichtlich der E-Mails vom 9. November (BA pag. 05-00-0007) und 16. November 2018 (BA pag. 05-00-0006) betreffend I. werden stichhaltige Anhaltspunkte dafür, dass es sich dabei jeweils um eine Falschauskunft des BJ gehandelt haben sollte, weder vorgebracht noch sind solche ersichtlich. Dass die beiden Beschuldigten tatsächlich angenommen haben könnten, dass eine Mitarbeiterin des BJ wegen eines Betrags von Fr. 717.59 (E. II. 1.1.1.) für einen Kollegen eine Falschauskunft gegeben haben könnte, ist zudem ohnehin nicht anzunehmen.
1.7.4 Vor diesem Hintergrund liegt auch kein Sachverhaltsirrtum (Art. 13 StGB) vor, wie vor erster Instanz noch (explizit) vorgetragen wurde (TPF pag. 4.720.006 Abs. 2). Daran ändert auch nichts, dass A. «deutscher Staatsangehöriger» sei «und das deutsche Recht keine mit Art. 271 StGB vergleichbare Norm» kenne. Unbehelflich bzw. nicht einschlägig ist insofern A.s Hinweis auf die Wegleitung des BJ betreffend die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, S. 9 Fn. 12 (TPF pag. 4.721.042): Vorliegend geht es um Strafsachen (Bussen, die in Italien verhängt worden sind), nicht um Zivilsachen. Ohnehin erfolgt A.s Berufung auf die Wegleitung des BJ, ohne den darin erwähnten relevanten Kontext (es ginge diesbezüglich um common law-Staaten, in welchen Private/Parteien selbst für die Zustellung von Dokumenten verantwortlich sind) zu thematisieren.
1.7.5 Bei der zweitinstanzlichen Berufung auf die Wegleitung des BJ betreffend die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, S. 81 f. (CAR pag. 5.200.011 Rz. 40) unterlässt A. erneut (siehe oben E. II. 1.7.4) die notwendige Kontextualisierung: Der entsprechende Titel in dieser Wegleitung lautet nämlich «Zustellung von Gerichtsakten und Vorladungen» – worum es vorliegend gerade nicht geht.
1.7.6 Auch was die Berufung auf Presseartikel betrifft, erscheint das prozessuale Verhalten der Beschuldigten als selektiv: So sei betreffend Beurteilung des subjektiven Tatbestands der Verweis der Vorinstanz auf einen Artikel in «20 Minuten» vom 1. April 2009 (BA pag. 05-00-0030), in dem ausländisches Busseninkasso als «illegal» bezeichnet wird, angeblich nicht relevant (vgl. CAR pag. 5.200.011 Rz. 42). Umgekehrt will sich A. aber sehr wohl auf einen Beitrag des SRF-Ratgebers vom 28. August 2019 (https://www.srf.ch/audio/ratgeber/bussen-aus-dem-ausland-bezahlen-oder-nicht?id=11608975) abstützen können, dem zu entnehmen sei, dass Inkassobüros mit Sitz in der Schweiz Bussen ausländischer Gemeinden einkassieren dürften. Eine derartige Argumentation der Beschuldigten (im Plädoyer für B. schloss sich dessen Verteidiger den Ausführungen seines Vorredners an, CAR pag. 5.100.009) erscheint als in sich widersprüchlich und ist nicht stichhaltig.
1.7.7 Gemäss diesen Ausführungen vermochten die Beschuldigten die soziale Bedeutung einer in der Schweiz erfolgten «Inkassotätigkeit» betreffend ausländische Forderungen aus Verkehrsbussen zutreffend als eventuell verboten einzuordnen.
1.7.8 Zusammenfassend ist bei beiden Beschuldigten der subjektive Tatbestand je im Sinne des Eventualvorsatzes (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB) erfüllt.
1.8 Rechtfertigungs- / Schuldausschlussgründe
1.8.1 Gemäss Art. 21 StGB handelt nicht schuldhaft, wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe.
Ein Rechtsirrtum liegt demgemäss vor, wenn der Täter in der irrigen Vorstellung handelt, seine Handlungen seien nicht verboten. Dem Täter muss mithin ein Unrechtsbewusstsein gänzlich fehlen. Hat der Täter ein bloss unbestimmtes Empfinden […] etwas Unrechtes zu tun, hat er eine genügende Kenntnis der Rechtswidrigkeit, welche einen Rechtsirrtum a priori ausschliesst (BGE 72 IV 155).
1.8.2 Soweit sich die beiden Beschuldigten auf einen Rechtsirrtum berufen (CAR pag. 5.100.010, 5.200.012; TPF pag. 4.721.006 Abs. 3; pag. 4.721.042 f.), kann im Wesentlichen auf die Ausführungen der Vorinstanz zu dieser Thematik verwiesen werden (Urteil SK.2021.34 E. 4.3.2; Art. 82 Abs. 4 StPO). Ergänzend ist auch diesbezüglich darauf hinzuweisen, dass die Beschuldigten nicht erst per E-Mail einer Mitarbeiterin des BJ vom 16. November 2018 (BA pag. 05-00-0006) über die Unrechtmässigkeit der inkriminierten Geschäftstätigkeit in Kenntnis gesetzt wurden, sondern bereits per E-Mails derselben Mitarbeiterin vom 26. März 2018 (BA pag. 18-02-0002 f.) und 9. November 2018 (BA pag. 05-00-0007; oben E. II. 1.7.2 f.). Des Weiteren liess B. anlässlich der Berufungsverhandlung sogar einräumen, dass es vorliegend um einen «Graubereich zwischen Rechtmässigkeit und Illegalität» gehe (CAR pag. 5.100.010 letzter Absatz). Da es sich bei den beiden Beschuldigten nicht um unbedarfte Laien handelte, sondern um Profis, die im Inkassowesen tätig sind, hatten sie erst recht die Pflicht zur Abklärung. In Anbetracht des gesamten Kontexts – u.a. aufgrund des Umstands, dass die italienische F. S.r.l. sich mit der C. AG keines in der Schweiz ansässigen operativ tätigen Inkasso-Unternehmens bediente – musste sich den Beschuldigten klarerweise die Frage aufdrängen, ob ihre Tätigkeit mit dem Schweizer Recht vereinbar ist.
1.8.3 Das Vorliegen eines Rechtsirrtums (Art. 21 Satz 1 StGB) fällt – wie bereits die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat – aufgrund eines vorhandenen Unrechtsbewusstseins somit je ausser Betracht, sodass die Vermeidbarkeit (Art. 21 Satz 2 StGB) nicht geprüft werden muss.
1.9 Fazit
Zusammenfassend sind die Beschuldigten je der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen fremden Staat gemäss Art. 271 Ziffer 1 StGB, je begangen zwischen Januar 2018 und 2019, schuldig zu sprechen.
2. Strafzumessung
2.1 Rechtliches
2.1.1 Anwendbares Recht
Da sich der vorliegende Tatzeitraum – unter Berücksichtigung des Verbots der reformatio in peius – von Januar 2018 bis Januar 2019 erstreckt (vgl. oben SV lit. A.1; E. I. 3.2, II. 1.1.1), stellen sich betreffend das anwendbare Recht keine näher zu klärenden Fragen. Das per 1. Januar 2018 in Kraft getretene neue Sanktionenrecht ist ohne Weiteres anwendbar.
2.1.2 Grundsätze der Strafzumessung
2.1.2.1 Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Art. 47 Abs. 1 StGB). Das Verschulden bestimmt sich nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Verletzung oder Gefährdung zu vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB).
2.1.2.2 Der für die Strafzumessung zentrale Begriff des Verschuldens im Sinne von Art. 47 StGB bezieht sich auf den gesamten Unrechts- und Schuldgehalt der konkreten Straftat. Dabei unterscheidet das Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung zwischen der Tat- und der Täterkomponente. Die Tatkomponente umfasst das Ausmass des verschuldeten Erfolges, die Art und Weise der Herbeiführung dieses Erfolges, die Willensrichtung, mit der der Täter gehandelt hat und seine Beweggründe. Die Täterkomponente umfasst das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse sowie das Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren, wie z.B. Reue, Einsicht und Strafempfindlichkeit (BGE 134 IV 17 E. 2.1 S. 19 f.; BGE 129 IV 6 E. 6.1 S. 20 f.; BGE 101 IV E. 2 S. 103 ff.).
2.1.2.3 Gemäss Art. 50 StGB hält das Gericht, sofern es ein Urteil zu begründen hat, die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung fest. Für die Beurteilung der Schwere des Verschuldens ist eine Gesamtwürdigung der den Beschuldigten belastenden und der ihn entlastenden Umstände er—forderlich (BGE 136 IV 55 E. 5.5 S. 59 f.). Bei der Gewichtung der einzelnen zu beachtenden Komponente steht dem Gericht – innerhalb des ordentlichen oder gegebenenfalls ausserordentlichen Strafrahmens – ein erheblicher Ermessensspielraum zu (BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 60 ff.; 135 IV 130 E. 5.3.1 S. 134 f.; Urteil des BGer 6B_1077/2014 vom 21. April 2015 E. 4).
2.1.2.4 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat, d.h. derjenigen Tat, die mit der schwersten Strafe bedroht ist, und erhöht sie angemessen (Asperationsprinzip). Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden (Art. 49 Abs. 1 StGB).
2.2 Strafrahmen
2.2.1 Der Strafrahmen des Grundtatbestands von Art. 271 Ziffer 1 StGB erstreckt sich von Geldstrafe von drei Tagessätzen (Art. 34 Abs. 1 StGB) bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Bei der pekuniären Sanktion beträgt die Höchststrafe 180 Tagessätze (Art. 34 Abs. 1 StGB).
2.2.2 Vorliegend beträgt der konkrete Strafrahmen aufgrund des Verbots der reformatio in peius (oben E. I. 3.2) und der nachfolgend vorzunehmenden Asperation (oben E. II. 2.1.2.4 bzw. unten E. II. 2.3.4) indes nur je Geldstrafe von vier bis 180 Tagessätzen (vgl. Urteil SK.2021.34 E. 5.2.3 und 5.3). Die Wahl von Geldstrafen als jeweilige Sanktionsformen erweist sich in den beiden konkreten Fällen aber ohnehin als angemessen, da das Verschulden der Beschuldigten – wie nach—folgend auszuführen ist und bereits die Vorinstanz im Ergebnis zutreffend festgehalten hat (Urteil SK.2021.34 E. 5.2.3) – (gerade noch) als leicht zu werten ist.
2.3 Tatkomponenten der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziffer 1 StGB)
2.3.1 Objektive Tatkomponenten
2.3.1.1 Die Beschuldigten haben über einen Zeitraum von ca. einem Jahr den schweizerischen Behörden vorbehaltene Aktivitäten im (indirekten) Auftrag ausländischer Kommunen durchgeführt, wobei sie den Tatbestand je siebenfach erfüllt haben (oben E. I. 3.2.2 und II. 1.6.4.7). A. war im Tatzeitraum Verwaltungsratspräsident mit Einzelunterschrift und verfügte zusammen mit seiner Ehefrau über eine Beteiligung von je 20 %, d.h. zusammen 40 %, an der C. AG; B. war Mitglied des Verwaltungsrats mit Einzelunterschrift, mit einer Beteiligung von 60 % (BA pag. 05.00.0027, 10-01-0004, -0182, -0198 f., -0202; 12-03-0020). Insbesondere aufgrund des ersichtlichen Mailverkehrs, der erwähnten Beteiligungsverhältnisse und der Aussagen von N. ist grundsätzlich von einer gemeinsamen bzw. geteilten Verantwortung der beiden Beschuldigten auszugehen (vgl. E. II. 1.5.2.1 ff.). Durch die inkriminierten Handlungen wurden sieben in der Schweiz wohnhafte Fahrzeughalter tangiert. Die Handlungen erschöpften sich darin, Schreiben mit Androhungen von Nachteilen zu versenden. Es liegen keine Anzeichen vor, dass seitens der C. AG bzw. der beiden Beschuldigten in der Folge (auch) Betreibungen eingeleitet wurden. Betreibungen hätten wohl rechtliche Hürden mit sich gebracht – gerade deshalb wählten die Beschuldigten ein Geschäftsmodell, das möglichst «unter dem Justiz—radar» blieb. Die Beeinträchtigung des Rechtsguts der schweizerischen Souveränität ist gesamthaft betrachtet noch als relativ gering zu qualifizieren.
2.3.1.2 Wie erwähnt, hat das BJ die C. AG (und damit die beiden Beschuldigten) wiederholt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Bussen-Inkasso zugunsten von ausländischen Behörden in der Schweiz nicht erlaubt sei und die C. AG davon abzusehen habe (BA pag. 18-02-0001). Die entsprechenden Ermahnungen des BJ datieren vom 26. März 2018 (BA pag. 18-02-0002 f.), 9. November 2018 (BA pag. 05-00-0007) und 16. November 2018 (BA pag. 05-00-0006; letztere Nachricht des BJ enthielt zudem einen ausdrücklichen Hinweis betreffend eine allfällige Verletzung von Art. 271 StGB). Trotzdem versandte die C. AG die Schreiben an I. vom 24. Oktober 2018 (BA pag. 05-00-0003 ff.), an die J. GmbH vom 29. Oktober 2018 (BA pag. 05-00-0016 f.), an K. vom 29. Oktober (BA pag. 05-00-0012 ff.) / 19. November 2018 (BA pag. 05-00-00-0015; vgl. oben E. I. 3.2.2 und E. II. 1.6.4.7), an L. vom 17. Dezember 2018 (BA pag. 05-00-0009 ff.) und an H. vom 14. Januar 2019 (BA pag. 05-00-0018 f.) und setzte sich damit über die expliziten Ermahnungen des BJ hinweg. Diese Schreiben sind deshalb als die relativ bedeutendsten deliktischen Aktivitäten zu werten. Im Vordergrund stehen diesbezüglich die beiden Schreiben an L. und H., welche selbst noch nach Erhalt des Hinweises des BJ vom 16. November 2018 betreffend eine allfällige Verletzung von Art. 271 StGB versandt wurden. Nur die Schreiben an Unbekannt vom 10. Januar 2018 und an die G. SA vom 26. Januar 2018 / 15. Februar 2018 (E. I. 1.1.1; E. II. 2.3.1.3; BA pag. 05-00-0024) wurden zeitlich je vor sämtlichen erwähnten Ermahnungen des BJ versandt.
2.3.1.3 Insgesamt ist das objektive Tatverschulden gerade noch als leicht zu werten, wobei aufgrund der gemeinsamen Verantwortung der beiden Beschuldigten von einem gleichwertigen, gemeinsamen Verschulden auszugehen ist.
2.3.2 Subjektive Tatkomponenten
Das Motiv der Beschuldigten lag offensichtlich darin, sich bzw. die von ihnen betriebene Gesellschaft durch die resultierenden Margen zu bereichern. Zugunsten der Beschuldigten ist (wie bereits die Vorinstanz, oben E. II. 3.2.2) davon auszugehen, dass sie lediglich eventualvorsätzlich gehandelt haben. Das subjektive Tatverschulden ist auch gerade noch als je leicht zu werten.
2.3.3 Gedankliche Einsatzstrafe
In Bezug auf das Schreiben an L. vom 17. Dezember 2018 (E. II. 1.1.1, 1.5.1 und 2.3.1.3; BA pag. 05-00-0009 ff.), welches trotz des Hinweises des BJ vom 16. November 2018 auf Art. 271 StGB versandt wurde, erscheint eine gedankliche Einsatzstrafe für die Beschuldigten von je 40 Tages—sätzen (TS) Geldstrafe als angemessen.
2.3.4 Asperation
2.3.4.1 Diese Strafe ist in Anwendung des Asperationsprinzips – da gleichartige Strafen gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB auszusprechen sind (E. II. 2.1.2.4) – infolge Deliktsmehrheit angemessen zu erhöhen. In einem ersten Schritt ist die Strafe für die beiden Beschuldigten wegen des Schreibens an H. vom 14. Januar 2019 (BA pag. 05-00-0018 f.), welches ebenfalls nach dem Hinweis des BJ vom 16. November 2018 auf Art. 271 StGB versandt wurde, um 25 Tagessätze zu erhöhen.
2.3.4.2 Was die weiteren nach der ersten Ermahnung des BJ vom 26. März 2018 versandten Schreiben an I., die J. GmbH und an K. betrifft (vgl. zu den an K. adressierten beiden Schreiben E. I. 3.2.2, II. 1.5.1, 1.6.4.7 und 2.3.1.2), ist die Strafe in einem zweiten Schritt für die beiden Beschuldigten um je 15 weitere Tagessätze zu erhöhen.
2.3.4.3 Schliesslich ist die Strafe, was die vor sämtlichen erwähnten Ermahnungen des BJ versandten Schreiben an Unbekannt vom 10. Januar 2018 und an die G. SA vom 26. Januar 2018 / 15. Februar 2018 betrifft (E. I. 1.1.1; E. II. 2.3.1.2; BA pag. 05-00-0024), in einem dritten Schritt für die beiden Beschuldigten um je 5 weitere Tagessätze zu erhöhen.
2.3.4.4 Zusammenfassend ergibt sich aufgrund der Asperation für die Beschuldigten somit eine (hypothetische) Geldstrafe von je 120 Tagessätzen (40 TS + 25 TS + [3 x 15 TS] + [2 x 5 TS] = 120 TS).
2.4 Täterkomponenten
2.4.1 Rechtliches
Im Gegensatz zu den Tatkomponenten, die sich auf den Zeitpunkt der Tatbegehung beschränken, umfassen die Täterkomponenten den Zeitraum vor oder nach der Tat. Bei der Würdigung des Täters sind jedoch die Umstände massgeblich, wie sie sich zur Zeit der Beurteilung ergeben (Mathys, Leitfaden Strafzumessung, 2. Aufl. 2019, S. 117 N. 313; BGE 113 IV 56 E. 4). Gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann bloss ein hartnäckiges Bestreiten der Tatvorwürfe unter gewissen Umständen als fehlende Einsicht und Reue ausgelegt und straferhöhend berücksichtigt werden (vgl. Urteil des BGer 6B_1032/2017 vom 1. Juni 2018 E. 6.4.2; Wiprächtiger/Keller, Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 47 StGB N. 173). Ein deliktfreies Verhalten während eines laufenden Strafverfahrens darf vorausgesetzt werden (Urteil des BGer 6B_882/2009 vom 30. März 2010 E. 2.5); Delinquenz während der Probezeit und der Strafuntersuchung wirkt sich hingegen straferhöhend aus (Mathys, a.a.O., S. 124 f. N. 329 f.). Aufrichtige Reue, Zeitablauf verbunden mit Wohlverhalten sowie Betroffenheit durch die Tat wirken sich strafmildernd aus (Mathys, a.a.O., S. 126 ff. N. 334 ff.). Ein Geständnis wiederum führt nicht zwingend zu einer Strafreduktion, es muss als Zeichen der Einsicht und Reue stehen und die Strafverfolgung erleichtern (Mathys, a.a.O., S. 136 f. N. 363).
2.4.2 Vorleben und persönliche Verhältnisse
Der Beschuldigte A. ist 66-, der Beschuldigte B. 64-jährig (BA pag. 12-03-0021). Beruflich sind die beiden Beschuldigten, welche deutsche Staatsangehörige sind, insbesondere im Inkassowesen tätig (BA pag. 10-01-0004 ff., -0009 f.; 12-03-0034 f.; vgl. dazu auch unten E. II. 2.6.2). Vorstrafen liegen je keine vor (CAR pag. 4.401.003; -006; pag. 4.402.003; -006). Ansonsten ist über das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse der Beschuldigten nichts Näheres bekannt.
2.4.3 Nachtatverhalten und Verhalten im Strafverfahren
Weitere deliktisch relevante Verhaltensweisen der Beschuldigten nach den vorliegend angeklagten Taten sind nicht ersichtlich. Immerhin war das Verhalten der Beschuldigten im Strafverfahren nicht besonders kooperativ.
2.5 Auswirkung der Täterkomponenten auf die (hypothetischen) Strafen
2.5.1 Das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse der Beschuldigten wie auch ihr Nachtatverhalten und Verhalten im Strafverfahren sind je neutral zu werten. Eine besondere Strafempfindlichkeit liegt bei den Beschuldigten nicht vor.
2.5.2 Insgesamt ist das Verschulden der Beschuldigten gerade noch je als leicht zu werten; eine Geldstrafe von insgesamt je 120 Tagessätzen erscheint als schuldadäquat.
2.6 Höhe des Tagessatzes der Geldstrafe
2.6.1 Ein Tagessatz beträgt in der Regel mindestens 30 und höchstens 3000 Franken. Ausnahmsweise, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters dies gebieten, kann der Tagessatz bis auf 10 Franken gesenkt werden. Das Gericht bestimmt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familien- und Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (Art. 34 Abs. 2 StGB; vgl. BGE 142 IV 315 E. 5.3.3). Ausgangspunkt für die Tagessatzberechnung ist das Einkommen, welches dem Täter durchschnittlich an einem Tag zufliesst. Dabei bleibt belanglos, aus welcher Quelle dieses Einkommen stammt. Abzuziehen ist, was gesetzlich geschuldet ist oder dem Täter wirtschaftlich nicht zufliesst, so etwa laufende Steuern, obligatorische Versicherungsbeiträge oder allfällige Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge, soweit tatsächlich geleistet, nicht jedoch Schulden oder Wohnkosten (vgl. BGE 134 IV 60 S. 68 ff. E. 6.1 ff.; vgl. Dolge, Basler Kommentar, Basler Kommentar, 4. Aufl., Art. 34 StGB N. 45 ff. mit Hinweisen). Eine Schätzung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters im pflichtgemässen Ermessen ist dann möglich, wenn sich die Berechnung des Tagessatzes sonst als unverhältnismässig schwierig erweisen würde (vgl. Dolge, a.a.O., Art. 34 StGB N. 91 mit Hinweisen).
2.6.2 Die beiden Beschuldigten verzichteten je darauf, das Formular betreffend ihre persönliche und finanzielle Situation ausgefüllt und mit entsprechenden Belegen einzureichen (vgl. CAR pag. 4.200.001 f., -006, -008; BA pag. 17-02-0002 ff., 17-03-0002 ff.). Was die finanziellen Verhältnisse der Beschuldigten betrifft, sind diese somit in Ermangelung von diesbezüglichen Angaben zu schätzen. Aus den Akten ergibt sich zum einen, dass die von den Beschuldigten in der Schweiz betriebene Aktiengesellschaft in einem Zeitraum von ca. 16 Monaten einen Umsatz von rund Fr. 1.6 Mio. machte (TPF pag. 4.100.006; -021). Wer in welchem Umfang am daraus resultierenden Erlös berechtigt ist, muss offengelassen werden, doch ist davon auszugehen, dass beide Beschuldigten davon profitierten. Im Übrigen ist aktenkundig, dass die Beschuldigten in Köln verschiedene Inkassofirmen betreiben (vgl. BA pag. 12-03-0034; 10-01-0009 f., -0181, -0186), welche aufgrund umsatzträchtiger Mandate (etwa Inkasso für sämtliche Forderungen von F. S.r.l. in Deutschland und Österreich) erheblichen Gewinn erwirtschaften dürften. Vor diesem Hintergrund wird bei beiden Beschuldigten ein monatliches Nettoeinkommen von je (mindestens) Fr. 9'000.-- angenommen. Die entsprechenden Ausführungen bzw. Annahmen der Vor—instanz (Urteil SK.2021.34 E. 5.2.4) werden von den beiden Beschuldigten nicht substanziiert bestritten. Infolgedessen ist der Tagesssatz jeweils auf Fr. 300.-- festzusetzen.
2.7 Vollzug
2.7.1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Materiell wird das Fehlen einer ungünstigen Prognose vorausgesetzt, womit praxisgemäss auf das Fehlen von Anhaltspunkten für eine Wiederholungsgefahr abgestellt wird (BGE 134 IV 60 S. 73 f. E. 7.2).
2.7.2 Die objektiven Grenzen des bedingten Strafvollzugs sind demnach vorliegend nicht überschritten. Der bedingte Aufschub der Geldstrafe unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren ist in Bezug auf beide Beschuldigte bereits aufgrund des Verbots der reformatio in peius (E. I. 3.2.3) je zu bestätigen. Ein solcher erweist sich in den konkreten Fällen aber ohnehin als angemessen (Vorstrafenlosigkeit der beiden Beschuldigten [E. II. 2.4.2], keine Anhaltspunkte für eine ungünstige Prognose).
2.7.3 Um die Spürbarkeit der Strafe sicherzustellen, werden die bedingten Geldstrafen im Sinne von Art. 42 Abs. 4 StGB je mit einer Busse von Fr. 3'000.-- verbunden. Diese unbedingt zu leistenden Verbindungsbussen werden (im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung; vgl. BGE 134 IV 56) von den Geldstrafen in Abzug gebracht, indem letztere von 120 auf je 110 Tagessätze reduziert werden. Bei schuldhaftem Nichtbezahlen wird die jeweilige Busse in eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen umgewandelt (Art. 106 Abs. 2 StGB).
2.7.4 Für den Vollzug der Strafen ist der Kanton Graubünden zuständig (Art. 74 Abs. 1 StBOG i.V.m. 31 Abs. 2 StPO).
2.8 Fazit der Strafzumessung
2.8.1 A. ist zu bestrafen mit einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen à Fr. 300.--, bedingt vollziehbar, bei einer Probezeit von 2 Jahren, und einer Busse von Fr. 3'000.--. Bezahlt er die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.
2.8.2 B. ist zu bestrafen mit einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen à Fr. 300.--, bedingt vollziehbar, bei einer Probezeit von 2 Jahren, und einer Busse von Fr. 3'000.--. Bezahlt er die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.
3. Verfahrenskosten
3.1 Anträge
3.1.1 A. liess diesbezüglich anlässlich der Berufungsverhandlung vom 5. Oktober 2022 folgenden Antrag stellen: «2. es sei die Dispositivziffer IV.2. aufzuheben und es seien die erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten der Staatskasse aufzuerlegen» (CAR pag. 5.200.001; oben SV lit. B.9).
3.1.2 B. stellte den Antrag, «Ziff. IV.2. des Dispositivs des Urteils des Bundesstrafgerichts vom 15. Dezember 2021 (SK.2021.34) sei aufzuheben und die Verfahrenskosten seien auf die Staatskasse zu nehmen» (CAR pag. 1.100.040; oben SV lit. B.1 und B.9). Betreffend die Verfahrenskosten des Berufungsverfahrens stellte B. keinen expliziten Antrag. Da er aber einen Freispruch verlangte, wurde damit implizit auch beantragt, dass die Verfahrenskosten des Berufungsverfahrens auf die Staatskasse zu nehmen seien.
3.1.3 Die BA stellte folgende Anträge: «I. 3. Von den vorinstanzlichen Verfahrenskosten in der Höhe von CHF 10'000.00 seien A. CHF 5'000.00 aufzuerlegen. 4. Die oberinstanzlichen Verfahrenskosten seien A. zur Hälfte aufzuerlegen. II. 3. Von den vorinstanzlichen Verfahrenskosten in der Höhe von CHF 10'000.00 seien B. CHF 5'000.00 aufzuerlegen. 4. Die oberinstanzlichen Verfahrenskosten seien B. zur Hälfte aufzuerlegen» (CAR pag. 4.200.011; oben SV lit B.6).
3.2 Gesetzliche Grundlagen
3.2.1 Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird (Art. 426 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 Satz 1 StPO). Fällt die Rechtsmittelinstanz selber einen neuen Entscheid, so befindet sie darin auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung (Art. 428 Abs. 3 StPO). Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der Verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat (Art. 417 StPO).
3.2.2 Das Bundesstrafgericht regelt durch Reglement (a) die Berechnung der Verfahrenskosten, (b) die Gebühren, (c) die Entschädigungen an Parteien, die amtliche Verteidigung, den unentgeltlichen Rechtsbeistand, Sachverständige sowie Zeuginnen und Zeugen (Art. 73 Abs. 1 StBOG). Die Gebühr richtet sich nach Umfang und Schwierigkeit der Sache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien sowie nach dem Kanzleiaufwand (Art. 73 Abs. 2 StBOG; vgl. Art. 5 Reglement des Bundesstrafgerichts über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR, SR. 173.713.162]). Es gilt ein Gebührenrahmen von Fr. 200.00 bis Fr. 100'000.00 für jedes der folgenden Verfahren: (a) Vorverfahren, (b) erstinstanzliches Verfahren, (c) Rechtsmittelverfahren (Art. 73 Abs. 3 StBOG; vgl. Art. 6 - 7bis BStKR).
3.2.3 Die Verfahrenskosten umfassen die Gebühren und Auslagen (Art. 1 Abs. 1 BStKR). Die Gebühren sind für die Verfahrenshandlungen geschuldet, die im Vorverfahren von der BKP und von der BA, im erstinstanzlichen Hauptverfahren von der Strafkammer, im Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren von der Berufungskammer und in Beschwerdeverfahren gemäss Artikel 37 StBOG von der Beschwerdekammer durchgeführt oder angeordnet worden sind (Art. 1 Abs. 2 BStKR). Die Auslagen umfassen die vom Bund vorausbezahlten Beträge, namentlich die Kosten für die amtliche Verteidigung und die unentgeltliche Verbeiständung, Übersetzungen, Gutachten, Mitwirkung anderer Behörden, Porti, Telefonspesen und andere entsprechende Kosten (Art. 1 Abs. 3 BStKR). Die Auslagen werden entsprechend den dem Bund verrechneten oder von ihm bezahlten Beträgen festgelegt (Art. 9 Abs. 1 BStKR).
3.3 Kosten des Untersuchungs- und des erstinstanzlichen Verfahrens
Die Rechtsmittelinstanz fällt vorliegend selber einen neuen Entscheid. Da die erstinstanzlichen Schuldsprüche bestätigt werden, sind die von der Vorinstanz angeordneten Kostenauflagen (Dispositivziffer IV. 2.: Fr. 5'000.-- zulasten von A.; Fr. 5'000.-- zulasten von B.) ebenfalls zu bestätigen (Art. 428 Abs. 3 StPO).
3.4 Kosten des Berufungsverfahrens
3.4.1 Die Kosten des Berufungsverfahrens bestehen vorliegend aus einer Gerichts——gebühr, die im Lichte der erwähnten Grundsätze (oben E. II. 3.2.1 ff.) auf Fr. 6'000.-- (inkl. Auslagen; vgl. Art. 73 Abs. 1 Iit. a und b sowie Abs. 3 lit. c StBOG; Art. 1, 5, 7bis und 9 BStKR) festgelegt wird.
3.4.2 Auch im vorliegenden Berufungsverfahren werden die beiden Beschuldigten je der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziffer 1 StGB) schuldig gesprochen. Betreffend ihre Hauptanträge sind sie somit unterlegen. Im Vergleich zum vorinstanzlichen Urteil werden die aus—gesprochenen Strafen indes reduziert (neu je: Geldstrafe von 110 Tagessätzen à Fr. 300.--, bedingt vollziehbar, bei einer Probezeit von 2 Jahren, und Busse von Fr. 3'000.-- [bei schuldhafter Nichtbezahlung der Busse: Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen]). Die beiden Beschuldigten haben zwar keine formellen (Eventual-)Anträge auf Reduktion ihrer Strafen im Falle erneuter Schuldsprüche gestellt. Im Rahmen der Parteivorträge wurde jedoch je für eine Reduktion der Strafen plädiert (CAR pag. 5.100.010; 5.200.012.f.). Unter Beachtung des Verbots des überspitzen Formalismus ist deshalb eine leichte Reduktion der von den beiden Beschuldigten zu tragenden Kosten des Berufungsverfahrens angebracht.
3.4.3 Zu berücksichtigen ist andererseits auch, dass die beiden Beschuldigten zur (ersten) Berufungsverhandlung vom 13. Mai 2022 – trotz ordnungsgemässer Vorladung und ausdrücklicher Ablehnung der Dispensationsgesuche – unentschuldigt nicht erschienen sind. Deswegen war es notwendig, die Berufungsverhandlung abzubrechen und zu einer neuen Berufungsverhandlung vorzuladen (CAR pag. 5.100.002 f.; oben SV lit. B.8 f.). Die Kosten für die (erste) Berufungsverhandlung vom 13. Mai 2022 sind den beiden Beschuldigten deshalb ohne Reduktion je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 417 StPO).
3.4.4 Angesichts des Verfahrensausgangs und unter Berücksichtigung der erwähnten Umstände (oben E. II. 3.4.2 f.) erscheint es angemessen, die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 6'000.-- A. in reduziertem Umfang von Fr. 2'700.-- (90 % von Fr. 3'000.--) und B. in reduziertem Umfang von Fr. 2'700.-- (90 % von Fr. 3'000.--) aufzuerlegen. Der Restbetrag von Fr. 600.-- (10 % von Fr. 6'000.--) ist vom Staat zu tragen.
4. Entschädigungen
4.1 Anträge
4.1.1 A. liess diesbezüglich anlässlich der Berufungsverhandlung vom 5. Oktober 2022 folgende Anträge stellen: «3. es sei die Dispositivziffer V.1. aufzuheben und es sei dem Beschuldigten A. für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren eine Entschädigung gemäss den eingereichten Honorarnoten für die Aufwendungen und Auslagen der erbetenen Verteidigung zuzusprechen; [ ] alles unter Kosten und Entschädigungs—folgen (zzgl. MWSt.) zulasten der Staatskasse» (CAR pag. 5.200.002; oben SV lit. B.9).
4.1.2 B. stellte diesbezüglich den Antrag, «2.4 Ziff. V.1. des Dispositivs des Urteils des Bundesstrafgerichts vom 15. Dezember 2021 (SK.2021.34) sei aufzuheben und dem Beschuldigten B. sei eine angemessene Entschädigung zu bezahlen» (CAR pag. 1.100.040; oben SV lit. B.1), bzw. er präzisierte diesen Antrag anlässlich der Berufungsverhandlung vom 5. Oktober 2022 wie folgt: «4. Ziffer V. 1 des Dispositivs des Urteils des Bundesstrafgerichts vom 15. 12. 2021 sei aufzuheben und Herrn B. eine angemessene Entschädigung für die angefallenen Anwaltskosten zu bezahlen» (CAR pag. 5.100.009; oben SV lit. B.9).
4.1.3 Die BA stellte folgende Anträge: «I. 5. Es sei A. keine Entschädigung auszurichten. II. 5. Es sei B. keine Entschädigung auszurichten» (CAR pag. 4.200.011; oben SV lit B.6).
4.2 Gesetzliche Grundlagen
4.2.1 (1) Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren richten sich nach den Artikeln 429–434. (2) Erfolgt weder ein vollständiger oder teilweiser Freispruch noch eine Einstellung des Verfahrens, obsiegt die beschuldigte Person aber in anderen Punkten, so hat sie Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen (Art. 436 Abs. 1 und 2 StPO).
4.2.2 Auf die Berechnung der Entschädigung der ganz oder teilweise freigesprochenen beschuldigten Person, der Wahlverteidigung, der gänzlich oder teilweise obsiegenden Privatklägerschaft und der Drittperson im Sinne von Artikel 434 StPO sind die Bestimmungen über die Entschädigung der amtlichen Verteidigung anwendbar (Art. 10 BStKR). Die Anwaltskosten umfassen das Honorar und die notwendigen Auslagen, namentlich für Reise, Verpflegung und Unterkunft sowie Porti und Telefonspesen (Art. 11 Abs. 1 BStKR). Das Honorar wird nach dem notwendigen und ausgewiesenen Zeitaufwand der Anwältin oder des Anwalts für die Verteidigung bemessen. Der Stundenansatz beträgt mindestens 200 und höchstens 300 Franken (Art. 12 Abs. 1 BStKR). Die Auslagen werden im Rahmen der Höchstansätze aufgrund der tatsächlichen Kosten vergütet (vgl. Art. 13 BStKR). Bei Fällen im ordentlichen Schwierigkeitsbereich, d.h. für Verfahren ohne hohe Komplexität und ohne Mehrsprachigkeit, beträgt der Stundenansatz gemäss ständiger Praxis der Straf- und der Berufungskammer Fr. 230.-- für Arbeitszeit und Fr. 200.-- für Reise- und Wartezeit (vgl. Beschluss der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts BK.2011.21 vom 24. April 2012 E. 2.1; Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SN.2011.16 vom 5. Oktober 2011 E. 4.1).
4.2.3 Das vorliegende Verfahren stellte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine überdurchschnittlichen Anforderungen an die Verteidigung. Der Stundenansatz für die anwaltliche Tätigkeit ist daher praxisgemäss auf Fr. 230.--, für die Reisezeit auf Fr. 200.-- sowie für die Praktikantentätigkeit auf Fr. 100.-- festzusetzen.
4.3 Vorverfahren / erstinstanzliches Verfahren
Da die erstinstanzlichen Schuldsprüche bestätigt werden, sind A. und B. für das Vorverfahren und erstinstanzliche Verfahren keine Entschädigungen auszurichten (vgl. oben E. II. 3.3).
4.4 Berufungsverfahren
4.4.1 Betreffend das teilweise Obsiegen der beiden Beschuldigten im Berufungsverfahren ist auf die obigen E. II. 3.4.2 f. zu verweisen. Die entsprechenden Ausführungen gelten sinngemäss auch für die Ansprüche der beiden Beschuldigten auf Entschädigung für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte im Berufungsverfahren, welche grundsätzlich (ebenfalls) je 10 % betragen (Art. 436 Abs. 2 StPO). Dies gilt zufolge unentschuldigter Säumnis jedoch (wiederum) nicht in Bezug auf die (erste) Berufungsverhandlung vom 13. Mai 2022 (Art. 417 StPO); die hierfür angefallenen Anwaltskosten haben die beiden Beschuldigten somit je vollumfänglich selbst zu tragen.
Zur Honorarnote der Verteidigung von A. vom 5. Oktober 2022 ist zudem anzumerken, dass die Vorbereitung für die erste Berufungsverhandlung vom 13. Mai 2022, inkl. Telefonat und E-Mail-Korrespondenz mit Klientschaft, (mindestens) 1,4 h + 5,6 h + 6,5 h = 13,5 h betrug (siehe Einträge vom 2., 11. und 12. Mai 2022). Vor diesem Hintergrund erscheinen 2 h zur Vorbereitung für die zweite Berufungsverhandlung vom 5. Oktober 2022 als ausreichend (betrifft nachfolgende E. II. 4.4.2.2).
Des Weiteren ist zur Honorarnote der Verteidigung von B. vom 5. Oktober 2022 zu erwähnen, dass die Vorbereitung für die erste Berufungsverhandlung vom 13. Mai 2022 bereits 240 min betrug (12. Mai 2022); somit erscheinen 120 min zur Vorbereitung für die zweite Berufungsverhandlung vom 5. Oktober 2022 als ausreichend (betrifft nachfolgende E. II. 4.4.3.2).
4.4.2 Mit Honorarnote vom 5. Oktober 2022 (CAR pag. 5.200.018 ff.) macht die Verteidigung von A. folgende Leistungen geltend:
4.4.2.1 Auf der Honorarnote aufgeführte Positionen / Ansätze:
- Arbeitszeit: 53.40 h
- Reisezeit: 6.6 h
- Stundenansatz Arbeitszeit Fr. 300.-- / h
- Stundenansatz Reisezeit Fr. 200.-- / h
Auf der Honorarnote geltend gemachte Kosten:
- Honorare Fr. 16'020.-- (53,4 h x Fr. 300.-- / h)
- Porti: Fr. 15.90
- Zugbillet Zürich - Bellinzona Fr. 113.80
- Reisezeit (2 x 1.65 h) am 13. Mai 2022 Fr. 660.--
- Reisezeit (2 x 1.65 h) am 5. Okt. 2022 Fr. 660.--
Zwischentotal (exkl. MWST) Fr. 17'469.70
MWST 7,7 % von Fr. 17'469.70 Fr. 1'345.20
Rechnungstotal (inkl. MWST) Fr. 18'814.90
4.4.2.2 Folgende Korrekturen sind vorzunehmen (vgl. oben E. II. 4.2.1 ff. und 4.4.1):
- Stundenansatz Arbeitszeit: Fr. 230.-- / h statt Fr. 300.-- / h
- Reisezeit 13. Mai 2022 (2 x 1.65 h) Fr. 660.-- gestrichen (Art. 417 StPO)
Arbeitszeit:
- Berufungsverhandlung 13. Mai 2022
inkl. Nachbearbeitung 2,5 h gestrichen (Art. 417 StPO)
- Vorbereitung (2.) Berufungsverhandlung
28. Sept., 3. und 4. Okt. 2022 2 h statt 4,5 h
- Teilnahme an der (2.) Berufungs-
verhandlung vom 5. Okt. 2022 + 2 h (fehlen auf der Honorarnote)
Total Korrekturen Arbeitszeit minus 3 h
4.4.2.3 Demgemäss werden folgende Positionen (teilweise) gutgeheissen:
- Arbeitszeit: 53,4 h - 3 h = 50,4 h; x Fr. 230.-- / h = Fr. 11'592.--
- Reisezeit: 6,6 h - 3,3 h = 3,3 h; x Fr. 200.-- / h = Fr. 660.--
- Spesen: Fr. 15.90 + Fr. 113.80 = Fr. 129.70
Zwischentotal (exkl. MWST) Fr. 12'381.70
MWST 7,7 % von Fr. 12'381.70 Fr. 953.40
Rechnungstotal (inkl. MWST) Fr. 13'335.10
Davon 10 % (entsprechend A.s teilweisem Obsiegen vor Berufungsinstanz) Fr. 1'333.50
4.4.2.4 Somit ist A. für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrechte im Berufungsverfahren eine anteilsmässige Entschädigung von insgesamt Fr. 1'333.50 (inkl. MWST) auszurichten (10 % von Fr. 13'335.10).
4.4.3 Mit Honorarnote vom 5. Oktober 2022 (CAR pag. 5.200.021 f.) macht die Verteidigung von B. folgende Leistungen geltend:
4.4.3.1 Auf der Honorarnote aufgeführte Positionen / Ansätze:
- Arbeitszeit: 1'835 min (30,583 h)
- Reisezeit: 490 min (8,167 h)
- Stundenansatz: Fr. 350.-- / h
- Spesen: Fr. 259.50
- Summe Honorar Arbeits- + Reisezeit: Fr. 13'562.50
Daraus ergäben sich gemäss den aufgeführten Positionen / Ansätzen folgende Beträge:
- Honorar inkl. Spesen: Fr. 13'822.-- (effektiv geltend gemacht: Fr. 13'876.--)
- MWST 7,7 %: Fr. 1'064.30 (effektiv geltend gemacht: Fr. 1'068.45)
- Honorar inkl. MWST Fr. 14'886.30 (effektiv geltend gemacht: Fr. 14'944.45)
4.4.3.2 Folgende Korrekturen sind vorzunehmen (vgl. oben E. II. 4.2.1 ff. und 4.4.1):
- Stundenansätze: Fr. 230.-- / h (Arbeitszeit) bzw.
Fr. 200.-- / h (Reisezeit) statt Fr. 350.-- / h
- Reisezeit 13. Mai 2022 245 min gestrichen (Art. 417 StPO)
Arbeitszeit:
- Berufungsverhandlung 13. Mai 2022 30 min gestrichen (Art. 417 StPO)
- Vorbereitung (2.) Verhandlung
4. Okt. 2022 120 min statt 310 min
- Berufungsverhandlung
5. Oktober 2022 120 min statt 180 min
Total Korrekturen Arbeitszeit minus 280 min
- Spesen: Zugbillet 13. Mai 2022 Fr. 107.-- gestrichen (Art. 417 StPO)
4.4.3.3 Demgemäss werden folgende Positionen (teilweise) gutgeheissen:
- Arbeitszeit: 1'835 min - 280 min = 1'555 min = 25,917 h; x Fr. 230.-- / h = Fr. 5'960.85
- Reisezeit: 490 min - 245 min = 245 min = 4,83 h; x Fr. 200.-- / h = Fr. 816.65
- Spesen: Fr. 259.50 - Fr. 107.-- = Fr. 152.50
Zwischentotal (exkl. MWST) Fr. 6'930.--
MWST 7,7 % von Fr. 6'930.-- Fr. 533.60
Rechnungstotal (inkl. MWST) Fr. 7'463.60
Davon 10 % (entsprechend B.s teilweisem Obsiegen vor Berufungsinstanz) Fr. 746.35
4.4.3.4 Somit ist B. für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrechte im Berufungsverfahren eine anteilsmässige Entschädigung von insgesamt Fr. 746.35 (inkl. MWST) auszurichten (10 % von Fr. 7'463.60).
Die Berufungskammer erkennt:
I. Feststellung der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils
Es wird festgestellt, dass das Urteil der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2021.34 vom 15. Dezember 2021 wie folgt in Rechtskraft erwachsen ist:
III.
1. Der Antrag der Bundesanwaltschaft auf Begründung einer Ersatzforderung zugunsten der Eidgenossenschaft und zulasten der C. AG wird abgewiesen.
2. Die Beschlagnahme des Kontos 1, lautend auf C. AG, bei der Bank D. wird aufgehoben.
IV.
1. Die Verfahrenskosten betragen Fr. 10'000.– (Gebühren für das Vorverfahren: Fr. 7'000.–; Gerichtsgebühr: Fr. 3'000.–).
2. […]
V.
1. […]
2. Die C. AG wird von der Eidgenossenschaft mit Fr. 13'615.50 entschädigt.
II. Neues Urteil
1. A. wird der mehrfachen verbotenen Handlungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziffer 1 StGB) schuldig gesprochen.
2. A. wird bestraft mit einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen à Fr. 300.--, bedingt vollziehbar, bei einer Probezeit von 2 Jahren, und einer Busse von Fr. 3'000.--. Bezahlt A. die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.
3. B. wird der mehrfachen verbotenen Hand—lungen für einen fremden Staat (Art. 271 Ziffer 1 StGB) schuldig gesprochen.
4. B. wird bestraft mit einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen à Fr. 300.--, bedingt vollziehbar, bei einer Probezeit von 2 Jahren, und einer Busse von Fr. 3'000.--. Bezahlt B. die Busse schuldhaft nicht, so tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen.
5. Der Kanton Graubünden wird als Vollzugskanton bestimmt.
6. Die Gebühren für das Vorverfahren von Fr. 7'000.-- und die erstinstanzliche Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- (zusammen Fr. 10'000.--) werden wie folgt auferlegt:
- A.: Fr. 5'000.--,
- B.: Fr. 5'000.--.
7. A. und B. wird für das Vorverfahren und erstinstanzliche Verfahren keine Entschädigung ausgerichtet.
III. Kosten und Entschädigungen im Berufungsverfahren
1. Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 6'000.-- (Gerichtsgebühr inkl. Auslagen) werden ausgangsgemäss wie folgt auferlegt:
- A.: Fr. 2'700.-- (90 % von Fr. 3'000.--),
- B.: Fr. 2'700.-- (90 % von Fr. 3'000.--).
Der Restbetrag von Fr. 600.-- (10 % von Fr. 6'000.--) wird vom Staat getragen.
2. A. wird für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrechte im Berufungsverfahren eine anteilsmässige Entschädigung von insgesamt Fr. 1'333.50 (inkl. MWST) ausgerichtet (10 % von Fr. 13'335.10).
3. B. wird für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrechte im Berufungsverfahren eine anteilsmässige Entschädigung von insgesamt Fr. 746.35 (inkl. MWST) ausgerichtet (10 % von Fr. 7'463.60).
Im Namen der Berufungskammer
des Bundesstrafgerichts
Der Vorsitzende Der Gerichtsschreiber
Olivier Thormann Franz Aschwanden
Zustellung an (Gerichtsurkunde):
- Bundesanwaltschaft
- Herrn Rechtsanwalt Patrik Salzmann
- Herrn Rechtsanwalt Nathan Landshut
- Herrn Rechtsanwalt Mauro Lardi
Kopie an (brevi manu):
- Strafkammer des Bundesstrafgerichts
Nach Eintritt der Rechtskraft mitzuteilen an:
- Bundesanwaltschaft, Urteilsvollzug und Vermögensverwaltung
Rechtsmittelbelehrung
Beschwerde an das Bundesgericht
Dieses Urteil kann innert 30 Tagen nach Eröffnung der vollständigen Ausfertigung mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht angefochten werden. Das Beschwerderecht und die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in den Art. 78-81 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG) geregelt. Die begründete Beschwerdeschrift ist beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen.
Die Fristeinhaltung bei Einreichung der Beschwerdeschrift in der Schweiz, im Ausland bzw. im Falle der elektronischen Einreichung ist in Art. 48 Abs. 1 und 2 BGG geregelt.
Versand: 14. Dezember 2022
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.